Zum Inhalt der Seite

Machina Mundi

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

1. Satz : Interferenz

7. Dezember, UC 0075
 

Side 3, Guardian Banchi, Zeon Militärakademie
 

Er hatte aufgehört zu rauchen. Was ein erster, winziger Erfolg war. Jetzt musste der Monitor nur wieder ordentlich funktionieren. Ohne dieses nervöse Flackern, das einem im herrschenden Halbdunkel bei zu genauem Hinschauen nach zehn Sekunden in den Augen schmerzte.
 

In der Luft hing noch immer der beißende Geruch nach dem verschmorten Kabel, das die Elektrik des Zakus nahezu völlig zum Erliegen gebracht hatte. Jetzt wusste er zumindest, wie man die Verkleidung des Steuerpults auch ohne angemessenes Werkzeug öffnen konnte – was er als zweiten, wenn auch bitteren Erfolg des Tages verbuchte.
 

Char unterdrückte den Hustenreiz, der sich in seiner Kehle gerade wieder am Aufbauen war. So gut es ging schloss er die schmale verbeulte Platte unter dem Kommandopult und wischte mit der Hand das letzte bisschen Rauch aus der Luft.
 

Heute war wohl sein Glückstag, dachte er zerknirscht. Erst der gelöschte Kabelbrand und dann noch sein Gegenüber, der, wie es aussah, wohl auch noch Schwierigkeiten hatte, seinen Suit in Gang zu bringen. Char musste ihm nur zuvorkommen, dann wäre der Tag wenigstens für etwas zu gebrauchen gewesen.
 

Der Zaku schien zu wissen, dass es jetzt auf ihn ankam, denn er setzte sich endlich wieder in Bewegung. Es knirschte tief im Inneren des metallenen Riesen, als fiele ihm jede einzelne Regung schwer. Als wäre er ein Greis, kam es Char in den Sinn. Was er genaugenommen auch war. Ein alter, ausgemusterter und verrosteter Maschinengreis mit leckenden Schläuchen, aus denen was wusste er was für Flüssigkeiten tropften. Sie hinterließen jedenfalls dort, wo sie auftrafen, Stellen, an denen das Metall Blasen bildete. Und von diesen Stellen gab es bereits einige.
 

Eine winzige Bewegung auf dem Display vor sich, fing Chars Aufmerksamkeit ein.
 

"Zu früh gefreut, Feigling", kommentierte er den Punkt, der sich ihm langsam in einem weiten, vorsichtigen Bogen näherte, bis er nur noch wenige Schritte von Char entfernt war. Nahe genug, damit er ihm zeigen konnte, was man mit Feiglingen tat, die sich anschlichen. Chars Mundwinkel wollten sich gerade zu einem triumphierenden Lächeln heben, als das Display erneut erlosch und bis auf das kleine Fenster in der Mitte, das eine Fehlermeldung anzeigte, von der Char im Leben noch nichts gehört hatte, alles, was zur Steuerung beitrug, ausgeblendet wurde.

Die Hydraulik seufzte erschöpft und der Zaku sank in eine spontan selbstgewählte Ruhestellung.
 

"Verfluchter Dreck!" Chars Faust hämmerte unwirsch auf das Kommandopult. Jetzt erlosch auch die Fehlermeldung und stattdessen erklang ein Warnton, begleitet von einem blassblauen Licht, das einzig den Notausgang schwach beleuchtete.
 

Char stieß einen Fluch zwischen den Zähnen hervor und tastete nahezu orientierungslos mit der Hand nach der verbeulten Platte unter dem Pult. Warum leuchtete dieses verdammte Licht über der verriegelten Tür, statt vor ihm über dem Steuerpult, wo er vielleicht noch etwas ändern konnte? Was wollte man ihm damit etwa zu verstehen geben, dass es außer Flucht keinen Ausweg mehr gab? Char lachte heiser.

Die Verkleidung unter dem Steuerpult gab endlich nach und fiel polternd zu Boden. Beherzt griff er nach dem Kabel, das ihm als erstes zwischen die Finger kam, und hoffte, dass es genügte, wenn er es etwas hin und her bog. Zu mehr reichte das Licht über dem Notausgang nicht aus.

Er und flüchten? Da kannte man ihn aber schlecht.
 

"Na-", warte hatte Char gerade sagen wollen, als auch das Licht über dem Ausgang den Geist aufgab und gleichzeitig der Warnton immer leiser wurde, bis er endgültig verstummte.

Falsches Kabel...
 

Einen Moment lang herrschte atemlose Stille in dem Zaku. Der andere Suit konnte nicht weit weg sein. Wahrscheinlich waren ihm die Probleme, die Char mit seinem Zaku hatte, nicht entgangen und er wartete nur auf den richtigen Moment, um zuzuschlagen. Außer, der andere war ein völliger Idiot – was er, wie Char wusste, nicht war.
 

Ohne etwas sehen oder tun zu können, wartete Char mit angehaltenem Atem auf den ersten Schlag, der seinen stillgelegten Zaku gleich treffen musste. Seine Hände gruben sich so fest es ging in die Armlehnen seines Sitzes und er spürte wie sich die Härchen auf seinen Unterarmen kribbelnd aufrichteten.

 

Ein dumpfes Hämmern, das zuerst weit weg klang, sich aber stetig näherte, erfüllte Chars Zaku. Es pochte immer heftiger, so dass die Erschütterungen schon bald überall zu spüren waren. Der andere Zaku musste rennen. Aber weshalb? So weit war er doch gar nicht entfernt gewesen.

Das hektische Dröhnen pulsierte und vibrierte jetzt unerträglich in seinem Kopf, als wäre dort eine Glocke angeschlagen worden, und Char verstand, woher es kam. Es war sein eigener rasender Herzschlag, der in seinem ganzen Körper tönte.

Char atmete einmal tief aus und dann so bedächtig wie möglich wieder ein. Er merkte, wie sich sein hektischer Puls langsam wieder beruhigte. Im Simulator war das alles einfacher gewesen...

 

Nachdem das Dröhnen seines Herzschlags wieder abgeflaut war, fiel auch die Anspannung von Char ab. Einen Moment lang dachte er darüber nach, den letzten Ratschlag seines Zakus zu befolgen und den Notausgang zu benutzen. Aber noch bevor er diesen Gedanken in die Tat umsetzen konnte, erwachte sein Zaku wieder. Nach und nach kehrte das Leben zurück, angefangen bei dem blassblauen Lämpchen über der Tür, bis hin zu den mechanischen Teilen, die sich ächzend und mit unbeholfen schaukelnden Bewegungen streckten, bis der Zaku endlich stand.
 

Char lachte erleichtert auf. Dieses Duell war noch nicht entschieden!
 

Der Frontmonitor flackerte auf und aus den verzerrten Linien, die darüber krochen, blickte ihn ein einzelnes rotes Licht an. Das rotglühende Auge seines Gegenübers fixierte Char, der innerhalb weniger schockierter Sekundenbruchteile reagierte. Er riss die Steuerung so ruckartig herum, dass der Zaku, der gerade erst wieder mühsam stand, auf dem glatten Untergrund ins Rutschen kam. Die riesige Hand des Zakus griff nach der einzigen Handfeuerwaffe, die er besaß – und griff ins Leere.

Ein heftiger Schlag erschütterte den Zaku, der zur Seite weg kippte.
 

Noch ehe Char den Fluch ausstoßen konnte, der ihm auf der Zunge brannte, wurde er in seinem Sitz nach vorne geschleudert und in die Gurte gepresst. Prompt gab einer der Gurte nach, die ihn eigentlich sicher an seinem Platz halten sollten, und Char rutschte vorwärts aus seinem Sitz.

Die Wucht, mit der sein Oberkörper auf dem Kommandopult auftraf, presste ihm den letzten Rest Luft aus den Lungen. Sein Kopf schlug so fest gegen die Konsole, dass das Visier seines Helmes zwar splitterte, aber nicht völlig zerbrach. Char spürte, wie die Haut auf seiner linken Wange unter dem Druck des Visiers nachgab und aufplatzte.
 

Höhnisches Gelächter drang aus Chars Kopfhörern. Es floss durch seinen Gehörgang in seinen Kopf, wo sich die Benommenheit des erlittenen Schlages augenblicklich in Wut auflöste.
 

Sich mit einer Hand auf dem Kommandopult abstützend setzte sich Char auf. Vorsichtig und ohne in dem schief stehenden Zaku wieder nach vorne zu rutschen, tastete er nach dem gelockerten Gurt und zurrte ihn mit kräftigem Ruck fest, bis er sicher war, nicht noch weiter aus dem Sitz zu rutschen. Blut kitzelte auf seiner Wange auf der Seite, die durch das rissige Visier ohnehin schon beeinträchtigt war.

"Das hast du nicht umsonst getan", murmelte Char, während das Lachen, vermischt mit statischem Rauschen, noch immer aus den Kopfhörern schallte.
 

"Das klären wir draußen!", spie Char giftig in sein Mikrofon.
 

"Schon wieder?", kam die gelangweilte Antwort zurück. "Gib mir fünf Minuten. Ich möchte noch ein bisschen meinen Triumph genießen."
 

"Zabi, du Hundesohn! Ich hole dich persönlich aus deinem Suit raus und dann-"
 

Der Rest von Chars Gezanke ging im Rauschen seines defekten Comms unter. Nur abgehackte Wortfetzen drangen zu Garma durch, der unbehelligt in seinem Suit saß und sich Char bildlich vorstellte, wie er in seinem Zaku tobte.
 

"-tre... ich... dir... in... dei... rsch!"
 

Garma lachte lauthals.
 


 

Leichtfüßig eilte Garma die Metallstufen der Gangway hinunter, die vor der geöffneten Tür des Zakus stand, mit dem er dem unbesiegbaren Char eben jenen Titel weggenommen hatte, wie einem kleinen Kind den Lolli. Jeder seiner Schritte hallte in dem riesigen Hangar wider, wie Applaus, der ihm für dieses Manöver auch zustand, wie er fand.

Die drei letzten Stufen sprang Garma mit einem Satz hinunter und sah dann abwartend zu Char hinauf, der mit bedächtigeren Schritten seine Gangway hinab stieg.
 

Garmas Schlag hatte ihn ganz schön hart getroffen, musste sich Char säuerlich eingestehen. Sein gesamter Brustkorb schmerzte mit jeder Bewegung, als wäre der Zaku auf ihn gefallen. Char lockerte den Kinngurt seines Helmes. Er konnte es gar nicht abwarten, Garmas erste Worte nach seinem kolossalen Erfolg zu hören, und wäre am liebsten gleich in ihre Unterkünfte zurückgegangen.
 

"Du hast mich ja hoffentlich nicht absichtlich gewinnen lassen?", sagte Garma stattdessen.
 

Char biss die Zähne aufeinander. "Hast du das denn nötig?", zischte er.
 

"Anscheinend ja nicht", witzelte Garma. Seine Augen strahlten wie bei einem Kind, dem sein größter Wunsch erfüllt worden war. "Und was gibt es jetzt noch zu klären?"
 

Die bissige Antwort darauf sparte sich Char. Er nahm den Helm ab und hielt ihn einige Sekunden wie Perseus den abgeschlagenen Kopf der Medusa am ausgestreckten Arm vor sich und ließ ihn dann mit einem Hauch Verachtung auf den Lippen fallen, wo er gerade stand.

Das geschundene und mit Rissen durchzogene Visier zerschellte nun in unzählige Einzelteile, die sich wie ein Sternenschauer um Chars Schuhe herum verteilten. Mit Genugtuung sah Char wie Garma einen Moment irritiert in seinem Freudentaumel innehielt und Chars Gesicht anstarrte.
 

Als er die Wunde auf Chars Wange sah, schwand Garmas Freude über seinen Sieg augenblicklich. Eine etliche Zentimeter lange Platzwunde zog sich über Chars Wangenknochen. Blut quoll aus ihr hervor und floss in einem dünnen Rinnsal sein Gesicht hinab.
 

Kommentarlos ging Char an Garma vorbei und ließ diesen alleine im Hangar zurück.
 

"Tut mir leid", rief Garma betroffen, als er seine Sprache wiedergefunden hatte, doch Char war schon längst durch das große Tor des Hangars nach draußen verschwunden.
 

Garma setzte sich in Bewegung.
 

"Das war keine Absicht", beteuerte Garma. Er hatte zu Char aufgeschlossen, der festen Schrittes durch den knöchelhohen Schnee stapfte, der das gesamte Vorfeld bedeckte. "Ich dachte, das mit dem deaktivierten Zaku wäre nur Taktik gewesen..."
 

Char drehte sich blitzschnell zu Garma um, der hinter ihm ging und abrupt stehen blieb. In Chars Augen, die sein Gegenüber unbeteiligt angesehen hatten – weil er ihm nicht auch noch den Triumph über seine Emotionen gönnte -, loderte nun doch eine wütende Flamme auf.
 

"Was soll das, Zabi?", knurrte Char heiser. Er musste sich zusammenreißen, denn am liebsten hätte er Garma, der mit geröteten Wangen vor ihm stand, angeschrien. "Du entschuldigst dich dafür, dass du gewonnen hast?" Die letzten paar Worte spuckte Char mit größtmöglichem Widerwillen förmlich aus.
 

Garma blinzelte schockiert. Sein Mund wurde zu einer dünnen Linie. Dann wandte er die Blicke ab. "Ich entschuldige mich nur dafür, wie ich gewonnen habe. Freunde tun-"
 

Weiter kam Garma nicht, da traf ihn auch schon Chars Faust mit Wucht im Gesicht und ließ winzige Blitze vor seinen Augen tanzen. Der Schlag war so heftig, dass es Garma von den Beinen riss.
 

"Wir sind also Freunde", hörte er Char noch sagen, während am Himmel über ihm dicke graue Wolken aufzogen. "Du schlägst mich und ich schlage dich. Sind wir dann deiner Auffassung nach jetzt quit?"

Chars Silhouette schob sich zwischen den verdunkelnden Himmel und Garma, der still und etwas orientierungslos vor ihm auf dem Boden im Schnee lag und fassungslos die Stelle seines Mundwinkels befühlte, wo ihn Chars Faust getroffen hatte.

"Bleibst du jetzt etwa liegen und wartest darauf, dass ich mich entschuldige, wie das Freunde scheinbar tun?"
 

Garma schwieg. Er spürte, wie das Fleisch um seinen rechten Mundwinkel herum anschwoll und sich ein taubes Gefühl auszubreiten begann. Vorsichtig tastete seine Zungenspitze nach Blut.
 

"Ich kann dir sagen, was Freunde tun", belehrte Char Garma mit vor Spott triefender Stimme.
 

"Ach, und was?", fragte Garma schließlich brüchig. Jedes Wort ließ die getroffene Stelle schmerzen. "Schlagen Freunde Freunde nicht, oder entschuldigen sie sich nicht bei ihnen, wenn sie es doch getan haben?"
 

Garma klang bitter, wie Char mit Genugtuung bemerkte.
 

"Freunde verstehen es, wenn der andere gewinnt", antwortete Char. Er stand mit in die Seiten gestützten Händen vor Garma und sah gespannt zu, wie jedes seiner Worte traf. "Freunde entschuldigen sich nicht dafür, wenn sie mal stärker, schneller oder schlauer sind. Das nächste Mal bin ich einfach besser", endete Char und er klang so überzeugt, als wäre es eine bereits feststehende Tatsache, dass es so kam.
 

Langsam setzte sich Garma auf. Der Schnee unter ihm drang in seine Kleidung. Ein eisiger Schauer fuhr durch seinen Körper, den er nur mit Mühe unterdrücken konnte.

Char wich keinen Zentimeter. Er sah Garma herausfordernd in die Augen. Anscheinend hatte er noch ein paar seiner ätzenden Lektionen auf Lager, die er unbedingt noch loswerden wollte.

Garma wandte erneut die Blicke ab. Aber nicht nur die Blicke, wie Char fassungslos bemerkte. Wie ein geschlagener Hund drehte Garma seinen Oberkörper halb zur Seite.

 

"Wehe, du flennst jetzt, Zabi", setzte Char gerade zu einer weiteren Standpauke an, als ihn etwas im Gesicht traf.
 

Garma lachte schallend auf, während Char die Reste des Schneeballs, den Garma ihm übergeworfen hatte, auf Schulter und Brust rieselten.
 

Char schwieg überrumpelt. Er hatte Schnee im Mund, der langsam auf seiner Zunge und seinen Lippen schmolz, und er hatte Schnee im Jackenkragen, der eisig seinen Hals hinab kroch.
 

Währenddessen kniete Garma vor ihm und schob weiter hektisch den Schnee zu einem Haufen zusammen, den er, wie Char vermutete, zu noch einem an Char adressierten Schneeball formen wollte. Aber so weit würde er es gar nicht erst kommen lassen. Chars Hände ballten sich zu Fäusten. Er holte mit dem Fuß aus und trat zu.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück