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Pirates of Japan

von

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Hongkong

Deidara stieg die steile Treppe beim Hauptmast hinunter. In einer Hand trug er eine Laterne, in der anderen eine Schüssel Reis mit eingelegtem Kohl. Der muffige Geruch von abgestandenem Wasser schlug ihm entgegen. Sacht schwappten Pfützen bei jedem Wellental umher. Angestaute Hitze erschwerte ihm das Atmen. Der Lichtkreis der Lampe erhellte nur wenige Schritte in die Bilge hinein. Genervt seufzte der Blonde und stapfte nach achtern. Schmieriges Holz unter den bloßen Fußsohlen mahnte ihn, sich nicht zu hastig zu bewegen.

Er hatte keine Lust, dem Gefangenen seinen Fraß zu bringen. Viel lieber würder er weiter mit Hidan saufen und Lieder singen.

Rechts von ihm erhoben sich Eisengitter, die zwischen Hauptmast, Besanmast und Schiffswand eingezogen waren. Die Laterne hängte Deidara an einen der dafür in das Holz gehämmerten Haken. Unheilvolle Schatten flackerten hinter den Gitterstäben. In einer Ecke der Brig hockte der feine Sohn des Tennô. Unbewegt sah Gaara ihn an.

In dem matten Lichtschein wirkte das rote Haar wie Strähnen getrockneten Blutes. Dagegen schimmerte der goldene Jin Baori unbeeindruckt, als seien Fäden aus Licht hineingewoben.

Deidara zog den handgroßen Schlüssel aus dem Yukata, den Yahiko ihm nur für diese Aufgabe geliehen hatte.

„Essenszeit, Prinzlein, hm.“

Er schloss die Gittertür auf. Unverzüglich zog er die Pistole unter der braunen Schärpe hervor. Den Lauf richtete er auf Gaara. Geübt spannte er den Hahn. „Du kennst das ja. Sei brav und ich puste dir nichts weg, hm.“ Mit einem warnenden Blick bedachte er ihren Gefangenen. Nervigerweise durfte Deidara ihn nicht töten, wenn er aufmuckte. Yahiko wollte ja unbedingt ein Lösegeld vom Kaiser Japans. Das einzig Wertvolle an diesem Bengel waren seine Kleider. Die kostenbaren Stoffe verlangten von jedem anderen Menschen, dass der Träger gefälligst mit Achtung behandelt werden sollte. Total bescheuert. In Lumpen schenkte dem Burschen niemand Beachtung.

Deidara hockte sich vor Gaara und stellte die Schüssel auf den Boden. Die Pistole war weiterhin auf den Rotschopf gerichtet. Die ganze Zeit über starrte der Prinz ihn aus diesen unnatürlich hellen Augen an. Emotionslos. Deidara hasste das. „Zur Hölle, was gibs zu glotzen? Mach endlich das Maul auf, hm!“

Bislang hatte Gaara kein Wort gesagt. Der Blonde provozierte ihn mit Beleidigungen. Er erzählte ihm, was Hidan am liebsten mit einem Prinzen des Tennô anstellen würde. Aber nicht einmal ein Messer an der Kehle verleitete ihn zu einer Reaktion. Das kaiserliche Söhnchen sah ihn nur weiter mit diesem undurchdringlichen Blick an. Als habe er keinerlei Angst. Als könne nichts ihm Schaden zufügen. Als hielte er sich für etwas Besseres. Das machte Deidara rasend. Er wollte ihm nur eine einzige Emotion entlocken. Gaara war nicht mehr wert als ein Pirat. Nur die Kleidung zeigte seinen Status.

Ein dreistes Grinsen legte sich auf Deidaras Lippen. Dieser edle Jin Baori gehörte nicht in das finsterste Loch eines Schiffes. Für ein solches Kleidungsstück musste ein Bauer sein Leben lang schuften. Ob der Prinz endlich reagierte, wenn er ihn seiner Statussymbole beraubte?

„Los, ausziehen, hm“, forderte Deidara knurrend. Genaustens beobachtete er den Rotschopf.

Minimal weiteten sich Gaaras Augen. Eine Reaktion. Zugegeben, sein Befehl erweckte den Eindruck eines gänzlich anderen Ziels. Die Mehrdeutigkeit öffnete allerlei Unsicherheiten die Tür. Deidara hatte soeben eine Möglichkeit gefunden, Gaara Emotionen zu entlocken. Das würde er ausnutzen.

Das Prinzlein kam seiner Aufforderung nicht nach. „Wirds bald, Prinzessin? Oder muss ich nachhelfen, hm?“, blaffte er den Rotschopf an.

Zögerlich hob Gaara die Hände zum Jin Baori. Deidara grinste triumphierend. Oh ja, das gefiel ihm. Der adlige Bengel hatte Angst. Er versuchte, seine Furcht zu verbergen, aber die zaghafte Bewegung und der veränderte Blick verrieten ihn. Da war ein banger Glanz in den hellen Augen. „Nicht so schüchtern, hm.“ Deidara genoss den Anblick. Jemand wie Gaara hatte nie die Hilflosigkeit erlebt, die in jedem Sklaven wütete. Der Blonde ergötzte sich an der Genugtuung, sich endlich für den Verlust seines freien Willens und die Demütigungen rächen zu können. Jetzt saß er am längeren Hebel und Gaara war machtlos. Es gab keinen Ausweg.

Langsam streifte der junge Prinz das kostbare Kleidungsstück ab. Mit einer flinken Bewegung langte Deidara nach dem Jin Baori und zerrte ihn zu sich. „Besten Dank, Süße“, hauchte er anrüchig. Vergnügt stemmte er sich hoch und sah auf Gaara herunter. Er ließ den Anblick auf sich wirken. Da saß der dritte Sohn des heiligsten Menschen Japans in der Brig eines Piratenschiffes auf feuchtem Holz und schaute mit einem verwirrten Glanz in den Augen zu ihm auf.

Deidaras Blick schweifte über den Burschen. Auf den ausladenden Ärmeln des rostroten Kimonos breiteten schwarzgestickte Kraniche ihre Flügel aus. Dunkle Feuchtigkeitsflecken durchzogen den Stoff. Unter dem edlen Kimono blitzte die Blende eines goldgelben Yukata hervor. Ein schwarzer Hakama bedeckte Gaaras Beine. Die Füße steckten in Waraji. Selbst im Halbschatten erkannte Deidara die hochwertige Verarbeitung der geflochtenen Sandalen. Nach Tagen in der Brig waren sie garantiert unangenehm vollgesogen mit brackigem Wasser.

Den Jin Baori warf Deidara sich über die Schulter. Dann bückte er sich zu der leeren Schüssel der Morgenmahlzeit und nahm sie an sich. „War doch ganz nett für den Anfang. Zum Frückstück machen wir damit weiter, hm.“ Genüsslich beugte der Blonde sich zu Gaara runter. „Kannst dir bis dahin überlegen, was du als nächstes ausziehen willst.“

Bedächtig ließ er den Lauf seiner Pistole sinken, erst auf Brusthöhe, dann tiefer, bis er auf Gaaras Schritt deutete. „Mal sehen, wie viele Klamotten so eine Prinzessin trägt, bis du nackt bist.“

Der Rotschopf versteckte sich erneut hinter dieser emotionslosen Fassade. Wie eine Puppe. Er hatte sich augenscheinlich gefangen. Doch Deidara wusste jetzt, wie er ihn verunsichern konnte. Und das würde er als Waffe einsetzen.

„Und danach werde ich etwas Spaß mit dir haben, hm.“ Obszön grinste der Blonde.

Da war es wieder. Gaaras Augen weiteten sich leicht und der beklommene Glanz trat in dessen Iriden. Volltreffer. Deidara wandte sich zufrieden ab. Sorgfältig schloss er die Zelle ab. Seine Pistole steckte er gesichert an ihren Platz hinter der Schärpe zurück. Er nahm die Laterne vom Haken und machte sich auf den Weg an Deck.

Deidara hatte einen Zeitvertreib gefunden, das ihm diese lästige Aufgabe etwas versüßte. Mal sehen, was man mit dem Prinzlein so alles spielen konnte.
 

Sasori tauchte das Zündholz in den Pfeifenkopf. Tief sog er an der langstieligen Pfeife. Der herbe Geschmack von Tabakrauch erfüllte seinen Mund. Mit einem entspannten Seufzen atmete er aus. Heller Rauch schwebte gemächlich davon.

Das Zündhölzchen schnippte Sasori über die Reling. Gemütlich lehnte er sich gegen die hölzerne Brüstung. Sein Blick schweifte durch die Bucht, in der die Akatsuki ankerte.

Auf ihrem morgendlichen Weg den Himmel hinauf passierte die Sonne weiße Wolken. Auf dem Sand am Ufer lag das Beiboot, mit dem der Captain und ihr Geschützmeister die Galeone verlassen hatten. Leichter Wind verfing sich in dem luftigen Baumwollstoff seiner Kleidung. Das beständige Schaben von Borsten über Holz und der heitere Gesang der anderen Crewmitglieder wehte zu ihm.

Yahiko und Itachi sollten sich gefälligst mit den Verhandlungen beeilen. Sie suchten Käufer für die gekaperten Waren. Einen Teil behielten sie für sich, nützliches Frachtgut wie Reparaturzeug und eine Kiste Tabak.

Sasori schätzte, dass Hongkong zwei oder drei Wegstunden entfernt lag. Der Captain und Itachi würden nicht vor Einbruch des Abends zurückkehren. So lange auf dem Schiff zu warten, nervte ihn. Sie beschäftigten sich mit langweiligen Aufgaben wie Deckschrubben. Diese lästige Pflicht überließ er gern den anderen. Leider achtete Konan in Yahikos Abwesenheit penibel darauf, dass niemand faul auf den Planken lag. Hin und wieder eine Pause akzeptierte sie, aber wer sich vor der wichtigen Arbeit drückte, bekam die neunschwänzige Katze zu spüren.

„Ist seine kaiserliche Majestät so gnädig und schrubbt mit uns das Deck?“ Hidans Frage erhaschte Sasoris Aufmerksamkeit. Der Rotschopf drehte sich um und musterte seine Kameraden. Kisame, Kakuzu und Zetsu scheuerten das Deck. Hidan richtete sich mit der Bürste in der Hand auf und grinste Deidara dümmlich an. Der kleine Bengel trug den kostbaren Jin Baori ihres Gefangenen. Wie Gold schimmerte der edle Brokat. Mit gleichfarbigem Faden war die stilisierte Chrysantheme, das Wappen der kaiserlichen Familie, auf die Rückseite gestickt. Auf den ersten Blick fiel das spezielle Symbol nicht auf, da es sich kaum vom Jin Baori abhob. Sah man genauer hin, entfalteten sich die 32 Blütenblätter wie eine Sonne auf dem Rücken des Trägers. Dreister Bursche. Das Piratenleben hatte Deidara verdammt schnell verinnerlicht. Er nahm sich, wonach ihm der Sinn stand. Nur von anderen in der Bande durfte nicht gestohlen werden.

Deidara hielt auf seinem Weg zur Kombüse inne. Mit der leeren Essschüssel wandte er sich Hidan zu. Ein freches Grinsen zierte das Gesicht des Blonden. Übertrieben verbeugte Deidara sich. Die Arme breitete er zur Seite aus. „Mit dem größten Vergnügen, sobald ich meine anderen Pflichten erledigt habe, hm.“ Lachend lief er weiter und verschwand in der Messe.

„Mach hinne“, rief Hidan ihm nach.

Sasori drehte sich wieder dem Ufer zu. Der Tabak in seiner Pfeife wollte ausgiebig genossen werden und entspannte angenehm. Hoffentlich gestattete der Captain morgen einen Landgang. Je länger Deidara ihm direkt vor der Nase herum lief, desto stärker wurde der Drang, ihn in eine Vorratskammer zu zerren und dort zu vögeln. Jedes Mal, wenn Deidara soff, strahlte ein lüsterner Glanz in den blaugrauen Augen, einem Leuchtfeuer gleich. Der Blonde hatte ihn nicht wieder geküsst. Er hielt sich an Sasoris Worte, sich ihm nicht betrunken zu nähern. Doch nüchtern zeigte Deidara keinerlei Anzeichen von Interesse.

Es frustrierte Sasori ungemein, die Möglichkeit zur Befriedigung seiner Triebe genau vor der Nase zu haben, aber nicht nachgeben zu können. Deidara fiel in sein Beuteschema. Der schlanke Körper mit den fein definierten Muskeln regte die Fantasie an. Wie er sich schwitzend unter ihm vor Lust wand. Das blonde Haar zerzaust. Mit der tiefen Stimme klang Deidaras Stöhnen sicher verdammt erotisch.

Sasori musste sich dringend einen Lustknaben suchen, um die angestaute Begierde abzubauen. Anfangs hatte er sich gefreut, dass sie endlich mal keinen beknackten Muskelprotz aufnahmen. Jetzt verfluchte er diese Lage. Sasori hatte sich geschworen, nie mit einem Crewmitglied zu ficken. Das war nur umständlich. Bei Itachi und Kisame funktionierte es seit Jahren. Aber die waren anders. Itachis besonnener Charakter und Kisames gluckenartiges Verhalten harmonierten. Sasori wollte nur seine Lust befriedigen. Mehr nicht. Alles, was darüber hinaus ging, war lästiger Ballast.

Mürrisch schnaufend entließ der Rotschopf den letzten Rauch aus der Lunge. Sorgfältig klopfte er die Pfeife aus und säuberte sie mit einem Lederlappen. Dann verstaute er sie in der roten Schärpe.

Zurück an die Arbeit. Sasori schritt zu den anderen. Bedächtig kniete er sich neben den Eimer. Er angelte die Bürste aus dem Wasser. Mit gleichmäßigem Druck schrubbte er die Planken, befreite sie vom Salzwasser. Wenigstens lenkte die eintönige Schinderei vom sexuellen Frust ab.
 

Zur Feier des Tages gestattete Yahiko seiner Bande einen Landgang. Zusammen mit Itachi hatte er einen Käufer für die gekaperte Ware gefunden. Der Handel war vor wenigen Stunden vollführt worden. In ihren Geldbörsen klimperten wieder reichlich Münzen. In einer der vielen Hafengarküchen wurde das erfolgreiche Geschäft gebührend gefeiert.

Yahiko lehnte gemütlich an einem der Holzpfeiler, die das Dach des Gebäudes trugen. In der Hand hielt er eine Schale mit chinesischem Schnaps. Über den Rand des kleinen Keramikgefäßes beobachtete er seine Crew. Kisame, Kakuzu, Hidan, Zetsu und Deidara schlangen ihre üppigen Mahlzeiten hinunter. Nachgespült wurde mit einem kräftigen Schluck Schnaps. Ein paar leere Flaschen des klaren Gesöffs lagen bereits auf dem Tisch. Die meisten gingen auf Hidans Rechnung.

Sasori hatte sich auf dem Weg zur Garküche von ihnen getrennt, um sich was zum Ficken zu suchen. Yahiko verstand dessen Ungeduld nicht. Nach dem Essen würde er auch noch einen Stricher finden. Aber das war nicht sein Problem. Wenn sie auf die Akatsuki zurückkehrten, wartete dort Konan auf ihn. Seine tödliche Göttin. Die Angebote der billigen Huren, die um diese späte Stunde dreist genug waren, in den Garküchen am Hafen ihre Dienste feilzubieten, erschienen verlockend, doch er wollte nur bei einer Frau liegen.

Zusammen mit Itachi bewachte Konan die Akatsuki und den adligen Gefangenen. Der Schwarzhaarige mochte Städte ohnehin nicht und bevorzugte die Galeone, wenn er die Wahl hatte zwischen einem Hafen, vollgestopft mit stinkenden Seemännern, und einem nahezu leeren Schiff.

Yahikos Blick ruckte zu Deidara, der einen Brocken von seiner Mahlzeit ausspuckte. „Scharf, hm.“ Das Jammern des Blonden versank inmitten des Lachens der anderen. Unsinnigerweise griff der Blonde zum Schnaps, um das Brennen zu besänftigen. Einen Moment später prustete er diesen Hidan ins Gesicht.

„Blondie, du bist widerlich!“ Hidans Stimme polterte durch die halbe Garküche. Ein paar Gäste wandten sich kurz zu ihnen um, verloren aber schnell das Interesse. Sie waren nur ein weiterer Haufen lärmender Seemänner.

„Die chinesische Küche ist oft scharf.“ Zetsus Kommentar kam zu spät.

Ein genervter Blick traf ihren Dolmetscher. Deidara streckte die Zunge raus und fächelte ihr Luft zu.

„Iss Reis. Das hilft“, brummte Kakuzu knapp.

Hidan lange mit dem Holzlöffel in die Reisschale. „Ich helf dir!“ Den Reis warf er nach Deidara. Unübersehbar die Revanche für die Schnapsdusche. Der junge Bursche zuckte, doch zu spät. Reiskörner klebten in seinem Gesicht und an den Haaren.

Er schnitt eine angewiderte Grimasse. Die Körner wischte Deidara sich aus dem Gesicht. Dann schob er sich etwas Reis vom Teller in den Mund. Mit einem finsteren Ausdruck langte er nach der Soßenschale. Yahiko sollte einschreiten, bevor die Situation eskalierte und mehr Lebensmittel durch die Luft flogen.

„Verschwendet das Essen nicht.“ Yahikos Stimme durchschnitt die Szene wie ein scharfes Katana. Augenblicklich hielten alle am Tisch inne und sahen zu ihm.

„Deidara, stell die Schale hin. Heute keine Essensschlacht.“ Die Letzte war erst ein paar Tage her.

Grummelnd knallte Deidara die Schale auf den Tisch. Etwas Soße schwappte über den Rand. Auf dem gefleckten Holz bildete sich eine dunkle Pfütze. Ein warnender Blick aus den grauen Augen traf Hidan, damit dieser die Anweisung nicht doch ignorierte. Angriffslustig riss der Silberhaarige seinen gegarten Entenfuß auseinander und biss das Fleisch ab. Auf das Getue gab der Captain nichts.

In einem Zug leerte Yahiko die Schale Schnaps und ließ sie von Zetsu nachfüllen.

Die Bande wandte sich in angemessener Manier wieder den Speisen zu. Deidara pulte sich nebenbei die Reiskörner aus den Haaren. Der kleine Blonde war ein ordentlicher Pirat. Er hatte sich schnell eingelebt und im Gegensatz zu Sasori bereitete er keine Umstände. Die Allüren des Rotschopfes waren anstrengend, aber er war der beste Steuermann. Daher musste Yahiko sich mit den Launen abfinden. Ein wenig Konkurrenz seitens Deidara würde Sasori nicht schaden.

Abgesehen von einem Ersatzsteuermann verbesserte der Bengel sich im Umgang mit Waffen. Er war ein äußerst talentierter Schütze. Nach ein paar Hinweisen von Sasori traf er fast immer das Ziel. Und seit dem Überfall auf das Handelsschiff entwickelte er ein ausgeprägtes Interesse an Sprengstoff. Er hatte sich beibringen lassen, wie man Handgranaten herstellte.

Yahikos Gedanken ruderten in die Gegenwart zurück. In den Schalen und auf den Tellern verblieben lediglich kärgliche Reste. Der Schnaps erhielt nun die ungeteilte Aufmerksamkeit. Zetsu lehnte sich still nach hinten, nippte von seinem Schälchen und lauschte den Gesprächen um sie herum. Die restlichen Vier stimmten eines der vielen Sauflieder an. Und mit jeder weiteren Flasche chinesischen Schnapses trafen sie weniger Töne.

Die Huren ließen sich von dem schiefen Gejaule anlocken. Besoffene Seemänner verhießen in der Regel ein einträgliches Geschäft. Zwei Kurtisanen, deren Ausschnitt einen großzügigen Blick auf ihren festen Busen gewährte, näherten sich ihnen. Sie waren recht dürr. Die Größere hatte im Gesicht ein auffälliges Muttermal über der linken Augenbraue. Sie verneigten sich höflich. „Wünscht Ihr Gesellschaft?“, fragte die Kleinere der beiden.

Hidan packte erfreut eine der Frauen am Handgelenk und zog sie auf seinen Schoß hinab. Ein erschrockener Laut entkam ihr, aber sie wehrte sich nicht gegen den Griff. Es wäre eh zwecklos gewesen. „Nimm dir heud nischt mehr vor, Kleine. Isch beschorgs dir so hard, dasch du morgen nich mehr schidzen gannsd.“

Manchmal fragte Yahiko sich, wie Hidan nach so vielen Flaschen Schnaps überhaupt noch das Loch fand.

Die andere Hure setzte sich neben Deidara und lächelte ihn gewinnend an. Dieser runzelte die Stirn. „Verschwinde, hm“, meinte er angewidert. Die dürre Frau erhob sich mit unbeeindrucktem Gesichtsausdruck und warf einen auffordernden Blick in die Runde. Kakuzu reagierte wie üblich nicht. Narbengesicht hortete seine Schätze. Er gab nur für Essen, Trinken und Alkohol Geld aus. Alles andere nahm er sich ohne Bezahlung. Und Menschen weckten sein Interesse nur, wenn sie ihm eine dickere Geldbörse verschaffen konnten.

Zetsu ging diskret vor. Während Landgängen verschwand er oft stunden- oder tagelang. Er kam stets mit neuen Informationen zurück. Wo er sie her hatte, gab er nicht preis. Kurtisanen waren eine nicht unübliche Quelle. Sollte er bezahlte Liebesdienste in Anspruch nehmen, so verheimlichte er dies.

Der einzige, der die Hure offen anglotzte, war Kisame. Dem großen Kerl mit den spitz gefeilten Zähnen schien sie nicht sonderlich zugetan. Sie wartete, in der Hoffnung, einer der anderen am Tisch würde sich ihrer erbarmen. Ein verheißungsvoller Blick traf Yahiko. Er schüttelte verneinend den Kopf. Sie ergab sich in ihr Schicksal und ließ sich neben Kisame nieder. Überschwänglich legte er den Arm um ihre schmalen Schultern und grub ungeniert die große Pranke in ihre rechte Brust.

Zetsu stieß ihn unauffällig in die Seite und deutete zur Eingangstür. Soeben betraten neue Gäste die Garküche. Bei dem Anblick des Schwarzhaarigen, der die Schar anführte, stieg Groll in Yahiko auf. Orochimaru, sein früherer erster Offizier. Nach der erfolglosen Meuterei hatten sie ihn auf einer einsamen Insel ausgesetzt. Der Orangehaarige war davon ausgegangen, die alte Schlange sei verdurstet.

Der Captain der Akatsuki musterte die Gestalten, die Orochimaru hinterher dackelten. Schräg hinter ihm hielt sich ein kurz geratener Weißhaariger. Sah aus wie ein Albino-Japaner. Ihm folgten eine rothaarige Frau, ein dunkler Typ mit zerzaustem Zopf, ein fast kahler Fettwanst und zwei Burschen, die wie ein Reiskorn dem anderen glichen. Die jungen Gesichter ließen annehmen, dass sie keine zwanzig Winter erlebt hatten.

Der zusammengewürfelten Kleidung und den Waffen nach zu schlussfolgern hatte Orochimaru jetzt genau das, was er wollte. Eine eigene Piratenbande. Wie lästig.

Der Meuterer bemerkte sie und kam mit diesem schauderhaften Lächeln zu ihrem Tisch. Die anderen wurden ebenfalls auf die neuen Gäste aufmerksam. Hidan zeigte seine Überraschung über den lebenden Orochimaru offen. „Wasch machd die alde Schlange denn hier? Du scholldesd dod sein!“

Der Schwarzhaarige sah auf Hidan hinab, dann zu Yahiko. „Dass der Hohlkopf sich noch nicht das Gehirn weggesoffen hat, ist höchst erstaunlich.“

„Verpiss dich oder ich beende, was wir angefangen haben.“ Das war die einzige Warnung, die er Orochimaru zugestand. Wenn der Mistkerl nicht schnell einen gehörigen Abstand zu ihnen aufbaute, gab es hier drin eine ausgewachsene Schlägerei. Den Huren wurde die kippende Stimmung zu heikel. Eilig zogen sie sich zurück.

Die Zwillinge schoben sich neben die Rothaarige. „Wie willste das denn schaffen, alter Mann? Wir sind acht, ihr nur sechs!“ Der Bursche, der gesprochen hatte, streckte ihm dreist die Zunge raus.

Deidara schaute fragend in die Runde. „Wer sin die, hm?“

„Der frühere erste Offizier. Orochimaru. Hat gemeutert. Wir haben ihn dafür auf einer einsamen Insel ausgesetzt, zum Sterben.“ Kakuzu fasste in wenigen Sätzen das Wichtigste zusammen.

„Orochimaru? So heißd doch das schwarze Mistvieh, hm.“

Kisame nickte bestätigend. „Das Katschenviech ham wir nach ihm aufgesammelt, von nem anderen Schiff. Der Name hat gepasst. Und es hängt an Itachi, wie die alte Schlange.“ Der kräftige Pirat schüttelte sich. Die einschmeichelnde Art Orochimarus fand jeder auf der Akatsuki abstoßend. Vor allem die Beharrlichkeit, wie er dem Geschützmeister hinterher gelechzt hatte. Der erste und einzige Versuch, Itachi anzufassen, hatte für Orochimaru mit einem Messer in der Hand geendet.

„Apropos Itachi. Wo habt ihr den denn gelassen? Versteckt er sich wieder auf dem Schiff?“ Eine Antwort schien Orochimaru nicht zu erwarten. Er beugte sich zu Deidara runter und tätschelte seinen Kopf. „Wie goldig. Ein Ausländer.“

Deidara ballte die Faust und schlug den fremden Arm weg. Im nächsten Moment sprang der Blonde auf und hielt die Granate in der Hand. „Fass mich nich an, hm!“

Orochimaru sah amüsiert auf die runde Keramikkugel hinab, dann in Deidaras Gesicht. „Jungchen. Man zündet nicht in einem Raum eine Granate, in dem man sich selbst aufhält.“

Yahiko gab dem Schwarzhaarigen in gedanklich Recht. Deidara war ein cleverer Bursche. Aber manchmal ließ er sich zu leicht provozieren. „Deidara, keine Handgranaten hier drin.“

Der Blonde knurrte und tauschte das explosive Geschoss durch seine Pistole aus.

„Der Ausländer hat einen japanischen Namen?“ Mit neuem Interesse musterten die schlangengleichen Augen Deidara.

Der reckte trotzig die Nase. „Problem damit, Schneewittchen, hm?“

Alle Augenpaare zuckten mit einem verständnislosen Ausdruck zu dem Blonden. Hidan, der auffällig mit seinem rostigen Messer spielte, stellte die Frage, die den Piraten ins Gesicht geschrieben stand. „Wasch?“

Deidara sah sich um. „Schneewittchen, das Märchen. Nie davon gehörd? Is in meiner Heimad ziemlich beliebd.“ Er deutete auf Orochimaru und grinste belustigt. „Sie is ne Prinzessin, die nur durch einen Kussch der wahren Liebe aus ihrem Schlaf geweckd werden kann. Ihre Haud is so weiß wie Schnee, ihr Haar so schwarz wie Ebenhols und ihre Lippen so rod wie Blud, hm.“

Orochimarus Augenbrauen zogen sich zusammen. Empörte Rufe drangen aus seinen Reihen. Kakuzu und Zetsu schmunzelten. Yahiko fand die Vorstellung amüsant, zeigte aber keine Emotion nach außen. Hidan reagierte zuletzt, dafür jedoch am heftigsten. Laut lachend schlug er die flache Hand auf den Tisch.

„Prinscheschin Orochimaru!“

Eine Kellnerin näherte sich und bat sie höflich, Meinungsverschiedenheiten vor der Tür zu regeln. In den Hafengarküchen war man mit dem handfesten Gebaren der Seemänner vertraut und wollte von vornherein meiden, dass sie das Mobiliar zerstörten und die Gäste verscheuchten.

Yahiko erhob sich besonnen. „Gehen wir vor die Tür.“ Fest sah er dem schwarzhaarigen Widersacher in die Augen, während er die nächsten Worte an seine Leute richtete. „Und schieben ihnen unsere Pistolen so tief in den Arsch, dass sie das Schwarzpulver schmecken können!“

„Na endlisch!“, rief Hidan begeistert. Deidara holte seine Handgranate wieder hervor und grinste triumphierend. Kakuzu, Zetsu und Kisame erhoben sich, griffen zu ihren Waffen, ebenso wie die gegnerische Piratenbande.

Die Bedienung war umsichtig genug, sie jetzt nicht um die Zeche zu bitten. Aufgestachelte Seemänner reagierten in solchen Moment höchst ungehalten und könnten ihre Wut gegen die Kellnerin richten. Wie eine Vorsuppe und anschließend kam der Hauptgang.

Yahiko deutete mit einer erhabenen Geste Richtung Tür. Orochimarus Bande Vollidioten war dieser näher und sollte gefälligst vorausgehen. Dessen Haufen Halbstarker wandte sich auf ein Kopfnicken Orochimarus ab und verließ die Garküche. Der Schwarzhaarige selbst schritt rückwärts, behielt den Gegner im Auge. Auf ihn mussten sie am genausten achten.

Yahiko passierte langsam Deidara. Auf seiner Höhe hauchte er einen knappen Befehl. Die Lippen bewegte er kaum. „Granate. Sobald wir draußen sind.“ Minimal nickte der Kleine. Das irre Glitzern in den graublauen Iriden wurde sichtbar. Dann trat der Captain an dem Burschen vorbei. Die Crew der Akatsuki folgte ihm.

Yahiko wollte keinen seiner Männer verlieren, nur weil sich im Kampf eine Kugel von einem übereifrigen Bengel Orochimarus verirrte. Aus kurzer Distanz war niemand in der Lage, dem Geschoss auszuweichen. Er würde das zügig beenden. Deidaras Begeisterung für Sprengstoff und Fernwaffen brachte großen Nutzen mit sich. Der Blonde sollte diese alberne Piratenbande aufscheuchen und ein paar ernste Verletzungen verursachen. Dann war der Kampf entschieden. Piraten waren meist feiges Pack und zogen sich zurück, sobald sich im Nachteil auftat. Orochimaru stellte keine Ausnahme dar. Mit dem einzigen Unterschied, dass er schwer zu töten war und wie eine Katze mehrere Leben zu haben schien.

Silbriges Mondlicht begrüßte sie vor dem Gebäude. Kleine Lichter verstreuten sich überall im Hafen, erleuchteten Schiffe, Boote und die hölzernen Piere. In einigen Metern Entfernung hielt die feindliche Piratenbande an. Orochimarus Haufen wandte sich ihnen kaum zu, da flog Deidaras Granate in ihre Richtung. Die brennende Zündschnur zog einen winzigen Schweif hinter dem Geschoss her. Es war erstaunlich, wie schnell der Kleine ein Zündholz entfachte.

„Auseinander!“, rief Orochimaru geistesgegenwärtig. Dessen Umsicht, sie nicht aus den Augen zu lassen, half wenig. Das Unheil flog unaufhaltsam näher. Die Piraten stürzten davon, zum Hafenpier. Yahiko und seine eigenen Leute duckten sich, die Arme schützend um den Kopf gelegt.

Es krachte ohrenbetäubend. Grelles Licht stach selbst durch die geschlossenen Lider. Schreie vermischten sich mit dem Knall der Explosion. Die harte Druckwelle riss Yahiko von den Füßen. Sie waren zu nah an der Detonation. Das charakteristische Fiepen setzte in den Ohren ein.

Der Captain zwang seinen schmerzenden Körper zur Bewegung. Jetzt durfte keine Zeit verstreichen. Sonst war ihr Vorteil zunichte. Der Orangehaarige erhob sich. Unter dem Marinemantel zog er die Pistole vor. Allmählich zerrupfte der Wind die Staubwolken der Explosion. Ihre Feinde blieben ohne Deckung. Der Fettwanst und die Stachelfrisur lagen reglos am Boden. Am Rücken war die Kleidung verkohlt. Kleine Flämmchen züngelten am verbliebenen Stoff. Darunter verunstalteten frische Brandwunden die bloßen Körper. Benommen rutschten die Zwillinge über den sandigen Grund. Am glimpflichsten waren das Mädchen, der Albino und Orochimaru selbst davon gekommen. Sie stemmten sich unverkennbar schwankend auf die Beine.

Aus den Augenwinkeln registrierte Yahiko, wie sich seine eigene Truppe aufrappelte. Keiner von ihnen dürfte ernsthaft verletzt sein. Ein paar oberflächliche Wunden von herumfliegenden Keramik- und Holzsplittern, eventuell ein Knalltrauma. Für schwerere Blessuren waren sie zu weit weg gewesen.

Yahiko zielte auf Orochimaru. Minimal schlingerte seine Umgebung. Der Zeigefinger bog sich um den Abzug. Unangenehm hallte der Rückstoß im Handgelenk nach. Die Kugel verfehlte die alte Schlange knapp.

Zusammen mit den verbliebenen Anhängseln schwankte Orochimaru hastig zu den Häusern. Er flüchtete in die Deckung. Die schwer verletzten Kameraden ließen sie zurück.

Neben ihm richteten Kakuzu, Kisame, Hidan, Zetsu und Deidara die Pistolen auf ihre Feinde. Das vertraute Klacken beim Entsichern erschien unnatürlich dumpf. Weitere Kugeln flogen donnernd durch die Luft. Die Zwillinge zuckten, dann regten sie sich nicht mehr. Orochimaru und sein Albino retteten sich in die schmale Seitenstraße. Eine Kugel erwischte die Rothaarige. Sie taumelte, fing sich allerdings und erreichte die Gasse.

„Hinderher“, brüllte Hidan euphorisch. Er rannte los. Doch weit kam er nicht. Der Alkohol und die Nachwirkungen der Explosion brachten ihn aus dem Gleichgewicht. Er stürzte schwer auf den Pier. Ein gequältes Stöhnen entkam ihm.

„Lasst sie.“ Yahiko hatte keine Lust auf eine nervige Verfolgungsjagd durch die Straßen von Hongkong. Er deutete auf die vier Leichen. „Nehmt mit, was wir gebrauchen können. Und dann weg hier.“ In ein paar Minuten würde die Stadtwache eintreffen, angelockt vom Krach. Bis dahin wollte er weit weg sein.
 

Deidara nahm die Treppe zur Bilge hinab. „Na los, beweg deinen Arsch, du Missgeburt!“ Hidans frustrierte Stimme schallte ihm entgegen. Was trieb der denn hier? Er sollte doch die Essensreste, die vorrangig aus abgenagten Knochen bestanden, entsorgen.

Aber anstatt sie über Bord zu werfen, hatte er eine amüsantere Art gefunden, die Reste zu nutzen. Deidara erreichte das untere Ende der Treppe. Am Haken hing eine Laterne und erleuchtete das Szenario. Hidan hielt den Eimer in der einen Hand, mit der anderen warf er Knochen durch das Gitter. Einer traf den Rotschopf am Kopf. Weitere Knochen verteilten sich auf ihm und über den Boden.

Wut stieg in Deidara auf. Der Blonde stellte die eigene Laterne und die Schüssel mit Gaaras Abendessen auf einem Fass ab. Mit wenigen Schritten war er bei Hidan und riss ihm den Eimer aus der Hand. „Hidan, was soll der Scheiß, hm?“

„Ey, Blondie! Ich will bloß ein bisschen Spaß haben. Mir is langweilig. Du hast doch auch deinen Spaß mit dem Prinzchen!“

Den Eimer ließ Deidara los. Mit einem Poltern landete er auf den Holplanken. Einem glücklichen Zufall war es zu verdanken, dass er nicht umkippte und die übrigen Reste sich über die Planken ergossen. Der Blonde zog die Pistole unter der Schärpe hervor. Mit dem Lauf drückte er Hidans Kinn hoch. „Such dir was anderes. Der gehört mir.“ Mit einem leisen Klacken spannte er den Hahn. Die Augen des Silberhaarigen weiteten sich erschrocken. Hidan sollte nicht glauben, er ließe sich umstimmen.

„Entspann dich, Blondie. Er gehört nicht dir allein.“

Deidara griff unter seinen Yukata und fische den Schlüssel hervor, hielt ihn Hidan vors Gesicht. „Ich hab den Schlüssel. Ich bin für ihn verantwortlich. Also verpiss dich oder ich jag dir eine Kugel durch deinen hässlichen Schädel, hm.“ Die letzten Worte waren nur noch ein warnendes Knurren.

Hidan verleierte die Augen und schnaufte genervt. Störrisch erwiderte er Deidaras bohrenden Blick. Erst nach einigen Herzschlägen gab er sich geschlagen und hob beschwichtigend die Arme. „Is ja gut.“ Langsam ließ Deidara die Hände sinken, zielt aber weiterhin mit der Pistole auf seinen Kameraden. „Und nimm den stinkenden Kübel mit, hm.“

„Ja ja“, murrte Hidan. Grummelnd griff den Henkel des Eimers und schlurfte davon. Deidara sicherte die Waffe. Er nahm Gaaras Mahlzeit vom Fass. Ein letzter Blick glitt zur Treppe, um sich zu vergewissern, dass Hidan tatsächlich abgezogen war. Dann schloss er die Gittertür auf und trat ein.

Der Blonde hockte sich wie üblich vor Gaara und stellte die Schüssel ab. Er musterte den Sohn des Tennô. Ein paar Knöchlein hingen am goldgelben Yukata. An der linken Schläfe nahe der kanjiförmigen Narbe sickerte etwas Blut aus einer kleinen Platzwunde. Trotz der Erniedrigung von Hidan zeigte sich keine Regung in seinem Gesicht.

Die Emotionslosigkeit nervte Deidara gewaltig. Deshalb hatte er überhaupt angefangen, dem Rotschopf zu jeder Mahlzeit ein Kleidungsstück wegzunehmen, wenn er hier runter kam. Das Spiel verlor allerdings zunehmend an Reiz. Und Hidan hatte ihm mit dieser albernen Aktion verdeutlicht, warum.

Deidara kannte das Gefühl von Hilflosigkeit, sich nicht gegen seinen Peiniger zur Wehr setzen zu können. Er hatte sich rächen wollen für die langen Jahre in Sklaverei. Aber Gaara war der Falsche. Der Prinz gehörte nicht zu den Tokugawa. Vermutlich besaß die Familie des Tennô auch Sklaven. Der Rotschopf war sicher nicht unschuldig. Und doch empfand er kein Vergnügen, den anderen zu quälen. Deidara wusste zu genau, wie es sich anfühlte, das Opfer zu sein.

Trotzdem reizte es ihn, wie teilnahmslos der Sohn des Kaisers in der Ecke der Brig saß und alles mit geschehen ließ. Der Blonde beugte sich mit einem frustrierten Schnaufen vor. Seine Finger legten sich um Gaaras Unterkiefer. Grob drehte er dessen Gesicht zu sich. Die hellen Augen ruckten zu ihm. Absolut egal war ihm offensichtlich nicht, was um ihn herum geschah. „Halt still, das kannst du doch so gut, hm“, brummte Deidara. Er hob die andere Hand und wischte mit dem Ärmel des roten Yukatas die dünne Blutspur weg. Sein Blick blieb einmal mehr an der seltsamen Narbe hängen. Der Blonde konnte nicht lesen und schreiben. Einem Sklaven brachte man derlei nicht bei. Aber dass es sich um ein Kanji handelte, erkannte selbst er. Wie das wohl geschehen war?

Deidara strich versonnen mit den Fingerspitzen über die Narbe. Im nächsten Augenblick wurde er kräftig zurückgestoßen. Unsanft landete er mit dem Hintern auf dem feuchten Boden. „Was soll der...“, knurrte Deidara. Bei Gaaras Anblick verstummte er. Dessen Augen waren schreckgeweitet. Der Atem ging panisch. Es war nicht zu übersehen, dass er mit der Narbe eine schreckliche Erinnerung verband so wie er selbst mit dem Sklaventattoo.

Deidara seufzte. Er griff nach der Schale und hielt sie dem Rotschopf hin. „Hier, iss.“ Neben dem Reis und eingelegtem Gemüse hatte Deidara eine Hühnerkeule mitgehen lassen. Das sollte als Friedensangebot hoffentlich ausreichen.

Gaara beruhigte sich nur langsam. Zögerlich nahm er ihm die Schüssel aus der Hand. Einige Minuten starrte er auf die Nahrung hinunter, ehe er zu essen anfing.

Deidara ließ sich im Schneidersitz nieder und beobachtete ihn schweigend. Bisher war er nicht geblieben, bis Gaara seine Mahlzeit beendet hatte. Aber er konnte sich vorstellen, dass es ätzend war, im Dunkeln eingesperrt zu sein. Es gab keine Chance, den Himmel zu sehen und frische Luft zu atmen. Die Zeit dehnte sich in solchen finsteren Löchern aus wie ein See nach der Regenzeit im Sommer.

Die leere Schüssel stellte Gaara neben sich ab. Deidara band den Wasserschlauch von seiner Schärpe los und legte ihn vor den Prinzen. Dann sammelte er das benutzte Geschirr ein. Er kehrte besser an Deck zurück, bevor die anderen misstrauisch wurden. Niemand sollte in Erwägung ziehen, er sympathisierte mit ihrem Gefangenen. Sonst entzog Yahiko ihm vielleicht die Aufgabe, sich um ihn zu kümmern.

Deidara verließ die Brig und schloss hinter sich sorgfältig die Gittertür zu.

„Danke.“ Nur leise drang das Wort zu ihm. Überrascht sah Deidara auf. Gaara sprach zum ersten Mal. Bisher hatte niemand an Bord der Akatsuki einen Laut aus ihm heraus bekommen. Seine Stimme klang kratzig, aber die Tonlage schmeichelte wohltuend den Ohren. Ein schelmisches Grinsen breitete sich auf Deidaras Lippen aus. Er hatte den Prinzen zum Reden gebracht.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Nach vier Jahren geht es auch endlich bei Pirates of Japan weiter, obwohl ich zwischendurch abgebrochen hatte. Ich habe so viel Zeit damals mit der Recherche und der Ausarbeitung verbracht, dass es schade wäre, die Story nicht zu Ende zu bringen. Darum werde ich jetzt weitermachen :) Komplett anzeigen

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