Vom bösen Wolf zum frommen Lamm
~*~ Kapitel – 12.1 – Vom bösen Wolf zum frommen Lamm ~*~
"Willst du da wirklich reingehen?!"
"....das ist immer noch meine Kajüte, yoi."
"Ja, aber....also gut. Bitte. Wir zumindest wissen nicht mehr weiter und eigentlich sind wir auch heilfroh, dass du endlich fertig mit der Kursbestimmung bist und uns wieder mithelfen kannst..."
Haruta blickte erleichtert über den Stapel Handtücher in ihren Armen hinweg, ehe sie diesen schließlich einem abgehetzten Vista entgegendrückte, damit sie sich selbst nun auch den Schweiß von ihrer Stirn wischen konnte. Sie hatten es nun nicht einmal zu viert, zusammen mit Izou und Jozu geschafft, diesen Satan hinter ihnen in dem stickigen Raum zu besänftigen. Ihren eigentlichen Befehl von Marco, ihn einfach ans Bett zu fesseln, wenn er nicht hören wollte, hatten sie bereits nach den ersten verstrichenen Sekunden verwerfen müssen, als der Feuerbändiger zischend kurzen Prozess mit den Tauseilen gemacht hatte, die sie sonst eigentlich dazu verwendeten, um die Segel zu raffen.
Irgendwie hatte Ace ihnen entgegen all ihrer bisherigen Erfahrungen im Umgang mit ihm sogar regelrecht Angst gemacht, was zum einen definitiv an seinen tiefdunklen Augenrändern lag, die ihm etwas gespenstisches verliehen, und zum anderen an seinem wechselhaften Verhalten, das innerhalb von Minuten umschlagen konnte.
Erst gestern zum Beispiel hatte er erst artig und brav seine Hühnersuppe gelöffelt, bevor er plötzlich von der einen auf die anderen Sekunde die Schüssel gegen die Wand geworfen und lautstark angefangen hatte herumzufluchen. Dass er danach beim Versuch des Aufstehens eine harte Bekanntschaft mit dem Dielenboden machen musste, war im Vorhinein abzusehen. Mit vereinten Kräften hatten sie es schließlich geschafft, ihn zurück ins Bett zu verfrachten, in dem er letztlich einfach nur noch stumm und mit verschränkten Armen vor der Brust herumgehockt hatte. Ab und an hatte er zwar irgendetwas vor sich hingemurmelt, aber das hatte niemand so richtig verstehen können.
"Sag mal, Marco..."
"Yoi?"
"Wo genau hast du die letzten Nächte eigentlich gepennt, während Ace dein Bett verwüstet hat?"
"Ich wüsste nicht, was dich das angeht, Vista."
"Ich mein ja nur...hätte mich mal interessiert."
"Tze..", damit schob Marco seinen selig grinsenden Kameraden von der Tür weg, ehe er diese wieder aufschloss und mit einem flauen Gefühl in der Magengegend eintrat. Wieso konnte Ace nicht einfach mal schlafen, wenn er es wirklich hätte gebrauchen können?! So, wie jetzt gerade zum Beispiel...
Kaum war die Tür hinter ihm leise zurück ins Schloss gefallen, bemerkte er, wie das Deckenknäuel erschrocken zusammenzuckte, ehe es sich blitzschnell aufrichtete und ein böse funkelnder Ace daraus zum Vorschein kam. Einen Moment lang sahen sie sich tief in die Augen, ehe Ace verkrampft um sich blickte, in der Hoffnung irgendeinen anderen Ausgang zu finden und Marco sichtlich damit zu kämpfen hatte, nicht einfach amüsiert zu grinsen.
Das war also ihr furchterregender und unberechenbarer Ace, vor dem seine Nakama plötzlich solch eine Angst hatten?!
Nun musste Marco doch grinsen, drehte sich dabei aber unauffällig zur Seite und wischte sich einmal mit der Hand durchs Gesicht, um es vor Ace zu verbergen. Immerhin wollte er ihn nicht unnötig provozieren.
Und dennoch würde er das Bild, das sich ihm hier gerade bot, wohl nie wieder vergessen können. Ace hockte finster dreinblickend im Bett, die Arme natürlich stur vor seiner Brust verschränkt. Vergebens versuchte er dabei wohl einen starken Eindruck zu machen, doch sein blasses Gesicht und die glasigen Augen verrieten ihn dabei leider auf gemeine Art und Weise. Die zahlreichen Decken, die er aufgrund seines Schüttelfrostes bei sich liegen hatte, waren in sämtliche Richtungen zerstreut und bildeten lediglich in der Mitte oberhalb seiner Hüfte ein verflochtenes Knäul. Hier und da befanden sich in ihnen braun eingebrannte Brandlöcher, die höchstwahrscheinlich daher kamen, dass Ace sich gegen sämtliche Behandlungen auflehnte und versuchte sich mit allen Mitteln gegen sie zu wehren. So zum Beispiel auch jetzt. Feindselig zuckten die ersten zarten Flämmchen über seine Oberarme und Schultern und sein Blick wurde noch eine Spur tödlicher, als sich Marco langsam auf den Weg zu ihm machte.
Mit großer Sicherheit wusste sein Freund bereits, dass er ebenfalls gekommen war, um ihn zu umsorgen oder eben auch, wie Ace es nun wohl aussprechen würde, quälen zu wollen.
"Wie geht's dir denn, hm?"
"Fabel....haft!"
Die kratzige und atemlose Stimme, welche im Laufe der schweren Grippe sogar ihre Tonlage einbüßen musste, ließ ihn erneut schmunzeln und sich selbst ermahnend biss sich Marco kurz auf seine Zunge. Es sollte für Ace dieses Mal wirklich nicht so rüberkommen, als mache er sich wieder lustig über ihn. Das tat er natürlich insgeheim trotzdem, allerdings einfach nur allein wegen der Tatsache, dass Ace daraus ein solches Theater veranstaltete. Natürlich wusste der Phönix auch ganz genau, weshalb sich sein Freund dieses Mal so sehr anstellte. Das tat er nämlich normalerweise nicht, wenn es ihn mal erwischt hatte. Natürlich blieb niemand gerne im Bett, doch gab es einen riesen Unterschied zwischen dem sonstigen Verlauf des Krankseins von Ace und dem jetzigen.
"Ace....", er versuchte wirklich so sanft zu klingen, wie es ihm nur irgend möglich war, als er sich zu seinem Freund auf das ebenfalls leicht angesengte Bett setzte und diesen leicht an seiner Schulter berührte, "Das klingt wirklich nach allem....außer nach fabelhaft, yoi?"
Direkt im Anschluss seiner Worte legte er dem Feuerbändiger prüfend eine Hand auf die Stirn, um mit Ernüchterung festzustellen, dass das Fieber immer noch nicht heruntergegangen war. Um ehrlich zu sein hatte er sogar das Gefühl, als wäre es im Vergleich zu gestern wieder etwas angestiegen.
Seine Handlung wurde lediglich mit einem genervten Ein- und Ausatmen von Ace kommentiert, wobei er sich allerdings in einem Hustenanfall verlor, der ihn die nächsten Minuten lang gefangen hielt und seinen Körper schwer in Mitleidenschaft zog.
"Dreckskacke..."
Das war das einzige, das Ace danach erschöpft nuschelte, ehe er sich kraftlos zurück in die Laken fallen ließ und müde seine Augen schloss.
"Ich weiß ja, dass du nur für deinen Kampf mit Ruffy trainieren wolltest, Ace. Aber das macht man einfach nicht, wenn es schneit und kurz darauf ein eisiger Wind übers Deck fegt, yoi? Teufelskräfte hin oder her."
"Klugscheißer...."
Darauf ging Marco nun einfach einmal nicht ein, sondern legte sich stattdessen neben Ace, um ihn vorsichtig in den Arm zu nehmen. Der Kleinere tat ihm wirklich leid, immerhin wusste Marco, dass er Ruffy einfach nur so schnell wie möglich sehen wollte. Dass er beim Versuch, schnell an Stärke zuzulegen nun einfach krank geworden war, ging ihm mehr als nur gegen den Strich und der Blonde konnte sich wirklich gut denken, wie sehr Ace seinen kleinen Bruder doch insgeheim vermissen musste. Gerade jetzt, wo er sich dazu entschlossen hatte, ihn zu treffen und obendrein auch noch gegen ihn kämpfen musste.
"Erst klugscheißern und jetzt rumschleimen....das sind mir...die Richtigen...tze...", obwohl Ace immer noch patzig klang, schob er ihn dennoch entgegen seiner Worte nicht von sich weg. Eher im Gegenteil, denn der Kleinere drückte sich sogar noch enger an ihn und legte seinen Kopf erschöpft auf seiner Brust ab. Einen kurzen Moment dankte Marco seinem Phönix dafür, dass er sich bei seinem Freund nicht auch noch anstecken konnte, bevor er zaghaft lächelte und begann, Ace im Nacken zu kraulen. Eine seiner absoluten Schwachstellen, die ihn zahm werden ließen, wie ein frommes Lämmchen.
"Die Krankenschwestern haben mir vom Schiffsarzt neue Medizin mitgegeben."
"Bäh..."
"Du kannst sie freiwillig nehmen, oder sie dir gewaltsam von mir eintrichtern lassen, yoi."
"Man prügelt sich nicht mit Kranken."
"Richtig....außer dieser jemand heißt Ace mit Vornamen."
"Meine Herren! Kann man hier....nicht mal....in Ruhe auf seiner Hühnerbrust schlafen?!"
"Ich hätte nicht gedacht, dass es eine Grippe fertigbringt, dich noch zickiger werden zu lassen."
"Man...ich bin.....(....)....nicht zickig..."
"Stopp! Wehe du schläfst jetzt ein, yoi!", alarmiert durch die immer leiser werdende Argumentation seines Freundes, richtete sich nun Marco zusammen mit eben jenem auf, um aus seiner Hosentasche eine kleine Ampulle herauskramen zu können, die er Ace daraufhin auffordernd unter die Nase hielt. Dieser rührte sich jedoch entgegen seiner Drohung von vorhin nicht einen Millimeter. Stattdessen starrte er ihn einfach nur nichtssagend aus halbgeöffneten Augen an.
"Damit geht's dir besser, yoi."
"Das ist das...vierte oder fünfte Medikament. Noch einmal will ich mir....über dem Klo...nich die Seele ausm Leib kotzen...müssen...."
"Sie haben mir versichert, dass dieses hier das Richtige ist. Davor hatten sie immerhin dein Blutbild noch nicht untersucht." "...."
"Komm schon, Ace!"
"Ich fackel das gesamte....Schiff ab, wenn dieses Zeug hier...wieder nicht wirkt! Kapiert??!!"
"Ja, ja...Runter damit, yoi!"
Mit einem leisen und kaumhörbaren Knurren schluckte Ace letztlich seine Medizin doch noch herunter. Eklig verzog er sein Gesicht und Marco fühlte voll und ganz mit ihm, als er kurz an der offenen Ampulle roch und ihm ein widerlicher Geruch aus selbiger entgegenstieg.
Zusammen mit Ace, den er sanft gegen sich drückte, legte er sich schließlich zurück ins Bett, bevor er kurzerhand ein paar Decken unter ihnen hervorzog und Ace damit versuchte zuzudecken, was sich jedoch als gar nicht so einfach herausstellte, da Ace sich bereits wieder an ihn herangeschmiegt hatte.
Marco musste fast schon wieder fies grinsen, doch dieses Mal, weil er genau wusste, wie Ace wohl gleich auf seine nächsten Worte reagieren würde. Ja, es machte ihm einfach nur einen heiden Spaß, seinen Feuerbändiger zu ärgern.
"So...so....erst rumzicken und dann kuscheln kommen. Das sind mir die Richtigen, yoi..."
Er merkte sofort, wie sich Ace bei dem Wort "kuscheln" versteifte und kurz darauf pikiert zusammenzuckte, ehe er vernichtend zu ihm hochfunkelte und anschließend gezielt gegen seinen Oberarm boxte.
"Halt endlich deine verdammte....Klappe, du..du...ach...leck mich. Bin zu erschöpft, um mir was Passendes einfallen...zu lassen."
Nun musste Marco doch tatsächlich kurz auflachen. Es waren genau diese Momente, die ihm zeigten, dass das zwischen Ace und ihm etwas Besonderes war, auch wenn sie bisher immer noch nicht darüber gesprochen hatten, was genau dieses Etwas zwischen ihnen eigentlich zu bedeuten hatte.
"Werd einfach schnell gesund, yoi? Irgendwie ist es ziemlich still und viel zu ruhig ohne dich. Die anderen respektieren es nämlich, wenn ich mal meine Ruhe haben möchte...."
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