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Schicksalswege

von

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Trubel

Erneut bewies Oscar, wie stark und durchsetzungsfähig sie war, als eine knappe Woche später Lassalle freigelassen wurde und in die Kaserne zurückkehrte. Oscar hatte sich für ihn bei dem obersten der Generäle eingesetzt, weil dieser mehr Macht und einen höheren Rang besaß als sie. Die ganze Kompanie war überaus erfreut und zollten ihrem weiblichen Kommandanten nun noch mehr Achtung und Respekt. Aber die Freude der Männer trübte sich gleich darauf auch wieder, als am selben Tag Diane ihren Bruder besuchte. Hinter der Ecke einer Baracke beobachteten sie verzückt die kleine Schwester ihres Fürsprechers und Kameraden. Was sie ihrem großen Bruder so glückselig offenbarte, ließ die Söldner eine enttäuschte Miene aufziehen.
 

„...sie würden Diane nämlich auch heiraten wollen.“ André lachte auf und klopfte seinem Freund beglückwünschend auf die Schulter. Nach dem Besuch von Diane, befanden sie sich gerade auf dem Weg in ihre Quartier.
 

„Bis auf dich.“ Alain versuchte sich ein Grinsen, aber das misslang ihm.
 

„Das stimmt. Ich wünsche ihr von Herzen alles Gute.“ André sah ihn von der Seite an und merkte, wie Alain selbst eine Schnute zog. „Hey, was ist auf einmal mit dir? Du siehst so aus, als hätte man dir deine Liebste ausgespannt!“
 

„So fühle ich mich auch...“, gab Alain zu und schmunzelte doch noch unwillkürlich. „Ich habe immer in ihr eine kleine Schwester gesehen und plötzlich ist sie eine junge Frau geworden. Ich weiß, das ist albern, aber...“
 

„Ist ja interessant!“ André versuchte ihn aufzumuntern. „Selbst der stärkste Mann in der Kompanie hat irgendwo einen schwachen Punkt, stimmt´s?“
 

„Kann sein.“ Alain warf ihm einen Blick zu. „Jeder Mensch hat einen Schwachpunkt, egal wie stark er ist oder aussieht.“ Er wurde neckischer. „Das merkt man doch schon bei deiner aufgewärmten Schönheit!“
 

„Was soll das!“ André blieb unvermittelt stehen.
 

Alllain lachte nur darauf und marschierte breitbeinig weiter. „Tja, Kumpel, das musst du am besten wissen!“
 

„Hör auf so über Oscar zu reden!“ André holte ihn doch noch ein. „Immerhin riskiert sie ihren Posten, wenn sie sich für uns einsetzt! Hast du dich überhaupt für Lassalle bei ihr bedankt? Immerhin ist er seit heute früh zurück. Oder ist dir das etwa entgangen?“
 

Jetzt blieb Alain stehen und schielte zu ihm. Nein, er hatte sich noch nicht bedankt. Und wozu denn auch? Oscar würde es auch so verstehen. Dennoch machte er auf dem Absatz kehrt und marschierte anstelle des Quartiers, in Richtung Offizierszimmers – damit André Ruhe gab. Er klopfte an der Holztür und hörte schon ihre befehlenden Ton. „Herein!“
 

Alain beeindruckte das keineswegs. Er kam wie selbstverständlich herein, schloss die Tür hinter sich und meldete sich nur knapp mit dem Satz. „Ich danke Euch für Lassalle.“
 

„Nichts zu danken.“ Oscar zeigte nicht, ob sie durch sein unverhohlenes Auftreten beeindruckt war oder nicht. Sie saß ungerührt an ihrem Schreibtisch und befasste sich mit irgendwelchen Dokumenten.
 

„Nun dürfen wir offiziell unsere Waffen verkaufen, bei Euren Beziehungen...“, wand Alain ein und erntete sogleich ihre Aufmerksamkeit. Entsetzt starrte sie ihn an und ihr fiel gar die Schreibfeder aus der Hand. Das brachte Alain zum Lachen. „War nur ein Scherz! Ihr und André passt wirklich zusammen, wie Pech und Schwefel!“
 

Sollte sie das als Kompliment werten? Oscar runzelte missverständlich die Stirn. „Wenn du meinst. Aber zügle beim nächsten Mal deine Zunge, sonst gerätst du in Schwierigkeiten!“
 

Die versteckte Mahnung in ihrem Unterton verstand Alain sehr wohl. Aber das schüchterte ihn keineswegs ein. „Wisst Ihr, Oberst, Ihr seid schon ein bemerkenswerte Mensch, aber Ihr müsst auch lernen Spaß zu haben.“
 

„Du willst mir doch nicht hier Vorhaltungen machen, wie ich mein Leben führe?“ Oscar erhob sich in all ihrer Größe.
 

„Das war nur ein Ratschlag.“ Alain grinste bis über beide Ohren und salutierte zum Abschied. „Ihr erlaubt!“ Es gefiel ihm, diese Frau zu reizen genauso gut, wie seinen Freund hin und wieder mit ihr aufzuziehen. Daran würde sich nie etwas ändern.
 

„Alain, warte einen Moment!“, hörte er Oscar befehlen und gehorchte wie aufs Wort. Er drehte sich an der Tür um. „Ja, Oberst?“
 

„Ich hörte, deine Schwester heiratet?“ Oscar lehnte sich mit der Hüfte an der Tischkante, verschränkte ihre Arme vor sich und schmunzelte kaum merklich, beinahe hinterlistig. Sie musste sich doch ihm für seine Frechheit irgendwie revanchieren!
 

Alain nickte zustimmend und bekam gleich das Gefühl, dass sie einen Gegenangriff plante. Auch das machte ihm keineswegs etwas aus. Wenn André mit ihr auf seine eigene Art umzugehen wusste, dann wusste er das auch, aber auf eine andere Weise. „Das stimmt. Diane will im Sommer heiraten. André scheint Euch schon alles berichtet zu haben, wie ich sehe. Hmm... Vielleicht nehme ich ihn mir vor? Den Schwur zu halten ist eine Sache, aber es muss doch nicht jede Kleinigkeit sein.“
 

„Da gebe ich dir Recht.“ Oscar verstärkte ihr Schmunzeln und führte gnadenlos ihren Schachzug aus. „Aber das habe ich nicht von ihm gehört.“
 

„Von wem dann?“ Jetzt war Alain neugierig.
 

Oscar zog die Spannung etwas in die Länge, bis ihre blaue Augen triumphierend aufblitzten. „Von Diane. Ich bin ihr zufällig auf dem Weg hierher begegnet. Sie meinte, der Mann sei dir ähnlich und so schrecklich klug.“
 

Alain verengte seine Augen zu Schlitzen und knirschte mit den Zähnen. Er wusste, dass Diane sehr angetan von Oscar war und das konnte er ihr nicht verbieten. Aber Oscars Schachzug konnte er auch nicht auf sich sitzen lassen. „Schön für Euch, dass Ihr das wisst“, brummte er und erarbeitete einen Plan für sich.
 

„Hör auf zu grimmen! Denkst du, ich werde etwas schlimmes tun? Aber nicht doch! Diane ist ein bezauberndes Mädchen und ich wünsche ihr von ganzem Herzen Glück!“ Oscar stieß sich von ihrem Tisch ab, ließ ihre Arme locker und kam unerwartet auf ihn zu. Sie lächelte immer noch. Aber nicht wie vorhin hinterlistig, sondern anders. Alain wusste es nicht zu definieren. Vielleicht warmherzig? Mild? Und noch mehr überraschte sie ihn, als sie ihm ihre Hand reichte. „Ich will mit dir Frieden schließen.“
 

Sie hatte ihn übertölpelt! Diese Geste hatte Alain nie von ihr erwartet! Er kratze sich verlegen am Hinterkopf. „Ähm... meinetwegen...“, gab er nach einigen Zögern nach und drückte kräftig ihre Hand.
 


 

Am gleichen Abend, nach der Rückkehr von Lassalle und nachdem Oscar endgültigen Frieden mit Alain geschlossen hatte, wollte sich Oscar bei dem General bedanken, der für die Freilassung verantwortlich war. Sie schickte nach André, um mit ihm in einer Kutsche nach Paris zu fahren.

„Ich weiß nicht, ob das klug ist“, sprach André seinen Bedenken aus, nachdem er Oscars Vorhaben angehört hatte. „Unter den Männern kursiert das Gerücht, dass sich in Paris einiges zusammen braut.“
 

„Was soll denn schon passieren? Du bist doch bei mir.“ Oscar sah ihn an und lächelte. Das tat sie meistens wenn sie unter sich waren. Obwohl schon ihre ganze Abteilung über ihre gemeinsame Beziehung wusste, außer dem adligen Leutnant Dagous, trotzdem wahrte sie eine gewisse Diskretion. Sicher war sicher und man sollte ja nicht gleich übertreiben.
 

„Das stimmt.“ André erwiderte ihr verschmitzt das Lächeln und ließ sich von ihr überreden.
 

Die Nacht brach ein. Kein einziges Wölkchen zeichnete sich am tiefblauen Himmelsgrund. Nur der Mond und die klare Sterne erleuchteten die Umgebung mit ihrem silbrigen Licht. In der Kutsche war es warm und stickig. André saß neben Oscar und legte ihr unauffällig die Hand auf den Oberschenkel. Oscar spürte das und warf ihm einen Blick von der Seite zu. „Was wird das?“
 

„Einfach so.“ André schmunzelte geheimnisvoll. „Es sieht doch keiner.“
 

„Du bist unmöglich.“ Oscar zog eine unbeeindruckte Miene, aber ließ seine Hand gewähren. Das ermutigte André zu mehr. Er rückte näher an sie heran und seine Finger tasteten sich auf der Innenseite der Oberschenkel, bis zur Mitte. „André!“ Oscar wollte ihn zur Beherrschung ermahnen, aber ihr eigener Körper machte ihr schon einen Strich durch die Rechnung. Ihre Schenkel öffneten sich etwas, ein Bein legte sich wie von alleine über sein Schoß und ihr Becken rutschte seinen Fingern entgegen. „André...“ wiederholte sie, aber diesmal atemlos und leise. Ihr Brustkorb hob und senkte sich schneller. Mit einem Mal wurde ihr es zu eng in der Uniform und die Hitze breitete sich in ihr aus. Im nächsten Augenblick schlang sie schon ihre Arme um Andrés Nacken und zog ihn zu sich.
 

André neigte seinen Oberkörper zu ihr, seine Hand umfasste fester ihren Oberschenkel und seine Finger rieben intensiver an dem Stoff ihrer Hose. „Wollen wir dann zu mir gehen?“, flüsterte er keuchend und knabberte spielerisch an ihrem Ohrläppchen.
 

„Wie stellst du dir das denn vor?“, versuchte Oscar ihr eigenes Keuchen zu dämpfen und ihr Begehren zu zügeln. „Wir sind noch im Dienst...“
 

„Du bist aber unser Kommandant und das letzte Mal liegt schon ein paar Monate zurück...“
 

Oscar musste ihm in dieser Hinsicht unwillkürlich Recht geben. „In Ordnung... Dann lautet mein nächster Befehl, nach dem Besuch beim General ab in deine Wohnung... Du hast dein Gewehr dort vergessen und das darf nicht sein...“
 

„Jawohl...“ Andrés Lippen streiften von ihrem Ohrläppchen zu ihrem Mund und versiegelten sie mit einem innigen Kuss. Allerdings nicht für lange.
 

Die Kutsche blieb unerwartet stehen und zerriss mit einem Ruck die leidenschaftliche Zweisamkeit zwischen ihnen. Sie trennten sich erschrocken und saßen wieder gerade. „Was ist passiert?! Warum stehen wir?“, wollte Oscar wissen und schaute aus dem Fenster auf ihrer Seite.
 

„Da stimmt etwas nicht!“ André tat das gleiche auf seiner Seite und zog stutzig seine Augenbrauen zusammen. Etwas war im Gange, das spürte er deutlich. Die Hitze der Leidenschaft verblasste augenblicklich bei allen beiden. Sie sahen Umrisse von vielen Menschen und begriffen mit einem Mal, dass ihre Kutsche umzingelt war!
 

Der Kreis schloss sich immer enger, die Menschen kamen näher und manche von ihnen trugen Eisenstangen oder Knüppel in ihren Händen. „Sie wollen uns doch nicht...“ Oscar schaffte es nicht einmal ihren Gedanken auszusprechen, als die Kutsche angegriffen wurde.
 

„Rache! Nieder mit dem Adel!“, riefen ein paar wütende Stimmen aus der Masse und die Kutsche wackelte schon rüde hin und her. Die Tür wurde mit gewaltiger Macht aufgerissen und die Insassen wurden erbarmungslos nach draußen gezerrt. Erst André, dann Oscar.
 

„Seit ihr des Wahnsinns?! André ist nicht vom Adel, bitte verschont ihn!“, schrie Oscar verzweifelt, aber wurde überhört.
 

Der Mob trennte sie voneinander und verschleppte sie in verschiedene Richtungen. „Oscar!“ André wehrte sich wie er konnte. „Lasst mich sofort los! Ich gehöre doch zu euch!“
 

Auch er wurde in dem johlenden Getöse überhört. Man schleppte ihn weiter. Wie aus der Ferne und ganz beiläufig nahm er ein dumpfes Krachen wahr, als die Kutsche zur Seite umgekippt und angezündet wurde. Lodernde Flammen stiegen empor und es wurde ein wenig heller in der Umgebung. Dann wurde André abrupt zum Stehenbleiben gezwungen. Jemand schlug ihn in die Magengrube und er krümmte sich. Sofort wurde er von allen Seiten aufgerichtet und seine Arme wurden ihm auf den Rücken gedreht. „Fesselt ihn!“, forderte jemand aus dem Mob gehässig und lauthals: „Und dann hängt ihn auf!“
 

„Sofort aufhören!“, erscholl eine tiefe Stimme und gleich darauf bahnte sich ein Mann durch die eng stehende Menschenmenge. „Seit ihr verrückt geworden?! Das ist doch unser André! Oder könnt ihr zwischen Adel und den unsrigen schon nicht mehr unterscheiden?!“
 

„Jean!“ André erkannte seinen Freund überrascht.
 

Dieser erreichte ihn schon und die grobe Hände ließen ihn dann gänzlich frei. Einige der Menschen erkannten ihn doch noch, die vor allem in der Nachbarschaft wohnten und sich an seine Eltern gut erinnerten. Jean überschüttete ihn mit Vorwürfen. „Bist du lebensmüde?! Was hast du in der Kutsche eines Adligen verloren?“
 

„Ich bin im Dienst, wie du siehst.“ André rieb sich die Handgelenke und schaute sich besorgt um. „Ich muss zu Oscar!“
 

„Was? Deine Kleine ist auch hier?“ Sein Kumpel war für kurzen Moment überrascht.
 

„Sie ist zu uns in die Söldnertruppe gewechselt“, meinte André beiläufig und wollte am liebsten losmarschieren. Wenn er nur wüsste, wo Oscar sich befand!
 

Jeans Verblüffung währte sich nicht lange. Er zeigte ihm in eine entgegengesetzte Richtung. „Komm mit, sie muss irgendwo dort sein, wenn du den Kommandanten meinst, der mit dir war!“
 

André nickte und folgte seinem Freund. „Führst du etwa diesen Mob an?“, fragte er auf dem Weg, um die Suchzeit zu verkürzen.
 

„Nein.“ Jean schüttelte verneinend den Kopf. „Aber die meisten kennen mich hier und vertrauen mir.
 

Die Menschen ließen ihnen den Weg sogar etwas frei und einige schlossen sich ihnen an. Das waren die sogenannten Anhänger von Jean. Der Rest tobte sich an der brennenden Kutsche aus. Sie wurde gelöscht, zu Kleinholz verarbeitet und in die Seine geworfen. Das Getöse und Gejohle war weiterhin grollend zu hören, aber André vernahm auch etwas anderes in den lauten Stimmen wahr: Es klang danach, als würden sie ihm helfen wollen, seine Oscar zu finden!

„Der Kommandant gehört zu uns!“, verlautete Jean voraus und sein Ruf wurde von den Menschen weitergetragen - bis zur der Stelle, wo Oscar war.
 

Man hatte sie zu Boden geschlagen, aber sie rappelte sich wieder hoch und versuchte zu fliehen. Die hasserfüllte Stimmen wurden lauter: „Lasst ihn nicht lebend entkommen! Der Adel soll für alles bezahlen!“

Oscar wurde eingeholt und wieder grob gepackt. Und dann geschah ein Wunder: „Aufhören! Kommandant Oscar gehört zu uns, ihr Idioten!“, rief jemand aus dem Volk und eine Gruppe Menschen keilte sich von der Seite dazwischen. Sie vermischten sich mit den anderen und drängten sich bis zu ihr vor. Oscar wurde abrupt losgelassen, aber nicht frei. Sie war eingekreist und da bemerkte sie zwei Männer, die sich aus dem eingekeilten Knäuel einen Weg zu ihr suchten.
 

„André...“, brachte Oscar leicht schwankend von sich.
 

„Oscar!“ André wurde schneller, er rannte beinahe und kaum das er sie erreichte, schloss er sie in seine Arme. „Ist dir etwas passiert? Bist du verletzt?“
 

„Es geht schon...“, war ihre einzige Antwort und André schob sie etwas von sich. Er musterte sie ausgiebig.

„Mir geht es gut. Ich habe keine Schaden getragen.“ Auch sie unternahm eine Musterung an ihm.
 

„Entschuldigt für die Einmischung, aber ihr beide solltet lieber weg von hier“, mischte sich ein junger Mann in Andres Alter ein.
 

André ließ von seiner Geliebten ab und stellte ihr den jungen Mann vor: „Das ist Jean. Er ist mir genauso ein Freund wie Alain.“
 

Eine schwache Erinnerung keimte in Oscar empor, aber sie schob das beiseite. „Dann verdanken wir unsere Rettung Euch.“ Oscar streckte ihm ihre Hand. „Habt vielen Dank.“
 

„Halb so wild.“ Jean schüttelte ihr etwas verlegen die Hand und mit der anderen kratzte er sich am Hinterkopf. „Bedauerlicherweise ist Eure Kutsche zerstört worden. Ich glaube, Ihr und André müsst zu Fuß in die Kaserne zurückkehren.“
 

„Schon gut.“ Oscar ließ seine Hand los und ordnete beiläufig ihre Uniform. „Das Menschenleben ist wichtiger.“
 

„Das habt Ihr schön gesagt.“ Jean schmunzelte. Diese Frau in Uniform gefiel ihm. Obwohl er über sie schon genug gehört und einmal gesehen hatte, beneidete er seinen Freund beinahe.
 

„Aus dem Weg! Lauft! Die königliche Armee ist auf dem Weg hierher!“, hallte eine panische Stimme unerwartet, gefolgt von mehreren anderen und gleich darauf entstand ein Trubel unter den Menschen. Manche begannen zu rennen und zerstreuten sich in verschiedene Richtungen. Und manche rührten sich nicht von der Stelle und schauten Oscar fragend an. Diese zog entschlossen ihren Degen und marschierte der Armee entgegen. „Ich erledige das!“, war das einzige was sie sagte.
 

André folgte ihr wie selbstverständlich auf dem Fuß, Jean und seine Kameraden schlossen sich ihm an. Einerseits aus Verblüffung über den unerschrockenen Mut von Oscar und andererseits, um ihr notfalls beizustehen.
 

Die Armee kam immer näher. Man hörte sie, bevor man sie sah. Das Hufklappern unzählige Pferde im gestreckten Galopp und die tiefe Stimme eines Mannes brüllte ihnen schon entgegen: „Schlagt den Aufstand nieder, Soldaten! Und sucht nach Kommandanten de Jarjayes! Ihr darf nichts zustoßen!“
 

„Graf von Fersen...“ Oscar war überrascht, aber zeitgleich nahm sie sich zusammen und rief aus vollen Kehle den preschenden Männern entgegen: „Sofort anhalten! Das ist ein Befehl!“
 

Von Fersen hörte ihre energische Stimme und dann sah er sie. „Lady Oscar!“ Er verlangsamte sein Pferd und die Soldaten taten es ihm gleich.
 

Oscar stand an der Spitze einer Menschengruppe und es sah danach aus, als wollte sie sie schützen. Knapp vor ihr blieb die Armee stehen und von Fersen stieg schon von seinem Pferd. „Ist Euch etwas passiert?“
 

Oscar ignorierte die Frage. „Ihr seid umsonst gekommen! Kehrt zurück, ich habe schon alles unter Kontrolle!“
 

„Ganz alleine?“ Von Fersen starrte ungläubig drein.
 

„Wie Ihr seht, ja! Man kann mit Menschen auch ohne unnötiges Blutvergießen reden!“
 

„Wenn Ihr das sagt, dann wird es auch so sein.“ Von Fersen stieg wieder auf sein Pferd, gab seinen Soldaten ein Zeichen und rückte mit ihnen ab.
 

Oscar steckte ihren Degen wieder ein und drehte sich zu den Menschen um. „Ist jemand verletzt?“ Als Antwort bekam sie ein verneintes Kopfschütteln und anerkennende Blicke.

„Gut.“ Sie verzog ein zufriedenes Lächeln und hob noch einmal ihre Stimme, damit sie jeder hören konnte: „Ich will nicht sagen, dass ihr im Unrecht seid! Ich kann eure Wut verstehen und nachvollziehen! Aber bedenkt bitte die Folgen von eurem Handeln! Ich will nicht, dass unser Blut unnötigerweise vergossen wird! Deswegen bitte ich euch, zurückzuziehen! Als Gegenzug werde ich mit dem König und mit der Königin reden! Ich werde versuchen eine friedliche Lösung zu finden, denn wir gehören zu ein und demselben Volk!“
 

„Das habt Ihr wieder schön gesagt!“ Jean nickte ihr beeindruckt zu und wandte sich an seine Mitbürger: „Was sagt ihr? Das ist doch ein vernünftiger Vorschlag, oder?!“
 

„Sie hat gar nicht so unrecht!“, rief jemand aus dem Knäuel.
 

„Aber was ist, wenn der König oder die Königin nicht auf Euch hören will?!“, fragte ein anderer zweifelnd.
 

„Dann bin ich bereit für eure Rechte bis zu meinem letzten Atemzug zu kämpfen!“ Oscar´s Blick schweifte über die Menschen und zu André. „Und für uns, für unsere Zukunft, damit wir alle in Frieden und glücklich miteinander leben können.“
 

„Oscar...“ André war überwältigt. Er glaubte sie noch mehr zu lieben als bisher. Und das bewies er ihr in voller Leidenschaft, als sie später bei ihm in der Wohnung waren.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  YngvartheViking86
2016-03-07T22:25:32+00:00 07.03.2016 23:25
Wow ein klasse Kapitel. Das der Graf so schnell abzog, zeigt seine "Freundschaft" zu ihr und dass er ihr vertraut.
Ich hoffe das Diane diesmal nicht beschissen wird und sich umbringt. War mei erster Gedanke, als ich vor der Hochzeit gelesen hab :)

Antwort von:  Saph_ira
09.03.2016 21:05
Dankeschön für deinen lieben Kommi. :-) Wegen Diane kann ich nicht viel sagen, außer dass im nächsten Kapitel darüber mehr stehen wird... :-)


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