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Der Wolfsprinz

Wenn das kälteste Eis zu schmilzen beginnt
von

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Die Puzzleteile fügen sich zusammen

Dank der unverständlichen Warnung des Wolfsprinzen sahen der Dörfler davon ab, Ramon und seiner Familie zu schikanieren. Besonders der Bürgermeister und der Verwalter nahmen davon Abstand. Dennoch war die Ablehnung deutlich spürbar. Zwar kauften die Leute weiterhin ihr Brot. Doch die Blicke mit denen man sie bedachte, sagten deutlich was ihnen durch den Kopf ging. „Je eher der Wolfsprinz Euch holt, umso besser!“

Elsa und Ramon versuchten es nicht weiter zu beachten.

Doch irgendwann konnte es Elsa nicht mehr. „Ich halte das nicht mehr aus!“, sagte sie klagend und vergrub das Gesicht in den Händen.

„Wie kommt der Bürgermeister nur darauf, dass wir…?“, sagte sie dann wieder.

Rene sagte nichts. Schaute zu Boden und biss sich auf die Unterlippe. Flora saß da und starrte vor sich. „Das alles kann nur eine gemeine Lüge sein!“, kam es bitter von Ramon. „Passen würde es zu Ihnen!“, murrte Martha während sie strickte. „Diesem verlogenden Pack!“

Rene schaute Flora, die nun doch aufsah und zu ihm schaute. Beide schienen sich das gleiche zu fragen. Sollen Sie es wagen und es verraten?

Es hieß sowieso, dass sie alle sterben würden. Wieso also das unausweichliche hinaus zögern?

Doch dann verwarfen sie wieder diesen Gedanken. Vielmehr war es Rene.

Er schüttelte den Kopf. „Egal woher Sie diesen Irrglauben auch haben…sie lassen uns zumindest zufrieden!“, sagte Ramon. Dabei wussten alle, dass das reines Wunschdenken war. Egal wie auch immer…

Sie würden weiterhin irgendwelche Anfeindungen ertragen müssen. Nur Flora und Rene wussten wie lange das so gehen würde.

Da klopfte es an der Tür. Alle schauten überrascht auf. Und als Ramon die Tür öffnete, waren sie es noch mehr, als sie sahen, wer sie da besuchte. „Jaque…!“, kam es von Flora. Es war mehr wie ein ersticktes Keuchen. Ihr Gesicht war voller Pein.

Jaque blieb stehen wo er war und sah sie unsicher an. Er konnte sich denken, dass sein Erscheinen ihr Unbehagen bescherte. Aber man sah ihm an, dass ihm etwas auf der Seele brannte. Er wandte sich an Ramon. „Es tut mir leid, dass ich Sie störe aber…es gibt da etwas, was ich loswerden muss!“, sagte er und sah dabei zu Flora. Sogleich wurde sie ganz starr wie ein Reh, was vor der Flinte eines Jägers stand.

Nun ruhten alle Augen auf sie. Alle gespannt, was Jaque zu sagen hatte. Floras Mund fühlte sich trocken an. Und sie wirkte alles andere als gefasst. Fast so als ahnte sie, was Jaque auf dem Herzen lag. „Ich weiß, dass du davor zurück schreckst und nicht willst, dass ich und mein Vater uns entzweien, will ich nicht auf das hören, was er und die anderen dazu sagen. Es ist mir auch gleichgültig. Was für mich zählt, ist, mit dir zusammen zu sein!“, sagte er und ergriff ihre Hand. „Ich verlange ja nicht, dass du mich sofort heiratest. Aber verlobe dich wenigstens mit mir!“

Atemlose Stille breitete sich aus. In dieser sahen Floras Eltern, Rene und die Großmutter zu ihr und Jaque, der weiterhin ihre Hand hielt und sie festentschlossen ansah. Deutlich sah man in seinem Blick, dass er sich nicht davon abbringen lassen würde. „Jaque…ich…!“

„Nun sag doch endlich „Ja“, Kind!“, sagte Martha und brach damit das Schweigen. Sofort warfen ihr alle überraschte und perplexe Blicke zu. Martha hingegen schien sich keiner Schuld bewusst zu sein und stemmte die Hände in die Hüften. „Dieses ganze Hin und her…Mein altes Herz hält das nicht mehr aus und ich will noch in diesem Leben deine Hochzeit sehen. Außerdem…der arme Kerl hat den Mut seinem Vater die Stirn zu bieten und hält um deine Hand an. Tu dir und deinem Seelenheil einen Gefallen und nimm seinen Antrag an…!“

Flora sah ihre Großmutter nur sprachlos an. Sie hatte das ausgesprochen, was ihr Herz schon längst versuchte ihr klar zu machen. Und insgeheim war sie ihr dankbar, dass sie ihr den nötigen Stoß gab. Ihr Blick ging dann zu ihrem Vater. „Vater…?“, fragte sie ihn. Nun sah auch Jaque zu ihm und räusperte sich verlegen. „Ich weiß, dass normalerweise der Vater zuerst gefragt wird. Aber…!“, sagte er dann und sah wieder zu Flora.

Ramon lächelte. „Unter bestimmten Umständen kann man da ein Auge zudrücken!“, sagte er. Zwinkerte Ramon Jaque dann zu. Sein Gesicht hellte sich auf. Auch Floras Mundwinkel zuckten nach oben und zum ersten Mal sah Rene wieder das Leuchten in ihren Augen. „An mir soll es nicht scheitern. Die Hand meiner Tochter sei dir gewiss!“

Nun sah er zu Flora. „Vor rausgesetzt sie nimmt deinen Antrag an!“, sagte Ramon dann und sah zu Flora. Das Leuchten in ihren Augen war erloschen und sie blickte nun wieder so drein als würde sie vor etwas zurückschrecken. Ihre Hand, die immer noch in der von Jaque lag, zitterte. „Flora…nun sag doch endlich was!“, sagte Martha.

Keiner schien den Kampf zu sehen, der in ihr tobte. Doch Rene konnte es deutlich in ihrem Gesicht sehen, dass sie nichts mehr auf der Welt wollte, als seinen Antrag an zu nehmen, es aber nicht konnte weil…

„Flora..!“, fragte Jaque unsicher und sein Mut schwand.

„Entschuldigt uns. Ich muss kurz mit meiner Schwester reden!“, sagte Rene. Nahm Flora dann bei der Hand und zerrte sie förmlich aus der Wohnstube.

Ungeachtet der Kälte, die des Nachts draußen herrschte, schob er sie hinaus und war dann die Tür hinter sich. „Rene…was soll das?“

„Das gleiche könnte ich dich fragen? Wann hörst du endlich dich von dem, was die anderen denken oder sagen beeinflussen zu lassen und stattdessen mal an dich zu denken. Du liebst doch Jaque oder? Und du willst ihn auch heiraten? Wieso nimmst du seinen Antrag nicht an?“, redete er auf sie ein und Flora schaute betrübt zu Boden. Sie öffnete den Mund um etwas zu sagen und in ihren Augen war Schmerz zu sehen. „Und komm mir jetzt nicht damit, dass du nicht willst, dass sich Jaque und sein Vater damit auseinander gehen. Er sagte selbst, ihm sei es gleich, wenn sie sich entzweien!“

„Aber das ist doch nicht richtig…!“, wandte sie ein. Rene seufzte. „Flora…kämpf doch dafür. Er tut es. Wieso nicht auch du?“

Darauf sagte Flora zuerst nichts, sondern sah zu Boden. „Flora!“, sagte Rene und nahm seine Schwester an der Schulter. „Sei einmal in deinem Leben ehrlich und höre auf dein Herz. Nicht auf das was die anderen sagen oder darüber denken würden!“

„Ich weiß nicht, was ich noch machen soll!“, sagte Jaque und ließ sich auf den Stuhl fallen.

„Glaub mir. Auch wir verzweifeln daran. Sie ist manchmal so…unvernünftig!“, sagte Martha.

„Sie will eben nicht, dass es bis zum Äußersten geht…!“, verteidigte Elsa nun ihre Tochter.

Martha schnaubte und winkte ab. „Sie soll sich ihr Glück nicht von diesem Narren kaputt machen lassen!“

„Tut mir leid, wenn ich so über deinen Vater spreche, Jaque. Aber er sollte lieber zu Euch stehen!“

Jaque lächelte schwach. „Ich kann es dir nicht verübeln, dass du so über ihn sprichst. Auch ich zweifle an dem Verstand meines Vaters. Geschweige denn an seinem Interesse, dass ich mein Glück finde!“

„Ich kann ihn auch ein wenig verstehen. Er will dich nicht verlieren. Er fürchtet, wenn du Flora heiratest, ebenso verdammt bist und sterben musst!“, räumte Ramon nach einer Weile ein. Elsa und Martha sahen ihn verblüfft an. „Es ist die typische Sorge eines Vaters um seinen Sohn. Und das Gift, was diese Elenden verspritzen, trifft bei ihm auf fruchtbaren Boden! Darum sei dir sicher, dass Eure Ehe nicht leicht sein wird!“

Jaque nickte. „Das ist mir bewusst. Und das nehme ich gerne in Kauf. Das einzige, was mir Magenschmerzen bereitetet ist, dass Flora…!“

Zu mehr kam Jaque nicht, da Rene und Flora wieder in Haus traten. Jaque stand auf, wollte zu Flora gehen, blieb aber dann stehen und sah sie mit einer Mischung aus Verwirrung und Anspannung an. Flora konnte sich denken, was ihm auf der Seele brannte und trat dann näher. „Ich kann nicht länger so weitermachen. Was hätten wir davon? Nichts! Außer dass es uns irgendwann gänzlich auseinander reißt…!“, begann sie. „Und ich will dich nicht verlieren. Darum…nehme ich deinen Antrag an!“

Kurt schien die Zeit stehen zu bleiben, dann aber explodierte Jaque förmlich vor Freude. Er umarmte Flora stürmisch und drehte sich mit ihr übermütig. Flora quiekte erschrocken auf, lachte dann aber auch und schlang ihre Arme um seinen Hals. Martha klatschte begeistert in die Hände. „Endlich. Der Herr sei gelobt. Endlich!“, rief sie.

Rene konnte nicht anders als sich auch darüber zu freuen, dass Flora und Jaque endlich den Schritt gewagt hatten. Und fast wollte er sich mit dieser Freude ins Bett legen, wie seine Familie, doch da fiel ihm ein, dass er jemanden was versprochen hatte.
 

Sobald es ruhig im Hause seiner Eltern und Jaque nachhause gegangen war, schlich er sich aus dem Haus und ging zur Lichtung. Nima wartete bereits auf ihn. Dieses Mal allerdings in ihrer menschlichen Gestalt. Wobei er sich sogleich fragte, ob sie nicht fror.

Trotz seines dicken Mantels drang der kalte Wind, der umherwehte, durch diesen als sei er aus Seide. Und sie…

Sie trug eine luftige Hose und ein kurz geschnittenes Oberteil, das zeugte was sie als Frau hatte. Rene wurde dabei ein wenig als ihm bewusst wurde, dass er sie etwas zu lange angestarrt hatte. Nima lächelte. „Gibt es in deinem Dorf keine schönen Mädchen? Oder wieso siehst du mich so an?“

Rene errötete noch mehr. „Doch schon. Aber die…!“, versuchte er zu antworten. Schaute dann weg. Fast wollte er sagen, dass er bisher sich nicht für diese Mädchen interessiert hatte Da sie ihn sicher auch nicht in ihrer Nähe haben wollten. „Frierst du denn nicht?“

Nima schien seine Ausrede sofort bemerkt zu haben. Sie sah ihn mit geschürzter Lippe an. Doch dann grinste sie. „Du scheinst dich für Mädchen nicht zu interessieren?“, kam es keck von ihr. „Nein. Aber keine dieser Mädchen würde sich auch nicht für mich interessieren. Wofür ich eigentlich auch dankbar bin!“

„Hm!“, machte Nima und sah ihn sich genau an. Dann seufzte sie theatralisch. „Eigentlich schade!“

Daraufhin sah Rene sie etwas verwirrt an. Gefiel er ihr etwa?

Rene wusste nicht, ob er sich davon geschmeichelt fühlen oder sich Sorgen machen sollte. Immerhin wusste er um ihr wahres Ich.

Oder sagte sie das nur, damit er sich besser fühlte?

„Gehen wir weiter?“, fragte sie dann. Rene nickte.
 

Wenig später fand er sich im Schloss des Wolfsprinzen. Doch dieses Mal hatte ihn Nima in ein anderes Gemach geführt. Dieses unterschied sich erheblich von dem Raum, in dem er immer gebracht wurde. Statt aus Eis waren die Wände aus Fels geschlagen und glatt geschliffen. Der Boden war mit dicken Teppichen und Fellen ausgelegt. Außer einem kurzbeinigem Tisch und einem Diwan, war der Raum leer. Auch hier brannte ein Feuer.

Warmes Licht fiel auf die Felsenwände und schien sie in Flammen aufgehen zu lassen.

Trotz dass der Raum kleiner war, als der vorherige, schien sich Rene hier wesentlich wohler zu fühlen.

„Setz dich. Die Herrin wird gleich kommen!“, sagte Nima und verließ dann den Raum. Rene ließ sich auf dem Fell nieder. Er fragte sich, wie nun das Treffen mit der Herrin verlaufen würde. Beim Wolfsprinzen hatte er immer so einen distanzierten Eindruck gehabt. Würde es bei ihr genauso sein?

Sicher nicht. Das konnte er sich nicht vorstellen. Wieso sonst sollte sie ihn treffen wollen?

„Wie schön dass du kommen konntest!“, sagte plötzlich die Herrin und lächelte ihn freundlich an. Rene erhob sich schnell und verneigte sich. „Werte Dame!“

„Setz dich ruhig wieder!“, sagte sie und ließ sich ihm gegenüber nieder. Rene folgte ihrer Bitte. Sogleich kam auch Nima rein. Sie trug ein Tablett mit zwei Tassen und einer Kanne, gefüllt mit köstlich duftendem Tee, herein. Außerdem hatte sie eine Schale mit Keksen dazu gestellt. Beim Anblick dieser lief ihm das Wasser im Munde zusammen. Nima stellte alles auf den kleinen Tisch und richtete alles ordentlich her. Als sie fertig war, zwinkerte sie Rene heimlich zu und verließ den Raum dann wieder. Rene sah ihr ein wenig perplex nach.

Was sollte das denn wieder?

„Nimm ihr das nicht übel. Nima ist noch ein Kind!“, sagte die Dame und nippte an ihrem Tee. „Dafür sieht sie ziemlich erwachsen aus!“, bemerkte er trocken.

Die Dame kicherte. „Ich…ich habe Euch noch gar nicht vorgestellt. Mein Name ist Rene!“

„Ich weiß wer du bist!“

Rene fühlte auf einmal wie sich sein Hals zusammenschnürte. Zwar lächelte sie aber Rene konnte sich des Eindrucks erwehren, dass ihre Worte einen etwas lauernden Unterton hatten.

„S-So?“, fragte er unwohl und konnte das Zittern seiner Hand nicht unterdrücken, die die Tasse hielt. Die Frau lächelte. „Keine Angst. Du musst nicht fürchten, dass ich es dir übel nehme. Im Gegenteil. Ich finde es bewundernswert, dass du den Mut hattest, meinem Sohn die Stirn zu bieten!“

Rene hätte sich beinahe an dem Tee verschluckt. Ihr Sohn?

Damit konnte nur der Wolfsprinz gemeint sein. Rene sah sie mit großen Augen an. „Dann seid Ihr die Herrin der Wölfe?“, kam es ehrfürchtig aus ihm. Die Dame sah ihn nun ebenso verwirrt an, dann lachte sie. Sie winkte ab. „Nein. Ich bin nur seine Mutter. Sein Vater war der Herr!“, erklärte sie und ihr Gesicht nahm nun einen traurigen Ausdruck an. „Sein Vater herrschte über die Wölfe…!“

Rene sagt nichts, da er den Kummer sah, der sich wie ein Gewicht auf sie legte und sie niederdrückte.

„Könnt…Könnt Ihr mir sagen, wieso er…?“, kam es zögernd von ihm. Die Worte rutschten ihn einfach so raus. Und biss sich sofort auf die Zunge.

War er von allen guten Geistern verlassen?

Was war nur in ihm gefahren, sie sowas zu fragen?

„Bitte…verzeiht…Ich wollte nicht…!“, sagte er schnell. Die Dame hob die Hand. „Schon gut. Du hast jeden Grund das zu fragen!“

Nach einer Weile, in der sie schwieg, holte sie Luft und sprach dann weiter. „Ich fürchte ja. Es liegt schon so viele Jahre zurück. Und ich habe ihn schon oft angefleht, endlich damit auf zu hören…aber er will es einfach nicht vergessen!“

„Den Mord an seinem Vater?“

Die Dame schüttelte den Kopf. „Nein. Zumindest nicht nur!“

„Es steckt mehr dahinter?“, fragte Rene und beugte sich vor. Ihm war bewusst, dass er dabei wirkte wie ein zu neugieriges Kind. Aber er sah auch endlich die Möglichkeit, den wahren Grund hinter all dem zu erfahren. Die Dame nickte. „Ja…Der Mord an seinem Vater war nur der Tropfen, der das Wasser zum Überlaufen brachte. Schon vorher war er voller Zorn den Dörflern gegenüber. Und nur weil ich…!“

Ihre Stimme brach und sie schlug sich die Hände vor den Mund. „Ich stammte auch aus dem Dorf. Und war wie jedes andere Mädchen auch. Voller Träume und Hoffnungen. Nun…bis zu jenem Tag, an dem diese zerstört wurden. Ich will dich nicht mit Kleinigkeiten langweilen…es spielt sowieso keine Rolle mehr. Schlussendlich wurde ich aus dem Dorf vertrieben!“

Rene stockte der Atem als er das hörte. Diese Geschichte hatte er doch schon mal gehört. Von seiner Großmutter als sie über ihre Freundin erzählt hatte.

„Dann seid Ihr Lira?“, kam es aus ihm geschossen.

Die Dame schien nicht verwundert zu sein, dass er ihren Namen kannte. Stattdessen nickte sie. „Ja, Ich bin Lira. Und du bist sicher mit Martha verwandt?“

„Ja, sie…sie ist meine Großmutter!“, sagte Rene und Lira lächelte. „Das dachte ich mir schon fast. Du hast ihre Augen. Wie geht’s ihr?“

„Soweit gut. Aber…!“

Lira nickte wieder. „Ich verstehe!“, seufzte sie. „Glaube mir. Wenn ich die Macht dazu gehabt hätte, hätte ich es nicht zugelassen. Aber Mandariel ist so sehr von Rache zerfressen, sodass nicht mal ich ihn davon abhalten kann. Sein Vater wäre der einzige gewesen. Und wenn er davon wüsste…!“

So langsam fügte sich das Puzzle zusammen und Rene verstand. Dass alles tat er aus Rache. Nicht aus reiner Grausamkeit. Erst hatte man seine Mutter vertrieben, sie ihrem Schicksal überlassen und dann seinen Vater getötet. Wenn Rene so darüber nachdachte und ehrlich sein sollte, hätte er vermutlich genauso gehandelt. Er selbst hatte schon düstere Gedanken gehabt, weil die Schikane der Dorfbewohner schon die Grenzen sprengte.

Wie mochte es da dem Wolfsprinzen gehen?

Zum ersten Mal seit er ihm begegnet war, empfand er so etwas wie Mitleid. Bei so viel Hass und Boshaft war es ja kein Wunder, dass ein Herz dadurch zu Eis wurde.

„Wie war er denn, bevor er…?“, fragte er dann. Lira lächelte nun wieder. Auch wenn es schwach und mit einer Mischung von Traurigkeit erfüllt war. „Er war…wie jeder andere junge Mann. Voller Leben und Dummheiten im Kopf. Wie oft habe ich ihn schon dabei erwischt, wie er sich mit den jüngeren Wölfen davon stahl und sich herumtreiben wollte. Wenn ich dich so ansehe, sehe ich ihn. Wie er war…und…nie wieder sein wird!“

Eine Träne rann ihr die Wange hinunter. Schnell wischte sie sich diese weg.

Rene konnte nicht anders als die Hand aus zu strecken und sie auf die ihre zu legen. Lira sah ihn an und lächelte. Nahm sie dann und drückte sie.

Ohne dass es einer von ihnen bemerkt hatte, hatte Mandariel alles mit angehört. Hatte sich hinter der Tür verborgen gehalten und belauscht, was seine Mutter und Rene besprochen hatten. Und zuerst wollte er hineinstürmen und sie anfahren, was ihr einfiele, diesem Jungen erzählen was ihn gar nichts anginge.

Aber dann hatte er inne gehalten und weiter zu gehört. Und auch wenn er sie nicht direkt sah, wusste er um den Kummer, der sie ergriffen hatte während sie von ihrem Mann sprach und wie er einst gewesen war. Eine ungekannte Schwere erfasste sein Herz. Für einen kurzen Moment erinnerte er sich selbst daran, wie es früher mal gewesen war.

Seine Kindheit. Eine Zeit ohne Sorgen. In der es nur seinen Vater gab und seine Mutter.

Doch diese schien so flüchtig wie ein Wimpernschlag gewesen zu sein.

Die Zeit danach, in der alles dunkel wurde und nur von Schmerz und Wut erfüllt war, schien eine Ewigkeit zu dauern. Schnell verdrängte er diesen. Zwang sich wieder Bilder vor seine Augen, in denen er den gehäuteten Kadaver seines Vaters fand. Der Schnee unter ihm rot gefärbt von seinem Blut.

Die alte gewohnte kalte Wut erfasste ihn nun wieder. Vertrieb den Schmerz, der sein Herz erfasste und die Zweifel, die in ihm hoch kamen an seinem Handeln und machte wieder Platz für den Wunsch nach Vergeltung.
 

„Wieso hast du ihm davon erzählt?“, fragte er wenig später, als Rene gegangen war und er seine Mutter allein in ihrem Gemach aufsuchte. Lira klappte das Buch zu, in dem sie gerade las und sah ihn über die Schulter hinweg an. „Nach allem hatte der Junge ein Recht, zu erfahren wieso das alles…!“

„Was hat es ihn zu kümmern, wieso ich nach den Töchtern verlange?“

„Es sollte am Anfang seine Schwester treffen. Schon vergessen? Denkst du nicht, dass es Grund genug ist. Und wenn er schon sterben sollte, sollte er wissen wieso!“, erwiderte sie kühl und erhob sich.

Mandariels Lippen wurden zu einem harten Strich. Ihm war sein Missfallen deutlich an zu sehen und was er davon hielt, dass seine Mutter Rene den Grund für das alles erzählt hatte.

Für ihn war es ein gut gehütetes Geheimnis, das niemand etwas anginge. Und außerdem was würde es ändern, wenn Rene es nun wusste. Nichts. Er würde sicher nicht seinen Kopf benutzen und darüber nachdenken. Dafür war er in den Augen des Wolfsprinzen zu verbohrt.

Lira trat nun an ihren Sohn heran und legte die Hand auf seinen Arm. „Außerdem ist er der Enkel meiner besten Freundin. Und im Gegensatz zu den anderen, hat sie zu mir gehalten. Denkst du nicht, dass es Unrecht sei, ihn zu töten?“

Fast schon wollte sie sagen, dass es schon Unrecht war, die Mädchen vor ihm geholt und für das bestraft zu haben, was ihre Vorväter getan hatten. Doch sie wusste auch, dass sie bei ihm damit auf taube Ohren stoßen würde.

Mandariel sah sie für einen langen Moment schweigend und mit einem grimmigen Blick an. Dann entriss er ihr seinen Arm. „Gib es endlich auf. Du kannst und wirst nichts daran ändern können!“, sagte er dann brüsk und wollte schon gehen. Blieb aber stehen und sagte:„ Tröste dich damit, dass ich ihm einen schmerzlosen Tod gewähre. Weil er der Enkel deiner alten Freundin ist!“



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Kommentare zu diesem Kapitel (4)

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Von:  Dark-Moon
2016-10-25T18:29:13+00:00 25.10.2016 20:29
Endlich kann seine schwester mit ihrem liebsten zusamnen sein. Wie schön (schwerm) dumme Dorfbewohner hass kann sehr stark sein, aber ich Hoffe das dem hass einhalt geboten werden kann. Ich bin schon richtig gespannt wie es weiter geht.
LG Dark-moon
Von:  Zebran20121
2016-10-19T07:49:25+00:00 19.10.2016 09:49
Morgen

Na wurde aber auch zeit das Flora endlich auch mal an sich und nicht was andere wollen. Ich kann Mandariels Zorn verstehen aber das Rechtfertigt nicht seine Taten auch wenn das Dorf fast nur aus Idioten besteht. Ich hoffe Rene schafft es Mandariels Zorn verrauchen zu lassen. Ich bin gespannt wie es weitergehen wird.

LG Zebran
Von:  BODYROCKER
2016-10-18T14:26:58+00:00 18.10.2016 16:26
Irgendwie echt Traurig was Mandariel und seine Mutter durchleiden müssen...aber sollte irgendwann einfach nicht genug sein? Die Dorfbewohner tun mir jetzt nicht leid. Sie zeigen sich jetzt auch nicht wirklich von ihrer besten Seite...und trotzdem. Ich hoffe Rene kann ihn überzeugen von seiner Rache abzulassen ;)
Antwort von:  Mad-Dental-Nurse
18.10.2016 19:52
Rache ist eben wie ein Gift und auch eine Droge, es macht süchtig und bringt irgendwann einen um
Von:  Scorbion1984
2016-10-18T08:58:51+00:00 18.10.2016 10:58
Irgendwie kommt er aus dem Kreislauf der Gewalt nicht raus ! Bloß will er es ueberhaupt?
Antwort von:  Mad-Dental-Nurse
18.10.2016 19:51
Das bleibt ab zu warten...


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