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Kalte Hitze

von

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Wofür hat man beste Freunde?

Kapitel 5: Wofür hat man beste Freunde?
 

Jack wusste nicht, wie lange er dort auf der eiskalten Wiese gelegen hatte, er wusste nur, dass er keine Ruhe gefunden hatte. Er hatte gehofft, irgendwann einzuschlafen, aber trotz der Verausgabung war er nicht müde genug gewesen. So lag er stundenlang dort, zusammengekrümmt wie ein Embryo und genoss das taube Gefühl an seiner Wange, das die Kälte ausgelöst hatte. Ob wohl ein Abdruck auf seiner Wange zu sehen war? Eigentlich kümmerte es ihn nicht. Wahrscheinlich würden ohnehin alle denken, er hätte sich geschlägert, weil er in den Augen der Lehrer schon lange ein ungebildeter und unzivilisierter Schüler war. So kurz vor seinem Abschluss gab er es auf, ihre Meinungen von ihm ändern zu wollen, wieso also nicht ihre Befürchtungen bestätigen? Die Vorstellung hob seine Laune zwar nur minimal, aber immerhin fühlte er sich nicht mehr allzu miserabel.
 

Jack rollte sich auf den Rücken und sah nach oben zu den Sternen. Es war noch immer sehr dunkel, rein vom Gefühl her müsste es jetzt in den frühen Morgenstunden sein, vielleicht um drei oder vier Uhr. Es würden noch einige Stunden vergehen, ehe der Morgen graute und der Himmel sich erhellte. Für einen Moment überlegte er, ob er sich auf dem Heimweg machen sollte, entschied sich aber dagegen. Die Gefahr war zu groß, dass er seiner Mutter über den Weg lief, die das Haus immer sehr früh verließ. Und nun kannte Jack auch den Grund dafür. Vorher hatte er nie in Frage gestellt, warum seine Mutter schon vor sechs Uhr das Haus verließ, wo sie doch erst um neun Uhr mit der Arbeit anfing. In seiner Naivität hatte er immer geglaubt, sie würde extra Überstunden schieben, damit am Monatsende mehr Geld zur Verfügung stand, aber seit gestern Abend ... Jack hatte den Glauben an seine Mutter verloren. Er bezweifelte, dass er jemals wieder normal mit ihr umgehen konnte.
 

Die Wiese um ihn herum war noch immer voller Schnee und Eis. Bei den Temperaturen würde es auch noch eine Weile dauern, bis alles geschmolzen war. Er konnte das weiße Schimmern im Mond- und Sternenlicht erkennen und er fand, dass es wunderschön aussah. Glitzernde Eiskristalle, die wahre Schönheit des Winters. Seine Finger glitten über vereiste Grashalme. Er mochte das leichte Kitzeln, welches das Gras auslöste.
 

Er war so eingenommen von seiner Umgebung, dass er erst spät mitbekam, wie sich ihm jemand näherte. Jack setzte sich auf und er lauschte angestrengt. Das leise Knirschen verriet seinen unerwünschten Besucher. Jack überlegte, ob er so tun sollte, als sei er nicht da, doch dafür schien es schon zu spät zu sein, denn der Fremde stand schon zu nah bei ihm, als dass er ihn jetzt noch übersehen könnte. Jack versuchte etwas zu erkennen, doch das einzige, was er sah, war eine große und breite Gestalt, die den Mond verdeckte. Der Fremde kniete sich zu ihm herunter und der Mond beschien das glänzend goldene Haar. Das runde, freundliche Gesicht von Sandy war besorgt verzogen und er starrte ihn aus großen Augen an. Jack war erleichtert, als er seinen Freund erkannte.
 

»Sandy!«, sagte er erfreut. »Was machst du denn hier?«
 

Sandy ließ sich neben ihm nieder und betrachtete stumm die Umgebung. Ihm musste das alles wohl sehr seltsam vorkommen, dass es hier so vereist war, aber sonst nirgendwo in der Gegend. Jack überlegte sich schon eine Ausrede, die nicht ganz so verrückt klang wie die Wahrheit - »Sorry, Sandy, ich hatte einen leichten Gefühlsausbruch, ach, und nebenbei, ich kann mit Schnee und Eis um mich werfen! Nicht schlecht, was?« - aber Sandy schien gar nicht an einer Erklärung interessiert zu sein, denn er lehnte sich entspannt nach hinten und beobachtete den Mond. Sandy stellte keine Fragen, und so stellte auch Jack keine. Sie saßen schweigend nebeneinander, beobachteten den Mond so lange, bis er irgendwann hinterm Horizont verschwand. Hinter ihnen wurde es langsam hell, die ersten Sterne verblassten bereits.
 

Jack war so versunken in dem Moment, dass er sich etwas erschreckte, als ihm Sandy eine Hand auf die Schulter legte und in Richtung Stadt nickte. Lass uns gehen, schien er zu sagen und Jack nickte. Sandy hatte Recht, langsam sollten sie sich auf den Heimweg machen, immerhin musste er Emma noch in die Schule bringen. Er stand auf und seine Glieder schmerzten, als sie nach einer langen Nacht wieder beansprucht wurden. Stöhnend presste er sich eine Hand in die Seite. Er fühlte sich wie ein alter Mann, als er sich auf seinen Stab stützte und neben Sandy her humpelte. Zum Glück schien Sandy zu wissen, wo sie sich befanden, denn Jack erkannte die Gegend nicht wieder. Er musste gestern Abend eine ganze Weile gelaufen sein, die Lichter der Stadt kamen erst nach einer ganzen Weile zum Vorschein. Im Halbdunkeln erahnte er, in welcher Gegend er sich befand, und er war erleichtert, dass er sich nicht allzu weit entfernt von Zuhause entfernt hatte. Sie liefen einen Weg aus Matsch entlang, der Jack zwischen die Zehen kroch. Auch wenn es etwas eklig war, wie der braune Dreck aus den Zwischenräumen seiner Zehen zum Vorschein kam, so mochte er das Gefühl ganz gerne. Es gab kein besseres Pflegemittel für Füße als Schlamm. Das wusste er schon als kleines Kind.
 

Der Matschweg ging in eine geteerte Straße über und schon waren sie umgeben von Häusern. Zielsicher fand Jack seinen Weg und Sandy folgte ihm hüpfend. Er tat sein Bestes, um alle schlammigen Fußspuren zu treffen, die sein Freund hinterließ. Schon nach kurzer Zeit standen die beiden vor Jacks Wohnung. Das Gartentor war geöffnet und Jack vermutete, dass seit seinem Ausbruch gestern wohl niemand mehr durch das Törchen gegangen war. Ein bisschen verletzte es ihn, dass seine Rabenmutter nicht nach ihm gesucht hatte, doch irgendwie hatte er damit gerechnet. Warum sollte sie nach ihm suchen? Anscheinend war er ihr ja nicht gerade wichtig.
 

Jack seufzte und ging dann auf die Haustür zu. Aus Gewohnheit griff er in seine Hosentasche, um seinen Schlüssel hervorzufischen, doch heute griff er ins Leere. Verwirrt sah er auch in der anderen Tasche nach, doch da befand sich nur sein Handy. Frustriert seufzte er und ließ seinen Kopf gegen die Wohnungstür fallen. Die gab einen protestierenden Laut von sich und öffnete sich wie von Geisterhand. Erschrocken wich Jack etwas zurück, fast so, als erwarte er wirklich einen Geist. Die Tür schwang ungehindert nach innen, es war dunkel im Flur. Niemand befand sich dort, niemand, der die Tür geöffnet haben könnte. War die Tür gar nicht abgeschlossen gewesen? Jack drehte sich mit fragender Miene zu Sandy um, der nur mit den Schultern zuckte. Vorsichtig trat er in den Flur, rief ein zögerliches »Hallo?« in die Wohnung, erhielt aber keine Antwort. Sandy schloss die Tür hinter sich, als auch er eingetreten war.
 

»Niemand da«, kommentierte Jack, nachdem er das Erdgeschoss durchsucht hatte. Höchstwahrscheinlich war seine Mutter auch schon weg, vielleicht war sie sogar schon kurz nach ihm aus dem Haus gestürmt und war zu ihrem Lover geflüchtet. Auf dem Küchentisch jedenfalls lag heute keine Nachricht, auch Pausenbrot war keines gerichtet. Und laut Küchenuhr war es halb sechs, das hieß, dass er neben Frühstück auch noch etwas für die Mittagspause vorbereiten musste.
 

»Möchtest du etwas essen? Trinken?«, fragte er an Sandy gewandt, der mit schaukelnden Beinen am Tisch saß und nickte. Also begann Jack damit, das Frühstück vorzubereiten. Dabei spürte er Sandys Blick im Rücken. Jack vermutete, dass er noch eine Erklärung wollte, warum er auf der Wiese gelegen hatte, warum es dort so vereist war, warum er sich anders benahm als sonst ... Das Frühstück war schnell gemacht, der Orangensaft war auch schnell in den Gläsern und Jack stellte alles auf den Küchentisch. Er setzte sich Sandy gegenüber, der völlig vertieft in ein Stück Papier war, welches er gerade bemalte. Als er fertig mit seinem Kunstwerk war, reichte er das Papier an Jack weiter und bediente sich an Rührei und Speck.
 

Jack musterte das Bild. Sandy hatte ihn gemalt, liegend unter dem Sternenhimmel, mit einem Fragezeichen daneben. Seufzend begann er von gestern zu erzählen, vom katastrophalen Matheunterricht, von der Jahrbuch-AG, vom Fremden, der Emma nach Hause gefahren hatte und von seiner Mutter, die lieber bei ihrem Lover war als bei ihren Kindern. Er erzählte von seinen Gefühlen, von seinem Hass auf alle, und davon, wie er einfach gerannt war und dort liegen geblieben war, wo Sandy ihn am Morgen gefunden hatte.
 

Sandy hatte aufmerksam zugehört und nickte langsam. Er kam von dem Stuhl herunter und lief um den Tisch herum, bis er neben Jack stehen blieb und ihn in die Arme nahm. Tröstend tätschelte er ihm den Rücken und Jack fühlte sich wie ein kleiner Junge. Dann legte er Jack beide Hände auf die Schulter und sah ihm lächelnd in die Augen. Er schüttelte seinen Kopf, als wollte er sagen: Mach dir keine Sorgen, es wird schon alles wieder.
 

»Was hast du so früh am Morgen überhaupt dort verloren?«
 

Sandy fühlte sich ertappt und wandte seinen Blick ab. Unsicher sah er in der Küche umher, bis sein Blick wieder auf Jack traf. Dann seufzte er lautlos, ging erneut um den Tisch herum und setzte sich wieder auf den Stuhl. Er zog das Papier von Jack weg und begann dieses Mal, etwas zu schreiben.
 

Ich konnte plötzlich nicht mehr schlafen. Ich fühlte mich auf einmal unwohl, schrieb Sandy. Unsicher blickte er auf und erwiderte Jacks irritierten Blick. Mir war mit einem Mal so, als würde etwas nicht stimmen. Ich habe versucht dich anzurufen, doch bist nicht an dein Handy gegangen und an das Haustelefon auch nicht. Also habe ich dich gesucht.
 

»Du hast es gefühlt?«, wiederholte Jack verwirrt. Sandy nickte, dann stand er erneut auf und kam wieder auf Jack zu. Er zog ihn von seinem Stuhl herunter. Sie standen sich gegenüber, Sandy sah Jack ernst an. Dann hob er seine linke Hand und legte sie Jack auf die Brust. Jack spürte seinen eigenen Herzschlag plötzlich deutlicher als vorher und er war verwirrt und irritiert. Was wollte ihm Sandy damit sagen? Der hatte die Augen geschlossen und konzentrierte sich angestrengt auf etwas. Sein Gesicht war verzogen und fast hätte Jack darüber gelacht, aber irgendwie war die Situation zu eigenartig, als dass er darüber lachen konnte.
 

Auf einmal lächelte Sandy, er schien erleichtert zu sein. Als er seine Augen öffnete, strahlte er ihn an, griff nach dem Stift, der auf dem Tisch lag, und malte sich dann etwas in die Handfläche. Jack legte den Kopf schief, er verstand nicht, was Sandy von ihm wollte. Das erste Mal, seit sie sich kannten, wünschte er, dass Sandy einfach sagen würde, was er dachte. Mit seinen Gesten kam er gerade nicht klar.
 

Sandy zeigte ihm, was er sich in die Handfläche gemalt hatte und Jack starrte auf den Eiskristall, den er bis ins kleinste Detail gestaltet hatte. Er weiß es, dachte er sich und sah Sandy überrascht an.
 

»Woher -«, begann er, doch weiter kam er nicht, denn etwas in Sandys Handfläche lenkte seine Aufmerksamkeit auf sich. Zuerst dachte er, er hätte sich das nur eingebildet, doch je genauer er hinsah, desto mehr erkannte er das, was da herumwirbelte: Sand. Sandy ließ Sand in seinen Handflächen entstehen und er konnte damit sogar einen kleinen Eiskristall formen. Ungläubig starrte Jack auf die sich drehende Form, dann auf Sandys Hand und dann in sein Gesicht.
 

»Du ... Du kannst auch ...?«
 

Sandy nickte erfreut, ließ den Sand in seiner Hand verschwinden. Kein einziges Korn blieb zurück.
 

Nachdem sich der erste Schock legte, begann Jack zu lachen.
 

»Das ist ... unglaublich! Seit wann kannst du das? Wahnsinn, ob es noch mehr von uns gibt?« Jack war begeistert und er strahlte mit Sandy um die Wette. »Das musst du unbedingt Bunny zeigen! Der kann nämlich einiges mit Pflanzen anstellen, weißt du? Man, was wir für ein Trio sind!«
 

Sandy warf begeistert seine Hände in die Luft, dann fiel sein Blick auf die Küchenuhr und er fuhr erschrocken zusammen. Entschuldigend tippte er sich auf sein Handgelenk.
 

»Wir sehen uns im Kunstunterricht«, verabschiedete sich Jack von seinem Freund, der wild grinste und aus der Wohnung hüpfte. Jack blickte ihm lange hinterher und er fragte sich, ob das wohl Zufall sein konnte, dass ausgerechnet sie drei Freunde waren. Bunny, der die Pflanzen kontrollierte, Sandy, der den Sand in seiner Hand hatte und er, Jack, der einfach so nebenbei einen Blizzard entstehen lassen konnte. Jahrelang hatte er immer gedacht, er wäre der einzige, der so etwas konnte, doch dann outete sich Bunny und nun auch noch Sandy. Ob es wohl noch mehr gab? Noch mehr Leute mit einer besonderen Gabe? Vielleicht befanden sich ja noch mehr in seiner Nähe. Konnte man solche Menschen wohl auf irgendeine Weise spüren? Sandy konnte das, so wie es in der Küche ausgesehen hatte. Ob er es ihm wohl zeigen konnte, wie er das gemacht hatte? Jack nahm sich vor, Sandy während des Kunstunterrichts zu fragen.
 

Er schloss gerade die Tür, als hinter ihm jemand die Treppe herunter kam. Jack befürchtete, es wäre seine Mutter, als er sich jedoch umdrehte, stand da seine Schwester in ihrem Schlafanzug, mit verwuschelten Haaren und verheulten Augen. Ihr liefen dicke Tränen die Wangen hinunter.
 

»Jack«, schluchzte sie und stürzte sich in die Arme ihres Bruders. Der kniete sich nieder, ließ zu, dass sich Emma an seine Brust drückte, und streichelte ihren Rücken, während sie hemmungslos weinte. Sie versuchte etwas zu sagen, doch sie bekam kein vernünftiges Wort heraus, weil sie so sehr in Tränen aufgelöst war.
 

»Es ist doch alles gut, ganz ruhig, ich bin doch da«, versuchte er Emma zu beruhigen. Sie nickte zwar, aber es dauerte eine gefühlte Ewigkeit, bis sie wieder normal atmen konnte und nicht mehr ganz so sehr schluchzte. Dann schob er sie etwas von sich weg, um ihr in die Augen sehen zu können. Sie wich seinem Blick aus und starrte deprimiert und verzweifelt auf den Boden.
 

»Was ist denn los?«, fragte er sie besorgt. Irgendwie hoffte er, dass sie nur schlecht geschlafen hatte, aber natürlich wusste er, dass sie deswegen nicht so aufgelöst sein würde. Da war etwas Schlimmeres vorgefallen und Jack begann sich ernsthaft Sorgen zu machen, als Emma nicht antwortete. »Hast du schlecht geträumt?«, fragte er dennoch hoffnungsvoll, und es überraschte ihn nicht, dass seine Schwester den Kopf schüttelte. »Was ist denn dann los? Mit mir kannst du doch reden, ich bin doch für dich da.«
 

Emma hob langsam ihren Blick und Jacks Herz schmerzte bei ihrem Anblick. Er konnte einfach nicht sehen, wie seine Schwester weinte. Ihre Augen waren gerötet und geschwollen, ihre Wangen waren tränenverschmiert und ihre Nase lief. Emma wischte einmal mit ihrem Ärmel über ihre Nase und schniefte. Dann sah sie wieder nach unten und malte mit ihrem Fuß unsichtbare Kreise auf den Boden.
 

»Ich dachte ...«, begann sie, dann zögerte sie jedoch.
 

»Du dachtest ...?«, fragte Jack nach. Anscheinend traute sich seine Schwester nicht, ihre Befürchtung auszusprechen. »Na, komm, du kannst es mir ruhig sagen!«
 

Emma nickte, dann setzte sie erneut an. »Ich dachte ... Ich dachte, du kommst nicht mehr zurück ...« Den letzten Teil hatte sie in ihren nicht vorhandenen Bart genuschelt und Jack konnte nur erahnen, was sie gesagt hatte. Er seufzte und strich Emma über den Kopf.
 

»Du hast es gestern gehört.«
 

Emma nickte und ließ ihre Schultern hängen. »Du warst laut.«
 

Jack fühlte sich schuldig und wusste nicht, was er sagen sollte, doch er musste gar nichts sagen, denn Emma fuhr fort.
 

»Ich hab gehört, wie du die Tür geschmissen hast. Ich dachte, es wäre Mum gewesen, aber sie ist ein paar Minuten später in mein Zimmer gekommen. Ich hatte gehofft, du wärst es ... Sie hat geweint. Ich hab so getan, als würde ich schlafen. Und sie hat einfach nur dagestanden und geweint. Dann ist sie gegangen, mit dem Auto. Ich hatte plötzlich Angst, bin in dein Zimmer, aber du warst nicht da ... Ich hab gedacht, du hast mich verlassen.« Die Tränen flossen nun erneut und Jack zog Emma wieder an seine Brust. An Emma hatte er gestern Abend gar nicht gedacht. Er hätte sich in Erinnerung rufen müssen, dass sie nur wenige Meter entfernt in ihrem Bett lag und er hätte wissen müssen, dass sie bei seinem Geschrei wach werden würde. Und sein Abgang war auch nicht gerade leise gewesen.
 

»Es tut mir leid«, murmelte er, zu mehr war er nicht imstande.
 

Er ließ Emma weinen, bis sie keine Tränen mehr hatte. Als er einen Blick auf die Uhr warf, die im Flur hing, fluchte er innerlich. Der Bus war vor wenigen Minuten abgefahren. Wenn sie sich nicht gleich auf den Weg machten, würde nicht nur er zu spät kommen, sondern auch Emma. Ihm war egal, was mit ihm war. Auf Mathe konnte er heute sowieso gut verzichten. Aber Emma war wichtig, sie durfte nicht fehlen. Sanft schob er seine Schwester von sich fort.
 

»Na, komm, wasch dir dein Gesicht, schmeiß die Trauer ins Klo, spül sie weg und vergiss sie. Heute ist Freitag! Nur noch ein paar Stunden und es ist Wochenende! Dann können wir machen, worauf du Lust hast, was meinst du?«
 

Emma wischte sich einmal übers Gesicht und lächelte. »Eislaufen?«, fragte sie und Jack nickte erfreut.
 

»Super Idee! Das haben wir schon lange nicht mehr gemacht!«
 

Emma lachte nun. »Das war doch erst vorgestern gewesen!«
 

»Sag ich doch! Schon viel zu lange her!« Er strich ihr noch einmal über das Haar, dann schob er sie energisch die Treppe nach oben. »Na, los, beeil dich, sonst fängt das Wochenende ohne uns an!«
 

Emma ging die Treppe nach oben und Jack beeilte sich, um die Pausenbrote zu machen. In Emmas Tüte legte er noch eine kleine Packung Gummibärchen als Überraschung und kaum war er fertig, kam seine Schwester auch schon wieder die Treppe nach unten.
 

»Wir sind ein bisschen spät dran, wir müssen rennen. Bis in spätestens zehn Minuten müssen wir eine U-Bahn erwischen, dann schaffen wir es rechtzeitig in deine Schule«, erklärte er, während sich Emma die Schuhe anzog. Jack blieb nach wie vor barfuß. Gemeinsam rannten sie los, heute einmal in die andere Richtung. Die U-Bahnstation lag etwas weiter entfernt als die Bushaltestelle, aber da sie sehr schnell unterwegs waren, waren sie innerhalb kurzer Zeit da. Eine U-Bahn fuhr just in diesem Augenblick los, doch die nächste würde in fünf Minuten schon wieder einfahren. Gerade noch rechtzeitig geschafft! Mit ein bisschen Glück würden sie beide noch pünktlich sein, wenn nichts weiter dazwischen kam.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  fahnm
2014-11-06T21:20:30+00:00 06.11.2014 22:20
Spitzen Kapitel



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