Wenn die Seele zerbricht
Wenn die Seele zerbricht
Erschocken fuhr Usagi herum und schaute in enttäuschte blaue Augen. Ihr Herz, welches zuvor noch von Wärme erfüllt war, gefror augenblicklich.
Der junge Mann hatte seine übliche Joggingrunde gedreht. Diese führte ihn immer an Usagis Haus vorbei. Überrascht war Mamoru stehen geblieben, als er Usagi und Setsuna zu so früher Stunde entdeckt hatte. Plötzlich küssten sich die beiden Frauen. Mamorus Welt, so wie er sie kannte, zerbrach augenblicklich.
Wie betäubt hatte er dagestanden. Durch seinen Kopf rauschten die Bilder der letzten Wochen. Usagi, die ihm, bei jeder noch so kleinen Zärtlichkeit, auswich. Jedes mal hatte er seine geliebte Freundin gefragt, ob er etwas falsch gemacht habe und sie hatte beteuert, es sei nichts. Das Nichts konnte er jetzt mit seinen Augen sehen. Es kam ihm wie eine Ewigkeit vor, dass sein Verstand endlich wieder arbeitete. Der erste klare Gedanke, der ihm kam, war der Gedanke an seine Tochter.
Wut entflammte im Herzen des Prinzen, als ihm bewusst wurde, dass Usagi nicht nur seine Zukunft, sondern auch die seiner Tochter riskierte.
Er wollte und musste seine Usagi zu rede stellen, also hatte er das Bedürfnis unterdrückt, einfach fort zu laufen.
Als das gelbe Fahrzeug am Horizont verschwunden war, war er auf die Blonde schnellen Schrittes zugelaufen.
Jetzt blickte er in geweitete blaue Augen.
"Mamoru, es tut mir leid. Ich wollte es dir heute sagen.", sprach Usagi, nachdem sie ihre Gedanken sortiert hatte.
Mamoru baute sich vor der zierlichen Frau auf. Seine Gedanken waren von einer tiefen Wut vernebelt. Zum ersten Mal in seinem Leben verlor er die Kontrolle über das was er sagt und dachte.
"Seit wann geht das mit euch beiden schon? Wann hattest du vor es mir zu sagen? Ich verstehe nichts mehr, ich dachte du liebst mich!", mit jedem Satz wurde der junge Mann lauter und lauter.
Ängstlich wich Usagi einen Schritt zurück und sprach mit zitternder Stimme: "Es ist nicht deine Schuld, ich habe mich einfach in sie verliebt und..."
"Und deshalb wirfst du jetzt alles weg? Mich, uns... Hast du auch nur eine Minute an Chibi-Usa gedacht, Usagi? Bist du wirklich so egoistisch?"
Die Augen der blonden Frau weiteten sich und sie blickte verlegen zu Seite. Natürlich hatte sie an Chibi-Usa gedacht. Seit Tagen hatte sie über so vieles nachgedacht.
In dem Augenblick, als Usagi antworten wollte sprach Mamoru weiter. Es lag ein Hauch von Hohn in der Stimme des junge Mannes.
"Hab ich mir gedacht. Ich weiß das du manchmal Gedankenverloren bis, dass du eher mit dem Herzen als mit dem Verstand denkst, aber das hätte ich niemals erwartet, dass du..."
Mamorus Augen blieben an der bronzefarbenden Kette hängen. Mit einem Griff umschloss er die Kette. Usagi reagierte blitzschnell und versuchte seine Umklammerung zu lösen, dabei schrie nun auch sie: "Lass sofort los!"
"Sie ist an allem Schuld, sie mischt sich einfach in unsere Beziehung, in unsere Zukunft!", brüllte Mamoru und riss die Kette von Usagis Hals, dabei schubste er sie unsanft nach hinten.
"Das ist nicht wahr! Du sprichst immer von unserer Zukunft. Ich soll Königin werden! Hast du dich mich einmal gefragt, ob ich das alles will?", schrie Usagi.
"Du hast mir nie einen Anlass gegeben daran zu zweifeln. Erst seit der Party verhältst du dich... Ist es seit dem? Betrügst du mich seit dem mit ihr?", fragte Mamoru wütend. Seine Stimme war nun mehr ein Fauchen. "Ich betrüge dich n...", wollte Usagi sich erklären, aber plötzlich stand ein junger Mann vor ihr und breitete schützend die Hände aus.
"Fass meine Schwester noch einmal an und ich schlag dich zusammen!", auch Shingo brüllte nicht, sondern zischte die warnenden Worte.
Mamoru schnaufte abwertend und betrachtete Shingo eine Weile, dann wandte sich der Mann mit den kurzen Haaren ab. Er rannte ohne ein weiteres Wort in die Morgendämmerung, die Kette fest in seiner Faust.
Zitternd stand Usagi da und blinzelte die Tränen der Angst fort.
Shingo wandte sich zu seiner Schwester um und betrachtete sie. Usagi zitterte am ganzen Leib und schaute verstört dem Mann nach, den sie einst über alles geliebt hatte. Ohne ein Wort zog Shingo sie in eine feste Umarmung.
"Ich konnte ihn eh nie leiden, viel zu perfekt!", sprach der junge Bruder nach einer Weile und brachte damit die weinende Usagi zum Lachen.
Als Setsuna das Auto in der Einfahrt parkte wurde sie schon erwartet. Erstaunt blickten ihre Freundinnen sie an.
"Setsuna, warum bist du völlig durchnässt. Was habt ihr gemacht?", fragte Michiru verdutzt, während Haruka skeptisch das Innere ihres Wagens musterte.
Eine verräterische Röte schlich sich auf die Wangen der Dunkelhaarigen.
"Wir waren die ganze Nacht am Strand.", antwortete sie kleinlaut und genoss das Herzklopfen, welches ihre Brust erfüllte. Michiru hob eine Augenbraue und lächelte dann Haruka an. Diese erwiderte das Lächeln und sprach: "Oh ja, so einen Abend hatten wir auch schon."
Neugierig lehnte sich Haruka an den gelben Wagen. "Nun erzähl uns mal alles und vor allem, wie es weiter gehen soll.", forderte die Sportlerin ihre Freundin auf.
Eine Weile standen die drei Frauen neben dem gelben Auto und Setsuna führte den Abend mit Usagi aus. Dabei wählte sie bewusst, was sie näher beschrieb und was nicht.
Haruka und Michiru konnten zum ersten Mal ein strahlen in den Augen ihrer Freundin beobachten. Die sonst so traurigen rotbraunen Augen leuchteten förmlich.
"Ich freue mich so für dich, Setsuna!", seufzte Michiru und umarmte die Dunkelhaarige.
Haruka hingegen stupste Setsuna unsanft aber freundschaftlich an: "Dir ist schon klar, wenn Usagi meinem Wagen einen Kratzer zugefügt hätte, dass du dann..."
Plötzlich stellte sich Haruka vor die beiden Frauen und zischte: "Ihr solltet besser rein gehen!"
Mamoru drehte sich nicht um, er rannte einfach weg von der Frau, die er über alles liebte. Ein Teil in ihm bereute seine unüberlegte Handlung. Er hatte Usagi nicht einmal die Möglichkeit geben, sich zu erklären. Aber ein anderer Teil seines Herzens war mit Wut erfüllt. Eine unbändige Wut auf Usagi und Setsuna.
"Setsuna, sie vor allen anderen müsste es besser wissen. Wenn nicht Usagi, dann hätte sie an die kleine Lady denken sollen!", dachte Mamoru zornig.
Ohne darüber nachzudenken, hatte Mamoru sich auf den Weg zu den drei Frauen gemacht. Er hatte beschlossen Usagi, seine Tochter und seine Zukunft nicht kampflos aufzugeben. Der junge Mann verrannte sich in die Vorstellung, dass es nicht Usagis Wille sein konnte, ihre Zukunft aufzugeben. Er konnte sich nicht erklären warum, aber für den jungen Prinzen stand fest, dass Setsuna Usagi den Kopf verdreht hatte. Sie wollte ihn und seine Usagi auseinander bringen.
Fragend schauten sich die beiden Frauen um, aber es war zu spät.
Mamoru war mit großem Tempo durch den Garten gekommen und baute sich vor der Sportlerin auf: "Geh mir aus dem Weg, ich will mit ihr reden!", zischte er.
Die Anstrengung des langen Weges, zeichnete sich auf dem zornerfüllten Gesicht des jungen Mannes ab.
"Wenn du dich beruhigst dann...", wollte Haruka kühl antworten, aber Mamoru stieß sie unsanft zur Seite. Michiru wollte ihre Freundin auffangen, wurde aber von der Wucht mit zu Boden gerissen.
"Erzähl du mir nichts von Beruhigen. Ihr Drei, habt meiner Usagi eure frauenliebenden Flausen in den Kopf gesetzt!", fauchte Mamoru und baute sich nun vor Setsuna auf. Der Körper der Kriegerin der Zeit spannte sich an. In ihrem Kopf raste es. Warum war Mamoru hier? Warum wusste er es jetzt schon und wo war ihre Usagi?
"Du...!", fauchte er und drückte seinen Zeigefinger schmerzend in Setsunas Dekolletee.
"Du nimmst mir Usagi nicht. Wie kannst du es wagen, dich in unsere Beziehung zu mischen?", sprach er laut. Haruka rappelte sich auf und stellte sich neben Setsuna. Die Dunkelhaarige blickte in die tiefen blauen Augen und sprach mit fester Stimme:
"Ich mische mich in nichts. Usagi wird dir gesagt haben, dass wir..."
"ES GIBT KEIN IHR!! Usagi gehört zu mir und Chibi-Usa und sie will dich nie wieder sehen!", schrie Mamoru nun.
Harukas Körper spannte sich an, sie war bereit zu kämpfen, wenn es nötig wurde. Unsicher wich Setsuna einen Schritt zurück und sprach mit brüchiger Stimme:
"Das ist nicht wahr! Das soll sie mir selber sagen..."
Plötzlich schubste Mamoru Setsuna kräftig. Diese verlor das Gleichgewicht und viel hart zu Boden. Bevor Haruka reagieren konnte, hatte Mamoru die kleine Kette in den Schoss der Älteren geworfen.
"Das soll ich dir wiedergeben mit den Worten die ich dir gesagt habe. Es war einmalig, sie liebt mich, nicht dich! Du warst nur ein Abenteuer, dass sie gesucht hat. Aber was sie will, ist eine Zukunft mit mir. Eine Zukunft in der es eine Chibi-Usa geben wird. Haltet euch fern von uns, alle Drei! Ihr seid kein Teil des Sailor Teams mehr!", fauchte der Mann mit den kurzen Harren und wandte sich ab.
Mamoru war schon ein ganzes Stück von der Gruppe entfernt, als er sich noch einmal umdrehte und rief. "Du wirst sie nie wieder sehen, ist das klar? Ich will dich nicht einmal in ihrer Nähe sehen! Es wäre besser du verschwindest dahin, wo du hingehörst, an das Tor zu Raum und Zeit, wo du keinen Schaden mehr anrichten kannst!"
Ohne eine Antwort oder Reaktion abzuwarten, verließ Mamoru das Grundstück.
Michiru zitterte am ganzen Leib und wandte sich an Setsuna: "Ist alles..."
Der Anblick ihrer dunkelhaarigen Freundin verschlug Michiru die Sprache. Zitternd saß Setsuna im Staub und fixierte das kleine Schmuckstück. Das Leuchten in ihren Augen war kalter Leere gewichen. Schluchzend tastete sie nach dem Anhänger.
Auch Haruka konnte erkennen, das in diesem Augenblick Setsunas Seele in tausend Scherben zerbrach.
"Setsuna, du darfst ihm nicht...", wollte Haruka ansetzen, aber diese war blitzschnell auf den Beinen und rannte ins Haus. Michiru und Haruka zögerten keine Sekunde und setzten ihrer Freundin nach.
"Setsuna, bitte warte... lauf nicht weg!", flehte Michiru, als sie die Treppen hoch rannte. Ein lautes Knallen und das leise Schnacken eines Schloss verriet der Künstlerin, dass Setsuna im Bad war.
Verzweifelt schlug Michiru gegen die Tür und rief durch das dunkle Holz: "Setsuna, mach die Tür auf! Bitte, du wirst ihm das doch nicht glauben? Das hat Usagi niemals gesagt!"
Doch ihre Stimme wurde von einem lauten Wasserrauschen übertönt. Besorgt blickte sie zu Haruka. Die Sportlerin schaute sich um und sprach dann: "Bleib hier und sprich zu ihr. Ich hole den Werkzeugkasten!"
Setsuna hörte nicht das Flehen auf der anderen Seite der Tür. Zitternd stand sie unter dem heißen Wasser, welches sich mit trüben Dampf vermischte.
Das Wasser brannte durch das Kleid, das Setsuna trug. Aber der Schmerz auf ihrer Haut konnte nicht den Schmerz in ihrem Herzen übertönen.
Zitternd und weinend blickte Setsuna in den Spiegel. Mamorus Worte halten durch ihren Kopf und ohne darüber nachzudenken, ohne noch die Kontrolle über sich und ihre Gedanken zu haben, schlug die Dunkelhaarige mit einem schmerzerfüllten Schrei in den großen Spiegel.
Michiru zuckte zusammen als Setsunas Herz zerreißender Schrei, gefolgt von klirrendem Glas, ertönte.
Panisch schrie die Künstlerin durch das Haus: "HARUKA, SCHNELL!!"
Leere Augen fixierten die silbernen Scherben, die in einem zarten Rot schwammen. Die Spiegelscherben hatten die Haut ihrer Hände zerschnitte. Willenlos lies sich Setsuna zu Boden sinken. Sie spürte nicht, wie sich Scherben in ihr Bein bohrten. Setsuna spürte und fühlte nichts mehr. Keinen Herzschlag, keine Wärme, keine Kälte, ihr Innerstes war leer.
Mehr Blut vermischte sich mit dem heißen Wasser. Schon immer war ihre Welt farblos und leer gewesen. Usagis Augen waren der Grund ihrer Existenz. Sie nur zu sehen hatte der Kriegerin der Zeit so lange gereicht. Warum hatte sie sich damit nicht zufrieden geben?
Als Setsuna eine große Spiegelscherbe aufhob, betrachtete sie darin ihre Augen. Sie waren kalt und leer.
In ihren Augen konnte sie die zerbrochenen Träume sehen. Sie waren das Einzige, was sie immer am Leben gehalten hatte.
Der Schmerz vernebelte ihre Sinne bebend legte sie die silberne Scherbe an die pulsierende Haut. Setsuna hatte das Gefühl, sich von oben zu sehen, als habe sie ihren Körper schon verlassen und keine Kontrolle mehr über das weitere Geschehen.
Während sie abwesend mit der Scherbe in die braune Haut schnitt, flüsterte die Kriegerin der Zeit: "Meine Seele, mein Leben ist nichts ohne dich. Wer keine Seele hat, brauch keinen Körper."
Draußen konnte man Haruka hören, die sich gegen die Tür warf.
Tiefrotes Blut vermischte sich mit heißem Wasser.
Langsam lösten sich die Konturen des Raumes auf. In dem Augenblick als Setsuna das Bewusstsein verlor, hörte sie das Krachen der Tür und einen lauten Schrei.
Michiru schrie panisch auf, als sie Setsuna in ihrem Blut und den Scherben liegen sah. Haruka wandte sich bebend um und rüttelte ihre Freundin: "Reiß dich zusammen, ruf den Notarzt!"
Michiru nickte und sammelte ihre Sinne. Hastig rannte sie die Treppen hinab und griff nach dem Telefon, um den Notruf zu rufen.
Haruka ignorierte die Scherben und zog erschüttert die bewusstlose Setsuna in ihren Schoß. Die Sportlerin hatte Mühe die Fassung zu behalten. Mit zitternden Händen zog sie zwei Handtücher vom Ständer und flüsterte unter Tränen: "Du Dummkopf, was tust du nur. Bitte, Setsuna, tu uns das nicht an!"
Während sie auf die Dunkelhaarige einredete, schlang sie die dicken weißen Handtücher um Setsunas Handgelenke.
Mit einem festen Knoten versuchte die Rennfahrerin die Blutung zu stoppen. Kaum hatte der weiße Stoff die Haut berührt, wurde er von rubinrotem Blut durchtränkt. Prüfend tastete Haruka nach Setsunas Puls. Er war kaum fühlbar und wurde spürbar langsamer. Weinend vergrub sie ihren Kopf in das dunkle Haar und hauchte mit erstickender Stimme: "Stirb nicht, bitte."
Als Michiru ins Bad kam und sich weinend zu Haruka kniete, konnten die in der Ferne das Heulen von Sirenen hören.