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Engel tragen nicht immer Flügel

von

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Familie und Antworten

Kapitel 6: Familie und Antworten
 

Riiing.

„Wer ist das?“ fragte Lola, als die Türklingel ertönte. Sie saßen im Wohnzimmer auf dem Boden und spielten mit den Legosteinen, die Lily vom Dachboden geholt hatte. Adam setzte gerade einen blauen Stein in den Pool, den er gerade baute und wechselte einen Blick mit Lily, die es sich mit einem Buch auf der Couch bequem gemacht hatte.

„Jonathan wird es ja wohl nicht sein, du hast gesagt er käme erst nach Feierabend.“ Adam schüttelte den Kopf.

„Hat er auch gesagt.“ Er stemmte sich hoch in seinen Rollstuhl und wandte sich der Tür zu.

Ring…Ring…RingRing…Riiiiiing.

„Das ist nicht John! Das ist meine Mutter!“ murmelte er und ging dann um zu öffnen. Lola wollte ebenfalls aufstehen, doch Lily, die die Neugierde ihrer Tochter kannte hielt sie mit einem einzigen Blick davon ab. Seufzend wandte Lily sich wieder den Steinen zu.

„Mum. Dad. Andy.“ Adams Worte klangen alles andere als begeistert.

„Was wollt ihr hier?“ Keine Antwort auf seine Frage, stattdessen…

„Wie geht es dir Schatz? Ist alles in Ordnung? Wie hast du geschlafen? Hast du genug gegessen….“

„MUM!“ Adam sah seine Mutter genervt an und hätte ihr am liebsten die Tür vor der Nase zugeschlagen. Allerdings stand sie da schon im Flur und zog sich die Jacke aus. Na toll. Genau das was er jetzt brauchte.

„Was wollt ihr?“ Sein Vater und Andy sahen alles andere als begeistert aus.

„Wir wollten Majas Grab besuchen und dachten, du hättest vielleicht Lust mitzukommen!“ Die braunen Augen seiner Mutter sahen sanft auf ihn hinab. Adams Hände dagegen krallten sich so fest um die Lehnen seines Rollstuhls, dass seine Knöchel weiß wurden.

„Nein!“ Damit drehte er sich um und ging zurück ins Wohnzimmer. Lily sah ihn fragend an. Er wich ihrem Blick aus. Er wollte auf irgendetwas einschlagen. Wie konnten sie nur? Wie kam seine Mutter auf die verdammte Idee, dass er mit wollte? Zorn brodelte in seiner Brust. Zorn und Schmerz. Statt irgendetwas zu zertrümmern ließ er sich wieder auf die Decke am Boden sinken und nahm den nächsten Stein. Seine Hände zitterten. Lily beobachtete Adams blasses Gesicht, seine Zitternden Finger. Sie hatte das Gespräch im Flur gehört, Adam hatte die Tür nicht ganz hinter sich zugezogen, selbst wenn sie gewollt hätte, hätte sie das alles andere als leise Gespräch nicht überhören können. Wer war Maja? Adam lies den Baustein fallen. In seinem Kopf jagten sich die Gedanken. Maja. Warum wollte seine Mutter unbedingt, dass er ihr Grab besuchte. Warum konnte sie ihn damit nicht zufriedenlassen? Er würde das nicht schaffen. Allein der Gedanke daran, an ihrem Grab zu stehen, allein der Gedanke an Maja brachte ihn dem Abgrund immer näher. Adam vergrub das Gesicht in den Händen. Lily legte ihr Buch zur Seite und sprang auf. Sie ließ sich neben ihn auf die Knie sinken und legte die Hände an seine Wangen.

„Adam, sieh mich an!“ Langsam hob er den Kopf, ließ die Hände sinken. Seine grauen Augen waren verschleiert. Aus ihnen schrie Lily Schmerz entgegen. Sie streichelte mit den Fingerspitzen langsam durch sein dunkles Haar.

„Was ist los?“ fragte sie sanft und sah ihn fest an. Adam erschauerte. Jeder Muskel in seinem Körper war angespannt. Vorsichtig zog Lily ihn an sich. Er ließ es geschehen, lehnte den Kopf an ihre Schulter. Es erinnerte sie stark an den vergangenen Abend.

„Maja.“ Flüsterte Adam und sah zu ihr auf. Sie zog ihn noch ein wenig näher zu sich.

„Wer…wer war Maja?“ fragte sie vorsichtig, zögernd. Aus irgendeinem Grund wusste sie, dass es anders war, als am Abend zuvor. Heute war sein Blick klarer, er war noch nicht gefangen in seiner Erinnerung und vielleicht…vielleicht würde er ihr antworten. Adams Hand krallte sich in ihre Bluse, er atmete zittrig ein. Lily hatte ein Recht auf eine ehrliche Antwort. Nach allem, was sie für ihn getan hatte… Sie hatte zumindest das verdient.

„Meine…“ Er stockte, die erste Träne lief über seine Wange und tropfte auf ihre Schulter.

„Meine kleine Schwester!“ Er hatte es ausgesprochen. Nach zwei Jahren hatte er es endlich wieder ausgesprochen. Es tat weh, aber irgendwie war es auch erleichternd. Also atmete er noch einmal tief durch und sprach dann leise weiter. Stockend, doch mit jedem weiteren Wort wurde es leichter.

„Maja war meine kleine Schwester. Vor zwei Jahren… Wir waren am zweiundzwanzigsten Abends zusammen im Theater… Als wir nach Hause fuhren… hatten wir einen schweren Unfall. Maja…Maja war sofort… tot.“ Trotz all der Erinnerungen die über ihn hinweg fluteten fühlte er sich sicher in Lilys Armen. Er vergaß seine Familie, die im Türrahmen stand und unsicher auf sie hinabsahen. Er vergaß die Kinder, die ihr Spiel unterbrochen hatten und ihn ansahen. Unwissend was geschah, aber mit wachen Augen. Es war das erste Mal, dass er darüber sprach. Über das was passiert war.

„Ich… ich habe sie… sterben sehen. Ich erinnere mich an jeden einzelnen Moment. Die Ampel, das andere Auto. Sie ist gefahren… sie hatte gerade ihren Führerschein gemacht.“ Adam lächelte schwach an ihrer Schulter an der ihre Bluse inzwischen vollständig durchweicht war.

„Der andere Fahrer kam von links… er hat die Fahrerseite… voll erwischt… Dabei war die Ampel doch rot! Das nächste was ich sah war Maja. Ihr blasses Gesicht, ihre leblosen Augen und das Blut. Da war so viel Blut! Ihres… Meines…“ Lily drückte seinen zitternden Körper fester an sich. Strich ihm tröstend durchs Haar. Immer und immer wieder.

„Es ist vorbei! Es ist vorbei!“ flüsterte sie leise. Irgendwann versiegten Adams Tränen, er klammerte sich nicht mehr an sie. Vorsichtig strich Lily ihm die dunklen Strähnen aus der Stirn. Er hatte die Augen geschlossen, sein Atem ging gleichmäßig. Er schlief. Lily schnaubte leise. Wahrscheinlich konnte ihn so schnell jetzt erst einmal nichts mehr wecken. Nach gestern Abend und der unruhigen Nacht, war er sowieso schon den ganzen Morgen über müde gewesen. Und jetzt dieser seelische Marathon. Er hatte Ruhe verdient. Vorsichtig um ihn nicht zu wecken setzte sie sich anders hin, sodass sie mit dem Rücken an der Couch lehnte und Adam mit dem Kopf in ihrem Schoß lag. Mark nahm die Flickendecke von der Couch und tappte damit zu seiner Mutter.

„Danke, Mark!“ Sie breitete die Decke über Adam aus und sah dann zu den Besuchern auf. Seine Eltern und sein Bruder, wie es schien, standen noch immer im Türrahmen. In ihren Augen lag Schmerz und irgendetwas, das Lily nicht genau verstand. Aber irgendwie hatte sie das Gefühl, dass keiner von ihnen die Details von Majas Tod bisher gekannt hatte.

„Kommen sie und setzten sie sich. Er wird wohl noch eine Weile schlafen.“ Der schlaksige junge Mann nahm sich als erster zusammen und kam auf sie zu.

„Ich bin Adams Bruder Andre. Aber alle rufen mich Andy!“ Er hielt ihr seine Hand entgegen. Er könnte Adams Zwilling sein. Allerdings schien er einige Jahre jünger. Lily ergriff seine Hand.

„Und das sind unsere Eltern. Elisabeth und Nicolai Woods!“ Nur langsam kamen die beiden erwachsenen näher und setzten sich auf die Couch gegenüber von Lily und Adam.

„Ich bin Liliana Berger. Und das sind Mark und Lola!“ Sie deutete auf die Kinder, die inzwischen wieder mit den Legosteinen spielten. Dann war es still im Raum.

„Ich habe nicht gewusst, dass er so sehr darunter leidet!“ flüsterte Elisabeth schließlich traurig. Ihr Ehemann legte ihr einen Arm um die Schultern.

„Beth, Schatz, mach dir keine Vorwürfe.“ In den braunen Augen der Frau schimmerten Tränen.

„Er hat versucht uns zu schützen.“ Sagte Andy leise. Er hatte sich zu Lola gesetzt und drehte eines der Legomännchen zwischen den Fingern.

„Adam wollte nie, dass wir uns Sorgen um ihn machen. Im Krankenhaus, kurz nach dem er aufgewacht war, hat er zu mir gesagt ich solle mich um euch kümmern. Nicht um ihn. Er käme damit zurecht.“ Er strich sich durch das schwarze Haar, das etwas länger als Adams war.

„Ich dachte er bräuchte nur etwas Zeit. In den zwei Jahren hat er es immer einfach abgetan, wenn ich ihn darauf ansprach. Ich dachte er hätte sich damit arrangiert.“ Andy sah auf seinen schlafenden Bruder.

„Er hat schon immer gedacht, er müsse der Starke von uns sein, nur weil er der älteste von uns war. Eigentlich hätte ich es wissen müssen!“ Es herrschte stille im Wohnzimmer, bis Adams Mutter es nicht mehr aushielt.

„Ich koche uns einen Tee!“ Damit erhob sie sich und Nicolai erhob sich ebenfalls.

„Auf der Küchenteke in der roten Blechdose sind Plätzchen.“ Sagte Lily schnell und streichelte Adam durchs Haar, er regte sich ein wenig, drehte sich dann allerdings nur etwas, sodass er das Gesicht an ihren Bauch presste.

„Adam hat nie etwas von einer Freundin erzählt!“ Andy betrachtete sie forschend, Lily wich seinem Blick aus und seufzte.

„Ich bin auch nicht seine Freundin. Ich bin seine Sekretärin. Meine Wohnung ist abgebrannt und weil ich nicht wusste wohin, da hat Adam uns angeboten hier zu wohnen bis ich etwas anderes gefunden habe.“ Erklärte sie leise und sah zum Fenster, wo Schneeflocken langsam zur Erde fielen.

„Das sieht Adam gar nicht ähnlich.“ Murmelte Andy.

„Ich glaube auch, dass er es weniger meinetwegen getan hat. Den Ausschlag haben wohl eher die Kinder gegeben.“ Andy sah die Frau an, die da auf dem dicken Teppich vor dem Sofa saß und Adam sanft übers Haar strich. Er beobachtete diese Geste schon, seit sie sich zu ihm hinab gehockt hatte. Und Adam, der seit Majas Tod immer empfindlicher auf Berührungen reagiert hatte, ließ es zu. Er schmiegte sich sogar noch näher an sie, ließ sich von ihr trösten, als er zusammenbrach. Und er hatte ihr erzählt, was bei Majas Tod geschehen war. Denn auch wenn sie alle dabei gewesen waren, so war für ihn doch eindeutig gewesen, dass er seine Worte alleine an Liliana gerichtet hatte. Die jetzt allerdings behauptete, sie wäre nichts weiter als seine Sekretärin. Da kannte Andy seinen Bruder allerdings besser. Selbst vor dieser ganzen Geschichte, als er noch gesund war, hätte sich Adam niemals von einer Frau so anfassen lassen, die ihm nicht nahestand.

„Er sollte mit zum Friedhof gehen!“ Lily spürte wie Adam sich bei Andys Worten anspannte.

„Warum?“ fragte sie ruhig.

„Weil es ihm helfen könnte abzuschließen. Er war noch nie an ihrem Grab. Damals zur Beerdigung, da lag er noch im Krankenhaus und danach hat er sich immer geweigert.“

„Ich kann nicht!“ Die leisen verzweifelten Worte kamen von Adam. Anscheinend war er wach geworden und hatte die letzten Worte mitbekommen.

„Warum nicht?“ fragte der jünger sanft.

„Hast du aus dem Fenster gesehen? Wir haben bestimmt zwanzig Zentimeter Schnee…“

„…und er Friedhof ist sowieso kein besonders behindertenfreundliches Gelände. Das sagst du jedes Mal Bruderherz.“ Andy sah seinen Bruder eindringlich an.

„Eine viertel Stunde. Das schaffst du mit den Stützen, danach…“ Adam schüttelte den Kopf. Er hatte Angst vor sich selbst, Angst davor, was geschehen könnte.

„Adam, wenn du mitkommst, sprechen wir das Thema nie wieder an, wenn es das ist was du möchtest!“ Vorsichtig setzte Adam sich auf.

„Kannst du mir das versprechen?“ Langsam nickte Andy. Egal, was seine Eltern auch sagen würden, er würde es durchsetzen. Für Adam, auch wenn er glaubte, dass er ihn nur dieses Mal überreden müsste. Danach würde Adam freiwillig gehen. Woher er das wusste? Ihm war es selbst so gegangen.

„Ich verspreche es! Und wenn du möchtest kann Liliana auch mitkommen!“ Adam nickte langsam und stemmte sich hoch in seinen Rollstuhl.

„Lass uns gehen!“ Andy stand ebenfalls auf.

„Ich gehe Mum und Dad holen!“ Doch da schüttelte der Ältere den Kopf. Seine grauen Augen waren hart.

„Du und Lily! Sonst komme ich nicht mit!“ Einen Moment kämpften die Brüder mit ihren Blicken, dann senkte Andy die Augen.

„In Ordnung.“ Adam verschwand um sich umzuziehen. Genau in dem Moment kamen ihre Eltern zurück ins Wohnzimmer.

„Was ist mit Adam los?“ fragte Elisabeth.

„Er kommt mit auf den Friedhof. Allerdings nur mit mir und Liliana. Ich weiß nicht, die Kinder…“

„…wir können solange auf sie aufpassen!“ schlug Nicolai vor und sah Liliana an. Er hatte dieses rothaarige Mädchen auf Anhieb gemocht und so wie sie mit seinem Jungen umgegangen war… Elisabeth sah ihren Mann ein wenig böse an. Sie war Adams Mutter, eigentlich sollte sie ihrem Sohn beistehen und nicht so ein wildfremdes Mädchen, von dem sie gerade einmal den Namen wusste. Aber Adams Zustimmung alleine war schon ein Fortschritt, auch unter diesen Bedingungen, dass sie nicht widersprechen wollte.

„Wenn es ihnen nichts ausmacht. Ich würde sie nur ungerne mitnehmen.“ Lily sah zu dem grauhaarigen Mann, der sich bei ihren ersten Worten zu Lola und Mark auf den Boden gesetzt hatte und fragte, was die beiden denn da bauten.

„Natürlich, das ist überhaupt kein Problem! Pass du nur gut auf meinen Jungen auf!“ Elisabeth sah Liliana fest an, diese nickte und verabschiedete sich dann von den Kindern. Zusammen mit Andy wartete sie im Flur bereits fertig angezogen auf Adam. Der kam wenige Minuten später mit ein paar schwarzen Stützen in der Hand. Dann zog er sich Turnschuhe an und stand auf. Andy hielt ihm die Tür auf und beobachtete die vorsichtigen Schritte seines Bruders hinaus in den Hof und zu seinem Auto. Lily machte ihm die Wagentür auf und setzte sich selbst auf die Rückbank. Die Fahrt zum Friedhof brachten sie schweigend hinter sich. Dort blieb Adam erst einmal sitzen und sah vor sich auf das Armaturenbrett.

„Egal, was jetzt passiert! Wir sind für dich da!“ erklärte Andy ernsthaft und öffnete dann die Tür um Adam beim aussteigen zu helfen. Den verschneiten Weg über den Friedhof flankierten sie ihn. Lily rechts und Andy links. Schließlich blieben sie vor einem unter Schnee verborgenen Grab stehen.

„Hier ist es!“ Andy trat vor und wischte ein wenig der weißen Pracht beiseite. `Maja Woods´ stand dort in geraden harten Lettern. Adam schluckte schwer. Er hatte Maja geliebt. Sie hatte ihn nur mit ihren großen Augen ansehen müssen und er hätte ihr die Sterne vom Himmel geholt, wenn sie es sich gewünscht hätte. Sie war das Nesthäkchen gewesen, acht Jahre jünger als er selbst. Sie hatte immer gelächelt und sie hatte ihn immer zum Lachen gebracht. Maja war eine fröhliche junge Frau gewesen. Sie hätte nicht gewollt, dass er sich selbst so gehen ließ, weil sie nicht mehr da war. Sie hätte gewollt, dass er lächelte. Kalt blies der Wind ihm um die Ohren, ließ seine Finger fast erfrieren, da er mal wieder keine Handschuhe trug. Seine Schuhe waren inzwischen vollkommen durchnässt. Maja würde ihn jetzt schimpfen, wie er nur so unverantwortlich mit seiner Gesundheit umgehen könnte. Sie hätte ihn so niemals aus dem Haus gelassen, auch wenn die Turnschuhe die einzigen waren, die er problemlos tragen konnte, einfach, weil sie leichtgenug waren. Maja hatte den Winter geliebt. Die Kälte, den Wind und den Schnee. Sie war jedes Jahr durch den Schnee gerannt, hatte die kleinen Flocken mit dem Mund gefangen und ihn mit Schnee beworfen. Er erinnerte sich an ihr glockenhelles Lachen, ihre Geröteten Wangen und ihre funkelnden Augen. So wollte er seine Schwester in Erinnerung behalten, als die fröhliche, lebenslustige junge Frau, die sie gewesen war. Liliana beobachtete die Brüder wie sie neben dem Grab standen und stumm auf den Schriftzug starrten. Andys Augen waren ein wenig traurig, er hatte die Hände in seine Jackentasche gestopft und scharrte etwas unruhig im Schnee. Adam dagegen stand völlig still, als wäre er aus Stein. Nur der Wind zerzauste seine schwarzen Haare, Schnee verfing sich in ihnen. Seine Wangen waren gerötet. Seine Augen in die Ferne gerichtet. Eine einzelne Träne rann über seine Haut. Doch seine Lippen waren zu einem leichten Lächeln verzogen. Lange standen sie so stumm an Majas Grab, bis Lily schließlich entschied, dass es ihr zu kalt wurde. Auch die viertel Stunde, von der Andy gesprochen hatte war schon lange vorbei.

„Adam, Andy! Lasst uns zurückgehen!“ Die Brüder sahen sie erst verwirrt an, nickten dann allerdings. Adam strauchelte schon beim ersten Schritt und hielt sich nur mit Mühe auf den Beinen.

„Scheiße! Du bist viel zu lange gestanden!“ Andy stützte seinen Bruder sofort und sah ihm ins Schmerzverzerrte Gesicht.

„Geht schon!“ murmelte er leise und machte vorsichtig den nächsten Schritt. Er schaffte keine zwei Meter, dann rutschte ihm die eine Stütze weg. Er setzte sich rücklings in den Schnee. Leise stöhnte er und versuchte wieder auf die Beine zu kommen, doch erst mit Lilys und Andys Hilfe gelang es ihm. Sie hakten sich rechts und links bei ihm unter und führten ihn zum Wagen. Erleichert ließ Adam sich auf den Sitz sinken und schloss die Augen. Wortlos fuhren sie wieder zurück. Bei Adam angekommen verschwand er ersteimal nach oben um sich trockene Kleider anzuziehen, während Andy seinen Eltern einen kurzen Bericht erstattete. Lily setzte sich zu ihren Kindern auf den Teppich und ließ sich zeigen was sie in ihrer Abwesenheit gebaut hatten. Dann verabschiedeten sich Adams Eltern mit der Einladung an Adam, er solle doch morgen mit Liliana und den Kindern zum Abendessen vorbeikommen. Der schwarzhaarig, der ziemlich fertig schien schloss die Haustür hinter seiner Familie und kam dann zu Liliana ins Wohnzimmer. Er war blass und sichtlich erschöpft.

„Vielleicht solltest du dich hinlegen bis Jonathan mit seiner Freundin kommt.“ Er schüttelte den Kopf.

„Ich habe gesagt ich koche das Abendessen.“ Liliana erhob sich.

„Du legst dich hin und wenn es nur hier auf der Couch ist und ich kümmere mich um das Essen!“ Mit einer entschiedenen Geste deutete sie auf das Möbelstück. Als er sich weigern wollte hielt sie ihm ihre Hand zur Unterstützung hin und nach kurzem Zögern ergriff er sie. Seine Finger waren eiskalt. Kurz darauf lag er lang ausgestreckt auf der Couch und Lily deckte ihn zu.

„Ich mache dir einen Tee und du ruhst dich so lange aus!“ Dann griff sie nach der Fernbedienung und schaltete den Fernseher an. Bei einem Kinderkanal blieb sie hängen und kurze Zeit später saßen Lola und Mark bei ihm auf der Couch und sahen gebannt auf den Flachbildschirm. Sie strich den beiden übers Haar und ging dann in die Küche. Sie wartete darauf, dass das Wasser zu kochen anfing, und legte währenddessen alle Zutaten, die sie für ein Lasagne brauchte bereit. Fünf Minuten später brachte sie Adam den Tee und eine Wärmflasche. Er sah sie unter halb geschlossenen Augen dankbar an. Als sie das nächste Mal nach ihm sah, war er eingeschlafen und Lola und Mark saßen wieder bei den Legosteinen auf dem Boden. Also schaltete sie den Fernseher wieder aus und ging auf leisen Sohlen zurück in die Küche.

Kurz nach halb sieben klingelte es an der Haustür. Lily legte das letzte Messer an seinen Platz und ging dann um auf zu machen. Vor der Tür stand Jonathan und eine zierliche Frau mit kurzen braunen Haaren und einem sanften Lächeln.

„Hi, Lily. Das ist meine Freundin Juliana. Lia, Adams neue Sekretärin.“ Die beiden Frauen gaben sich die Hand, dann sah Jonathan sich suchend um.

„Wo ist Adam?“ Lily deutete über ihre Schulter.

„Im Wohnzimmer. Als ich das letzte Mal nach ihm gesehen habe hat er geschlafen.“ Erklärte sie. Dann folgten Lily und Juliana Jonathan ins Wohnzimmer. Er setzte sich zu seinem Freund auf die Sofakante und rüttelte ihn leicht an der Schulter.

„Hey Adam!“ Der Schwarzhaarige blinzelte müde und setzte sich langsam auf.

„Hey John! Ihr seid schon da?“ Er gähnte und rieb sich erst einmal über die Augen.

„Heißt das, es gibt kein Abendessen?“ fragte John mit hochgezogener Augenbraue.

„Doch, aber Lily hat gekocht!“ John erhob sich und ging zur Tür, als ihm auffiel, dass sein Freund ihm nicht folgte. Abwartend drehte er sich um und sah Adams hilfesuchenden Blick. Kurzerhand hob er seinen Freund einfach ihn dessen Rollstuhl und schob ihn Richtung Küche. Adam war während des gesamten Essens still und John glaubte mehrmals zu sehen wie ihm die Augen zu fielen. Also erhob er sich als alle fertig waren.

„Adam, ich würde gerne unter vier Augen mit dir reden!“ Gemeinsam verließen sie das Zimmer und fuhren nach oben.

„Was ist los mit dir? Du siehst aus, als könntest du auf der Stelle einschlafen!“ Adam gähnte und schaffte es irgendwie in sein Bett zu kommen.

„Meine Eltern und Andy waren vorhin da und ich war mir Andy und Lily auf dem Friedhof. Es war einfach anstrengend!“ grummelt er und schon fielen ihm die Augen zu.

„Okay, dann schlaf dich aus! Wir reden ein andermal.“ Seufzte John und zog die Decke über seinen Freund, der nur noch zustimmend grummelte und dann eingeschlafen war. John betrachtete noch einen Moment sein friedliches Gesicht und stand dann auf.

„Gute Nacht Adam!“ flüsterte er leise und machte sich dann auf den Weg nach unten. Lily und Lia hatten zusammen den Tisch abgeräumt und saßen jetzt bei einer Tasse Tee zusammen. Sie unterhielten sich über den neusten Kinofilm, unterbrachen sich allerdings als John hereinkam.

„Wie geht es ihm?“ fragte Lily.

„Er war ziemlich erschöpft und ist fast sofort eingeschlafen.“ John zuckte mit den Achseln.

„Ja, das war er schon, seit wir vom Friedhof zurück sind!“ Damit war das Thema erledigt und sie unterhielten sich noch ein wenig über andere Dinge bis John und Lia sich schließlich verabschiedeten. Als das Paar gegangen war, schnappte sich Lily ihre Kinder. Sie räumte mit ihnen das Legochaos im Wohnzimmer auf und steckte die Beiden ins Bett. Bevor sie selbst schlafen ging sah sie noch einmal kurz nach Adam. Er schlummerte seelenruhig. Beruhigt schloss sei leise seine Tür und ging in das zweite Gästezimmer, das eigentlich für sie vorgesehen war.



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