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One Piece | Moebius

Eine One Piece FanFiction
von

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Jahrmarkt der Freaks

Nachdem das Trio die Boreas an südwestlich gelegenen Steilküste der Insel ankerten und mit Hilfe einer Holzplanke auf das Festland überwanderten, erklärte Nozomi kurz: „Ich wurde damals mit zwei Vizeadmirälen, einer Konteradmirälin, drei Kapitänen und zwei Fregattenkapitänen des Vernichtungstrupps hierher entsandt.“

„Wieso so viele Mitglieder des Vernichtungstrupps?“, wollte Cid wissen.

„Wir hatten Indizien, dass es hier einen Außenposten der ‚Krieger des Lichts‘ geben solle. Wir sollten diesen ausfindig machen und eliminieren. Nach Möglichkeit sollten auch ein oder zwei Personen lebend gefangen genommen werden, um anschließend im Hauptquartier verhört werden zu können.“

„Und gab es einen?“, hakte er weiter nach.

„Ja. Neben Mariko starben damals geschätzt etwa zweiundzwanzig Personen der Terrorgruppe. Der größte und schwerste Schlag den wir jemals gegen sie durchführen konnten. Wobei man anmerken muss, dass davon nur die Wenigsten auch Teufel waren. Immerhin findet diese Gruppierung auch immer mehr Zuwachs in Form von einfachen Zivilisten. Ich glaube es waren gerade einmal drei im Besitz von Teufelskräften. Die meisten Kämpfe fanden in der einzigen Stadt auf dieser Insel statt. Die Bevölkerung wurde damals evakuiert und bis heute ist ihnen die Rückkehr in ihre alte Heimat untersagt.“

Sie deutete auf einen dichten Wald direkt vor ihnen, der sich über den gesamten Bereich der Insel erstreckte und so dicht war, dass der Blick ins Innere bereits nach wenigen Schritten von dichtem, finsterem Gestrüpp blockiert wurde.

„Die Stadt liegt genau auf der gegenüberliegenden Inselseite. Der Nordwesten der Insel ist durchzogen von Höhlen. Dort hatten wir ihre Basis erwartet, doch widererwarten hatten sie sich zwischen die Bewohner geschmuggelt. Es gibt auch einen Wasserfall, der in eine Höhle stürzt mit einer offenen Decke. Manche Höhlengänge sollen sogar bis unter den Wald führen und der instabile Boden manchmal sogar nachgeben, so dass man beim Durchschreiten des Waldes auch mal schnell in die Höhlen stürzen kann.“

„Du bist gut informiert“, meinte Cid.

„Wir haben viele Informationen zur Inselbeschaffenheit vom Informationsdienst der Marine erhalten.“

„Verstehe. Und wo hast du Mariko begraben?“

„Auf einer Lichtung im Zentrum dieses Waldes.“

„Sollen wir denn heute schon ihr Grab aufsuchen? Oder wollt ihr bis morgen warten?“, fragte Ryan die Beiden, doch statt zu Antworten, setzte sich der Raucher einfach in Bewegung.

„Wohin willst du?“, fragte die Blauhaarige daraufhin.

„Nun der Weg durch den Wald dürfte wohl der Kürzeste in Richtung Stadt sein, richtig? Selbst wenn dieses Verlassen ist, lohnt sich einen Blick dorthin zu werfen und sich mit der Umgebung vertraut zu machen. Was den Grabesbesuch angeht… morgen ist ihr Todestag, daher will ich sie auch erst morgen sehen. Ach ja und es gibt noch einen Grund warum wir in die Stadt sollten: Es scheint trotz deiner Informationen so zu sein, dass es Menschen hier auf der Insel gibt.“

„Was?! Das kann nicht sein!“, versuchte die Kapitänin einzuwerfen, doch ihr Schiffbauer tippte sich nur an die Schläfe und meinte: „Observationshaki, schon vergessen? Ich kann sie hören!“
 

* * * * *
 

Schnell und zielstrebig bahnte sich der Blonde einen Weg durch das Unterholz. Beinahe wirkte es auf seine Verfolger, als kenne er sich hier aus und wüsste worauf er achten müsse, um nicht durch den Boden in irgendwelche Höhlenabschnitte herabstürzten zu müssen.

Während Ryan skeptisch zum Vordermann sah, war Nozomi mit den Gedanken bei der Aussage ihres Kameraden. Warum sollten Menschen hier auf dieser Insel sein? Waren die ‚Krieger des Lichts‘ zurück, um erneut einen Außenposten hier aufzubauen? Unwahrscheinlich, denn dann hätte die Marine mit Sicherheit wieder Einheiten hierher entsandt.

Mit einem Male blieb der Raucher vor ihnen stehen und hob den rechten Arm, um ihnen zu symbolisieren, dass sie ebenfalls halten und möglichst leise sein sollten. Verwundert befolgten sie dennoch die Anweisungen und warteten die Situation ab. Mit ein paar schnellen, leisen Schritten ging der Flottillenadmiral zu einem nahestehenden Baum, holte mit der Faust aus und schlug einmal gezielt, aber kräftig auf den Stamm ein. Trotz des mächtigen Hiebes, der den Pflanzengiganten erzittern ließ, wurde dieser jedoch nicht vom Angriff beschädigt. Dennoch erschloss sich für die beiden Gefährten des Rauchers der Grund dieser Aktion nicht. Bis…

„WOAH?!“, ertönte eine Stimme, der kurz darauf ein Körper aus der Baumkrone folgte. Unsanft landend, rieb sich der Gestürzte de Steiß, wohingegen er von den Dreien gemustert wurde.

Sein Äußeres stach dabei hervor, wie auch schon sein Auftritt. Der Fremde trug ein schwarzes T-Shirt, dessen Frontseite von einem Totenkopf geziert wurde, und darüber eine gelbe, lederne Weste die über und über mit kleinen Nieten verziert war. Beides spannte sich um einen kräftigen Oberkörper der darunter verborgen lag. Zudem waren die Ärmel seines Shirts bis zu den Schultern hochgekrempelt worden, dass man seine mit Tätowierungen übersäten Arme gut erkennen konnte. Seine Jeanshose war das einzig relativ normale an ihm, jedoch war sie an den Knien zerschlissen und aufgerissen. Die weinroten, schweren Stiefel an seinen Füßen boten einen Kontrast zum blauen Stoff der Hose, welche im Übrigen auch nur von einem relativ lockeren Gürtel ebenfalls voller Nieten gehalten wurde.

Doch das auffälligste war wohl letztendlich seine Haarpracht. Genau in der Mitte befand sich eine Haarreihe die mit irgendwelchen Wachsmitteln hochgestellt worden war und in rosaner Farbe erstrahlte, während die kurzgeschorenen restlichen Haare seine vermutlich natürliche Haarfarbe verrieten: Goldblond.

Doch gab es nicht nur diesen rosanen Hahnenkamm genau in der Mitte seines Schädels, sondern auch hellblaue Abarten, die an den Schläfen entlang nach hinten wanderten. Dazu kam, dass er keine Augenbrauen besaß, dafür aber eine Narbe quer über das linke Auge entlang und ohrringähnliche Gebilde die seine Ohrläppchen dehnten. Es war groß genug, um einen Finger durch das Gebilde und damit sein Ohrläppchen stecken zu können.

„Na, wen haben wir denn da?“, fragte Cid, während sich der Unbekannte aufrichtete und motzte: „Sach ma, spinnste?! Isch penn da ob‘n seelenruhig und du schießt mich ab. Suchste Stress, oder was? Sollsch dir mal die Birne wasch‘n?“

Erst jetzt schien der Dreifachirokesenträger auch die anderen Beiden zu bemerken, woraufhin er auch in ihre Richtung pöbelte: „Was glotzt‘n ihr so?! Noch nie ‘nen Mann vom Baum fall‘n sehn? Blödes Pack!“

„Hey, hey, wir haben dich nicht vom Baum geholt, sondern er“, erklärte Ryan und deutete dabei eher beiläufig auf Cid.

„Jetzt beruhigt euch erst einmal. Darf ich mich vorstellen, mein Name ist Nozomi und…“, doch weiter kam sie nicht, da sich die Augen dieser kuriosen Gestalt mit einem Male weiteten, ehe er auf sie zustürmte, ihre Hände ergriff und fragte: „Nozomi?! Etwa die Nozomi vonner Marine? Marikos Schwester?“

Den beiden Männern aus der Crew der Blauhaarigen fielen förmlich die Unterkiefer bis zum Boden, wohingegen die Kapitänin stammelte: „D-Du… du kanntest… meine Schwester?“

„WOOOOAH! Du bist‘s wirklich?! Oooh yeah!“

Sichtlich erfreut begann er kurz zu auf der Stelle zu tanzen, welcher mit einer obszönen Pose endete, denn während er einen Arm gen Himmel streckte, landete der andere in seinem Schritt. Anschließend streckte er ihr diese Hand zur Begrüßung hin und erklärte: „Isch bin Amuko Nom.“

Als er Nozomis Blick, welcher zwischen Irritation und leichtem Ekel schwankte, sah, wischte er sich die Hand kurz an der Hose ab, um ihr anschließend die Andere entgegen zu strecken. Diesmal ging sie auf seine Geste ein.

„Ähm… sehr erfreut? Aber… woher kanntest du meine Schwester?“

Ihre Frage ignorierend wollte er stattdessen wissen: „Biste auch weg‘n ihres erst‘n Todestags hier?“

„J-Ja… ich und meine Freunde hier.“

Amuko blickte kurz zu Ryan und Cid, doch wandte sich dann lieber wieder Nozomi zu.

„Sie hat mir voll viel von dir erzählt. Den Andren wird der Kopf platz‘n, wennse von dir hörn!“

„Anderen? Welchen Anderen?“

„Ah, klar. Kannste ja nix von wiss’n! Isch erklär’s dir aufm Weg inne Stadt.“

Hilfesuchend sah sie zu ihren beiden Gefährten, die jedoch nur mit den Schultern zucken konnten. Es lag also bei ihr zu entscheiden, weshalb sie Amuko zunickte, der sich erneut mit seiner obszönen Pose freute und dazu ein „Oooh yeah!“ verlauten ließ. Anschließend übernahm er die Führung, dicht gefolgt von Nozomi und den anderen Dreien, und begann zu erklären: „Isch bin glaubsch der Erste, den Mariko je gerettet hat. Isch und viele andre verdank‘n ihr unser Leb’n. Aus dies‘m Grund binsch auch mit ihr herum gereist und hab erlebt, wie sie andren geholf’n hat. Sie war voll der Engel. Sie war keen Arzt, doch mit ihrer Kraft hat sie dennoch geschafft Leute zu rett’n. Von weg’n Teufel und so! Nach mir folgt’n auch andre ihr. Irgendwann war’n wir vier Anhängsel, die ihr auf Schritt und Tritt nachrannt’n. Überall hin! Doch das wolltse net und bat uns, wir sollt’n lieber uns ‘ne Heimat such’n. Offenbar wusstse wie gefährlisch ihr Leb’n war. Sie wollt uns damit rett’n, bevor wir weg’n ihr Stress mit der Marine bekomm. Darum hab’n wir ein’n Ort gegründet, wo alle hin konnt’n die keene Heimat hatt’n. Weil wir auch keene mehr hatt’n. Denn wir war’n durch ihre Hilfsmethod’n alle mehr oder weniger von unsren Gemeinschaft’n verstoß’n word’n. Gab da nämlisch ‘nen Nachteil, weilse eb’n keen Arzt war.“

Ryan, dem es schon schwer genug fiel den bunten Vogel zu verstehen, fragte daraufhin: „Moment einmal. Was für Teufelskräfte besaß Mariko eigentlich?“

„Sie hatte von der Operations-Frucht gegessen“, erklärte Nozomi ihn auf.

„Okay, die sagt mir was. Und wie hat Mariko diese Kraft genutzt, um Leben zu retten?“

Anstatt zu antworten, griff Amuko lediglich zum Bund seines T-Shirts und zog es wortlos nach oben. Erschrocken sah die Gruppe auf das was er ihnen enthüllte. Sein Oberkörper war nicht der eines Menschen, sondern der eines Gorillas.

„Isch wär an schwer’n Wund’n gestorb’n, wennse misch net zerstückelt und meine Brust mit der eines Tiers ausgetauscht hät. Doch dafür wurdsch ausm Dorf gejagt und bin ihr hinterher. Genauso wie Juggernaut, Imhotep und Chucky. Ouh, des kleene Balg is sowieso ein Monster. Vermutlisch ihr einziger Fehler!“

„Wer sind die Drei, die du gerade erwähnt hast?“, mischte sich nun auch der Raucher in die Unterhaltung ein, doch Amuko winkte lediglich ab: „Die werdet ihr gleich seh’n, dann soll’nse euch selbst erzähl’n was ihnen passiert is.“

Während des restlichen Weges erklärte der Dreifachirokesenträger der Gruppe noch, dass die vier daraufhin einen reisenden Jahrmarkt gegründet hätten, mit dem sie umhersegeln würden und jeden Aufnahmen der sie begleiten wollte. Oftmals waren dies Personen deren Aussahen wider der Natur erschien, weshalb sie mit der Zeit den Namen ‚Jahrmarkt der Freaks‘ bekommen hätten und oftmals auch auf Hass und Verachtung trafen. Manchmal durften sie wochenlang nirgends ankern, da einfach die Angst und Abscheu der Menschen vor ihnen letztendlich überwog.

Bei einem erneuten Blick auf seine tätowierten Arme, verwunderte dies die Kapitänin weniger. Die Motive stellten diverse Monster dar, die einen ewigen Kampf auf seiner Haut austrugen, bei dem sie sich tiefe Wunden ins Fleisch rissen. Doch hin und wieder blitzten auch andere Symbole hervor wie etwa ein tanzendes Skelett, nackte Damenleiber, Schriftzüge oder auch naturbezogenes wie Blitze oder Flammen.
 

* * * * *
 

Es dauerte nicht lange, bis die Besucher in der Ferne die Stadt ausmachen konnten. Und schon von hier aus bemerkten sie, dass diese ungewöhnlich erschien. Offenbar war sie geschmückt worden, als wolle man ein Fest feiern. Mit jedem Schritt den sie näher kamen, wurde ihr Eindruck immer mehr zur Tatsache. Ein wenig verwundert sah das Trio zu dem Bildnis vor ihnen.

Die gesamte, eigentlich verlassene Stadt war mit Blumenketten in verschiedensten Farben geschmückt worden. Wie Spinnennetze spannten sie die Häuser ein. Zogen sich von Dach zu Dach, von Haus zu Haus. Kein Fleck war ohne Zierde. Rot wie Blut, Orange wie Herbstlaub, Weiß wie Schnee, Schwarz wie verbrannte Asche. Ein schauernd jagte Ryan über den Rücken, dem gruselige Atmosphären noch nie behagt hatten.

Neben den Blumenketten hatte man aber auch hunderte von Kerzen überall verteilt. Ein Wunder, dass sie noch keinen Brand ausgelöst hatten, der diesen gespenstischen Ort wohlwollend verschlungen hätte. Denn bereits jetzt am Tage waren sie entzündet worden und beleuchteten die unbefestigten Straßen, die von einem wabernden Nebel bedeckt wurde. Dieser kroch langsam an ihnen vorbei in Richtung des Landesinneren, wie eine Kreatur die sich einen gemütlichen Platz zum Ruhen suchte. Und je weiter sie voranschritten, umso höher zog er sich auch an ihren Körpern empor, bis er irgendwann hüfthoch dahinglitt.

Der Schiffbauer vermutete, dass der Nebel vom Meer herüber zog und vom Wind getragen wurde. Schon bald würden sie gänzlich umhüllt sein und nicht mehr sehen können wohin sie sich bewegten. Die Lichter der Kerzen, welche wie kleine Leuchtfeuer den Weg zu weisen schienen, waren letztendlich jedoch zu zahlreich, als das sie eher wie seltsame Wesenheiten erschienen, die sie ins Unheil zu locken gedachten.

Amuko führte sie weiter voran und schien sich an der Umgebung wenig zu stören. Beinahe wirkte es eher, als fühle es sich immer heimischer umso mehr der Nebel ihn einhüllte. Sicher schritt er voran, schien seine Augen nicht zu gebrauchen. Wusste wohin die schlammigen, von vergangenem Regen aufgeweichten Pfade ihn weisen würden. Wo er abbiegen musste, wann er Hindernissen ausweichen musste, wohin er treten musste, um nicht auszurutschen.

Als sie den äußersten Ring der Stadt hinter sich gelassen hatten, gesellten sich weitere Dekorationen zu den Blumen und Lichtern dazu. Bunt bemalte Totenschädel in verschiedenen Größen waren am Straßenrand, auf Balkonen und Fensterläden postiert worden. Wachten über die Wege wie Gardisten, die Eindringlinge bereits mit ihrem Antlitz abschrecken sollten. Aus leeren Augen betrachteten und musterten sie die drei Neuankömmlinge. Schienen skeptisch und uneinig, ob sie sie willkommen heißen sollten oder lieber eine schnelle Abreise empfehlen wollten.

Erneut schluckte Ryan schwer. Immer wieder blickte er sich um. Befürchtete verfolgt zu werden. Oder gar schlimmer noch, seine Begleiter aus den Augen zu verlieren. Nachdem sie die Wachschaft überwunden hatten, wurden sie endlich von den ersten Bewohnern dieser Geisterstadt empfangen. Zahlreiche Skelette in farbenreichen Gewändern gekleidet, mit Rüschen verziert und schicken Accessoires geschmückt begrüßten sie freudig darüber neue Gäste zu haben, neben den Mitgliedern des Jahrmarkts. Dennoch hielt man sich nicht lange mit ihnen auf. Musste man doch noch seinen Geschäften nachgehen, bevor das große Fest beginnen konnte. So gingen sie ihrem untoten Leben nach.

Das Trio erblickte Skelettgestalten an einem Marktstand beim Einkauf, Musiker auf falschen Gitarren spielend, edel gekleidete Damen und Herren sich am Straßenrand unterhaltend. Beinahe konnte man das Gefühl bekommen ihr flüstern zu hören. Die Themen wahrzunehmen, welche sie heute beschäftigten. Doch was sie alle einte trotz ihren unterschiedlichen Ständen, war nicht ihr knöchriges Dasein, sondern ihre bemalten Schädel.

Die Blauhaarige überlegte aus welchem Material all die Figuren gemacht waren und ob sie Amuko darüber ausfragen sollte, während ihr langjähriger Freund sich nur wünschte schon bald dies hinter sich lassen zu dürfen. Wenn beschäftigte ihn lediglich die Frage zu welch sinnlosem Zweck man eine verlassene Stadt derartig präsentieren sollte?

Der letzte im Bunde dagegen musste zugeben, dass obwohl der Tod überall vertreten zu sein schien, der Ort beinahe schon wieder mit Leben gefüllt zu sein schien. Mit Leben und Vorfreude auf eine Feier. Doch wem zu ehren? Nur bei den Veranstaltern konnte er sich sicher sein. Denn diese Festlichkeit wurde von den Schaustellern des Jahrmarkts veranstaltet, der hier gastierte.

Inzwischen waren sie gänzlich vom Nebel verschlungen worden, weshalb man davon ausgehen durfte, dass sie schon bald das Zentrum dieser Ortschaft – den Hafen – erreichen dürften. Die ersten Buden und Stände schälten sich aus dem sie umhüllenden weißgrau heraus. Sie luden ein sich ihnen zu zuwenden. Sein Glück bei Geschicklichkeitsspielen zu versuchen oder nach Speiß und Trank zu erfragen.

„Ich dachte das sei ein Jahrmarkt hier und kein Fest… der Toten!“, dachte Ryan laut nach, dessen Frage von ihrer neuen Bekanntschaft amüsiert beantwortet wurde: „Das is’n Jahrmarktsfest für die Tot’n.“

Nun da sie den Rand des Jahrmarkts erreicht hatten, erwarteten sie bereits auch die ersten Schausteller anzutreffen. Als diese sich aber schemenhaft im Nebel abzeichneten, wünschte sich Ryan zumindest er wäre lieber bei den skelettierten Stadtbewohnern geblieben.

Deformierte Kleinwüchsige blickten ihnen grimmig entgegen, während Feuerspucker und Schwertschlucker ihr Können bewiesen. Man bereitet sich vor, man übte und bewies sich. Alles sollte reibungslos verlaufen, das anspruchsvolle Publikum verzaubert werden vom Glanz der Akteure.

Weitere Jahrmarktsangehörige waren immer dann zu erblicken, wenn sich der Nebel um sie herum kurz lichtete und sie links und rechts von sich kurze Blicke auf kleine Szenarien erhaschen konnten. So hörten sie beispielsweise schon lange vorher das Spiel einer Flöte, welches hin und wieder von seltsamen Lauten unterbrochen wurde. In einem gnädigen Moment, ließ die weiße Wand sie dann einen Blick auf das erhaschen, was sich hinter dieser akustischen Szenerie verbarg. So erblickten sie einen Messerwerfer der seine Wurfgeschosse perfekt um einen Schlangenbeschwörer herum geworfen hatte.

Ihr Weg verlief weiterhin so. Geprägt von kurzen Bildern, wie Gemälde im weiß des Nebels eingerahmt, die nur Fragmente des Treibens hier darstellten. Tierbändiger und Akrobaten, Seiltänzer und Wahrsager, Taschenspieler und Puppenspieler. Sie waren die harmloseren Gestalten, denen sie begegneten. Denn diesen ‚Normalen‘ standen die Kuriositäten gegenüber. Wie etwa eine Frau ohne Arme in Begleitung eines Mannes ohne Beine, welcher deshalb auf seinen Armen ihr hinterher lief.

Entsetzt über das Gesehene stieß der Kapitänleutnant prompt mit zwei an der Seite zusammengewachsenen Zwillingen zusammen, die ihm zornig ein „Pass doch auf!“ hinterher schrien.

Kurz darauf trafen sie auf eine Frau deren gesamter Körper von Haaren bedeckt schien, weshalb man beinahe glauben konnte ein freilaufendes Tier zu erblicken, anstatt eine menschliche Gestalt und ein weitere Dame die auf allen Vieren lief, jedoch mit dem Bauch gen Himmel gedreht, worauf wiederum ein Fakor saß und genüsslich zwei armgroßen Insekten die Köpfe abbiss.

War dies der wahrgewordene Traum eines Wahnsinnigen, der mit einer abartigen Lust jegliche natürliche Form menschlichen Daseins ins perverse und abscheuliche verdrehte? Ein Alptraum in den sie hinein geraten waren? Illusionen, die man ihnen auftischte, um ihren Verstand auftischte? Dieser Ort… diese… Wesen, konnten doch niemals natürlichen Ursprungs sein?! Oder doch?

Tuschelnd beobachtete man auch sie. Schien unzufrieden, wie sie die Mitglieder des Jahrmarkts begafften. Die Abscheu und den Ekel in ihren Augen zu sehen glaubte, mit denen sie die Schausteller abwertend ansahen. Es war überdeutlich, dass ihre Anwesenheit den Anderen missfiel. Doch da sie im Beisein Amuko Noms waren, erhob Niemand das Wort gegen sie. Niemand traute sich offensichtlich seine Entscheidung anzuzweifeln. Weshalb sie in den Genuss weiterer Kuriositäten kamen, welche der Jahrmarkt zu bieten hatte. Und es schien beinahe so, dass je weiter sie schritten, umso schlimmer und abartiger diese wurden.

Auf einmal wirkte der Nebel nicht mehr wie ein gespenstisches Monstrum, welches über sie gewalzt war, um sie zu verschlingen, sondern wie ein schützender Vorhang, welcher sie vor den Ungetümen des Jahrmarkts nur zu schützen versucht hatte. Waren diese Menschen selbst der Natur zu wider?

Sie schritten an Schauhungernden, deren Körper im wahrsten Sinne des Wortes nur noch aus Haut und Knochen zu bestehen schienen, und an einem Jongleur, der mit Schwertern, verrotteten Puppenköpfen und sogar einer brennenden Fackel übte, vorbei. Wohnten einem Rieseninsektentauziehen bei und lauschten einem blinden Leierkastenspieler, dessen angebundener Affe das verzerrt und disharmonische Spiel mit seinem Geschrei verfeinerte. Mehr Sorgen bereitete ihnen jedoch der grünliche Schaum um die Lefzen des Tieres. Trafen auf Menschen, die durch Verbrennungen entstellt waren und welche deren Entstellungen auf abnormale Auswüchse unter der Haut zurück zu führen waren.

Doch letztendlich, aber vor allem endlich, erreichten sie das Zentrum der einstigen Stadt. Den Marktplatz der direkt an den einstigen Hafen angrenzte und damit auch der Ort, welcher als Mitte des Jahrmarkts betrachtet werden konnte. Hier wandte sich ihre neue Bekanntschaft zu ihnen um, breitete seine Arme aus und begrüßte sie: „Willkomm’n im Jahrmarkt der Freaks, wo das Grau’n und das wohlige Schaud’rn regiert!“

Er verbeugte sich kurz und als er sich wieder aufrichtete, stahl sich ein unheimliches Lächeln auf seine Lippen.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  fahnm
2015-01-24T21:32:25+00:00 24.01.2015 22:32
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