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Auszüge aus dem Leben

Don't judge my choices without understanding my reasons
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
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Auch nur ein Sohn [Henry]

Entschlossen trat Henry aus dem Fahrstuhl, Viktoria folgte ihm. Sie lächelte stolz. Aus dem kleinen Jungen, den sie, seit er zur Schule ging, kannte, war mittlerweile ein ansehnlicher junger Mann geworden. Würde Friedrich noch leben, würde er sicher auch auf seine Art Stolz für seinen Sohn empfinden. Sie hoffte es zumindest.
 

Nach wenigen Schritten blieb Viktoria bei der großen Glastür stehen und lächelte Henry noch einmal kurz zu. Ab hier musste er den Weg alleine gehen.
 

Henry atmete noch einmal tief durch, ehe er sich in den großen Saal begab, in dem die Trauerfeier stattfinden würde. Als die ersten Personen ihn bemerkten, hagelte es Mitleidsbekundungen. Höflich hörte Henry jeden der Anwesenden an, schüttelte Hände und bedankte sich für ihre Worte.
 

Es war für ihn überraschend einfach, diese oberflächlichen Gespräche zu führen. Er tat das, was man von ihm erwartete und musste sich auch nicht allzu lange mit einer Person befassen, ehe er auch schon zur nächsten ging.
 

Schließlich war es soweit. Henry verabschiedete sich mit einem Händedruck von einem Geschäftspartner der Firma und machte sich auf den Weg zu der kleinen Bühne. Auch wenn er diese Rede immer und immer wieder gedanklich durchgegangen war, fühlte es sich komisch und befremdlich an, nun vor diesem ganzen Menschen zu sprechen. Er hatte keine Angst davor, die hatte er nie gehabt. Aber hier ging es nicht um die Vorstellung eines neuen Geschäftsmodells, sondern um eine Person. Um seinen Vater.
 

Henry stellte sich an den Pult und das Licht wurde gedimmt. Sofort waren alle Augen auf ihn gerichtet. Er atmete tief durch.
 

“Guten Abend, meine werten Gäste. Ich freue mich, dass Sie so zahlreich hier erschienen sind, auch wenn der Anlass kein geringerer als eine Trauerfeier zu Ehren meines Vaters, Friedrich von Weißenstein, ist.”
 

Henry pausierte. Hinter ihm wurde ein Portrait seines Vaters an die Wand projiziert. Er blickte kurz auf das Bild, ehe er seinen Blick wieder über die Gäste wandern ließ.
 

“Sein Ableben kam für uns alle sehr plötzlich. Und für ihn am allermeisten. Sie alle kannten ihn sicher ebenso gut, um mir zuzustimmen, dass ein anderes Ende ihn sicher nicht von seiner Leidenschaft, in dieser Firma zu arbeiten, sie groß zu machen, getrennt hätte. Und er hätte sich noch Jahre mehr gewünscht. Aber wer würde das nicht? Ich könnte Ihnen allen so viel von ihm erzählen, aber ich belasse es bei dem Wesentlichsten. Er war ein großartiger Mensch, der für seine Arbeit gelebt und so viel Zeit in diese Firma gesteckt hatte, dass ich ihn, als sein Sohn, schon seltener gesehen habe als seine Sekretärin.”
 

Henry zwang sich zu einem Lächeln, auch wenn es ihm mit jedem weiteren Wort schwerer fiel.
 

“Aber genau das machte ihn aus. Es gibt niemanden hier im Raum, der genauso viel Engagement oder Ehrgeiz besitzt wie er. Er hatte diese Firma mit seinem Vater zusammen gegründet und gemeinsam haben sie erreicht, dass Weißenstein Industries in aller Welt einen guten Namen hat. Niemand hätte gedacht, dass ein einfacher Ingenieur, wie es mein Großvater gewesen war, und sein Sohn es schaffen würden, eine Firma aufzubauen, die mittlerweile mehrere Millionen in einem Monat erwirtschaftet. Und nun stehe ich hier vor Ihnen allen und dieser großartige und erfolgreiche Mensch ist nicht mehr hier, um uns seine Geschichte zu erzählen. Aber ich hoffe, dass ich es schaffen werde, ihm gerecht zu werden und in seine Fußstapfen zu treten. Ich danke jedem einzelnen von Ihnen für Ihr Beileid, aber sehen Sie bitte von irgendwelchen Geschenken ab. Spenden Sie doch lieber an unser gemeinnütziges Projekt. Alles, was Sie darüber wissen müssen, erfahren Sie hier links an dem Stand. Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Abend und bedienen Sie sich gerne an dem ausgiebigen Buffet. Ich danke Ihnen nochmals sehr für Ihr Kommen.”
 

Ein Klatschen erfüllte den Raum. Ohne hektisch zu wirken, schritt der junge Mann von der Bühne, flüchtete dann durch die nächste Tür. Dass es sich hierbei um einen Lagerraum handelte, war ihm egal. Der Kloß in seinem Hals schien einfach nicht verschwinden zu wollen. Schwer atmend ließ sich Henry auf einem der Stühle sinken, die hier und da noch herumstanden, und vergrub seine Hände in den Haaren.
 

Eine Welle an Emotionen, die er bisher erfolgreich unter Kontrolle gehalten hatte, schwappte in ihm hoch. Tränen stiegen dem jungen Mann in die Augen. Er konnte sie nicht aufhalten. Aus der Brusttasche zog er ein kleines Tuch hervor und drückte es sich gegen die Augen. Was für ein jämmerliches Bild er doch gerade abgeben musste. Verzweifelt lachte er auf.
 

Nur ein Mal wollte er genau so trauern, wie es Kinder um ihre verstorbenen Eltern taten.



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