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Ego sum qui intus habitat...

von

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01:00 Uhr

Atmen.

Atmen, immer weiter atmen.

Die Lungenflügel füllten sich langsam mit Luft, brachen fast wieder unter dem ungewohnten Druck zusammen.

Atme einfach, schoss es durch seinen Kopf, während er sich daran zu erinnern versuchte, wie man das überhaupt tat.

Die Lungen bewegten sich nur schwer, der Brustkorb kam kaum in Wallung. Er war eingeklemmt unter irgendetwas Hartem, das wie Stein darauf lag. Es schmerzte bitterlich und schnitt ihm die gerade wieder gewonnene Luft fast wieder ab.

Atme weiter!

Immer wieder kreisten diese Worte durch seinen Kopf, und er konnte an nichts anderes denken als an diese.

Atmen, atmen, atmen.

Da war sie, frische Luft, die in langsamen Zügen leise zischend in seine Lungen floss. Doch frei war das Atmen nicht; die Lungen brannten, als seien sie einem Feuer zum Opfer gefallen, jeder Zug rettende Luft war wie das Einatmen giftiger Asche.

Seltsame, schmerzende, röchelnde Geräusche drangen aus dem Zwerchfell und den Lungenflügeln.

Was das wohl war?

Atme weiter, ist doch egal.

Interessiert keinen.

Seine Augen waren noch fest verschlossen; er wagte nicht, sie auch nur eine Sekunde zu öffnen.

Weit entfernte Geräusche drangen an sein Ohr, ließen ihn horchen, doch das Atmen war wichtiger.

Etwas Schweres lag immer noch so hart drückend auf ihm, dass er sich nicht einen Millimeter bewegen konnte, egal, ob er wollte oder nicht.

Etwas sehr Schweres.

Er spürte, wie dieses schwere Etwas genau auf seinem Brustkorb lag, dass seine Arme eingeschlafen waren und sich nicht bewegen ließen. Sowieso konnte er sich nicht bewegen.

Nicht einen Millimeter.

Atme weiter!

Er keuchte und spürte sogleich den brennenden, stechenden Schmerz in den Lungen, der seinem Keuchen Einhalt gebot.

Wo war er?

Er konnte sich an nichts, aber auch wirklich an gar nichts erinnern.

Die letzten Stunden waren wie weggewischt, alles war wie weggewischt.

Er konnte nur an eines denken:

Atme!

Die Augen hatte er immer noch geschlossen, jedoch versuchte er ohne jegliche Bewegung, einige Geräusche von außen aufzunehmen; wo auch immer er war.

Vielleicht gab es Aufschluss darauf.

Er ließ seine Lungen etwas ruhen und horchte angestrengt.

Knallen war zu hören, Schreie, ein Zischen.

Wieder Schreie, seltsame Worte, und von irgendwo her kam das Kramen und beiseite Schieben von schwerem Geröll.

„....darunter, ich weiß nicht...“

Ferne Stimmen, die er nicht erkannte.

Was wollten sie?

Er nahm noch einen der brennenden Luftzüge, bevor er es wagte, die Augen zu öffnen.

Doch er sah rein gar nichts.

Es war dunkel, wie die schwärzeste Nacht, und nur seinem siebten Sinn konnte er es verdanken, dass er wusste, dass er unter einem riesigen Haufen Gestein liegen musste, denn nun spürte er, dass er umringt war von Kälte.

Heftiger, bebender Kälte, die ihm, sogleich er diese bemerkte, wie Stahl in die Knochen fuhr und seine Atemzüge um ein weiteres erschwerte.

Atme weiter, atme!

Es tut so weh, dachte er, und versuchte wenigstens ein wenig von seinem Körper zu spüren.

Doch alles, was er merkte, war das Zucken seines kleinen Fingers.

Er schloss die Augen wieder, da er ohnehin nichts sehen konnte.

Die Geräusche von draußen wurden nicht unbedingt deutlicher, doch sie kamen eindeutig näher.

Wo war er?

In einer Höhle?

War diese Höhle vielleicht eingestürzt?
 

„Ich hab es doch gesehen, es brach direkt über ihm ein... Ja, ist er... ich weiß es nicht... Draco?“
 

Draco, was für ein Name.

Wessen Name war das?

War das sein Name?

Er versuchte erst gar nicht, seine Stimme irgendwie zu aktivieren, da er es gerade einmal schaffte, mit leichten Zügen Luft zu holen und den brennenden Schmerz in Überleben zu verwandeln.

War er Draco?

Musste ja sein, denn das Wegschieben und das irrsinnige Kratzen und Rollen von großen Steinen drang weiterhin an sein Ohr.

Er spürte etwas Nasses an seinem Ohr entlanglaufen, es war warm und rann direkt die Ohrläppchen herunter, lief seinen Hals entlang, der sich seltsam verrenkt anfühlte.

Die klirrende Kälte und der Druck auf den Brustkorb ließen nicht nach, auch nicht die immer deutlich aufkommenderen, heftigen Schmerzen.

Sie zogen sich durch seinen gesamten Körper.

Nur die Beine, die Beine.

Die spürte er gar nicht, als seien sie nicht vorhanden.

Doch das war wohl das kleinste Übel.

Wie lange lag er hier schon?

Und immer noch wusste er nicht, was passiert war, ob er der Draco war, nach dem die krächzenden und bitterlichen Stimmen draußen riefen, während das Geschabe des Gerölls immer mehr an seine Ohren drang.

Er hörte und spürte, wie sich ein Stein an der linken Seite bewegte.

Langsam.

Doch dann sackte der Stein nur tiefer herab, und mit einem widerlichen Geräusch krachte dieser auf seinen Arm.

Der Schmerz, der sich sogleich durch seinen gesamten Körper zog, ließ ihn unweigerlich laut keuchen und hastig nach der ohnehin wenigen Luft schnappen.

Das Knacken war eindeutig gewesen.

Der Arm war durch den Aufprall des Steines gebrochen.

Doch richtig spüren konnte er diesen danach nicht mehr.

Ein Pochen rann durch alle Glieder und Nerven, die er besaß.

Atme.

Atme und vergiss, dass dein Arm gebrochen ist, du deine Beine nicht spürst, du kaum Luft bekommst, du wahrscheinlich am Kopf blutest.

Vergiss alles.

Vergiss es und atme.

Seine Augen sackten spürbar in der Höhle hinab, und er musste schlucken.

Der Druck war unaustehlich.

Die Lungen brannten.

Wie lange würde sein Brustkorb noch durchhalten, bis er genauso brach wie sein Arm?

Einatmen, Ausatmen.

Einatmen, Ausatmen.
 

„Ich glaube, ich höre etwas...“

„Bist du sicher? Der Aufprall war gigantisch... Wenn er überhaupt noch...“

„Nein! Sowas darfst du nicht denken!“

„Hilf mir....“
 

Steine, schwere Steine, die beiseite rollten.

Schmerz, Schmerz in der Dunkelheit.

Atme.

Halte durch, Draco.

Atme....



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