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Schicksalswege

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Hier noch einmal an alle ein herzliches Wilkommen. Und ein Dankeschön an meine beiden Betaleserinnen. ;-)
PS.: Zu Diesem Kapitel wird es noch zusätzlich ein Bild geben. :-)
Nun wünsche ich euch viel Vergnügen beim Lesen. ;-)
Liebe Grüße
Saph_ira Komplett anzeigen

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Die Knaben

Es war töricht daran zu glauben, dass man die Natur überlisten könnte! Dass aus dem Mädchen, das wie ein Junge erzogen wurde, etwas anderes werden würde! Das konnte doch niemals gut enden! Ein Mädchen gehörte in ein Kleid und nicht in die Uniform! So klagte zumindest seine Großmutter immer, wenn sie zu Besuch kam.
 

Auch heute beschwerte sie sich, als sie ihrer Tochter beim Zubereiten der Mittagssuppe half: Kartoffeln, ein paar Karotten und einige Gewürze - mehr nicht. Die ältere Frau hatte zwei Laibe Brot mitgebracht und das war leider auch schon alles. Weder ihre Tochter, noch ihr Schwiegersohn wollten Geld von ihr oder sonstige Mildtätigkeiten annehmen. Deshalb war sie erleichtert, dass sie wenigstens das Brot zum Essen beisteuern konnte.
 

Sophie selbst arbeitete als Haushälterin in einem Adelshaus und kümmerte sich um das jüngste Kind der Familie de Jarjayes. Man könnte sagen, dass sich der General einen Scherz erlaubte, weil er seine jüngste Tochter wie einen Jungen erzog. Aber der General meinte es ernst, denn er brauchte unbedingt einen Erben für die Nachfolge der de Jarjayes. Und auch das Mädchen selbst, war mit zunehmenden Alter stolz darauf, wie ein Junge erzogen worden zu sein.
 

„...aber irgendwann werde ich sie dazu bringen, ein Kleid anzuziehen!“, beendete die altkluge Frau überzeugt ihre Klagen und fuchtelte mit dem Messer in der Luft, mit dem sie gerade die Kartoffeln schälte.
 

„Ha, ha, ha!“, erklang eine knabenhafte Stimme an der Ecke der Feuerstelle: „Das würde ich gerne sehen, wie Ihr das schaffen wollt, Großmutter! Immerhin werdet Ihr damit gegen die Anordnung des Generals verstoßen!“
 

„Das hat dich nicht zu interessieren, André!“ Die besagte Großmutter wirbelte verärgert herum, stampfte mit dem Fuß auf und funkelte ihren Enkel jähzornig an: „Mach lieber das Feuer an, sonst wird die Suppe nie fertig!“
 

„Das ist schon erledigt.“ André beendete noch die letzten Handgriffe und präsentierte dann sein Werk. „Ich werde dann mal gehen.“
 

„Nein, das wirst du nicht!“ Seine Großmutter bewegte sich schon auf ihn zu, um ihn aufzuhalten.
 

André schlüpfte ihr gerade noch rechtzeitig unter den drohenden Fäusten hindurch und schon war er aus der Wohnung verschwunden.
 

„Was soll nur aus diesem Kind werden?!“, schimpfte Sophie ihm kopfschüttelnd nach.
 

„Ach lasst ihn doch, Mutter. Er ist noch ein Kind.“ Madame Grandier gab das geschnittene Gemüse in den Kessel und übergoss es mit Wasser.
 

„Ein Junge von fünfzehn Jahren ist schon längst kein Kind mehr!“, berichtigte Sophie ihre Tochter, rückte die runde Brille auf ihrer Nase zurecht und kam wieder zum Tisch zurück, um das Brot in Scheiben zu schneiden.
 

Madame Grandier hob den Kessel vom Tisch, brachte ihn zur Kochstelle und stellte ihn auf das Feuer. Sie seufzte. „Es mag sein, dass man mit fünfzehn kein Kind mehr ist. Aber André soll sein Spaß haben, solange es ihm noch vergönnt ist. Man weiß doch nie, was für Zeiten schon morgen auf uns zukommen können. Manche Kinder haben keine richtige Kindheit und müssen, wie ihre Eltern, hart arbeiten. Das will ich meinem Sohn ersparen. Und zudem hilft er mir genügend im Haushalt, während ich als Wäscherin tätig bin.“
 

„Du bist viel zu gütig zu ihm und lässt ihm alles durchgehen, meine Tochter. Etwas Strenge hat noch niemanden geschadet.“
 

„Wenn ich mich recht erinnere, wart Ihr nur selten streng zu mir gewesen, als ich ein Kind war.“
 

„Du bist ein Mädchen und das ist etwas anderes. Mit Jungen muss man härter umgehen, sonst verwahrlosen sie und es wird nichts Gescheites aus ihnen werden!“
 

Madame Grandier verkniff sich eine Bemerkung über den Schützling ihrer Mutter. Das Mädchen, das wie ein Junge erzogen wurde, war eine seltene Besonderheit. Aber ob das nun gut oder schlecht war, wusste Madame Grandier nicht zu sagen. Sie kam in ihren Gedanken wieder auf ihren Sohn zurück. „André ist ein guter Junge, Mutter. Vielleicht lassen mein Mann und ich ihm auch deshalb Einiges durchgehen. Aber ich denke, wir erziehen ihn richtig und gerecht. Wir lieben ihn und wollen nur das Beste für ihn. Macht Euch also darum bitte keine Sorgen.“
 

„Schon gut. Ich wollte nicht an deiner Erziehung zweifeln.“ Sophie beendete das Zuschneiden des Brotes und legte den Rest in den Korb zurück. „Ich möchte meinem Enkel nur eine Zukunft sichern und deshalb habe ich mir auch überlegt, bei meinem Herren für ihn anzufragen.“
 

„Was habt Ihr vor?!“ Madame Grandier drehte sich an der Kochstelle um und sah ihre Mutter mit erschrockenen Augen an.
 

Diese richtete sich auf und erwiderte besserwisserisch den Blick ihrer Tochter: „Wie ich eben bereits sagte: Seine Zukunft sichern. Ich erwäge meine Herrschaften zu fragen, ob sie ihm auf dem Anwesen eine Anstellung geben können. Vielleicht als Stallbursche...“
 

„Nein, Mutter!“, protestierte Madame Grandier nun etwas energischer: „Ihr wisst genau, wie mein Mann zu Adligen steht und auch ich will André nicht jetzt schon aus dem Elternhaus gehen lassen!“
 

„Beruhige dich doch! Es war nur ein Vorschlag und das heißt nicht, dass ich es sofort in die Tat umsetzen werde.“ Die ältere Frau gab ihr zu liebe nach und widmete sich wieder dem Zugeschnittenen Brot auf dem Tisch. Ihre Tochter war einfach zu weichherzig und empfindlich - besonders was André betraf und das würde sich wahrscheinlich auch nie ändern. Vielleicht beließ sie es deshalb dabei, um ihre Tochter nicht noch mehr zu verschrecken.
 


 

- - -
 


 

André wuchs bei seinen Eltern in Paris auf und hörte ständig die gleiche Geschichte von seiner Großmutter über ihren Schützling Namens Oscar. Das amüsierte ihn und er erntete dafür jedes Mal ein verärgertes Schimpfen von der alten Frau.
 

André rannte aus der Wohnung hinaus, den Gang entlang und dann die Treppe herunter. Mitten auf dem Weg begegnete er dem Nachbarsjungen, der etwa genauso alt war wie er. „Alain!“, rief ihm André zu und holte ihn schnell ein.
 

Der Angesprochene blieb stehen und drehte sich um. „André! Ist deine Großmutter etwa schon wieder zu Besuch?! Oder warum rennst du so, als wärst du auf der Flucht?!“
 

„Das erkläre ich dir draußen!“ André schnappte Alain am Ärmel und zerrte ihn mit sich.
 

Alain grinste breit. Also hatte er ins Schwarze getroffen! André flüchtete meistens so überstürzt nach draußen, um seiner Großmutter zu entkommen. Nicht, dass André feige wäre, das gewiss nicht! Aber bei so einem Feuerdrachen von Großmutter würde auch er, Alain, davon laufen.
 

Draußen herrschte sonniges Frühlingswetter - ganz passend, um mit guter Laune Schabernack mit Freunden zu treiben. Und zwei von ihnen waren bereits da: Die beiden Brüder waren ein und drei Jahre älter als er und André, mit dem er gerade das Haus verließ. Und diesmal warteten sie nicht wie gewöhnlich an der Haustür, sondern bedrängten drei kleine Mädchen zwischen fünf und sieben Jahren. Sie wollten etwas zurück haben, aber die Mädchen gaben es nicht her. „Du bist doch ein liebes Kind, gib es zurück!“, verlangte der Ältere der beiden Knaben und näherte sich bedrohlich den Mädchen.
 

„Nein!“ Die Angesprochene drückte etwas an ihre Brust, wobei sich ihre kleine Hand zu einer Faust zusammendrückte und wich mit ihren Freundinnen ein Stückchen zurück.
 

„Hey, Jérôme, Léon!“ Alain war schon bei ihnen und baute sich turmhoch vor seinen Freunden auf. Schützend verdeckte er die drei Mädchen und nagelte die beiden Brüder mit seinem durchbohrenden Blick fest. „Was soll das werden?!“
 

„Alain!“ Eines der Mädchen erstrahlte hinter dessen breiten Rücken.
 

Jérôme verschränkte seine Arme vor der Brust und grinste listig. „Es ist nichts, Alain. Deine kleine Schwester hat etwas gefunden, was uns gehört und ich möchte es zurück haben. Aber sie gibt es nicht her! Vielleicht probierst du es mal? Auf dich hört sie ja mehr...“
 

„Das ist nicht wahr! Du lügst!“, protestierte ein anderes Mädchen: „Diane hat es gefunden als ihr noch nicht da wart! Deswegen kann es nicht deines sein!“
 

„Pah!“, machte Léon: „Als wir es verloren haben, wart ihr drei naseweisen Mädchen noch nicht da!“
 

„Um was geht es eigentlich?“ André gesellte sich unverfroren zu Alain, aber seine Frage richtete er mehr zu dessen Schwester.
 

Diane beäugte ihn unschlüssig, aber dann entfernte sie ihre Fäuste von der Brust und öffnete sie. Sie vertraute ihm - so wie ihrem großen Bruder. Auf ihrer Handfläche glänzte eine Münze. „Ich habe das gefunden. Ehrlich, André!“
 

„Ein Livre?“ André sah von Diane auf die zwei Brüder und hätte beinahe losgelacht. „Ihr drangsaliert die Mädchen wegen einem Livre? Wie lächerlich seid ihr denn?!“
 

„Und wer es findet, darf es behalten!“, fügte auch Alain hinzu und bleckte frech mit seinen Zähnen.
 

„Niemand drangsaliert sie!“, empörte sich Léon erbost zu André.
 

„Und wetten, dass du unrecht hast?“, schob sich Jérôme gegen Alain. In seinen Augen glomm ein kämpferischer Funke auf.
 

„Die Wette gilt!“ Alain verstand den verborgenen Hintergrund und auch in ihm keimte Kampfgeist auf. Er ging breitbeinig etwas auf Entfernung und drehte sich um. „Was ist? Habt ihr es euch anders überlegt?“, verlautete er provokativ, spuckte sich in die Handfläche und rieb sich angriffslustig die Hände.
 

Jérôme und Léon tauschten kurze Blicke aus und stürzten sich dann in Windseile gemeinsam auf Alain. Dieser erwartete sie schon mit großem Elan und parierte wacker deren Angriff. Eine kleine Rangelei unter Freunden, die an sich nichts Neues und Ernstes war, aber durchaus die Knochen belebte.
 

„Alain! Alain! Du schaffst es! Richtig so!“ Diane hüpfte beinahe vor Begeisterung, als ihr großer Bruder einen Kumpanen zu Boden schlug und den anderen mühelos von sich abwehrte.
 

„Aber Diane!“ André sah von dem Kampf auf das kleine Mädchen. „Solche Aussagen sind gar nicht damenhaft!“ Unwillkürlich musste André dabei an einen anderen Jungen denken, der eigentlich ein Mädchen war: Oscar. Sie wurde im Fechten unterrichtet und hatte das Reiten gelernt.
 

„Ich bin aber eine Dame!“ Diane streckte ihm die Zunge entgegen und feuerte ihren Bruder weiter an: „Gut so, Alain! Zeig es ihnen!“
 

„Nun, wer Alain zum Bruder hat, braucht sich eigentlich über das Benehmen seiner Schwester nicht wundern.“ Ein weiterer Knabe in Andrés Alter tauchte bei ihnen auf und grinste breit.
 

„Jean!“, grüßte ihn André und musste auch grinsen. „Da könntest du recht haben...“
 

„Wollen wir Alain nicht zu Hilfe eilen?“, fragte Jean und gab sich gleich selber die Antwort. „Wobei... Wie ich sehe, wird er auch alleine mit den beiden zurechtkommen.“ Er überlegte etwas. Hier tatenlos als Zuschauer zu stehen, behagte ihm nicht. Innerlich spannten sich seine Muskeln an und seine Hände begannen zu kribbeln. Und sogleich kam ihm ein glänzender Einfall: „Mal sehen, ob unser Freund es auch mit Dreien aufnehmen kann...“
 

Alain stieß Léon gerade von sich, stellte Jérôme ein Bein und während dieser hinfiel, warf sich Jean auf ihn. André konnte das nicht länger mehr mit ansehen. „Alain, ich komme zu dir!“, rief er und warf sich in das Gerangel.
 

„Alain! André! Wir sind auf eure Seite!“ Die drei Mädchen schrien fast im Chor und klatschten in die Hände, als einer der drei Gegner von André und Alain zu Boden ging. Sie verstummten abrupt als eine adlige Kutsche vor dem Haus anhielt. Niemand stieg aus, aber sie meinten trotzdem, jemanden darin gesehen zu haben. Jemanden mit blondem Haar, dessen restliche Gestalt durch die Vorhänge und das spärliche Licht der Kutsche tief verborgen blieb.
 


 

Aus einem der oberen Fenster des Hauses lugte eine Frau hinaus und zog ihren Kopf dann wieder hinein. „Mutter, Euer Schützling scheint Euch wieder abholen zu wollen.“ Sie vermied es, das kleine Gefecht nicht weit von der Kutsche zu erwähnen. Ihre Mutter würde sich nur unnötig aufregen. Aber Knaben in diesem Alter waren nun mal so und maßen auf diese Art ihre Kräfte. Das war nichts Ungewöhnliches, völlig normal und sie sollten sich daher ruhig austoben.
 

Sophie band schon ihre Schürze ab, legte sie gefaltet über einen Stuhl und verabschiedete sich von ihrer Tochter. „Das ist sehr gütig von ihr. Ich sollte Lady Oscar nicht länger warten lassen. Wenn was ist, dann lass es mich wissen. Ansonsten komme ich in ein paar Wochen wieder vorbei“, trug sie ihr noch auf, nahm ihren Korb und verließ die Wohnung ihrer Tochter. Es war nicht das erste Mal, dass ihr Schützling sie abholte. Lady Oscar war im Grunde ein höfliches und anständiges Mädchen. Wie schade, dass sie wie ein Junge erzogen wurde....
 

Draußen fiel der alten Dame sofort die Rangelei auf. Normalerweise hätte sie dem keine Bedeutung beigemessen und wäre weiter gegangen. Aber nicht, wenn ihr Enkel mittendrin war und dabei auch noch Spaß zu haben schien! „André!“, geiferte sie verärgert und schrill. Sie bewegte ihre Füße in Richtung der kämpfenden Burschen und hob eine Faust in die Luft, als wolle sie damit allen eine Lektion erteilen.
 

André, Alain und ihre Freunde hörten ihre drollige Stimme und beendeten sogleich den Kampf. „Madame Feuerdrache ist da!“, warnte Jean und spornte seine Freunde gleich mit einem Fluchtversuch an: „Nichts wie weg hier!“ Er rannte los und seine Freunde taten es ihm gleich. Nicht, dass sie vor Andrés Großmutter Angst hätten. Sie wollten sich nur nicht durch ihren Tadel und das Geschimpfe die gute Laune verderben lassen.
 

Andrés Großmutter blieb nichts anderes übrig, als stehen zu bleiben und den Flüchtlingen mit ihrer geballten Faust drohend nachrufen: „Ich kriege euch noch, ihr Nichtsnutze! Ihr seid eine schlechte Gesellschaft für meinen Enkel! André, komm sofort zurück!“
 

Es war eine vergebliche Mühe. André und seine Freunde waren schon weit weg und flüchteten bereits um die Ecke eines Hauses. Die alte Frau brummte verärgert unter ihrer Nase und begab sich unverrichteter Dinge zu der Kutsche zurück. Sie stieg ein und fuhr mit ihrem Schützling zum Anwesen. Sie versuchte ihren Ärger zu dämpfen, aber das gelang ihr nicht. „Diese Raufbolde...“
 

„In der Tat, Sophie...“, sagte ihr Schützling und versuchte so ernst wie möglich auszusehen. „Madame Feuerdrache - wie unverschämt... Das schreit nach einer Herausforderung...“
 

„Aber Lady Oscar!“ Sophie zog erschrocken die Luft ein. „Ihr wollt Euch doch nicht mit ihnen schlagen?!“
 

„Nein, Sophie. Ich werde deinen Enkel und seine Freunde schon nicht zur Rechenschaft ziehen...“ Oscar zeigte so etwas wie ein Schmunzeln, aber blieb dennoch undurchschaubar und kühl.
 

Sophie atmete auf und Oscar sagte dann nichts mehr. Auf dem ganzen Heimweg blieb sie stumm und verlor kein Wort. Das war üblich bei ihr. Sie verschwieg ihrem Kindermädchen, dass sie die Rangelei zwischen den fünf Knaben sehr wohl reizvoll fand und am liebsten mitgemacht hätte. Aber ihre Erziehung und der Anstand verbaten es. Sie hatte daher nur den Vorhang etwas zur Seite geschoben und verstohlen den Kampf beobachtet, bis Sophie aus dem Haus kam und die Burschen verjagte, mitsamt ihrem Enkel. Dass er André hieß, hatte Oscar von Sophie erfahren. Aber sie hatte ihn noch nie zu Gesicht bekommen. Ihr Kindermädchen erzählte nie etwas über ihn, außer dass ihr Enkel André ein Lausebengel und Nichtsnutz war.
 

Als Oscar den Wegrennenden aus der Kutsche nachgesehen hatte, konnte sie ihn auch nicht richtig ausmachen. Auf jeden Fall war er einer dieser fünf, die sie nur verstohlen beobachten und insgeheim beneiden konnte: Dafür, dass sie tun und lassen konnten, was sie wollten. Im Gegensatz zu ihr, die stets machen sollte, was der Vater ihr sagte und für sie bestimmt hatte...
 


 


 

André dachte nicht mehr an die sorgenvollen Tiraden und Klagen seiner Großmutter über die ungerechte Erziehung ihres Schützlings, als er mit seinen Freunden von ihr wegrannte. In einer schmalen Gasse blieben sie allesamt stehen und atmeten tief durch. „Puh...“, schnaufte Jean und klopfte André halbherzig auf den Rücken. „Du tust mir leid, bei so einer Großmutter...“
 

„Ach, was!“ André winkte schmunzelnd ab: „Sie kommt doch nur ein, zwei Mal im Monat zu Besuch.“
 

„Das ist gut...“, meinte Léon in einer Verschnaufpause.
 

„Wie dem auch sei“, mischte sich Alain, noch immer außer Puste, ein und grinste über beide Ohren. „Wegen ihr lassen wir uns doch nicht den Tag verderben, oder Jungs?“
 

„Ganz genau!“, stimmte ihm Jérôme zu und machte ihn neckend gleich auf etwas anderes aufmerksam. „Im Übrigen hast du ein hübsches Veilchen, Alain.“
 

Alain sah ihn belustigt an. „Denkst du, du siehst besser aus? Ich habe dir sogar zwei davon verpasst!“ Er lachte und steckte die anderen damit an. So war es normal zwischen ihnen. Eine kleine Schlägerei gehörte manchmal mit dazu. Das hieß aber nicht, dass sie deswegen Feinde wurden. Es schien ihre Freundschaft sogar noch zu bekräftigen. Die gefundene Münze, die Jérôme der kleinen Diane zuvor abnehmen wollte, hatten sie schon alle längst vergessen und heckten stattdessen den nächsten Schabernack zusammen aus.
 

André traf sich gerne mit seinen Freunden, besonders mit Alain. Alain war ein Bürgerlicher wie er und die zwei unternahmen kaum etwas getrennt. André übte mit ihm immer wieder das Fechten und Rangeln. Als Waffen dienten ihnen eigenhändig angefertigte Holzstöcke. Oder sie trieben irgendeinen Schabernack in der Stadt oder außerhalb auf den Feldern. Das Leben schien für sie sorglos und unbeschwert - so, wie der gerade aufblühende Frühling. Sie lebten in den Tag hinein und machten sich keine Gedanken, was schon morgen passieren könnte.



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Kommentare zu diesem Kapitel (6)

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Von: abgemeldet
2015-03-30T18:13:00+00:00 30.03.2015 20:13
Ein grandioser Einstieg! Was für wunderschöne und auch so treffende Worte! Besser hätte man Oscars Leben nicht zusammen fassen können! Zumindest hast du es geschafft, dass ich bereits nach den ersten Zeilen nicht mehr aufhören konnte, weiter zu lesen.

Die Idee, dass die beiden getrennt voneinander aufwachsen, ist wirklich klasse und hat unglaubliches Potenzial! Ich bin sehr gespannt, was du daraus machen wirst.

Ein kleiner Kritikpunkt bleibt für mich aber tatsächlich: 15 Jahre ist Andre alt. Rauft sich ein Junge in diesem Alter tatsächlich noch, statt einer Lehre oder Anstellung nachzugehen?! Ich finde, hier hast du etwas dick aufgetragen. Ich denke die damalige Zeit würde das gar nicht zulassen... Aber gut, ich denke du wirst dir schon was dabei gedacht haben. Mal sehen, wohin das Ganze führen wird... ;)

Antwort von:  Saph_ira
30.03.2015 20:32
Vielen, lieben Dank für deine ehrliche Worte und den kleinen Kritikpunkt. ;-)
Ich hoffe, ich kann dich mit dieser Antwort zufrieden stellen: Mit 15 und sogar mit 17 können sich die Jügendliche raufen, weil sie eben Halbwüchsige sind und auch zu der damaligen Zeit finde ich, dass sie ähnliches Verhalten wie die Jugend in unseren Zeit gehabt haben könnten - abgesehen von der Ausbildung oder Arbeit usw. In unseren Zeit gehen die Meisten in Discos, Partys, mit Freunden ins Kino oder sonst wohin, aber damals gab es sowas nicht und die müssten sich doch irgendwie amüsieren, spaß haben und sich von dem harten Tag ablenken, sei es auch von der Ausbildung oder Arbeit. ;-)

Und danke nochmals für dein Kommentar, hab mich sehr gefreut und auch darüber, dass der Einstieg dir so sehr gefällt. Die Idee kam mir einfach so, wie ein Geistesblitz sozusagen, und im Gegensatz zu den anderen Versionen, hab ich sie gleich vom Anfang bis zum Ende ausgearbeitet und gewusst, was alles dort passieren würde. Ich glaube, dass es für mich die leichteste Version zum Schreiben ist, als die anderen. :-)
Von:  LunaKitty3
2015-03-21T06:19:59+00:00 21.03.2015 07:19
Ein sehr schöner Einstieg in deine neue Story. Es lässt sich prima lesen und du hast die Personen sehr gut getroffen... Das einfache Leben in Paris und die Freundschaften der Jungen... hast du auch schön beschrieben. Ich bin gespannt auf die nächsten Kapitel. Die Story ist wirklich eine prima Idee von dir. Mal schauen wann und wie sich Oscar und André über den Weg laufen. Dein Titelbild ist dir übrings auch sehr gut gelungen :-)
Antwort von:  Saph_ira
21.03.2015 16:32
Dankeschön herzlich für deinen lieben Kommetar. Es freut mich, dass der Einstieg dir so sehr gefällt. :-) Ich dachte mal, da es bei Oscar auch ohne André das Leben so verläuft wie im Anime, dann lieber mehr aus der Sicht der einfacher Bürger zu schrieben - in dem Falle also mehr von André und seiner Sichtweise bzw Umgebung. :-)
Von:  hunny123
2015-03-08T18:17:26+00:00 08.03.2015 19:17
Ich finde die Idee toll, dass die beiden getrennt voneinander aufwachsen. Das hat super viel Potenzial! Die Rangelei der Jungs passt super gut und das Beinahetreffen der Hauptcharaktere ist super gelungen.
Mir ist gerade aufgefallen, dass André da schon 15 ist. Mit 15 ackerte man ja schon längst im Betrieb oder auf dem Feld zu der Zeit, als sich zu raufen? Gerade wenn man wenig besitzt.
Ansonsten super Einstieg in eine Parallelwelt von Oscar und André ! :)
Antwort von:  Saph_ira
08.03.2015 20:44
Seine Mutter will ihm doch seine Kindheit noch lassen. Und er hilft doch schon ständig seinen Eltern im Haushalt. ^^ Aber keine Sorge, ich werde schon dafür in nächsten Kapiteln sorgen, dass er nicht lange tatenlos herumsitzt. XD Dankeschön für deinen lieben Kommentar, freut mich sehr dass dir der Einstieg und die Idee so toll gefallen. :-) ;-)
Von:  Madame_Malou
2015-03-07T00:06:38+00:00 07.03.2015 01:06
Mir gefällt das erste Kapitel schon mal echt gut. Was ich besonders Interessant finde ist dass das geschehen diesmal aus der Sicht der einfach Bürger geschrieben ist zu denen Andrè ja auch gehört. Als die Jungs sich auf der Straße getroffen haben und anfingen sich um oder wegen dem Livre zu raufen musste ich auf einmal an Gavroche's Kinderbande aus Les Misèrables. :)
Das erste fast treffen von Oscar uns Andrè fand ich auch gut, wobei mir klar war das die beiden sich jetzt noch nicht treffen würden. Oscar tat mir schon etwas leid als sie sich am liebsten mit ins Getümmel geworfen hätte es ihr aber der Etikette wegen versagt ist. Ich bin schon gespannt wie es weiter gehen wird! :D
Vlg&ein knuddler, Malou~ ♡



Antwort von:  Madame_Malou
07.03.2015 01:10
Hab ein Wort vergessen und zwar nach Les Misèrables, fehlt -> *denken. ^^'
Antwort von:  Saph_ira
07.03.2015 21:21
Kann schon passieren, ich vergesse auch manchmal Wörter oder vertippe mich. Also halb so schlimm, beim nächsten Mal wird es halt besser. ;-) Aber danke dir trotzdem für deinen Kommentar. :-) Les Misérables kenne ich zwar nur vom Trailler, aber es ist schön mal zu erfahren, dass manchmal doch noch Zufälle gibt. ^^ Die Story wird Hauptsächlich aus dem Umfeld von André erzählt und daher kommt Oscars Umfeld kaum zum Vorschein. Aber es erfreut mich, dass es dir gefällt. Ich habe mir gedacht, dass es auch mal nicht schaden wird, aus der Sicht der Bürger etwas zu schreiben - von der Seite der Adligen ist ja schon viel geschrieben, was eigentlich auch nicht schlecht ist. ^^ Was Oscar und ihren Wunsch, sich am liebsten ins Getümmel zu werfen, betrifft, da war ursprünglich eine Szene gedacht, die ich dann rausgenommen habe, weil es nich mithineinpasste. Ich wollte Oscar ursprünglich ins Getümmel stürzen lassen, aber da hätte sie André schon eher kennengelernt und es wäre dann für spätere Kapiteln einen anderen Ausgang gegeben und das wollte ich nicht. Deswegen wird es noch ein Weilchen dauern bis Oscar und André sich wirklich - von Angesicht zu Angesicht, begegnen und sich dann richtig kennenlernen. :-)
Von:  alandatorb
2015-03-05T21:34:43+00:00 05.03.2015 22:34
Hallo!
Endlich eine neue Geschichte aus deiner Feder - da freue ich mich riesig drüber!!!
Die erste Fastbegegnung der beiden hat mir sehr gut gefallen und auch die Einarbeitung der einzelnen Figuren.
Ich lasse mich dann wie jeder andere hier überraschen, in welche Richtung sich André entwickelt und wie ( nicht ob !!!!!) er Oscar so kennen und lieben lernen wird.
LG
Alanda
Antwort von:  Saph_ira
06.03.2015 20:10
Hallo.
Dankeschön für deinen lieben Kommi. ;-)
Ja, stimmt schon, das "ob" hab ich für die Spannung miteingefügt. ^^ Früher oder später werden André und Oscar sich schon begegnen, denn sie sind im Grunde genommen füreinander bestimmt. Allerdings wann, wie und auf welche Art und Weise, werde ich noch nicht verraten. Alles zur seiner Zeit. Also lass dich überraschen. ;-)
Liebe Grüße
Saph_ira


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