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Freundschaftsband

Durch die Kraft des Bands der Freundschaft
von

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Sich neu verflechtende Wege

Sich neu verflechtende Wege
 

An dem Abend haben Karnimani, Lin-Fu und ich, nachdem wir von Schwester Joy ein Zimmer bekommen, noch ein wenig auf dem Kampffeld neben dem Pokémon Center trainiert, bis wir von einem Trainer mit einem Pampuli herausgefordert wurden. Diesen Kampf konnte Karnimani mit etwas Mühe für sich entscheiden. Danach waren wir alle so kaputt, das wir schon um kurz nach 21 Uhr nach einem kleinen Abendessen müde in unsere Betten gefallen sind. Bzw. Lin-Fu und ich sind in mein Bett gefallen, Karnimani hat es sich auf einem Stuhl gemütlich gemacht. Sobald mein Kopf das Kissen berührt hat, war ich auch schon weg. Die vorherigen anstrengenden Tage haben ihren Tribut gefordert.

Trotzdem bin ich am nächsten Morgen schon um kurz nach sieben wach, was eine für mich unmenschliche Uhrzeit ist. Aber ich habe ja auch über zehn Stunden geschlafen, mehr geht einfach nicht. Wir haben heute immerhin noch einiges vor.
 

Nachdem ich mich geduscht, mir frische Sachen angezogen, Karnimani und Lin-Fu geweckt und alles zusammen gepackt habe, mache ich mich mit meinem Pokémon auf den Weg nach unten ins Erdgeschoss des Pokémon Centers. Zielstrebig gehen wir nach links in den Essbereich, wo schon drei andere Trainer sitzen und zusammen mit ihren Pokémon frühstücken. Kurz mustere ich sie, um zu sehen, ob es sich lohnen würde, gegen einen von ihnen zu kämpfen und so ein bisschen zu trainieren, doch sie alle scheinen sehr gut trainierte Pokémon zu haben. Also sage ich meinen Pokémon einfach nur, dass sie sich einen Tisch suchen sollen, während ich uns etwas zu Essen organisiere.

Nachdem ich das Essen für meine beiden vorbereitet habe, denn hier im Pokémon Center gibt es natürlich nicht nur eine große Essensauswahl für Menschen, sondern auch für Pokémon, hole ich mir meine über alles geliebten Cornflakes zum Frühstück. Danach sitzen wir einträchtig schmatzend an unserem Tisch und essen, während ich mir überlege, wo wir trainieren könnten, ohne gestört zu werden. Das Kampffeld des Centers ist gut und schön, aber zum einen wird man hier immer von anderen Trainern beobachtet, was mir nicht wirklich behagt, und zum anderen sehr oft von ihnen zum Kampf heraus gefordert. Nichts gegen einen guten Pokémon Kampf, bei dem man die Stärke seines Pokémons messen kann, aber ein gezieltes Training fände ich zum jetzigen Zeitpunkt besser. Wir müssen uns auf den Arenaleiter vorbereiten.

Nachdem ich also gegessen und alles weggeräumt habe, gehe ich zu Schwester Joy an die Theke. Meine Pokémon folgen mir kommentarlos.

Schwester Joy begrüßt mich freundlich lächelnd. „Guten Morgen, Svenja. Gut geschlafen? Wie ich gestern Abend schon sehen konnte, geht es Karnimani ja wieder ausgezeichnet.“ Richtig, sie war diejenige, die Karnimani geheilt hat, nachdem er so schwer von den Wiesor verwundet wurde. Das ganze kommt mir vor wie eine Ewigkeit, dabei ist es nur eine Woche her. Aber in dieser Woche ist so viel passiert.

„Ebenfalls guten Morgen. Ja, mit Karnimani ist alles wieder in Ordnung. Darum wollte ich auch fragen, ob es hier in der Nähe einen Ort gibt, an dem man ungestört trainieren kann,“ will ich von ihr wissen und sehe die Frau aus großen Augen an.

Diese grinst nun. „Verstehe. Ja, unser Kampffeld ist gut besucht und sicher das Gegenteil von ruhig und unbeobachtet. Aber es gibt einen Ort in der Nähe, der genau das ist. Die Giftwiese. Wenn du in Richtung Hafen gehst, dich dabei aber eher südlich hältst, kommst du bald an den Rand unseres kleinen Städtchens. Dort grenzt Route 49 an und diese führt dich direkt zur Giftwiese. Nur wenige Leute verirren sich dort hin, weil dort zum Teil sehr starke Gift Pokémon leben. Und deren Gift kann tödlich sein. Darum, wenn du dort hin gehst, bleib an Rand der Wiese und reiz keins der dort lebenden Pokémon. Und nimm für den Falle des Falls unbedingt Gegengifte mit!“

„Das werde ich, keine Sorge. Ich wollte mein Sortiment ohnehin aufstocken“, beruhige ich sie schnell, als sie mich so eindringlich warnt. Macht Schwester Joy das bei jedem Trainer oder nur bei mir, weil sie mich für unfähig und verantwortungslos hält? Nicht, dass ich das wäre, hoffe ich zumindest, aber das war leider ihr erster Eindruck von mir. Und der erste Eindruck lässt sich leider nur schwer revidieren. Trotzdem werde ich alles tun, um ihr zu zeigen, dass ich nicht so unfähig bin wie sie denkt.

„Nun denn, du weißt ja, wo du alles findest.“ Damit zeigt sie in die rechte Hälfte des Pokémon Centers, in dem sich auch ein Pokémon Markt befindet, mit allem, was das Trainer Herz erfreut. Mit einem letzten Dankeschön verabschiede ich mich und gehe shoppen.
 

Mit einem Schnaufen hieve ich zwei Futtersäcke auf den Tresen und lege dann noch Tränke, Hyperheiler und Schutzsprays daneben, die Lin-Fu und Karnimani mir reichen. Die konnte ich beim besten Willen nicht auch noch tragen. Die Schutzsprays sind extra für die Gift Pokémon gedacht, in der Hoffnung, dass sie uns dann eher in Ruhe lassen. Auf eine tödliche Vergiftung kann ich nämlich verzichten.

Als der Verkäufer mir den Preis nennt, schnappe ich erstmal nach Luft, bezahle dann aber notgedrungen. Zum Glück habe ich schon ein paar Trainerkämpfe gewonnen und dabei Preisgeld erhalten, sonst sähe es jetzt düster in meinem Portmonee aus.

Danach packe ich alles in meinen türkisfarbenen Rucksack und hebe ihn mit Schwung auf meinen Rücken. Verdammt, ist das Ding wieder schwer. Ehrlich, es ist kein Wunder, dass langjährige reisende Trainer so trainiert aussehen. Bei dem Gewicht, was sie Tag für Tag jahrelang auf ihrem Rücken mit sich rumschleppen, ist das sehr verständlich.

Dann wende ich mich an Karnimani und Lin-Fu, die mich neugierig ansehen. „Okay, ihr Zwei. Lasst uns diese Giftwiese suchen. Und dann wird trainiert!“

Die beiden antworten mir mit euphorischen Rufen, also gehen wir drei los.
 

Nach zehn Minuten haben wir den Rand von Serenitia erreicht und wie Schwester Joy es uns gesagt hat, beginnt hier Route 49, wie ein Wegweiser verdeutlicht. Die Route ist weniger ein Feldweg mit wenig Gras, sondern einfach nur viel festgetretener Boden. Die wenigen Bäume und Büsche sind halb zerstört und sehen aus wie weggeätzt. Ob das die Gift Pokémon mit ihrer Säure waren? Die Natur sieht jedenfalls sehr mitgenommen aus.

Während Karnimani vor uns her läuft und jeden der wenigen Büsche einzeln untersucht, bleibt Lin-Fu an meiner Seite. Ihr scheint die Umgebung nicht geheuer zu sein und mir auch nicht, weshalb ich uns alle gleich mal mit dem Schutzspray einsprühe. Ich selbst kann nichts riechen, aber meine beiden Pokémon verziehen angeekelt das Gesicht. Ich hoffe nur, dass das die wilden Pokémon auch so sehen.

Doch es scheint zu wirken. Denn obwohl ich immer wieder verschiedene Pokémon rufen höre, sehe ich kein einziges von ihnen. Sie scheinen sich in den zerstörten Büschen zu verstecken und darüber bin ich ziemlich froh. Hoffentlich wirkt das Spray bei den Gift Pokémon genauso gut.
 

Nach gut fünf Minuten kann ich sie hören. Ihre Rufe, aber auch oder vor allem das Gift, wenn es auf einen der wenigen Grashalme trifft und unangenehm zischt. Das ist wohl der Grund, warum es hier fast nur festgetrampelte Erde gibt. Und der Gestank! Wie auf einer Müllkippe! Außerdem scheint es hier wärmer zu werden und die Luft ist seltsam beißend. Ich kämpfe schwer gegen den Würgereflex an.

Und dann kann ich sie sehen. Es sind so viele. Einige Käfer Pokémon, Nidoran und deren Weiterentwicklung, verschiedene flugfähige Pokémon, natürlich auch ein paar reine Gift Pokémon, die aussehen wie große Schleimklumpen, in weiter Entfernung erkenne ich auch einige Bluzuk. Das muss der Ort sein, an dem Pablo sein Bluzuk gefangen hat. Es leben so viele Pokémon hier und vor allem so viele verschiedene. Doch zum Glück schenkt uns keines übermäßige Beachtung. Der Schutz scheint zu wirken. Trotzdem ziehe ich mich mit meinen Pokémon an den Rand der Wiese zurück und sehe die beiden dort an. „Also dann. Fangen wir an. Karnimani, wir beide trainieren zusammen deine Stärke. Ich habe da hinten Steinblöcke gesehen, mit denen können wir üben. Lin-Fu, du trainierst bitte deine Schnelligkeit. Renn so schnell du kannst hier zwischen den Bäumen durch, als würdest du Attacken ausweichen. Ich kann dich doch alleine trainieren lassen, oder?“

Bestätigend nickt mein Kampf Pokémon, bevor sie noch einmal durchatmet und dann losrast. Grinsend sehe ich ihr nach und wende mich dann an Karnimani, der schon zwei Steinblöcke heran getragen hat. Ich stelle mich vor einen, beuge mich hinab und verkünde: „Auf drei heben wir sie hoch und halten sie für 30 Sekunden oben. Eins, zwei, drei!“
 

Zwei Stunden später oder auch drei, ich habe den Überblick verloren, sitzen wir drei an die Steinblöcke gelehnt da und erholen uns. Irgendwann sind Karnimani und ich dazu übergegangen seine Verteidigung und schließlich seine Sprungkraft zu trainieren, wobei wir gemerkt haben, dass er eine ordentliche Höhe erreicht, sobald er sich mit seinem Schweif auf dem Boden abdrückt.

Lin-Fu währenddessen hat lange Zeit ihre Geschwindigkeit trainiert, sowie ihre Ausweichmöglichkeiten und hat schließlich ihre Schlagattacken Ableithieb und Duplexhieb an verschiedenen Bäumen geübt.

Nun, wo es auf die Mittagszeit zugeht und die Sonne auf uns herabbrennt, sitzen wir beieinander und während meine Pokémon einen kleinen Snack zu sich nehmen, gehe ich ihre Pokedexeinträge durch. Karnimani kann Kratzer, Silberblick und Aquaknarre. Am klügsten wäre es also, zuerst die Verteidigung mit Silberblick zu schwächen und dann, je nachdem wie nah der Gegner ist, mit Kratzer oder Aquaknarre anzugreifen. Allerdings kann ich mir Aquaknarre doch auch noch anders nutzbar machen. Wenn ich-

„Verdammt, Proband, kannst du überhaupt etwas richtig machen?! Was habe ich denn eben gesagt?“ Diese cholerische Stimme lässt irgendwas in meiner Erinnerung klingeln. Suchend sehe ich mich um und erblicke schon bald den Ursprung des Geschreis. Das sind doch diese Pokémon Diebe, die Sinas Serpifeu geklaut haben! Mit einem Satz bin ich auf den Beinen und renne in deren Richtung. Diesmal werde ich diese Ganoven nicht entkommen lassen!

Auch wenn ich bisher nur ihre Rücken sehe, ich bin mir sicher, dass sie es sind. Die Frau trägt wieder diese weiß-blaue Uniform, doch der Mann ist dieses Mal komplett schwarz gekleidet. Als ich sehe, wie er seine Sniebel auf ein schon am Boden liegendes Pokémon hetzen will, gibt es für mich kein Halten mehr. „Hey, ihr Zwei! Lasst sofort das Pokémon in Frieden!“, brülle ich noch während ich auf sie zu renne.

Überrascht drehen sich die Blonde und der Schwarzhaarige um, wobei dessen Pokémon auch von dem wilden Gift Pokémon ablässt. „Wo kommt denn diese Göre plötzlich her? Ich dachte, das wäre eine wenig besuchte Gegend, an der man ungestört trainieren könnte“, will die Frau genervt wissen und fährt sich frustriert durch die Haare.

„Ich dachte auch nicht, ausgerechnet hier auf euch Pokémon Diebe zu treffen“, knurre ich ihnen entgegen und komme endlich bei ihnen an. Meine Pokémon sind direkt hinter mir.

Nachdenklich sieht die Frau mich mit ihren irgendwie für ihr Gesicht viel zu großen blauen Augen an. „Du kommst mir irgendwie bekannt vor, Göre.“

„Kein Wunder!“, fauche ich sie an. „Wir sind uns letzte Woche am Hafen von Serenitia begegnet. Damals konntet ihr flüchten, bevor Officer Rocky da war, aber heute werde ich das nicht zulassen.“ Erstarrt halte ich inne. Oh verdammt! Ich habe vergessen, Officer Rocky Bescheid zu sagen! Da kann ich diese Leute ja lange aufhalten, wenn niemand auf dem Weg hier her ist! Das heißt wohl improvisieren.

„Ach, die berüchtigte Officer Rocky. Hast du sie etwa wieder in der Hinterhand?“, höhnt die Frau und wirft dabei ihre langen Haare hinter die Schulter.

„Ja, ganz genau! Sie ist schon auf dem Weg hier her! Sie wird bald da sein, ihr werdet schon sehen!“, rufe ich herausfordernd, wobei meine Stimme bei jedem Wort etwas schriller wird.

Der junge Mann mustert mich kurz aus kühlen glasblauen Augen, bevor er mit emotionsloser Stimme feststellt: „Sie lügt.“

„Meinst du nicht, dass weiß ich selbst?! Um das zu merken, brauche ich nicht dich!“, fährt die Frau den Jüngeren an. Verdammt sei meine Unfähigkeit, andere zu belügen!

„Du bist nur ein Proband und als solcher hältst du die Fresse, bis dich jemand zum Reden auffordert. Und du, kleine Göre, solltest wissen, dass man Ältere nicht belügen darf. Vielleicht wirst du das lernen, wenn wir dir deine beiden Pokémon wegnehmen. Denn diesen komischen Vogeltypen scheinst du ja nicht mehr als Beschützer zu haben, oder?“ Aufmerksam sieht sie sich um, sie scheint Zac in keiner guten Erinnerung behalten zu haben, doch als sie merkt, dass er diesmal nicht bei mir ist, grinst sie siegessicher und zückt einen schwarzen Pokéball. Heraus kommt das zitternde Evoli, was sie schon beim letzten Mal eingesetzt hat. Es dreht sich zu seiner Trainerin um, während es sich platt auf den Boden drückt und kriecht auf die Frau zu.

Die sieht es missbilligend an, offensichtlich verärgert über sein Auftreten. „Stell dich nicht so an, Evoli. Das hier ist deine siebte und letzte Chance. Du weißt was passiert, wenn du die vergeigst.“

„Voo“, jault das Kleine leise auf, dreht sich aber gehorsam wieder um und mustert meine beiden Pokémon, die sich inzwischen vor mir positioniert haben. Dennoch zittert das Normal Pokémon immer noch erbärmlich. Man merkt, dass es nicht kämpfen will.

„Sniebel“, ist das einzige, was der Mann sagt und nickt auffordernd nach vorne. Sein Pokémon gehorcht sofort. Obwohl es gerade noch gekämpft hat, sieht es aus wie frisch aus dem Pokémon Center.
 

Während ich noch über eine Taktik nachdenke, meint der Mann plötzlich: „Sniebel, Eissturm.“

Sofort atmet das Eis Pokémon einen kalten Atemhauch aus, der in der Luft zu sehen ist und Lin-Fu und Karnimani gleichermaßen einhüllt. Ich sehe, wie beide sofort anfangen tierisch zu zittern. Allerdings nicht vor Angst wie das Evoli, sondern vor Kälte. Bevor ich Zeit habe zu reagieren, befiehlt die Frau schon: „Evoli, Tackle auf Karnimani.“

„Halt es mit Aquaknarre auf Distanz, bitte!“

Doch das Evoli ist schneller, als ich es erwartet hätte. Es weicht dem Strahl immer wieder aus und kommt Karnimani schließlich so nah, dass es sich gegen ihn rammen kann. Dadurch unterbricht Karnimani die Attacke, obwohl der Angriff nicht stark gewesen sein kann, denn mein Partner sieht nicht sonderlich berührt aus. Es ist also schnell, aber nicht stark. Und es ist nah an Karnimani. „Karnimani, schnell Kratzer, bitte!“

Allen Mächten sei Dank gehorcht Karnimani mir inzwischen, wenn ich ihn im Kampf um etwas bitte, sonst wäre das jetzt mein Untergang. So aber holt er mit seinen Klauen aus und kratzt Evoli einmal quer über die Seite.

„Evo!“, quietscht es auf und springt erschrocken zur Seite.

„Lin-Fu, denk beim nächsten Mal an deine Abwehrmöglichkeiten. Aber jetzt Meditation.“

Lin-Fu nickt, sie hat verstanden, was ich mit Abwehrmöglichkeiten meine, dann senkt sie etwas den Kopf und plötzlich leuchten ihre Umrisse blau auf, bevor sie wieder normal aussieht und ihren Kopf wieder hebt.

„Kratzfurie, Sniebel, auf Lin-Fu.“

Das Eis Pokémon rennt los und ich sehe besorgt zu Lin-Fu. Doch die nickt ruhig und verlagert ihr Gewicht. Da sehe ich, wie ihr Fell leicht metallisch glänzt. Sie hat Scanner also schon eingesetzt, ohne dass ich ihr etwas sagen musste.

„Sternschauer, Evoli! Leg dich mal ins Zeug!“

Das Evoli nickt zittrig, dann hebt es den Kopf und um es herum bilden sich ein paar kleine Sternchen, die golden funkeln. Dann schießen sie auf Karnimani zu, der dieser Menge nicht ausweichen kann. Trotzdem bleibt er unberührt stehen. Genauso wie Lin-Fu, die sich immer wieder von Sniebel kratzen lässt, ohne etwas zu spüren. Als ihre Trainer ihnen schließlich befehlen, die Attacken abzubrechen, ist meine Chance gekommen. „Bitte, Ableithieb und Aquaknarre auf Sniebel!“

Während Karnimani das Wasser hoch pumpt, rennt Lin-Fu auf Sniebel zu, wobei schon im Laufen ihre Faust von der grünen Aura eingehüllt wird. Das Pokémon weicht jedem Schlag aus, doch das habe ich bei dessen Geschwindigkeit erwartet. Lin-Fu den Gegner vor sich her und lenkt ihn ab, was auch das Ziel war. Denn so wird Sniebel völlig überraschend von Karnimanis Aquaknarre in den Rücken getroffen. Durch die Wucht stolpert das Pokémon nach vorne; genau in Lin-Fus Arme, die natürlich sofort zuschlägt und einen Teil seiner Energie in sich aufnimmt. Diesen zwei starken Attacken kann das Pokémon nicht standhalten und es bricht mit einem letzten gehauchten „Sniiibeeel“ zusammen.

„Ja! Sehr gut gemacht, ihr Beiden!“, jubele ich auf und sehe zufrieden, wie sich meine beiden Pokémon, die sich ja sonst eher nicht leiden können, nun im gegenseitigen Respekt zunicken. Sniebel mit den stärksten Attacken zu doppeln war eine gute Idee, denn es war definitiv das gefährlichere der Zwei. Das zeigt sich auch jetzt deutlich. Nun da Evoli seinen Mitstreiter verloren hat und alleine gegen zwei andere Pokémon antreten soll, kauert es sich wieder flach auf den Boden und zittert heftig. Ängstlich fiepend sieht es zu seiner Trainerin, die ziemlich wütend aussieht. Ich bekomme Mitleid mit Evoli, sehe zu dessen Trainerin, doch als die keine Anstalten macht, den Kampf aufzugeben, seufze ich. „Beenden wir das schnell. Aquaknarre, bitte, ein letztes Mal.“

Sofort legt Karnimani los und obwohl die Trainerin ihr Pokémon anbrüllt, es soll gefälligst aufstehen, ausweichen und Tackle einsetzen, sehe ich, wie das Normal Pokémon aufgibt. Es lässt resigniert die Ohren zu Boden hängen und schließt ergeben die Augen.
 

„Karnimani, genug!“

Überrascht klappt mein Partner mein Maul zu und unterbricht somit den Wasserstrahl, bevor er Evoli berührt. Verwirrt sieht er mich an und ich merke, wie sehr er diesen Kampf beenden möchte. Und zwar, indem er Evoli besiegt. Er zittert förmlich vor Spannung. Als ich ihn anlächle, sieht er mich zweifelnd an. „Wir haben gewonnen. Wir haben es gemeinsam geschafft. Sieh dir Evoli an. Es wird nicht mehr kämpfen. Es hat aufgegeben.“

Eigentlich sollte das eine Erklärung für mein Pokémon werden, doch als die Blonde meine Worte hört, schnappt sie laut nach Luft. „AUFGEGEBEN?! Ich höre wohl nicht recht! Evoli, heb deinen zitternden Arsch vom Boden und zeig, dass du noch kämpfen kannst, sonst wird es dir leid tun!“, brüllt sie dann los und wird dabei schon ganz rot im Gesicht. Das macht selbst mir Angst, ganz zu schweigen von ihrem Pokémon. Das macht sich noch kleiner, was anatomisch nicht möglich sein sollte. Ich kann das nicht länger mit ansehen.

„Aufhören! Siehst du nicht, dass du deinem Pokémon Angst machst? So wird es niemals für dich kämpfen!“, erkläre ich und sehe die Frau ernst an.

Da eskaliert diese komplett. „JETZT REICHT`S!“, kreischt sie so laut, dass sie einige Vogel Pokémon aufschreckt und stampft doch tatsächlich mit dem Fuß auf wie ein trotziges Kind. „Ich lasse mir doch nicht von irgendeiner Göre erklären, wie ich meine Pokémon behandeln soll! Für dieses schwache Ding habe ich jetzt, nach seiner siebten Verfehlung ohnehin keine Verwendung mehr. Zebritz, komm raus da und beende es! Schockwelle auf Evoli mit ganzer Kraft! Brat das Vieh noch ein letztes Mal so richtig durch, bevor wir es entsorgen! Und danach kümmerst du dich um die Göre und ihre kleinen Pokémon!“

Das pferdeähnliche Pokémon, was sich aus dem schwarzen Pokéball materialisiert hat, steigt mit einem lauten Kampfschrei auf seine Hinterbeine, während der Strom durch sein Fell und seine Mähne zuckt und diese von seinem Körper abstehen lässt. Dieses Pokémon ist um einiges stärker als Evoli und auch als Sniebel! Wenn es Schockwelle auf das geschwächte Evoli einsetzt, würde ihm das sehr schaden. Es könnte im schlimmsten Fall sogar zum Herzstillstand führen!
 

„NEIN!“, schreie ich auf und renne los. Das Evoli liegt knapp zwanzig Meter von mir entfernt, was eigentlich nicht viel ist, doch während ich auf das Normal Pokémon zu renne und gleichzeitig sehe, wie das schwarz weiß gestreifte Pokémon seinen Strom sammelt, kommt mir die Entfernung riesig vor. Wer ist schneller, Zebritz oder ich?“

Auf einmal sehe ich einen braunen Blitz, der an mir vorbei läuft und sich, als ich mich schützend über Evoli schmeiße, selbst über mich legt. Ich sehe hoch und erkenne Lin-Fu. Sie lächelt mir zu, dann entlädt Zebritz den Strom in alle möglichen Richtung. An den gequälten Schreien höre ich, dass Karnimani getroffen wird und viele dieser Schockwellen kommen auch in unsere Richtung. Da verstehe ich es! Lin-Fu wird von jedem von ihnen getroffen werden, weil sie über mir liegt, um mich zu beschützen!

Erschrocken will ich sie von mir drücken, um sie aus der Gefahrenzone zu bringen, doch Lin-Fu ist stärker als ich und hält mich leicht unten. Und dann trifft sie der freigesetzte Strom! Doch entgegen meiner Angst beginnt Lin-Fu nicht vor Schmerzen zu schreien, sie bleibt einfach ganz ruhig über mir und Evoli liegen und schützt uns so. Und als ich sie genauer betrachte, sehe ich, dass sie leicht glänzt. Sie hat Scanner eingesetzt!

„Lin-Fu, dass ist großartig! Halte durch und sobald du kannst, setzt du Ableithieb ein. Wir müssen Evoli vor dieser Frau beschützen!“

Mein Pokémon nickt entschlossen und sobald das Zebritz eine Pause macht, rennt Lin-Fu los. Aus dem Augenwinkel sehe ich einen Wasserstrahl auf Zebritz zu schießen und weiß, dass auch Karnimani gerade mit angreift. Für einen Moment überlasse ich meinen Pokémon das Kämpfen und wende mich Evoli zu, was unter mir liegt und vor Angst erstarrt zu sein scheint. „Hab keine Angst. Ab jetzt passe ich auf dich auf, Evoli. Versprochen“, flüstere ich dem Pokémon leise zu, dann fasse ich es um den Bauch, hebe es vorsichtig hoch und drücke es an meine Brust. Ich spüre, wie es noch mehr zu zittern beginnt und streiche ihm beruhigend über das weiche Fell auf seinem Rücken. Langsam entspannt sich Evoli und kuschelt sich sogar an mich und somit in meine Arme. Es merkt wohl, dass ich ihm nichts Böses will.

Da höre ich Karnimani getroffen aufschreien und suche sofort nach der Ursache. Ich finde sie in Zebritz, das auf Karnimani eingetreten hat, nun aber von Lin-Fu zurückgedrängt wird. Dummerweise weicht es jedem Schlag aus, bevor es zum Gegenangriff übergeht und auch trifft. Erst da fällt mir auf, dass Karnimani besiegt auf dem Boden liegt. Ein weiterer Blick zu Lin-Fu zeigt mir, dass auch sie fast am Ende ist. Dieses Zebritz ist wirklich stark. Was soll ich tun? Wir müssen gewinnen, sonst nimmt diese Frau Evoli einfach wieder an sich. Aber ich weiß nicht, ob Lin-Fu Zebritz besiegen kann.

Verzweifelt irrt mein Blick umher, auf der Suche nach einer Lösung. Zwangsläufig fällt mein Blick auf diese seltsamen Trainer und während der schwarzhaarige Mann regungslos den Kampf verfolgt, grinst die Frau mich süffisant an. Sie weiß, dass sie das hier gewinnen wird. Doch plötzlich trifft ihr Blick auf Evoli, das sich vertrauensvoll in meine Arme schmiegt und ihr fällt das Grinsen aus dem Gesicht. „EVOLI! Bist du jetzt komplett wahnsinnig geworden?! Nicht nur, dass du zu unfähig bist, um einen einzigen Kampf zu gewinnen, jetzt hintergehst du mich, deine Trainerin, auch noch?! Warte, bis ich dich in die Finger kriege, Mistvieh, das wirst du nicht überleben! Ich werfe dich in die Arena und lasse dich dort verrecken! Komm jetzt sofort hier her!“, brüllt sie los wie ein wutschnaubendes Tauros.

Evoli in meinen Armen wimmert leise und zittert wieder heftiger, macht aber keine Anstalten, dem Befehl Folge zu leisten.

Mutiger und selbstsicher als ich mich fühle, schreie ich zurück: „Du wirst Evoli gar nichts tun! Du bekommst es nicht! Gib mir seinen Pokéball, ruf dein Zebritz zurück und dann bringe ich euch zu Officer Rocky! Die wird hier sowieso gleich auftauchen!“ Noch einmal versuche ich mich an derselben Lüge und hoffe, dass die Frau mir glaubt, wenn ich einfach weiter darauf beharre.

„Ich soll dir mein Pokémon überlassen?! Warum in aller Welt sollte ich das tun? Wer sollte mich dazu zwingen? Du? Mit deinem schwächlichen Lin-Fu? Aber sieh doch, dein Pokémon kann sich kaum auf den Beinen halten. Und deine Officer Rocky? Aber warte, sie ist ja gar nicht hier. Und sie wird auch nicht auftauchen.“ Fies grinst die Blonde mich an. Unter ihrem Blick komme ich mir klein und dumm vor, wie eine Made. Dann zückt sie einen schwarzen Pokéball und wirft ihn provokant mit einer Hand hoch, fängt ihn wieder auf und wirft ihn wieder hoch. Ganz klar, dass ist Evolis Pokéball. Wütend über diese Provokation beiße ich die Zähne zusammen und presse Evoli enger an mich.

„Tja, scheint blöd für dich zu laufen, Göre. Zebritz, besieg jetzt dieses Lin-Fu. Danach, Göre, gibst du mir mein Pokémon wieder und auch ganz brav die Pokébälle deiner beiden Pokémon. Dafür kannst du dann das Preisgeld behalten. Solltest du dich anstellen, … nun, Strom ist für Menschen noch viel schmerzhafter als für die meisten Pokémon. Vielleicht möchtest du ja eine Probe der Schmerzen, die deine Pokémon gerade ertragen mussten?“ Abwartend sieht die Frau mich an, doch als ich nicht reagiere, lächelt sie. „Ich sehe, wir verstehen uns. Nun denn, Zebritz, beende es mit Ruckzuckhieb!“

Ich sehe, wie das Pokémon auf Lin-Fu zu galoppiert, die sich kaum auf den Beinen halten kann und sicher keinen Scanner wirken kann, und ich bleibe einfach stumm. Ich weiß nicht mehr weiter. Ich habe versagt.
 

Auf einmal kommt Leben in den Schwarzhaarigen. Er starrt an mir vorbei und schreit dann auf: „Zwei, sieh doch! Officer Rocky! Das Mädchen hat doch nicht gelogen!“

Die Frau sieht ebenfalls an mir vorbei, dann flucht sie heftig los. Plötzlich hektisch lässt sie den Pokéball in ihrer Hand unbeachtet fallen, anstatt ihn aufzufangen, und schreit: „Zebritz, hier her!“

Sofort dreht das Zebra Pokémon ab, kurz bevor es Lin-Fu rammen kann. Stattdessen steht es vor seiner Trainerin und geht gehorsam vor ihr in die Knie. Schneller als ich reagieren kann, haben die beiden Fremden sich auf den Rücken das Pokémons gesetzt, das dann wieder aufsteht. Während der Mann schon das Pokémon antreibt, sieht die Frau, die der Mann eben mit `Zwei´ angesprochen hat, mich und vor allem Evoli hasserfüllt an. „Das hier ist noch nicht vorbei, Göre. Wir sehen uns wieder. Und dann Gnade Arceus dir und Evoli, denn ich werde das sicher nicht tun!“, schreit sie mir noch zu, dann sind die beiden auch schon auf Zebritz davon galoppiert. Und ich stehe da und habe überhaupt keine Ahnung, was hier in der letzten Minute abgegangen ist. Verwirrt sehe ich zu Lin-Fu, die in diesem Moment einfach von der Erschöpfung übermannt wird und besiegt umkippt. Dann höre ich das Quietschen von Reifen und drehe mich langsam um. Und tatsächlich! Es ist Officer Rocky, die gerade mit ihrem Partner Pokémon Bissbark von ihrem Motorrad mit Beiwagen springt und auf mich zu gerannt kommt. „He, du! Was ist hier passiert?!“
 

Wie sich heraus stellt, ist Officer Rocky nicht einfach zufällig vorbei gekommen. In ihrem Beiwagen nimmt sie mich mit zum Pokémon Center, da meinen Pokémon geheilt werden müssen und auch Evoli durchgecheckt werden sollte. Das kauert während der Fahrt zu meinen Füßen, weil ich das besiegte Karnimani auf dem Schoß halte. Ihn sollte ich ja besser nicht in seinen Pokéball rufen. Zum Glück ist das bei Lin-Fu kein Problem, sonst wäre es hier in diesem Wagen ganz schön eng.

Auf dem Weg zum Pokémon Center konnte ich nicht mit Officer Rocky reden. Aber jetzt, wo ich alle drei Pokémon bei Schwester Joy abgegeben habe und wir hier an diesem Tisch sitzen und zumindest ich etwas esse, immerhin ist es schon halb eins, kann ich sie endlich ausfragen. Allerdings macht Officer Rocky mir da einen Strich durch die Rechnung. „Also, Svenja, ich wurde von einem Bewohner Serenitias darauf aufmerksam gemacht, dass zwei Mitglieder des gesuchten Team Király sich auf der Gift Wiese aufhalten. Diesem Hinweis bin ich nachgegangen, allerdings warst da nur du. Wie unschwer zu erkennen war, wurdest du dort in einen Pokémon Kampf verwickelt. Du hast mir erzählt, dass du gegen eine Frau und einen jungen Mann gekämpft hast. Waren deine Gegner die beiden Mitglieder, von denen mir berichtet wurde? Könntest du sie mir beschreiben? Und warum hast du einen Pokémon Kampf gegen sie ausgetragen?“

„Ob sie zu diesem Team Király gehören, weiß ich nicht. Ehrlich gesagt habe ich noch nie etwas von denen gehört. Aber als ich sie das erste Mal getroffen habe, hatten sie beide eine sehr seltsame Uniform an. Diesmal allerdings nicht, zumindest der Mann nicht“, berichte ich ihr alles, was ich weiß.

„Du hast diese beiden schon mal getroffen? Ach ja, richtig, ich erinnere mich. Am Hafen, letzte Woche, richtig? Es waren wieder dieselben wie dort?“ Kurz sieht sie mich fragend an, doch dann fährt sie fort, bevor ich etwas sagen kann. „Jedenfalls, an der Uniform hat der Bewohner die beiden dann auch erkannt, konnte sie aber nicht näher beschreiben. Könntest du das? Ich würde gerne ein Phantombild von den beiden erstellen, da diese beiden sich ja anscheinend öfter in unserer Gegend herum zu treiben scheinen.“

Energisch nicke ich. Diese beiden Pokémon Diebe haben sich mir ins Gedächtnis gebrannt!

Officer Rocky kramt ein Diktiergerät, Kuli, Bleistift und Block hervor, dann nickt sie mir auffordernd zu.

Ich hole noch einmal Luft, rufe mir deren Anblick ins Gedächtnis, dann beginne ich: „Die Frau hat schulterlange blonde Haare und ist vielleicht so Ende 30. Und sie ist sehr klein, kleiner noch als ich, und ihre Haut ist so bleich, als hätte sie jahrelang die Sonne nicht gesehen. Ich weiß nicht, wie sie heißt, der Mann hat sie nur einmal mit `Zwei´ angesprochen. Und sie scheint die Chefin bei ihnen zu sein, zumindest nannte sie den Mann einen `Proband´.

„Und der Mann? Wie sieht der aus?“, fragt Officer Rocky nach, während sie konzentriert und schnell auf ihrem Block zeichnet, dass der Bleistift nur so über das Papier huscht.

„Der Mann hat schwarze, verwuschelte Haare bis zu seinem Kinn. Er müsste so Anfang 20 sein. Er ist ebenfalls ziemlich hellhäutig, wenn auch nicht so weiß wie die Frau. Und er ist im Gegensatz zu ihr ziemlich groß, ungefähr zwei Köpfe größer als ich. Außerdem ist er ... unheimlich. Er spricht kaum, die Frau meinte, als Proband wäre ihm das verboten und er scheint keinerlei Gefühle in sich zu tragen. Zumindest zeigt er sie nicht. Die Frau ist da anders. Sie redet viel und rastet schnell aus.

Jedenfalls haben beide beim letzten Mal eine Art Uniform angehabt. Die ist komplett weiß, bis auf den Kragen, die Schultern und die Enden von Hosenbein und Ärmel. Die sind hellblau gefärbt. Auf dem Oberteil der Uniform sind noch goldene Knöpfe, die das Oberteil zuhalten. Beide haben außerdem noch schwarze Gürtel, an denen sie ihre ebenfalls schwarzen Pokébälle tragen. Heute hatte allerdings nur die Frau die Uniform an, der Mann war komplett schwarz gekleidet, bis auf seinen roten Schal.“

Energisch zeichnet Officer Rocky auf ihrem Block, während sie ohne aufzusehen fragt: „Und ihre Pokémon? Was für welche haben sie? Haben die irgendwelche Auffälligkeiten?“

„Beim letzten Mal hat die Frau ein Magby gehabt und halt eben noch Evoli. Und heute hat sie auch noch ein Zebritz dabei gehabt. Der Mann hat, glaube ich, nur ein Sniebel, was eine auffällige Narbe durch sein rechtes Auge gezogen hat, die noch relativ neu aussieht.“

Officer Rocky nickt, dann zeichnet sie konzentriert weiter und für ein paar Momente herrscht Stille. In dieser Zeit widme ich mich wieder meinem Essen.
 

Doch irgendwann hebt Officer Rocky den Kopf und ich sehe sie fragend an.

„Ich bin fertig mit den Zeichnungen. Würdest du sie dir bitte ansehen und mir sagen, ob sie den beiden ähnlich sehen?“ Officer Rocky schiebt mir zwei Blätter zu, die ich interessiert an mich ziehe und näher betrachte. Einige Momente schweige ich, dann zeige ich auf den Mann. „Er hat ein spitzeres Kinn und so blaugraue Augen, dass sie aussehen wie zerbrochene Scherben. Außerdem hat er eine schlankere Taille.“ Dann sehe ich mir das Bild der Frau an. „Über ihrem Herzen hat sie auf der Uniform ein goldenes, verschnörkeltes M. Das hat der Proband nicht. Ihr Gesicht ist auch eher rechteckig, nicht so rund wie hier. Und sie hat so eine goldene Brosche unter ihrem Hals, dort, wo die goldenen Knöpfe anfangen.“

Eifrig zeichnet Officer Rocky weiter und reicht mir den Mann, sobald sie mit diesem fertig ist. Ich nicke zufrieden. Jetzt noch ein gefühlsloser Blick und er sieht ihm sehr ähnlich.

„Und diese Brosche und das M hatte nur die Frau?“, erkundigt sich Officer Rocky, während sie weiter an der Frau namens Zwei zeichnet.

Entschieden nicke ich und schiebe das Blatt wieder zu ihr. „Ja, der Mann hatte nichts dergleichen. Nur seinen roten Schal.“

Mein Gegenüber nickt beiläufig und gibt mir dann das Bild der Frau. Ich sehe es mir an und bin zufrieden. „Ja, das sind sie.“

Officer Rocky nickt erfreut, dann packt sie alles in ihre Akte ein und wendet sich wieder mir zu, die ich schon wieder am Essen bin. „Gut, nun da dies alles geklärt ist, müssen wir über eine weitere wichtige Sache reden. Evoli. Es braucht einen neuen Trainer oder irgendjemand, der sich um es kümmert.“

Ich verschlucke mich fast an meinem Essen. Darüber habe ich mir bisher gar keine Gedanken gemacht. Aber es ist ja nur zu natürlich. Zu seiner alten Trainerin kann es jedenfalls nicht zurück und ich bezweifle auch, dass Evoli das will.

„Haben Sie denn schon jemanden im Sinn?“, erkundige ich mich.

„Nun, da ich diesen Pokéball auf der Giftwiese gefunden habe“, sie legt einen schwarzen Pokéball auf den Tisch, „und er leer, aber aktiviert und autorisiert ist, gehe ich davon aus, dass dies Evolis Ball ist. Somit wird es leicht, es einem neuen Trainer zu übergeben, vorausgesetzt, es möchte dies. Falls nicht, könnte ich Evoli an Professor Aquilon geben, wo er sich um es kümmern wird, ohne es an einen Trainer zu vermitteln. Irgendwann könnte er es dann auch auswildern. Falls es aber einen neuen Trainer möchte, werde ich es zur Pokémon Pension bringen. Die dortigen Züchter werden sich so lange um es kümmern, bis sich ein Trainer für Evoli entscheidet und es kauft.“

Ich nicke und starre nachdenklich auf mein Essen. Irgendwie passt mir der Gedanke nicht, dass Evolis und mein Weg sich wieder trennen werden, wo ich es doch gerade erst gerettet habe. Ich habe noch so viele Fragen, z.B. was diese Frau mit der Arena oder den sieben Verfehlungen gemeint hat. Aber ganz allgemein sorge ich mich auch um Evoli. Es ist mir in den zwei Momenten, in denen ich es bisher kennengelernt habe, wichtig geworden. Ich will nicht, dass sich jetzt jemand anders um es kümmert. Ich fühle mich für Evoli verantwortlich. Immerhin habe ich ihm vorhin auf der Giftwiese versprochen, dass ich auf es aufpassen werde. Aber es liegt nicht an mir, zu entscheiden, wie es für Evoli nun weitergeht.

Missmutig starre ich auf mein Essen, was auf einmal gar nicht mehr so gut schmeckt wie gerade eben noch.

Im nächsten Moment werden wir über den Lautsprecher von Schwester Joy dazu aufgefordert, unsere Pokémon abzuholen. Sofort springe ich auf und bringe mein Geschirr weg, dann eile ich zu Officer Rocky, die geduldig auf mich gewartet hat. An der Theke angekommen, erwartet uns schon Schwester Joy mit zwei Rolltischen. Auf dem einen sitzt Karnimani und neben ihm liegt Lin-Fus Ball, in dem sie sich wohl befindet. Als Karnimani mich sieht, springt er sofort von dem Tischchen und kommt zu mir.

„Karnimani!“, begrüße ich ihn, glücklich ihn zu sehen. „Geht es dir wieder gut?“

„Mani!“, antwortet mir mein Starter voller Energie, was mich erleichtert lächeln lässt. Dann greife ich nach Lin-Fus Pokéball, den ich mir an den Gürtel hefte. Danach wende ich mich dem anderen Tischchen zu. Auf diesem kauert Evoli, den Kopf auf den Vorderpfoten und die Ohren hängen lassend sieht es uns aufmerksam, wenn auch ängstlich an. Sanft lächle ich dem Pokémon zu und sehe, wie seine großen Ohren kurz zucken.

Vorsichtig trete ich näher an es heran. „Hab keine Angst, Evoli. Niemand hier will dir etwas Böses. Hier tut dir niemand mehr weh. Schwester Joy hat dich geheilt. Dir geht es wieder besser, richtig?“

Zögerlich hebt Evoli den Kopf, sieht mich an und nickt. Das Pokémon entspannt sich langsam, doch als Officer Rocky eine plötzliche Bewegung macht, zuckt es ängstlich zusammen. Beschwichtigend hebt die Frau die Hände und tritt einen Schritt zurück. „Ganz ruhig, Evoli. Ich bin Officer Rocky. Es fällt in meinen Aufgabenbereich, mich um deine weitere Zukunft zu kümmern. Ob du einen neuen Trainer bekommst oder nicht. Wenn du das nicht willst, könnte ich dich zu dem Pokémon Professor Aquilon bringen, der sich um dich kümmern würde, solange du dies willst. Und falls du eines Tages wieder in die Wildnis zurückkehren möchtest, würde er dir dabei helfen. Was hältst du davon?“

Evoli hat interessiert zugehört, nun mustert es erst Officer Rocky, dann mich einige Zeit. Ich warte gespannt auf seine Antwort. Wenn es sich für Professor Aquilon entscheidet, habe ich keine Chance mehr, Evoli als mein Pokémon zu bekommen. Denn inzwischen weiß ich, dass es das ist, was ich will. Ich will weiter auf Evoli aufpassen wie ich es ihm versprochen habe. Nur ab jetzt als seine Trainerin. Damit es lernt, dass nicht alle Trainer so sind wie seine ehemalige Trainerin. Ich will es lehren, dass es vor Menschen keine Angst haben muss. Und wenn es zu einem Züchter gebracht werden würde, könnte ich es kaufen. Bei Professor Aquilon dagegen…

In diesem Moment schüttelt Evoli den Kopf und mir fällt ein Stein vom Herzen. Egal, zu welchem Züchter es jetzt gebracht wird, ich werde dort sein und es kaufen!

Officer Rocky nickt geschäftig. „In Ordnung, das heißt, du möchtest einem neuen Trainer vermittelt werden. Dann werde ich dich zu der Pension auf Route 52 bringen, wo man sich so lange um dich kümmern wird, bis ein Trainer für dich gefunden ist.“ Officer Rocky zückt Evolis schwarzen Pokéball, offensichtlich in dem Bestreben, Evoli zurückzurufen, doch das Pokémon schüttelt mit einem geradezu panischen Quietschen die Augen. Dann springt es mit einem großen Satz von dem Tisch in meine Arme, wo ich es reflexartig auffange und festhalte. Ich spüre, wie sehr Evoli vor Angst zittert. Nur warum? Automatisch beginne ich beruhigend auf es einzureden: „Keine Angst, Evoli, es ist doch alles in Ordnung. Niemand will dir wehtun und ich verspreche dir, es wird nichts passieren, was du nicht willst. Wir alle wollen nur das Beste für dich.“ Während ich leise rede, kraule ich Evoli hinter den flauschigen Ohren, was dem Pokémon offensichtlich gefällt. Es wölbt sich meinen Fingern entgegen und wird langsam ruhiger. Schließlich lehnt es entspannt gegen meine Brust und ich meine sogar, Evoli leise schnurren zu hören. Es rührt mich unglaublich, dass ich anscheinend eine so beruhigende Wirkung auf Evoli habe und es sich bei mir entspannen kann. Das sind doch eigentlich gute Voraussetzungen für eine Pokémon- Trainer- Beziehung.

„Gut gemacht, Svenja“, meldet sich Schwerster Joy kaum hörbar zu Wort, vermutlich um Evoli nicht zu verschrecken. „Evoli scheint dich wirklich zu mögen, sonst würde sie sich nach allem, was sie scheinbar erlebt hat, nicht so schnell beruhigen lassen.“

„Ich frage mich nur, warum es sich auf einmal so aufgeregt hat“, grübelt Officer Rocky vor sich hin.

„Nun, nach allem, was ich aus Evolis Handlungen heraus lesen konnte, hat sie ihre Wahl bereits getroffen. Sie möchte einen neuen Trainer. Aber sie will keinen ihr unbekannten Menschen. Sie hat sich bereits für einen Trainer entschieden und diese Trainerin ist Svenja“, erklärt Schwester Joy uns beiden.

Überwältigt sehe ich die Pinkhaarige an und vergesse völlig, Evoli weiter zu kraulen. Soll das wahr sein? Evoli will mich als ihre neue Trainerin? Warum? Überrascht sehe ich auf das Pokémon herab, was sich an meine Brust kuschelt. „Hat Schwester Joy recht? Du hast wirklich mich als deine neue Trainerin gewählt?“

Evoli in meinen Armen sieht in mein Gesicht, bevor sie leicht nickt und mir mit ihrer rauen, nassen Zunge über die Nase leckt. Ein überglückliches Lächeln bildet sich auf meinem Gesicht, ich umarme Evoli fester und vergrabe mein Gesicht in Evolis Fell. Meinem Evoli! Und ich schwöre bei allem, was mir heilig ist, ich werde ihr Vertrauen nicht enttäuschen! Ich werde ihr zeigen, dass es auch Menschen gibt, die sie gerne haben und sich um sie kümmern! Ich werde nicht zulassen, dass Evoli jemals wieder so schlecht behandelt wird wie von dieser Frau!



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Dragonie
2018-03-12T09:43:05+00:00 12.03.2018 10:43
Und wieder ein schön geschriebenes und sehr abwechslungsreiches Kapitel zum Thema Pokémonreise. ;)

Am Anfang liest es sich mit den Zeitformen (abwechselnd Präsent und Präteritum) noch etwas holprig, doch ab der Giftwiese (iiigitt, so übelriechend! ^^" Und da ist Pablo alleine hin?!) ziemlich flüssig... der Kampf ist echt gut gelungen, insbesondere, weil man sich nach der ersten Begegnung mit den Dieben schon die Verhaltensmuster und das Aussehen gemerkt hat und sie sich nun leicht verändert haben.
Das mit dem Evoli tat mir schon am Anfang leid, jetzt passt es richtig gut zusammen... armer kleiner Flausch. Umso schöner, dass unsere Heldin es retten und auch wirklich mitnehmen kann.
Hier ist die Hintergrundidee mit dem Was-passiert-mit-einem-verlassenen-Pokémon-? wirklich gut und stichfest nachvollziehbar.

Auch ganz klasse, dass Svenjas "alte Hasen" sich nun so gut unterstützen und auch selbstständig Attacken einsetzen. Was für eine Veränderung zum Anfang der Reise! :)

Ich freue mich schon auf mehr und wünsche weiter gutes Gelingen! :3
Antwort von:  Tammix
05.04.2018 10:25
Das freut mich, wenn es gefällt. ^^
Du meinst wahrscheinlich die ersten beiden Absätze. Ja, die haben mir ziemliche Kopfschmerzen bereitet, weil ich nicht wusste, wie ich im Präsens über etwas berichten soll, was ja aber gestern Abend schon war. Ich werd da auf jeden Fall nochmal dran gehen, hoffentlich fällt mir da noch was ein.
Naja, nicht ganz allein, er reist ja zusammen mit Kimberli und Peggy. Die beiden haben ihn da tatkräftig zur Seite gestanden.
Dir gefällt der Kampf? Das beruhigt mich, ich finde die lesen sich bei mir immer so langweilig. Obwohl ich sie gerne schreibe, sind ja bei so einer Trainerreise ein großer Bestandteil. Darum hab ich bei denen immer Schiss, dass die zu langweilig oder lang oder so werden.
Ja, Evoli. Ich liebe es *_* Und jetzt hat Svenja es an ihrer Seite.
Dankeschön. Ich versuche bei sowas realistisch zu bleiben, was ja in Pokémon nicht immer ein Basisgedanke ist. Umso besser, wenn andere die Überlegungen nachvollziehen können.
Oh ja, die beiden haben sich schon prächtig entwickelt. Auch wenn sie natürlich noch einen langen Weg zu gehen haben.
Dankeschön. Mein Laptop macht zwar momentan alles, nur nicht das was er soll, weshalb ich auch solange nicht antworten konnte, aber ich glaube, so langsam rappelt er sich wieder auf. Technik und ich, das ist ein Thema für sich XD
Antwort von:  Dragonie
16.04.2018 14:18
Das mit der Technik ist natürlich eine interessante Sache, aber das Problem hat wohl so ziemlich jeder Laptop mal... ;D
Ich drücke die Katzenpfötchen für gutes Gelingen~

Langweilig? Kämpfe und langweilig? Bissu verrückt. XD
Ich finde sie toll geschrieben und bin bei jedem neuen Kampf bissl hibbelig, wer sich wie schlägt (zum Glück ist Lin-Fu so grundsolide ^^) und vor allem, wie sich die Duellanten am Ende fühlen. :3

Ich freue mich schon sehr auf den nächsten Kampf...


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