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Coldhearted Lover

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
J = Joey's Sicht
K = Kaiba's Sicht

Grund, warum ich das nicht einfach ins Kapitel schreibe:
Da ich nun die Verzierungsinitialien am Anfang des Kapitels habe, wären immer nur zwei große Buchstaben zu sehen; nämlich "J" von "Joey's Sicht" und ein "K" von "Kaiba's Sicht". Wäre doch langweilig :D Komplett anzeigen

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Stark, taff und kalt

Seto Kaiba
 

Ich war stark.

Ich war kalt.

Ich war taff.
 

Und dann tauchen diese Gefühle auf. Dieses Verlangen, nur ihm gehören zu wollen, und keinem anderen. Die Nächte mit ihm zu verbringen und sich geborgen zu fühlen. Sich jemandem zu öffnen. Diese hohen Wände zerschlagen, das Herz wieder einmal durchlüften.

Du jämmerlicher Waschlappen hast meinen Willen zerstört und mich wie einen Schwächling wirken lassen. Du hast mich zutiefst blamiert. Vor mir selber.
 

Ich kriege keine schlotternden Knie, wenn ich dich sehe. Oder Herzrasen.

Mich überkommt einfach nur diese Welle von Gefühlen. Gefühle, die allein dir gewidmet sind.

Ich kann mich nicht mehr auf meine Arbeit konzentrieren. Nur noch an die Vorstellung, ein gemeinsames Leben mit dir zu führen. Du Idiot. Wie jämmerlich muss ich nun klingen...
 

Ich war stark.

Ich war kalt.

Ich war taff.

Schwesterchen und andere Überraschungen (J)

Joey, jetzt steh' doch endlich auf!", kam es laut von meiner Schwester Serenity. "Was ist denn, Schwester?", fragte ich mit einer sehr verschlafenen Stimme. Sie erzählte mir, dass ich ihr angeblich versprochen hatte, heute mit ihr shoppen zu gehen und den Tag mit ihr zu verbringen. Dann erinnerte ich mich: Es stimmte. Ich hatte in letzter Zeit viel zu tun wegen der Schule und fand kaum noch Gelegenheiten, mir einen schönen, stressfreien Tag mit meiner Schwester zu machen.
 

Langsam öffnete ich meine Augen und erblickte eine leicht verschwommene Serenity. Ich rieb mir den Sand aus den Augen und streckte mich. "Beeil dich!", sagte sie und verschwand ins Wohnzimmer. Ihre Freude und ihr Enthusiasmus waren nicht zu überhören. Mit viel Energie getankt und aufgeregt saß sie sicher auf der Couch und wartete nur, bis ich bereit war.
 

Ich sprang kurz unter die Dusche, putzte mir danach die Zähne und zog mich an. Es war zu erkennen, dass es ein sonniger Tag war, wenn man aus dem Fenster sah. Gerade mal 10 Uhr und Serenity war schon putzmunter, hatte gefrühstückt und sich fertiggemacht - nicht schlecht.
 

"Wir können gehen!", versicherte ich und nahm zum Abschluss noch meine Geldbörse mit. Die Tür hinter uns wurde verschlossen. Stress, Ärger und Hektik wurden für heute mal abgestellt; Ich muss eine lange Arbeit schreiben und in bereits zwei Tagen abgeben. Die letzten Tage war ich nur am Recherchieren und Bücher lesen. Am Aussortieren und Unterstreichen - das ist mein Abschlussprojekt. Das muss sitzen.
 

"Ich bräuchte ein paar neue Tops. Gehen wir in die Stadt?", wollte Serenity wissen und riss mich aus meinen Gedanken. Heute ist Bruder-Schwestertag, Joey. Denk' nicht die ganze Zeit an deine verdammte Arbeit - schalte einfach ab.
 

"Dann werden wir in die Stadt gehen!", entgegnete ich der Braunhaarigen, bevor wir uns auf den Weg zum Bus machten. Die Sonne schien stark herunter und man spürte, dass es ein Junitag war. Viele Familien waren Eis essen, Kinder spielten am Spielplatz und Jugendliche chillten am Skaterplatz. Wunderschönes Wetter, das hoffentlich den Tag über nicht schwanken wird.
 

Wir warteten 3 Minuten auf den Bus, bis dieser endlich angekommen war. Zu unserem Pech hatte dieser keine Klimaanlage, was die ganze Sache sehr stickig machte. Leicht fing ich an, zu schwitzen. Serenity frischte nochmal ihr Deo auf, und zeigte somit, dass ihr ebenfalls so heiß war, wie mir und den anderen Fahrgästen.
 

"Wirst du dir auch etwas kaufen? Mum hat uns Geld gegeben", informierte mich die 14-jährige und zeigte mir die zwei grünen Scheine, die sie kurz aus ihrer Geldbörse holte, und damit winkte. Jedoch wusste ich nicht, ob es angemessen war, dieses Geld auch für mich zu benutzen; Mum und ich hatten keinen guten Draht zueinander. Sobald ich die Schule abgeschlossen habe, werde ich wegziehen. Wegziehen müssen. Mum hat mich darum gebeten, oder besser gesagt, es mir empfohlen...
 

"Schauen wir mal", sagte ich mit zittriger Stimme. Die Situation zuhause brachte mir noch zusätzlichen Stress zur Schule. Wohin ich danach ziehen werde, ist noch unklar. Vielleicht zu Yugi, vielleicht zu Tristan - möglicherweise werden wir sogar in eine WG ziehen. Tea ist sich noch nicht sicher, ob sie in eine WG mit drei Männern will, was wir natürlich alle verstehen.
 

Während der Fahrt nickte ich kurz ein, Serenity weckte mich auf. Ich hatte gestern Nacht sehr viel im Internet recherchiert und bin lange aufgeblieben. Dumm von mir, ich weiß. Ich befürworte nicht all meine bisherigen Entscheidungen, glaubt mir.
 

Als der Name der Station, bei der wir aussteigen sollten, erklang, sprang mein Schwesterchen vom Sitzplatz und raste zur Tür. Kurz lachte ich auf; "Die Türe wird sich rechtzeitig öffnen, keine Sorge!". Beide stiegen wir aus und die Sonnenstrahlen begrüßten uns erneut. Die Einkaufsstraße war voller Menschen, die mit ruhigem Gewissen durch die Geschäfte stöberten und bummelten.
 

Serenity nahm meine Hand und zog mich mit sich. Sie schaute von links nach rechts und konnte es kaum erwarten, sich neue Kleidung zu kaufen. Ich jedoch hatte vorerst Hunger. "Schwesterchen, ich habe noch nichts gegessen. Ist es in Ordnung, wenn ich mich zum Imbissstand dort setze, und auf dich warte?", fragte ich, ehe Serenity nickte. Sie verschwand in einem Geschäft, während ich mich auf dem Weg zur kleinen Imbissstube machte. Mein Magen knurrte, wie verrückt!
 

"Ist es also wieder Zeit, dass der Hund seine Essensreste bekommt?", ertönte es aus der anderen Richtung. Ich drehte meinen Kopf und erblickte Kaiba, der Mokuba neben sich mitlaufen ließ. Obwohl es eher warm war, trug Kaiba einen Mantel, der wie immer die Länge bis knapp zum Boden erreichte. Verwöhnter Schnösel.
 

"Was machst'n du hier? Gehören egoistische Firmenbesitzer nicht in ihren Helikopter, anstatt bei den gutherzigen Menschen herum zu lungern?", entfleuchte es mir aus dem Mund. Ein herablassender Gesichtsausdruck wurde mir geschenkt und ich hatte wieder einmal das Bedürfnis, ihm eine runter zu hauen.

Eine Statistik kommt selten allein (K)

Ich habe den Geruch von einem Loser gerochen und wollte dich einfach nur daran erinnern, wie lächerlich du doch bist, Wheeler", verriet ich ihm spöttisch. Ich nahm die Hand meines kleinen Bruders und schenkte dem Blondhaarigen keinen Blick mehr; "Komm Mokuba, wir gehen".
 

In Wahrheit war ich hier, um mich mit einer wichtigen Person zu treffen. Normalerweise lade ich alle in die KC ein, jedoch wollte Mokuba das Wetter genießen und etwas durch die Straßen schlendern. Wir entfernten uns von diesem Nichtsnutz und begaben uns vor das Kent Restaurant. Der vereinbarte Treffpunkt.
 

"Seto, kaufst du mir ein Eis?", hörte ich von Mokuba, der schon seit heute morgen danach fragte. "Nicht jetzt, Mokuba!", zischte ich und hielt Ausschau nach dem Herrn, den ich erwartete. "Mister Kaiba", erkannte jemand und ging auf uns zu; Kurze, schwarze Haare, grüne Augen und ein amüsiertes Gesicht. Der Herr namens Jeffrey Lawyer gab mir einen festen Händedruck und bat mich ins Restaurant. Wenn es schlechte Neuigkeiten gibt, wird mir das den ganzen Tag vermiesen. Der Typ ist von der Presse und hat einige Fragen an mich.
 

Wir setzten uns an einen Tisch und bestellten uns einen Kaffee. Mokuba bekam natürlich einen Eisbecher, den er sofort verschlang.
 

"Also", begann Jeffrey und machte es sich bequem. "Wie gehen sie damit um, dass die Kaiba Corporation bald dicht macht?", wollte er wissen und zückte Block und Stift. Ein herablassender Blick bildete sich in meinem Gesicht; "Wie meinen Sie das?". Er sah mich überrascht an und erzählte mir, dass kaum noch jemand Duel-Discs benutzte und alle plötzlich auf ein Spiel namens 'Dungeon Dice Monsters' abfahren. Wie bitte?
 

"Das ist doch wohl ein schlechter Scherz. Komm Mokuba, wir verziehen uns", kam es angesäuert von mir. Doch Jeffrey überzeugte mich, zu bleiben, indem er ein paar Statistiken auf den Tisch knallte. Ich hob eine Augenbraue und setzte mich wieder. Ich sah Jeffrey auffordernd an und durchbohrte ihn mit meinem Blick. "Was ist das?", sprach ich ungeduldig aus und wartete auf eine Antwort.
 

"Diese Statistik zeigt, wie viele Leute sich in diesem Jahr Duel Monster-Karten gekauft haben. Wie Sie sehen, Herr Kaiba, ist die Rate in den letzten Monaten drastisch gesunken. Schuld ist, wie schon erwähnt, das neue Dungeon Dice Monster-Spiel", erklärte er mir und schob mir die Zettel näher hin. Ich begutachtete sie nicht lang, bevor heftiger Zorn in mir wuchs; "Das ist doch alles nur erfunden!"
 

Mokuba hatte inzwischen seinen Eisbecher ausgelöffelt und hörte uns zu. "Das ist unmöglich!", warf ich ein und nahm Mokuba mit mir mit. Ich ließ 20€ für den Kaffee da und machte mich aus dem Staub. Das ist keinesfalls möglich, dass meine Hightech Duel Discs nicht mehr gekauft werden. Das kann einfach nicht sein.
 

Als ich mit meinem kleinen Bruder draußen stand, ließ ich einen meiner Helikopter herfliegen lassen, in welchen wir auch sofort einstiegen. "Vielleicht ist da wirklich was dran, Seto", sagte Mokuba mit leiser Stimme. "Das glaube ich erst, wenn ich es sehe!", verriet ich ihm und sagte dem Piloten, er solle uns vor dem Entertainmentgebäude aussteigen lassen. Dort werden angeblich schon diese Dungeon Dinger in Arenen gespielt. Mal schauen, wer mir da Konkurrenz macht.
 

"Roland, hier Halt", befahl ich und daraufhin begann die Landung. "Das ist Seto Kaiba!", kam es aus allen Richtungen. Geflüster brach aus, erschrockene Blicke.
 

Mit zügigen Schritten betrat ich die Spielehalle. Videospiele wurden bis zum Umfallen gezockt, die Tanzfläche war voll und bei den Automaten versuchten alle ihr Glück. Naive Amateure.
 

In einer von drei Arenen angekommen, stellte ich mich gespannt hin und sah zu. Und tatsächlich: Keine Spur von Duel Monsters, nur vertrottelte Würfel mit schlecht animierten Monstern. Welcher Idiot ist auf die Idee gekommen?
 

Kurz darauf hörte ich eine Stimme, die mir nur zu bekannt vorkam. "Komm, Serenity. Versuchen wir den neuen Trend auch einmal!" - es war Wheeler. Er scheint wohl darauf konzepiert zu sein, mir immer wieder über den Weg zu laufen. Wie jämmerlich.
 

"Hunde dürfen nicht mitspielen", meinte ich abwertend und genoss seinen wütenden Gesichtsausdruck. Er schien fast vor Wut zu explodieren. Ach, du verkommener Köter.
 

Er sagte seiner Schwester, hinter ihm zu bleiben und näherte sich mir. Er warf mir Beleidigungen und Beschimpfungen an den Kopf, die mich nicht zu interessieren hatten. Doch plötzlich war da etwas; Ich war total abgelenkt und verleitet, durch seine braunen Augen. Da war schon wieder dieses Gefühl...
 

"Hallooo? Erde an Kaiba!", riss er mich aus meinen Gedanken. "Wie auch immer", war mein letzter Satz zu dem Thema. Weiter beobachtete ich, wie die Duellanten mit diesen komischen Würfeln spielten.
 

"Wheeler, mach dich nützlich und sage mir, von wem diese Dice Monster erfunden wurden", forderte ich ihn auf. Gleichzeitig hatte ich das Bedürfnis, ihn zu berühren. Nein, Kaiba. Stopp. Du bist ein reicher Geschäftsmann, der keine Zeit für so ein Gesülze hat. Du bist stark. Du bist stark.

Wenn Egoisten etwas verlieren (J)

Die Dinger stammen von Duke Devlin", antwortete ich ihm. "Hast in letzter Zeit ganz schön viel Konkurrenz bekommen, hm?", machte ich mich über ihn lustig und wartete, bis er mich beleidigte. Ja, ich wartete drauf - es war ein ewiges hin und her, das mir jedoch irgendwie das Gefühl gab, dass mir jemand zuhörte. Was Kaiba auch tat, denn sonst würde er nicht inhaltsgemäß richtig zurückschimpfen. Und... ich fühle mich einfach verkommen und allein. Niemand, der Nachts mit mir einschläft.
 

Mit Kaiba habe ich ständig Zoff, das ist nicht abzustreiten. Manchmal würde ich ihm echt gerne eine runterhauen, weil er so egoistisch und rücksichtslos ist. Aber er hört mir zu - er hört sich das Geschwafel an, das ich ihm an den Kopf werfe und wie ich ihn verurteile. Es gibt mir ein Gefühl von Sicherheit. Ich kann mir immer sicher sein, dass er zuhört.
 

Ganz in Gedanken versunken, merkte ich gar nicht, dass der selbstverliebte Egoist schon verschwunden war. "Kaiba, du hast was vergessen!", rief ihm Serenity noch hinterher, doch er ignorierte es. Natürlich ignorierte er die Aussage - er hat generell Nichts mit 'normalen' Menschen am Hut. Auf eine Weise verabscheue ich ihn ja, doch andererseits gibt er mir diese Sicherheit, nicht ganz alleine zu sein. Dass ich nicht vollkommen ignoriert werde. Wie bei Mum, zum Beispiel...
 

"Du scheinst so weit weg, Joey", machte mich Serenity aufmerksam. Dann bemerkte ich, dass sie etwas in der Hand hielt; einen Schlüssel. "Wir sollten ihm den Schlüssel zurückgeben. Er ist sicher wichtig!", meinte meine Schwester und hörte sich ganz besorgt an. Zurückgeben? Selbst Schuld, wenn er so unvorsichtig ist. Der soll ihn sich doch selber abholen.
 

"Der wird den schon nicht vermissen. So viel Geld, wie der hat, kann er die Eingangstüre von Polizisten einschlagen lassen, und dann wieder renovieren", gab ich als Antwort und blickte noch in die Richtung, in die Kaiba verschwunden war. Komisch, dass der sowas fallen lässt... hat der nicht irgendwelche Codes, Karten oder Fingerabdrücke für den Eingang? Einige Theorien schossen mir durch den Kopf.
 

Ich vergnügte mich noch eine Runde lang mit den Dungeon Dice Monsters, die Serenity ausprobieren wollte. Sie verstand das Prinzip nicht auf Anhieb, und deshalb wollte sie nach der ersten Runde auch gar nicht mehr. Stattdessen wollte sie zur Tanzfläche und dann ins Kino. Sie wollte den Tag mit mir voll ausnutzen.
 

Die Tanzrunde war schnell vorbei, Serenity trat gegen mich an und wir waren beide... nicht herausragend gut. Nichts desto Trotz fand die 14-jährige Freude daran und das war es doch, das zählte. Als Nächstes stand Kino auf dem Plan. Bis wir uns auf einen Film geeinigt hatten, vergingen mehrere Minutenblöcke.Letztendlich entschieden wir uns für eine Komödie.
 

Dazu kauften wir uns Popcorn und zwei Kaltgetränke. Ich driftete leider während des Filmes immer wieder ab, konnte mich nicht konzentrieren. Die paar Sekunden, die mich Kaiba in der Arena anstarrte und wie paralysiert war... er hatte schöne Augen. Schöne, blaue Augen. Und das ist nicht das erste Mal, dass mir das auffiel. Ich suchte immer nach einer Person, die mir einen kleinen Hauch von Adrenalin schenkte. Etwas prickelndes, etwas aufregendes. Etwas, das mich am Leben hält - mit so einer Person will ich zusammenziehen und die Nächte verbringen.
 

Und bei Kaiba verspüre ich... Lust. Bezüglich meiner sexuellen Orientierung war ich mir nie so richtig sicher. Ich wollte einfach jemanden haben; ganz gleich, ob männlich oder weiblich. Jemanden, der bei mir bleiben wird. Doch ich glaube, es ist nicht weit hergeholt, dass ich mir sicher bin, Kaiba würde so etwas nicht suchen. Schon gar nicht mich.
 

Der Film endete, und wir verließen das Entertainment-Center. Serenity ging noch etwas bummeln, wir gönnten uns ein Eis im Eissalon und letztendlich besorgten wir noch ein paar Einkäufe. Es war inzwischen 18 Uhr, als wir zu Hause ankamen. Schwesterchen schlüpfte in ihren Pijama und beschäftigte sich noch mit Hausaufgaben, Telefonieren und Fernsehen.
 

Ich hingegen bekam diesen Schlüssel nicht aus dem Kopf. Hatte er ihn vielleicht absichtlich fallen lassen? Wollte er möglicherweise, dass ich vorbeikomme? Sofort schlug ich mir diese Thesen aus dem Kopf. Das war nicht möglich. Nicht mal im Traum. Es war eher... Wunschdenken. Denn schon bald würde ich mich ins Bett legen - allein. Schon wieder. Wieder.
 

Ich spielte ernsthaft mit dem Gedanken, rüberzufahren und ihm diesen Schlüssel zu geben. Ganz gleich, ob er ihn braucht oder nicht - ich wollte einfach nur wieder diese blauen Augen sehen. Sie waren leer und der Winter selbst, aber... doch so wunderschön und verlockend.
 

Dann packte mich der Wahnsinn - ich zog mich noch einmal an und wollte wirklich rüberfahren. "Joey, wohin?", fragte Mum, jedoch war ich mir sicher, dass es sie nicht interessierte. "Ich muss noch ein paar Geschäfte erledigen", antwortete ich ihr und ließ die Türe hinter mir fallen.

Nächtliche Unruhe (K)

Seto! Seto!", rief Mokuba neben mir her, versuchte herauszufinden, weshalb ich so wütend davonstapfte. Unser Hubschrauber landete einige Meter vor uns, wie ich es befohlen hatte. Mit lauten, kräftigen Schritten kam ich voran und hätte am liebsten die ganze Flugmaschine händisch zerlegt. Das kann doch nicht wahr sein, dass irgendein Duke Devlin meine ganzen spezialisierten Techniker wie einen Witz aussehen lässt! Ich werde ihn finden, und ich werde ihm zeigen, was er mit meiner wunderschönen Kaiba Corporation gemacht hat. All die Investitionen, all die Mühe. All das Alles.
 

"Es ist alles in Ordnung, Mokuba", log ich und schüttelte seine Hand von meinem Arm. "Hör auf, mir Löcher in den Bauch zu fragen", beendete ich das Gespräch und blickte aus dem Fenster. Es waren keine Duel Discs mehr zu sehen. Normalerweise sieht man von hier oben aus, wie sich immer paarweise Menschen gegeüber stehen - Duel Monsters. Nun sind sie alle im Entertainment-Center und würfeln um ihr Glück.
 

Zuhause angekommen, eilte ich erst einmal in mein Büro und verfolgte Statistiken. Und es war alles wahr: Duel Monsters war out. Wurde ersetzt. Mit einem Faustschlag auf den Tisch entlud ich einen Teil meiner Wut. Mokuba stürmte sofort herein, um zu fragen, ob etwas passiert sei. "Seto, du siehst überhaupt nicht gut aus", warf er ein und machte nervöse Bewegungen mit den Händen, die er ineinander gesteckt hatte. "Ich bin Leiter dieser Firma und ich werde die Kontrolle darüber nicht verlieren!", machte ich meinem kleinen Bruder klar. "Geh jetzt schlafen", riet ich ihm und wartete, bis er aus dem Raum ging.
 

Eine Weile starrte ich noch auf den Laptopbildschirm - ich fühlte mich betrogen. Wie in einem Spiel ausgetrickst. Wenn dieser neue Trend Überhand nimmt, bin ich verloren. Ohne meine Macht über die KC bin ich nicht mehr der selbe Mann. Das muss ein Ende finden.
 

Noch mit zittrigen Fingern klappte ich den Laptop zu und fragte mich, ob ich schlafen gehen sollte. Es war erst halb acht. Ich fuhr mir durch die Haare und beschloss, mir erst einmal was zu essen zu holen. Den ganzen Tag Nichts gegessen, schließlich hatte ich eine Firma zu leiten. Aber auf meine Gefühle höre ich schon lange nicht mehr. Ich unterdrücke sie, sonst wäre ich nie so weit gekommen. Wenn man verweichlicht ist, kann man sich nicht durchs Leben schlagen. Wie Wheeler zum Beispiel. Er, und seine Kindergartenfreunde. Wer braucht Freunde.
 

Meine Hände öffneten die Türe zum Speisesaal. Alles blitzeblank geputzt. Es war fast nie Besuch da. Ich bin mein eigener Herr, ich brauche keinen Besuch.
 

"Haben Sie Hunger?", ertappte mich eine Stimme von hinten. Kurz zuckte ich zusammen und drehte mich um - Roland. "Vielleicht", antwortete ich und öffnete den Kühlschrank. Nach einem kurzen Blick hinein, schlug ich ihn wieder zu. "Soll ich Ihnen etwas vorbereiten lassen?", fragte Roland, der dann mein Kopfschütteln wahrnahm. Die Lust zum Essen verging mir augenblicklich. Dieser ganze Tag war miserabel und runterziehend gestaltet.
 

Ich nahm meinen Laptop vom Büro zu mir in mein Schlafzimmer, machte mich bettfertig und ließ mich in die gut gefütterten Matratzen fallen. Wieder einmal alleine. Alles, was ich nun seit so vielen Jahren verdrängt habe, kommt nachts wieder. Es kommt, und frisst mich lebendig. Mich, und meine Seele. Übrig bleiben nur Seelenfetzen, die in meiner Brust lose hängen und keinen richtigen Platz mehr finden.
 

Es kostet viel Kraft und Überwindung, diesen Schmerz zu betäuben und dann endlich einzuschlafen. Schlaf - nichtmal das war eine Auszeit. Albträume vom Autounfall meiner Eltern plagten mich. Ich fühlte mich, wie in der Hölle. Aber ich darf keine Schwäche zeigen, denn sonst sieht jeder, wie jämmerlich sensibel ich auf Dinge reagieren kann.Vor Allem bei Mokuba bleibt mir das Herz manchmal stehen. Ich mag vielleicht in einem strengen Ton mit ihm reden, aber ich meine es nur gut. Ich habe es immer nur gut mit ihm gemeint. Und ich gab ihm ein Versprechen: Kaibaland. Ich werde Kaibaland bauen und eröffnen.
 

Geschrei aus dem Erdgeschoß lenkte mich ab. Genervt stand ich auf und fragte mich, wer mich zu dieser Uhrzeit noch störte. "Sie dürfen hier nicht ohne Herr Kaiba's Erlaubnis herein!", informierte einer meiner Agenten. Angesäuert zog ich mir meinen Mantel über und begab mich mit dem Aufzug ins Erdgeschoß. Welcher Idiot stört mich beim Schlafengehen und raubt mir wertvolle Zeit?
 

"Er hat was vergessen, verstehen Sie das nicht?!", schnauzte eine männliche Stimme. Meine blauen Augen weiteten sich, als sie Joey Wheeler vor dem Tor sahen. "Ben", mahnte ich und machte das Tor auf. "Ich übernehme", befahl ich und schickte ihn weg. "Jawohl, Sir", sagte er mir noch unterwürfig und machte sich auf den Weg ins Gebäude.
 

"Der Hund hat also -", begann ich, brach den Satz dann aber ab. Ich will heute Nacht nicht alleine sein. "Der Hund hat was auch immer. Hier ist dein dämlicher Schlüssel, Egokopf", faselte Wheeler und hielt ihn mir hin. Ich will heute Nacht nicht alleine sein…

Hereinspaziert und zugesperrt (J)

Er entriss mir den Schlüssel und drückte fest zu. Er atmete einmal stark ein und aus, schloss die Augen kurz und sah mich danach an. Beide starrten wir uns einige Sekunden in die Augen. "Erzählst du mir mehr über diesen Duke Devlin?", wollte Kaiba wissen und benahm sich mir gegenüber etwas seltsam. So, als wäre er ein klein wenig nervös.
 

"Es wird spät. Ich muss nach Hause", brachte ich verwirrt heraus. Wieso warf er mir keine Beleidigungen an den Kopf? Weshalb redete er normal mit mir? Mit mir? Ganz abgelenkt von seinen braunen Haaren, die im Wind wehten, verlor ich mich kurz in Gedanken. "Ich muss das wissen, Wheeler! Er ruiniert mir die ganze Corporation!", schrie er fast und seine Hände zitterten. Plötzlich erkannte ich, dass er Nichts unter seinem Mantel an hatte. Nur nackte Haut. Ein nicht ganz unschuldiges Szenario lief in meinem Kopf ab. Joey, reiß' dich zusammen...
 

Das aber wäre die perfekte Möglichkeit, eine Zeit bei ihm zu bleiben. Eine Zeit dieses Gefühl von Sicherheit vermittelt zu bekommen. Aber: Wieso lässt er nicht einfach seine Angestellten recherchieren? Wieso vergibt er nicht einfach Aufträge? Weshalb muss ausgerechnet ich um 8 Uhr abends in sein Gebäude und mit ihm darüber reden? Der Wind wurde stärker und Kaiba frierte. Er versteckte das Kältegefühl, aber ich wusste einfach, dass er frierte.
 

Ohne zuzustimmen, begab ich mich durch das Tor und bemerkte, wie Kaiba sofort vor mich schreitete und weiterging. Klar, Mister Kaiba - du magst es nicht, jemandem hinterher zu laufen. Du musst immer führen, du musst die Nase immer vorne haben. Ich kenn' dich. Alle in dieser Stadt kennen dich. Du fliegst mit Hubschraubern herum und sonnst dich gerne im Mittelpunkt. Das wissen wir.
 

Wir betraten die KC und marschierten in den kleinen Aufzug. Es war eng, wir beide hatten gerade noch Platz. Mein Herz pochte. Lass dir bloß Nichts anmerken, Joey. Das wäre wohl das Peinlichste überhaupt.
 

Der Aufzug blieb stehen und wir stiegen aus. Die ganze Zeit über wechselte Kaiba kein Wort mit mir, es herrschte Stille. Draußen war es schon dunkel und das brachte mich etwas in Verlegenheit. Aber hey - Kaiba vertraut keinem und will auch niemanden mehr an seiner Seite. Wieso mache ich mir Hoffnungen.
 

Er führte mich in sein Büro und bat mich, Platz zu nehmen, bis er wieder da war. Mit einem dünnen, weißen Top kam er zurück und trug einen Tee her. Diesen stellte er gegenüber von sich hin und somit war die Sache schon erledigt, ob er mir etwas zu trinken holen würde.
 

"Also", begann der Braunhaarige mit lauter Stimme. "Was weißt du alles über Duke Devlin?", fragte er mich und steckte die Finger ineinander. "Er ist ein guter Freund von mir", erzählte ich lässig und musste kurz grinsen. Schon lustig, wenn ein Kumpel deinem Schwarm knallharte Konkurrenz macht.
 

"Du bist mit ihm befreundet?", erkannte Kaiba, wirkte aber so, als ob er überhaupt nicht beim Thema wäre. "Erzähl mir mehr", forderte er mich auf und schluckte hörbar. Da stimmte irgendwas nicht. Es schien so, als ob er das alles gar nicht wissen wollen würde. Es interessierte ihn irgendwie nicht.
 

Ich erlaubte mir die Frechheit, aus seiner Tasse zu trinken und wartete die Reaktion ab. "Hunde trinken doch aus Schüsseln, oder nicht?", sagte mein Gegenüber und klang wieder so, wie er immer in meiner Nähe klingt. Warum dann nicht vor dem Tor? Wieso hielt er sich zurück?

Das ganze war ein falsch zusammengelegtes Puzzle. Vielleicht war ich einfach nur sehr müde. Oder es war ein falsch zusammengelegtes Puzzle UND ich war müde.
 

"Ich glaube, du hast mich einfach nur hier reingebeten, weil dir langweilig ist. Wenn du mich vor dem Tor schon beleidigt hättest, wäre ich gegangen und du hättest nun niemanden zum Reden hier. Deswegen fängst du erst jetzt damit an, weil ich schon hier bin. Stimmt's, oder hab' ich Recht?", erläuterte ich und spürte, wie mein Magen anfing, zu knurren.
 

"Dummer Köter", kam es leise aus Kaibas Mund und ein Lächeln schmiegte sich an seine Lippen. "Und was ist mit diesem Schlüssel? Du hast doch einen Code für das Tor", fiel mir auf. Er antwortete nicht, sah mich einfach nur mit leeren Augen an. Eine Gänsehaut bildete sich auf meinem Körper - dieser kalte Blick von Kaiba hatte es richtig in sich.
 

"Ich war umsonst hier. Du hattest nur Gefallen daran, mich hier rein zu locken und dann ein total sinnloses Gespräch anzufangen, das mir nur meine Zeit gekostet hat. Hasta La Vista!", ich stand ruckartig auf und wollte zur Tür. Doch mit einem Knopfdruck einer Fernbedienung wurde diese plötzlich verriegelt. Man hörte das Schloss.
 

"Streuner gehen heute nirgendwo mehr hin", Kaiba ließ ein kurzes Lachen los und stand auf.

Schwäche (K)

Die Türe des Raumes war gesichert und Wheeler konnte nicht raus. Welch ein amüsantes Katze-Mausspiel. "Unbezahlbar, dein Gesichtsausdruck", stellte ich fest und grinste triumphierend. "Ist das jetzt dein Ernst", fragte sich der Blonde und trat gegen die Türe. Trete ruhig dagegen - Geld war nie meine Sorge. Und außerdem siehst du einfach so jämmerlich dabei aus, dass es mich wieder einmal belustigt, dich so zu sehen.
 

Mit Händen und Füßen versuchte er, die Türe auf irgendeine Weise einen Spalt aufzukriegen - er scheiterte jedes Mal. Wheeler drehte sich zu mir um, blickte mich hasserfüllt an und näherte sich mit zügigen Schritten. "Diesmal", fing er an, "bist du zu weit gegangen". Ich lachte auf, machte einen Schluck aus der Teetasse und wartete auf weitere Ausbruchversuche vom Köter. Diese folgten aber nicht. Wie schade.
 

Stattdessen kam er mir ganz nahe, worauf ich einige Schritte zurücktrat. Vor so etwas ärmlichem stehe ich doch nicht direkt gegenüber. In der selben Sekunde, in der mein Gedanke stattfand, griff sich Wheeler die Fernbedienung. Nein. Sofort fiel ich über ihn her und versuchte, mir diese köstliche Situation nicht zu Nichte machen zu lassen. Ich versuchte, ihm die Fernbedienung zu entreissen, drückte mit einer Hand gegen seine Schulter. Der 17-jährige drückte mit seinem Fuß gegen mein Knie, beide Hände umschlossen die Fernbedienung. Das war der meiste Körperkontakt, den ich mit diesem Amateur hatte. Und es war so gut tuend.
 

Während wir die ganze Zeit auf die Knöpfe drückten, aktivierte sich eine weitere Sperrung. "Türe durch vierstelligen Code versiegelt", sagte die automatische Stimme und wir beide ließen das schwarze Gerät fallen. Hatten wir uns nun wirklich eingesperrt, mit einem Code, den wir nicht kannten? Ein kurzes Zucken durchfuhr meinen Körper. War es Freude, oder war es Angst? Egal, welches von beiden nun Überhand nahm - ich würde es nicht zeigen. Gefühle unterdrücken, das wurde mir zur Lebensaufgabe gemacht. Und die bittersüße Ironie dahinter war: Es tat weh.
 

"Öffne diese scheiß Tür, Kaiba. Ich werde nicht die Nacht hier verbringen!", schnauzte mein Gegenüber und war nach diesen Worten genau so fassungslos, wie ich. Ich war in meinem eigenen Büro eingesperrt. Mit... ihm. Adrenalin durchpumpte meinen Körper, ich sog die Luft scharf ein. Mein Versuch, dies leise zu tun, scheiterte. Wheeler bekam es mit und blickte mich fragend an. "Kannst du nicht einem deiner doofen Securityfutzis sagen, sie sollen uns rausholen?", der Blondhaarige klang erst angesäuert, danach aber erkannte man einen dezenten, lockeren Gesichtsausdruck.
 

"Ich habe keine Lust, mich mit so einem dummen Vorfall zu beschäftigen. Du schläfst am Boden, Töle", sprach ich bestimmend und knippste das Licht aus. Es war dunkel. Meine fantasievollen Gedanken begannen, sich in meinem Kopf auszubreiten. Kaiba, du spinnst. Du spinnst schon seit einer Weile so herum, wenn es um diesen Mann hier geht. Das muss ein Ende haben, du musst damit aufhören. Das kann so nicht weitergehen.
 

"Mum, ich bin heute bei einem...Freund", seine Stimme klang zerbrechlich. Er war verzweifelt. Die Stimme seiner Mutter schrillte im Telefon, mahnte und verwarnte. Kurz hielt ich inne; Er hatte noch seine Mutter. Fast alle in meinem Alter haben noch eine Mutter. Ich jedoch... konnte mich nicht einmal von ihr verabschieden. Tränen bildeten sich in meinen Augen, ich atmete tief ein. Meine Eltern wurden mir einfach genommen.
 

Ich wischte mir das Nass weg, und tat so, als hätte ich das nie gefühlt. Kurz darauf legte Wheeler auf, das Gespräch aber schien aber von seiner Mutter aus nicht beendet gewesen zu sein. Sie schimpfte noch in den Hörer, doch dann wurde sie einfach ignoriert. "Hat der kleine Kleffer Stress zu Hause?", fragte ich amüsiert und grinste. Mir war zwar überhaupt nicht nach Grinsen zumute, aber wer bin ich, wenn ich Schwäche zeige.
 

"Wenigstens habe ich noch Eltern", zischte die Person neben mir und versetzte mich in einen Zustand, den ich nicht unterdrücken konnte. Ich musste das Gesicht verziehen, um nicht zu weinen. Dies half leider Nichts, worauf ich sofort begann, zu schluchzen. Es war mir schon egal, ob er mich so sieht. Es war schon egal, denn ich hatte es satt, alles hinunter zu schlucken. So tun, als wäre ich nie verletzt worden. Tränen rannen mir über die Wangen - dieses Gefühl hatte ich schon längst vergessen. Eine Zeit lang kannte ich es gar nicht mehr.
 

"Kaiba, w-weinst du?", kam es vorsichtig von Joey, der ein paar Schritte auf mich zu machte. "Tut mir echt Leid. Aber deine Aussage trieb mich zur Weißglut", gab er zu und legte seine Hand auf meine linke Schulter. Ich konnte den Tränenfluss gar nicht mehr stoppen, er hatte seinen eigenen Willen.
 

Ich konnte meine kalte Seite nicht mehr hervorrufen, und fiel augenblicklich in Joeys Arme.

Blitzschläge und vergossener Tee (J)

Gut, zugegeben; mit meinem Satz hatte ich ihn wirklich direkt in sein Herz - das sich gerade zum ersten Mal zeigte - getroffen. Kaiba schluchzte, und machte mein T-Shirt völlig nass. Die Tatsache, dass ich ihn im Arm hielt, ließ mein Herz wie verrückt gegen meine Brust pochen.
 

Dann wurde es still. Kaiba ließ aber nicht von mir ab, er schmiegte sich etwas an mich und umschlang mich mit seinen Armen. Vorsichtig legte ich meine Hand auf seinen Kopf, streichelte behutsam drüber. "Es tut mir Leid", wiederholte ich und hoffte, dass der Braunhaarige antworten würde. So dermaßen emotional demoliert hatte ich ihn noch nie gesehen. Es war wie ein Schock für mich. Diese Seite von Kaiba hätte man für einen Mythos halten können. Etwas umstrittenes, sogar etwas unmögliches. Und nun ist er in meinen Armen, und schnauft noch.
 

Unerwartet stieß er sich gleich danach weg und wollte so tun, als wäre das nie vorgefallen. Man hörte ihn aber noch laut atmen. Kaiba setzte sich auf seinen Bürosessel, welchen er bis zur Grenze nach hinten lehnte und schon fast lag. "Und du willst jetzt einfach so einschlafen, ohne danke zu sagen, dass ich dich gehalten habe?", fragte ich total verständnislos. Meine Frage schien von der Luft weggetragen worden zu sein. "Hallo?!", meine Stimme wurde lauter und ich war kurz davor, den Geduldsfaden zu verlieren.
 

"Vergiss es einfach", sagte er fast befehlend und versuchte anscheinend, zu schlafen. Ich schluckte. Wie könnte ich so etwas vergessen. Das geht in die Geschichte ein. Seto Kaiba weint... "Dafür, dass ich das allen erzählen könnte, bist du nicht sehr nett zu mir", sagte ich brummend, worauf Kaiba innerlich zusammen zuckte. Man merkte es nicht, vor Allem nicht im Dunkeln, aber wir alle kannten den Firmenleiter. Außen zeigt er Nichts, aber innerlich ist jedes einzelne Gefühl sehr wohl vorhanden. Aber diese Nacht hat er etwas gezeigt: Trauer. Trauer, die er seit Jahren in sich hinein frisst und unterdrückt.
 

Ich näherte mich ihm und flüsterte ihm ins Ohr; "Wenn ich bis morgen nicht weg von hier bin, dann..." - ich brach den Satz ab. Auf eine Weise gab es mir kleine, pulsierende Adrenalinschübe. Das war es doch, was du wolltest, Joey: Kaiba nahe sein. In seine Augen sehen. Seinen Atem an deinem Hals spüren...
 

"Halt die Klappe, Wheeler", fauchte er und wollte sich beim Einschlafen nicht stören lassen. Sein gleichmäßiges Atmen beruhigte mich, war wie ein sanfter Rythmus, der verzauberte. Reuelos nahm ich die Tasse, die mit Tee gefüllt war, und schüttete sie über seine Haare. "Hast du gerade...", brachte er stammelnd heraus. Man brauchte kein Licht, um zu wissen, dass er gerade weit aufgerissene Augen und einen unglaubwürdigen Blick hatte.
 

Er stand ruckartig auf und fuhr sich durch die Haare, um sicher zu gehen, dass das gerade wirklich passiert ist. Der wütende Geschäftsmann packte mich am Kragen und zog mich unvorstellbar nahe an sich. Gerade wollte er etwas sagen, etwas schreien, mich beschimpfen. Doch er tat es aus irgendeinem Grund nicht und verhielt sich gegenüber mir schon wieder so seltsam. Seinen Atem ließ er stoßweise aus und ließ ihn mich spüren. Das, wonach ich mich gesehnt hatte: Deinen Atem an meiner Haut.
 

"Wenn du mich anschreien willst, hast du jetzt Möglichkeit dazu", erinnerte ich ihn. Er schien meinen Atem ebenfalls an seinen Lippen gespürt zu haben, er zuckte kurz zurück. Seine Finger zitterten, schienen auf einmal so zerbrechlich. Dann durchfuhr es mich wie ein Blitzschlag und ich keuchte erschrocken auf. "Kaiba", sprach ich und man hörte den Schock in meiner Stimme. Er lauschte. Sein Zittern ließ jagte mir einen kalten Schauer über den Rücken laufen.
 

"Du hast diesen Schlüssel absichtlich verloren, oder?", wurde mir klar und wir beide sahen uns direkt in die Augen. "So ein Blödsinn", hauchte er und das Zittern wurde stärker. Es wandelte sich gar in ein Vibrieren um. Noch immer hielt er an meinem Shirt fest und ich bekam nur schwer Luft.
 

Schon fast keuchte ich. Doch dieser Moment... war perfekt. Dieser Moment war perfekt.
 

Unsere Lippen berührten sich beinahe, als wir ein Klopfen an der Tür wahrnahmen. "Seto! Seto, was ist los? Du sicherst nie die Türe zu deinem Büro!" - Mokuba. Augenblicklich zog Kaiba seine Hand zurück und ich fiel zu Boden. "Ich habe mich versehentlich eingesperrt, Mokuba", gab der Braunhaarige ohne Emotionen zu. "Soll ich Roland holen?", kam es verzweifelt vom kleinen Kaibabruder.
 

Es war still. Kaiba zögerte. Er wollte Roland nicht die Türe öffnen lassen. Er wollte das hier weiter machen. Er hatte den Schlüssel absichtlich fallen lassen.

Kämpf' nicht dagegen an (K)

Seto? Soll ich denn nun Roland holen?", Mokuba hörte sich verzweifelt an. Nein - er durfte das hier nicht sehen. Was würde er von mir denken? Ich darf mich doch nicht mit diesem Jammerlappen sehen lassen. Und meine verweinten Augen darf er auch nie zu Gesicht kriegen. "Ist schon okay, Mokuba", behauptete ich und fürchtete um meinen Ruf. Ich ballte meine Fäuste - ich darf nie wieder in diese Versuchung abrutschen. Eisig sah ich Wheeler an. Wozu hast du mich nur getrieben.
 

Du bist unter meinem Niveau, du bist schwach und verweichlicht. Noch dazu eine verdammt große Klappe. Wieso finde ich dich anziehend.
 

"Mokuba?", fragte ich mit normal starker Stimme, die sich aber in der Stille in diesem Raum verteilte und laut erschien. Er war nicht mehr da. Total irritiert sah ich zu Wheeler rüber, der sich inzwischen auf meinen Bürosessel gelegt hatte. Er hatte mich durchschaut - er hat eingesehen, dass der Schlüssel ein Stück Käse in der Mausefalle war. Dass ich mir dieses Szenario hier so sehr ersehnt hatte.
 

Aber weshalb hatte er es mir so angetan? War ich so vereinsamt, dass ich mich von der Person angezogen fühlte, mit der ich am meisten emotionalen Kontakt hatte?
 

Wir gerieten uns immer in die Haare, aber ich wusste, dass er mich nie ignorieren würde. Bei jedem versehentlichen Aufeinandertreffen ging es sofort los: Eine Diskussion. Es gab mir die Sicherheit, dass da wer war, der mich nie übersehen würde. Er würde nie einfach so an mir vorbei gehen. Da war jemand, der in mir sämtliche Emotionen aufbrodeln ließ; auch, wenn es die meiste Zeit Gereiztheit und Wut war. Im Endeffekt ging ich immer belustigt an ihm vorbei, nachdem ich ihn beschimpft hatte. Diese Emotionen brachten etwas Leben in meinen leeren Körper.
 

Geschäftliche Gespräche lassen keinerlei Gefühle und Emotionen zu. Nur bei Joey konnte ich diesen Gefühlscocktail auskosten. Bei unseren Streitereien passierte etwas, da tobten die Gefühle nur so vor sich hin. Und ja, es gab mir Bestätigung. Bestätigung dafür, dass dieser eine Jemand immer zurück reden wird. Er hört sich jedes Wort von mir an, schenkt mir somit auf eine seltsame Art Aufmerksamkeit und antwortet. Er antwortet, spielt immer zu mir zurück. Es verschaffte mir Geborgenheit.
 

"Runter von meinem Stuhl", befahl ich und versuchte, all diese Gedanken zu unterdrücken. "Nö", kam es kurz und knapp vom Blonden, der seine Hände gemütlich hinterm Kopf ineinander steckte. Ich stellte mich vor den Stuhl und versuchte, Joey an den Füßen runterzuziehen. Wie auf Vaseline rutschte er schnurstracks runter und lag nun am Boden.
 

Gerade, als ich mich auf den Sessel legen wollte, stellte mir die am Boden liegende Person das Bein und ich fiel direkt auf ihn drauf. Unsere Nasenspitzen berührten sich und dieses Verlangen erfüllte mich schon wieder. Er nahm mein Gesicht in die Hände und legte seine Lippen auf meine. Ein unglaubliches Gefühl durchfuhr meinen gesamten Körper, bis in die Fingerspitzen.
 

Ich kannte dieses Gefühl nicht. Jegliche Art von Bindung hatte ich in meinem Leben ausschließen wollen. Ich dachte, ich würde es bis an mein Lebensende schaffen, nicht an meiner Einsamkeit innerlich zu verrecken. Doch in letzter Zeit konnte ich es fast gar nicht mehr unterdrücken. Das Gefühl, jemanden an meiner Seite haben zu wollen.
 

Ich öffnete die Lippen ein Stück und wir küssten uns innig. Mein Körper pulsierte und mein Atem lief nicht mehr in regelmäßigen Abständen ab. Das war es doch, was du dir erhofft hattest, Kaiba. Anderenfalls war es das, was du vermeiden wolltest. Wo bin ich nur gelandet.
 

Er schmeckte nach Erlösung. Nach süßer Erlösung, die meine ganzen Sorgen und Ängste verblassen ließ. Er schmmeckte nach Harmonie, Verständnis und Freiheit. Es fühlte sich so gut an. Schon wieder war ich den Tränen nahe: Das fehlte mir. Mein ganzes Leben lang. Ich war schon lange stark, habe das erreicht, wovon andere träumen. Und jetzt war es an der Zeit, mir meine verdiente Belohnung zu greifen.
 

"Bitte geh' nicht", keuchte ich und wusste, dass ich mich gerade an jemanden gebunden hatte. Dass ich mich abhängig gemacht hatte. "Nur, wenn du auf mich aufpasst", erläuterte Joey, der mir lustvoll in die Augen sah. "Werde ich immer, ab der heutigen Nacht", versprach ich und konnte mich mit diesem Gefühl nicht ersättigen. Ich wollte mehr. Ich wollte, dass es bleibt. Da war nun Angst, dass das verschwindet.
 

"Deine Haare riechen nach Tee, wir sind hier eingesperrt und ich habe morgen Schule. Und weißt du was?", Joey flüsterte beim letzten Satz. Ich sah ihn nur an, wartete auf die Lösung. "Es ist trotzdem alles perfekt", verriet er mir und ein Lächeln legte sich auf meine Lippen. Kein triumphierendes, spöttisches oder amüsiertes Lächeln; Nein. Es war ein glückliches Lächeln.

Endlich bist du mein (J)

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Anweisungen (K)

Das laute Piepen meines Weckers riss mich aus dem Schlaf, meine Augen öffneten sich langsam und ich stand auf, um duschen zu gehen. Kurz schrack ich auf, als ich Wheeler auf meinem Bürosessel liegen sah. Dann der Flashback: Gestern Nacht. Das war kein Traum. Muss also bedeuten, dass wir immer noch hier eingesperrt sind. Genervt stöhnte ich auf und trat gegen den Bürotisch.
 

Der Blonde zuckte auf und sah mich an. “K-kaiba”, ertönte es verschlafen aus seinem Mund und er fing an, müde zu lächeln. “Ich bete Roland um einen Notfallscode. Du verziehst dich hier und verrätst es auch niemanden, verstanden?”, ich blickte ihn kalt an. Sofort nahm ich das Telefon zur Hand und verlangte, dass man mir meinen tüchtigsten Angestellten an den Hörer gibt. Er teilte mir mit, er würde sich darum kümmern. Nicht einmal eine Minute danach wurde ein kleiner, weißer Zettel durch den Türschlitz geschoben. Ich tippte die Nummer mit der Fernbedienung ein und bat Wheeler, sich so schnell wie möglich aus dem Staub zu machen. “Bevor ich noch hier mit dir gesehen werde”, sagte ich mit einer rauen Stimme.
 

“Wie war das gestern Nacht nochmal? Du würdest immer auf mich aufpassen?”, mein Gegenüber klang verletzt und enttäuscht. Nichts desto Trotz zeigte ich mit dem Zeigefinger zur Türe und wartete darauf, wieder wie gewohnt alleine in diesem Zimmer zu sein. Die Tatsache, dass ich Schwäche gezeigt habe, brachte mich zur Weißglut. Ich habe eine Firma zu leiten und keinerlei Zeit, für so eine Seifenoper. Noch dazu gehen meine wundervollen Duel Discs den Bach runter.
 

“Du sagtest für immer”, hakte Joey nach und schritt auf mich zu. Seine verwuschelten Haare und die noch raue Stimme weckten in mir das geheime Bedürfnis, ihn an mich zu drücken und nie wieder los zu lassen. Wie schade, dass das alles nur für verweichlichte Idioten ist.
 

Bevor ich meine spottenden Gedanken weiterführen konnte, spürte ich blitzartig einen Schmerz an meiner Wange - er hatte mich geohrfeigt. “Sag’ mal, was glaubst du, wer du bist?!”, schrie ich entsetzt und war kurz davor, zurück zu schlagen.
 

“Arschloch”, schimpfte der 17-jährige und ging letztendlich durch diese verdammte Tür. Ein Zittern in seiner Stimme war deutlich herauszuhören. Jetzt weinst du auch noch?
 

Ich beobachtete noch kurz, wie er zum Aufzug ging, um sicher zu gehen, dass ihn niemand sah. Das wäre doch das Peinlichste, das mir - Seto Kaiba - passieren könnte. Mit so jemandem, wie Joey Wheeler, gesehen zu werden. Wenn das jemand erfahren würde, würde mich das bis ins Knochenmark blamieren. Aber wenn… ein Stich bohrte sich in meinen Brustkorb. Was, wenn er das weitererzählt?
 

Mit schnellen Schritten lief ich zum Aufzug und fuhr damit bis ins Erdgeschoß. “Wheeler”, mahnte ich und merkte, dass er nur ein paar Meter weiter war. Er drehte sich um, seine Augen waren rot. “Ich gebe dir 15000€, wenn du schweigst, wie ein Grab”, schlug ich vor und wusste, dass er es nicht ablehnen könnte. “Du hättest es verdient, dass ich es der ganzen Welt erzähle. Dafür, dass du so eine Ratte bist”, er schluckte hörbar. Da wir beide aber wussten, dass er das Geld brauchte, willigte er ein und der Deal fand statt.
 

Als nun auch dies erledigt war, begab ich mich zurück in die KC und nahm endlich meine ersehnte Dusche. Das Wasser prasselte über meinen ganzen Körper und dieser nervige Teegeruch verschwand somit auch. Wie konnte ich das nur zu lassen. Ich habe vor ihm geweint. Wie sehr ich mich dafür schlagen hätte können.
 

Das alles, was gestern meinen Mund verlassen hat, war doch nur aus purer Verzweiflung. Nun habe ich mich ja wieder gefangen und unter Kontrolle. ‘Für immer’, ha - dass ich nicht lache. Wie naiv Menschen doch sein können.
 

Nach dem Duschen zog ich mich an und schritt wieder in mein Büro, checkte wie jeden Morgen erst einmal meine E-Mails. Hunderte zierten meinen Posteingang. Jedoch besaß ich nicht genügend Konzentration, um mich auch nur mit einer einzigen dieser Nachrichten richtig beschäftigen zu können. Das ganze Gefühlgewirble von gestern Nacht will meinen Kopf einfach nicht verlassen. Es war das aller erste Mal, von jemandem befriedigt zu werden, nicht wahr, Kaiba?
 

Ich schnappte nach Luft, ehe mich wieder dieses bohrende Gefühl von Einsamkeit beschlich. Unter Druck gesetzt, fuhr ich mir wie wild durch die Haare und versuchte alles mögliche, um diese unnötige Emotion abzustellen - erfolglos.
 

Ich habe Besseres zu tun, als meinen Bedürfnissen zuzuhören. Jahrelang klappte das auf Knopfdruck, und jetzt? Jetzt auf einmal wird das blockiert, oder was? Unmöglich. Stark schüttelte ich einmal ordentlich den Kopf und knallte dann meine Hand auf den Tisch - es trieb mich in den Wahnsinn. Es ließ mich nicht arbeiten, ich konnte nicht richtig denken. Konnte nicht richtig meinem erfolgreichen Beruf nachgehen. Kaiba, wer bist du geworden, dass du dich von schwachsinnigen Emotionen leiten lässt?
 

Das alles hatte Nichts zu bedeuten. Die Vergangenheit und mein Wunsch nach Nähe existierten schon lange nicht mehr. Lass’ das endlich hinter dir, Kaiba. Du hast es nämlich schon lange hinter dir gelassen, nicht wahr? Du bist drüber hinweg gekommen. Du hast es einfach abgeschüttelt.
 

Oder du lügst dich seit Jahren selber an.

Hilfe von der anderen Seite (J)

Ich hätte es wissen müssen. Ich hätte einfach damit rechnen müssen, dass das passiert. Es ist immerhin der große Seto Kaiba, dem ich da gestern Nacht mein Herz ausgeschüttet habe. Und heute hat er einfach so getan, als wäre Nichts gewesen.
 

Es war 7 Uhr Morgens und ich war verdammt müde. Der Wind wehte leicht, die Sonne schaffte es aber dennoch, etwas durch zu scheinen. Mit meinen Füßen stieß ich alles weg, das auf dem Fußweg war. Am liebsten hätte ich mich vor einen Bus geschmissen. Danach wäre ich als Geist in die KC geflogen, hätte Benzin über Kaibas Geld geschüttet und es angezündet.
 

So sehr es aber auch so schien, als hätte Kaiba das alles nicht ernst gemeint: Es war sehr wohl ernst gemeint. Er hatte vor mir Tränen vergossen, er hatte sich von mir befriedigen lassen und hat die ganze Nacht mit mir verbracht. Wenn er mich immer noch für den Trottel Wheeler halten würde, hätte er das alles nie zugelassen. Das war nicht alles nur vorgegaukelt.

Ich rief mir ein Taxi, das mich nach Hause fahren sollte. Der Tag hat gerade erst begonnen und mir wurde schon die ganze Woche vermiest. Immer wieder war ich den Tränen nahe. Ich spürte immer noch ganz genau das Herzklopfen, das mich gestern kaum noch atmen ließ, wenn ich in den Erinnerungen versank.
 

“12 Euro wären das, bitte”, verständigte mich der Taxifahrer am Ziel der Fahrt. Ich drückte dem Mann einen 20er in die Hand und knallte die Türe des Wagens mit einer gewaltigen Wucht zu. Das Auto fuhr weg und entfernte sich immer mehr von mir. Weit, weit weg.
 

Als ich die Wohnungstüre aufschloss, blickte mich Mum angesäuert an. Nicht auch das noch. “Joseph! Wo warst du?!”, fragte sie energisch und stemmte die Hände in die Hüften. Ich verdrehte nur kurz einmal die Augen und begab mich in mein Zimmer - es wurde Zeit, sich für die Schule fertig zu machen.
 

Kurz nahm ich noch eine rasche Dusche, machte mich fertig und packte meine Schultasche. Das viele Geld, das mir Kaiba gab, verstaute ich in einem Kuvert und gab es in meine Schublade. Noch voller Wut und Enttäuschung verließ ich das Haus, meine Gefühle waren mir ins Gesicht geschrieben. Das würde ein toller Schultag werden.
 

Das gestern...das war pures Adrenalin. Etwas Prickelndes, etwas, das mich am Leben hielt. Mit so einer Person wollte ich die Nächte verbringen. Ich war wie im Rausch, hatte mein Verlangen kaum noch unter Kontrolle und wollte nie wieder weg. Ich hatte Seto in meinen Armen. Hatte ihn für mich alleine.
 

Beim Schultor angekommen, überlegte ich mir, ob ich nicht umkehren sollte. So mental zerstört, wie ich war, konnte ich das kaum überleben. Mit dem Kopf ganz wo anders, mit dem Herzen Meilen weit von der Realität entfernt.
 

“Joey, Kumpel!”, kam es von links, worauf ich mich umdrehte - es war Duke. Er hatte den Rucksack lässig auf einer Schulter tragend. “Du siehst fertig aus”, fiel ihm auf, ehe er mich genauer musterte. Ich zuckte mit den Schultern. Sollte ich es ihm erzählen? Ich zögerte nicht, weil ich etwas Anderes mit Kaiba ausgemacht habe, nein. Ich zögerte, weil es vielleicht lächerlich klingt. Würde er es mir überhaupt glauben? Still stand ich da.
 

“Willst du reden?”, fragte Duke, der sich schon Sorgen um mich machte. Ich brach plötzlich weinend zusammen, als ich keine Antwort auf seine Frage fand. Blitzschnell fing mich der Schwarzhaarige auf und wunderte sich wohl, was mit mir geschehen sein mag. Vorbei gehende Schüler guckten mich verwundert an. Er merkte, dass ich nicht fähig war, konzentriert im Unterricht zu sitzen und ging somit mit mir aufs Schuldach. Es war 7.45 Uhr und die meisten der Schüler waren schon im Schulhaus.
 

“Schieß los, Mann!”, forderte Duke mich auf, als wir uns an den Rand des Daches setzten und die Füße baumeln ließen. “Es klingt verrückt…”, gab ich zu und schämte mich. Peinlich berührt sah ich in die andere Richtung und traute mich nicht, auch nur ein Wort über die vergangene Nacht auszuspucken. Einerseits, weil es total absurd klingt und andererseits, weil es mir noch mehr Herzschmerz zufügen würde, das Geschehen noch einmal genau in Worte zu fassen.
 

“D-du weißt, ich bin bisexuell”, fing ich mit zittriger Stimme an, zu reden. Duke nickte und wartete geduldig, bis ich weiter redete. “Und… Kaiba”, beendete ich meine sehr bescheidene Geschichte. Kein Wort mehr. Ich konnte das alles einfach nicht auf meine Lippen lassen. Der Schwarzhaarige sah mich verwirrt an, dachte zuerst, es ginge nur darum, dass ich mich ein Bisschen in den CEO verliebt hätte. Aber weil da noch viel mehr, als das, war, gab ich die Story weinend in Wortfetzen noch einmal wider. Somit hatte ich mein Versprechen für die 15000 nicht gehalten, aber Kaiba hielt sein Wort ebenfalls nicht.

Für immer.
 

Wieso es mir so schrecklich weh getan hat, wusste ich; Weil ich mein ganzes Leben nach so einer Person gesucht hatte, sie danach fand und mir dann nach nicht einmal 24 Stunden das Herz gebrochen wurde. Ich hatte diesen Menschen nicht behalten können. Das, was ich so lange gesucht hatte, floss mir aus den Fingern und würde nie wieder zurück kommen.
 

Duke kommentierte den Vorfall nicht lachend, wie es manch Anderer getan hätte. Er zückte nur sein Handy, und rief den Kontakt “Seto Kaiba” an.

Pläne (K)

“Herr Kaiba, ein Anruf für Sie von einem Herrn Devlin”, machte mich meine Sekretärin aufmerksam und leitete mich weiter, als ich dem Anruf zustimmte.
 

“Kaiba. Wie ich hörte, gehen deine wunderschönen Duel Discs den Bach runter. Wie wäre es, wenn ich dir gegen einen kleinen Preis ganz viel Werbung für deine Retroschallplatten mache?”, kam es verlegen vom Würfelspieler. “Wie viel?”, fragte ich sofort und ballte meine linke Hand zur Faust. Einerseits lasse ich mir von niemandem helfen; andererseits aber brauchte ich dieses Angebot, um nicht ganz bankrott zu gehen.
 

Ein Lachen war am anderen Ende zu hören. Devlin betonte, dass es nicht um Geld gehen würde. Ich runzelte die Stirn und hielt kurz inne. “Ich werde dir meinen Körper nicht verkaufen”, stellte ich erst einmal klar und hörte erneut ein Lachen durch den Hörer schallen. Devlin fing an, sein Angebot zu erklären, worauf ich stocksauer die Faust gegen den Bürotisch knallte. Meine Augen weiteten sich schlagartig und meine Füße waren kurz davor, den Tisch in Stücke zu treten.
 

“ICH SOLL MIT WHEELER AUSGEHEN?!”, meine Stimme war schreiend und aufgewühlt. Ich weiß nicht, was mich rasender machte: Dass es Wheeler verraten hat, oder dass ich nun erpresst wurde. Ich musste mich beherrschen, um das Handy nicht gegen eine Wand prallen zu lassen.
 

“Du hast dein Wort auch nicht gehalten, Seto”, kam es von etwas weiter weg aus dem Hörer. Mir stockte der Atem - Wheeler. Diese kleine Heulsuse hatte sich also den großen Vorteil zu Nutze gemacht, Devlin als Freund zu haben. Dieser kleine Wicht wird schon sehen, was er davon hat.
 

“Tick tack, tick tack - die Zeit rennt, Kaibalein”, spottete der DDM-Erfinder und setzte mich unter Druck. Total zerstreut stöhnte ich auf und war kurz davor, die Fensterscheiben meines Büros einzuschlagen. Das durfte doch nicht wahr sein, verdammt.
 

“Kann ich zurückrufen?”, fragte ich mürrisch. Ich hasste es, jemandem hinterher zu rennen. “Frag’ doch Joey”, entgegnete mir der amüsierte Devlin und erlaubte es sich, mit meiner Stimmung zu spielen. Ich meinte, dass wir uns noch hören werden und beendete somit das Gespräch. Das Handy knallte ich gegen den Tisch und tat ein paar Minuten erst einmal gar nichts, außer fast die Kontrolle zu verlieren.
 

Alles in Ordnung, Kaiba. Bloß nicht den Verstand verlieren. Ich widmete mich wieder meiner Arbeit und atmete einmal tief ein und aus. Gerade, als ich dabei war, mich wieder zu fangen, klopfte es an der Tür - mein erwarteter Besuch von der Presse.
 

“Herein”, sagte ich eher befehlend als erlaubend. “Ein gewisser Herr Lawyer für Sie, Mister Kaiba”, klärte mich Roland auf und verließ den Raum.
 

Das bekannte Gesicht lächelte mich begrüßend an, ehe ich aufstand, um dem Mann einen kräftigen Händedruck zu geben. “Setzen Sie sich”, bat ich ihn und tat das ebenfalls. Jeffrey musterte mich und er würde mich genau das selbe fragen, wie er es letztes Mal getan hatte.

Er würde wissen wollen, wie ich damit umgehe, dass Duel Discs aus dem Trend draußen waren und nur noch sehr unwahrscheinlich erneut einen Hype bekommen werden würden.
 

“Gerüchten zufolge ist das Bestehenbleiben Ihrer Firma nicht in Ihrem geringsten Interesse”, fing Lawyer an, zu reden und hatte seinen Block schon bereit. “Gerüchten darf man nicht glauben”, machte ich ihn mit mahnender Stimme aufmerksam und fixierte seinen Blick. Wenn man die Gerüchte, die man über mich hört, glaubt, dann muss man ein ganz schöner Idiot sein. Ich habe viele Feinde und Konkurrenten, die mich ausschalten wollen. Das ist ein Überlebenskampf, den normale Bürger nicht nachvollziehen können.
 

“Meine High-Tech Duel Discs werden jedoch schon sehr bald wieder den Höhepunkt ihres Daseins erreichen”, versicherte ich mit einem Unterton von Gier und steckte die Hände vor dem Gesicht ineinander. “Ist das so?”, hakte der Herr nach und blickte mich gespannt an. Ich nickte und lachte kurz auf.
 

Egal, wie - ich werde mich nicht ausschalten lassen. Von Nichts und Niemandem. Auch, wenn ich dafür meine Ehre und meinen Stolz verkrüppeln muss - die Kaiba Corporation bleibt bestehen. Das war alles harte Arbeit und ich habe es verdient, mich in meinem selbst ergatterten Ruhm zu sonnen.
 

“Glauben Sie, dass es Ihre geliebten Discs schaffen, so erfolgreich zu werden, wie sie es zu Beginn waren? Zu dem Zeitpunkt, wo alle darüber geredet haben und im reinen Duel Monster-Fieber waren?”, er hielt den Kugelschreiber schon mit der Spitze am Blatt. Er notierte jede kleinste Bewegung und Mimik von mir. Schreib’ es dir ruhig auf - in mich hinein sehen kann keiner.
 

“Nein”, fing ich an, “sie werden berühmter, als je zuvor”, verriet ich mit einem unglaublichen Maß an Selbstvertrauen. Jeffrey schien mein amüsantes Gesicht zu bemerken und schrieb auch das nieder. In mir bildete sich Schadenfreude, als ich mir meinen gut durchdachten Plan durch den Kopf gehen ließ.
 

“Und wie genau wollen Sie das schaffen?”, der Mann zeigte echte, nicht gespielte Neugier. Ich richtete meinen Blick gerade aus, legte mein Kinn auf die zusammen gesteckten Hände, sah ihn ganz direkt an und öffnete die Lippen: “Ich bin Seto Kaiba”.

Die letzte Vorbereitung (J)

Joseph, du hast morgen deine Abschlussprüfung!”, erinnerte mich Mum zornig und stürmte in mein Zimmer. “Deswegen schreibe ich auch gerade meine Arbeit fertig”, ich verdrehte die Augen und hatte heute schon genug Scheiße durchgemacht. Dass mir die Abschlussarbeit den Rest gab, sollte sie in meinem Gesicht herauslesen können. Ich war hundemüde und an den Grenzen meiner Konzentration. Sagte ich gerade ‘hundemüde’? Energisch warf ich alle Bücher und Zettel vom Tisch und schleuderte den Sessel gegen die Wand.
 

“Joey?”, kam es von links. Serenity stand verängstigt in der Türe und traute sich fast gar nicht, herein zu kommen. “Macht dir die Prüfung zu schaffen?”, fragte sie und wagte sich mit leichten Schritten herein. Sie setzte sich auf mein Bett und ich merkte, dass es schon fast 19 Uhr war. Schwester blickte mich unsicher und besorgt an. Ich behauptete, ich sei nur etwas unter Zeitdruck gewesen und dass alles ganz okay laufen würde. Darauf bat ich sie höflich, wieder in ihr eigenes Zimmer zu gehen. Serenity respektierte meine Privatsphäre und befolgte meine Bitte.
 

“Jetzt aber ernst”, sprach ich zu mir selber und ordnete alles wieder auf den Tisch. Den Sessel, der zum Glück noch alle vier Beine besaß, stellte ich auf wieder auf den Platz zurück und setzte mich nieder. Die Uhr tickte und ich fühlte mich unwohl.
 

Ich las mir die Arbeit noch einmal genau durch, begutachtete jedes einzelne Wort. Meine müden Augen glitten abwechselnd von links nach rechts, registrierten den Fließtext. Ich versuchte, mich so gut, wie möglich, aufs Lesen zu konzentrieren und nicht abzuschweifen. Ich müsste den Text dann nur noch ausdrucken und folieren lassen. Das geht in einem Copy- oder Printshop ganz schnell.
 

Und dann, wenn ich diese ganzen Seiten abgebe, die Prüfung bestehe und die Schule somit abgeschlossen habe? Was dann? Dann müsste ich mir ganz schnell eine Wohnung suchen, weil Mum mich hier nicht mehr länger duldet. Ich fühle mich hier nicht willkommen. Das einzige, das mir ein Familiengefühl gibt, ist Serenity. Sie kümmert sich um mich, wie ich mich auch um sie immer kümmere. Aber das war es auch schon an Personen in diesem Haus; ich, Serenity und Mum.
 

Vorübergehend müsste ich aber bei jemandem einziehen, bis ich eine Wohnung kriege. Geht ja nicht von heute auf morgen, logischerweise. Zu wem könnte ich da gehen? Ich weiß nicht, ob Yugi mich für ein Jahr oder mehr bei sich aufnehmen könnte. Ich fing an, mir ernsthafte Sorgen zu machen. Es fühlte sich so an, als würde ich nirgendwo richtig hingehören.
 

Verärgert über mich selber, merkte ich, dass ich die Arbeit noch nicht fertig gelesen hatte. Bin mittendrin abgeschweift, wie ich es eben NICHT wollte. Noch einmal riss ich mich zusammen und durchforstete meine geschrieben Worte und deren Zusammenhang. Es war alles bis auf die letzte Fußnote genau durchgearbeitet. Es kostete mich Monate, dieses Werk zu vervollständigen. Bücher durchlesen, Texte exzerpieren, Recherchieren… das alles hatte nun ein Ende.
 

Als ich auch schon die letzte Seite vor Augen hatte, und diese fertiglas, stöhnte ich erleichtert auf und legte den Kopf in den Nacken. Ich war stolz auf mich. Einmal im Leben habe ich etwas richtig gemacht und was erreicht. Die mündliche Prüfung wird ebenfalls von mir gerockt werden. Ich hatte gute Noten und brauchte nie Nachhilfe in einem Fach - gegen meine Intelligenz hat noch niemand etwas eingewandt. Aber natürlich rechnete mir Mum das nie an, ihr war es wie immer vollkommen egal, ob ihr Sohn ein vertrottelter Typ oder ein kluger Bursche war. Hauptsache, er verlässt diese Wohnung bald und meldet sich dann am besten auch nie mehr. Ich kann nicht genau sagen, ob sie mir wirklich etwas bedeutet oder ob ich dann liebend gerne den Kontakt mit ihr abbreche.
 

“Das wär’s für heute gewesen”, beruhigte ich mich und legte mich schon ins Bett. Das weiche Kissen und die kuschelige Decke taten gut. Mir wurde schnell warm und meine Augenlider schlossen sich langsam. Morgen, ja, morgen - nur noch vor der Schule zum Printshop gehen und dann ist alles erledigt. Plötzlich riss ich meine Augen auf und schimpfte in Gedanken; der Shop hatte erst ab 9 offen und die Schule begann um 8…
 

Auch, wenn mich gerade keine 100 Pferde aus dem Bett gebracht hätten, wusste ich, dass ich aufstehen musste. Mies gelaunt und wirklich schläfrig begab ich mich also noch einmal für heute in meine Jacke und meine Sportschuhe. Ich nahm den USB Stick mit, wo mein Projekt gespeichert war.
 

Es war 5 vor 8, und bis 20 Uhr hätte ich Zeit. Schnell rannte ich aus dem Haus und lief durch die Straßen. Die Laternen waren schon an und das Licht im Geschäft war noch an. Als ich ein paar Meter davor stand, wurde das Licht ausgeknippst und der Verkäufer schreitete raus. Mit dem Schlüssel sperrte er den Laden zu. “Ist das euer Ernst”, ich blieb stehen und sah zu.
 

Ich fluchte noch ein paar Mal, bis ich beschloss, wieder umzukehren. Im nächsten Augenblick aber hörte man einen gewaltigen Lärm und bekam Windstöße ins Gesicht gepeitscht: Ein Hubschrauber landete direkt neben mir. Jemand schritt mit einer edlen Körperhaltung auf mich zu, und es war niemand Geringeres, als Seto Kaiba.

Lasset die Spiele beginnen (K)

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Nie mehr weg von dir (J)

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Hundemüde (K)

Der Wecker piepte, es war - wie immer - 5 Uhr Morgens. Joey drehte sich auf die Seite und brummte. Ich küsste seine Schulter, streckte mich ordentlich und stieg dann aus dem Bett. Ich wusste, dass kleine Schulkinder heute Abschlussprüfung hatten, und so auch Wheeler. Davor muss er mir aber noch einen kleinen Gefallen tun. Oder sollte ich sagen, ich werde ihm eine Freude bereiten?
 

Noch verschlafen taumelte ich ins Bad. Ich gähnte laut und rieb mir die Augen, bevor ich in die Dusche stieg. Während des Duschens gähnte ich mehrmals, fragte mich, weshalb ich diesen Morgen so verdammt müde war. Nach dem Muntermacher schlenderte ich in den Speisesaal, wo schon Frühstück für mich angerichtet war. Und - wie ich gestern befohlen hatte - eine zweite Platte. Diese beiden balancierte ich gekonnt auf den Händen, mit dem Fuß trat ich leicht gegen die bereits geöffnete Türe.
 

Vorsichtig legte ich das eine Frühstück auf der Theke ab, während ich das andere dem Blonden auf den Bauch legte. Dieser regte sich leicht und öffnete verwirrt die Augen. “Für dich; Frühstück im Bett”, lächelte ich und wuschelte ihm durch die Haare. Joeys Mundwinkel zuckten leicht nach oben und er richtete sich auf.
 

“Das wäre doch nicht nötig gewesen”, er fiel über das Essen her und mampfte, als hätte er die ganze Nacht gehundert. Anscheinend ist es doch nötig gewesen. Oder er ist einfach nur ein Fresssack.
 

Er fragte, weshalb ich ihn schon so früh weckte, worauf ich antwortete, dass ich einen Termin mit der Presse hatte. “Und du kommst mit”, fügte ich hinzu. Joey hielt für einen Moment inne und fasste sein Essen kurz nicht an. Er glaubte nicht, was er da gerade gehört hatte.
 

“Ich will dich der ganzen Welt präsentieren”, flüsterte ich in sein Ohr, worauf der etwas überforderte Joey Gänsehaut bekam. Oh, ja - ich will dich der ganzen Welt zeigen; Alle sollen sehen, dass wir zusammengehören. Wir werden in den Medien pausenlos erwähnt werden und es wird nur noch über uns geredet. Das ganze Land wird nur noch über uns reden. Und das ist der Anfang von meinem Comeback - dann wird wieder alles bergauf gehen. Kein Zweifel.
 

Die Quoten werden steigen und mein Budget auch. Ganz genau so, wie es sich für die ganze harte Arbeit gehört. Ich werde wieder der mächtigste Mann sein, den die Menschen kennen und ehrfürchten werden.
 

Ich nahm mir meine Platte und speiste ebenfalls davon. Den Kaffee trank ich sofort leer, den Apfel biss ich in kurzer Zeit bis zum Kerngehäuse und die Spiegeleier aß ich gleichfalls rasch weg. Ich hatte keine Zeit für ein ausgiebiges essen - das stand auch nie im Vordergrund meines Tagesplans.
 

“Danke für’s Frühstück, Großer”, kam es entspannt von Joey, der gleich wieder einschlafen hätte können. Ich küsste seine Wange und sagte ihm, er solle sich auch schon fertig machen und sich mental auf ein Interview vorbereiten.
 

Wieder gähnte ich - es fing schon an, verdächtig zu werden. So verdammt müde war ich lange nicht mehr. Ich schob das Grübeln jedoch zur Seite und machte mich auf den Weg in mein Büro, in welchem ich den Laptop einschaltete und wie jeden Tag meine Pflichten als Firmenchef erledigte.
 

Da die Müdigkeit nicht nachließ, beschloss ich, mir einen Kaffee zu machen. Vielleicht war das übertrieben, aber ich konnte mir solche Augenringe einfach nicht leisten - vor Allem nicht, auf Fotos. Vor Allem Allem nicht Fotos, die dann in der Zeitung sein werden.
 

Joey war gerade duschen, als Mokuba ins Büro reingestürmt kam. “Seto, wieso ist Joey hier?!”, stieß mein kleiner Bruder total verwirrt aus und war sich nicht sicher, wie er reagieren hätte sollen. “Den wirst du die nächsten Tage öfter sehen. Aber danach ist wieder Ruhe”, gab ich als Antwort und beließ es bei der nicht sehr informationsreichen Aussage.

“Hat er etwa… in deinem Bett geschlafen?”, Mokuba weitete die Augen. “Mokuba, es reicht!”, mahnte ich und schickte ihn raus. Ich habe keine Geduld und keine Zeit, ihm das alles jetzt noch zu erklären und zu erläutern. Erstens würde er mir sagen, ich wäre ein herzloses Arschloch, und zweitens würde er dann nicht aufhören, mir meine Idee ausreden zu wollen. Und was bedeutet das? Genau - dass ich gar nicht erst damit anfange, ihn einzuweihen.
 

“Seto, ich muss noch meine Abschlussarbeit folieren”, sagte Joey, der mit nassen Haaren in der Türe stand. “Hat er dich gerade Seto genannt?!”, Mokuba traute seinen Ohren nicht. Erneut befahl ich ihm, sich nicht in diese Gelegenheiten meinerseits einzumischen.
 

Joey übergab mir seinen USB-Stick, welchen ich in den Laptop steckte und ausdrucken ließ. Danach folierte ich die Zettel, wie er mich darum gebeten hatte. Er bedankte sich mit einem Kuss auf meinen Mund.
 

“Föhn’ dir die Haare - es werden Fotos von uns gemacht”, informierte ich ihn und gähnte. Mein Kiefer war schon total überspannt und knackste sogar, während ich den Mund aufriss. Um Gottes Willen, irgendetwas stimmte nicht mit mir.
 

Als Joey sich die Haare trocknen gegangen war, stellte ich sicher, all meine Gefühle für ihn abgeschalten zu haben. So ein Schwächeanfall wird mir nicht mehr unterlaufen.

Ja, aber bereust du es? (J)

Seto wollte uns der ganzen Welt zeigen? Mit dem Glück, mich bei sich haben zu dürfen, prahlen? Das ging alles viel zu schnell. Andererseits freute es mich riesig, dass es überhaupt so weit gekommen ist. Ich bin mit Seto Kaiba… zusammen.
 

“Joey, bist du dann bald fertig?”, kam es ungeduldig vom Dunkelhaarigen. “Jaha!”, entgegnete ich und schlenderte mit pulsierenden Adern in sein Büro. Seto wartete schon mit fast gerissenem Geduldsfaden sitzend auf dem Bürosessel. Und er sah einfach nur wunderschön aus. Diese kalten, blauen Augen hatten mich gestern voller Gier angeschaut.
 

Setos Hände waren ineinander gesteckt, sein Blick hatte mich fixiert und seine Haare saßen wieder einmal perfekt. Am Tisch lagen viele Dokumente, Stifte, Stempel und Briefkuverte. So viele, dass ich schon beim Gedanken daran, in seiner Haut zu stecken, imaginäre Kopfschmerzen bekam. Wie brachte dieser Mann das alles unter einen Hut? Kein Wunder, dass er kaum Zeit für Mokuba findet. Er findet kaum Zeit für Mokuba, hat mich aber gestern Nacht liebkost… Mein Körper zuckte kurz wegen einem kleinen Kälteschub. Konnte es wirklich sein, dass ich so ein verdammtes Glück hatte?
 

“Hinten in der Ecke befindet sich ein zweiter Stuhl”, machte er mich aufmerksam und guckte auf die Uhr. Ich holte den Stuhl, rollte ihn her und setzte mich neben Seto. Es dauerte eine Weile, bis ich entspannt drauf sitzen konnte. Ich - Joey Wheeler - saß neben dem großartigen Seto Kaiba. Am liebsten hätte ich mich zwanzig Mal zwicken lassen, um sicher zu gehen, dass das real war.
 

“Die Presse sollte jeden Augenblick hier eintreffen”, bemerkte der Firmenleiter und war bereits mental darauf vorbereitet. Ich im Gegensatz dazu war angespannt und nervös.
 

Die Türe wurde von Roland geöffnet, und eine schlanke, blonde Frau trat ein. Seto stand ruckartig auf, kam der Blondine entgegen und schenkte ihr einen kräftigen Händedruck. Die beiden begrüßten sich und nahmen Platz. “Joey Wheeler”, gab auch ich nun bekannt und schüttelte der Frau ebenfalls die Hand.
 

Sie sah abwechselnd zwischen uns hin und her, lächelte und wusste gar nicht, wie sie anfangen sollte. “Wie kam es dazu, Herr Kaiba?”, fragte sie und konnte das Zucken ihrer Mundwinkel gar nicht mehr kontrollieren. “Nun, denn”, Seto lehnte sich zurück und sah zu mir herüber. Ich lief rot an und blickte herunter.
 

“Ich habe meine Prioritäten auf einen anderen Schwerpunkt verlagert und beschlossen, mir eine Belohnung für meine harte Arbeit zu gönnen. Joey ist alles für mich”, kam es ernst aus dem Mund des CEO. Die junge Frau notierte und war ganz fasziniert von unserer Romanze. Zugegeben, so etwas hätte die Welt nie erwartet.
 

“Wie sehen Sie das?”, sie hatte den Stift noch am Papier und wartete auf die Antwort aus meiner Sichtweise. “Es hat sich nunmal so ergeben. Ich konnte seinem speziell wirkenden Charm nicht widerstehen”, ich grinste und kratzte mich verlegen am Hinterkopf. Mach’ dich hier nicht zum Idioten, Joey.
 

“Welche Auswirkungen wird diese Beziehung auf Ihre berufliche Karriere haben?”, die Frau blickte nun ernster und war wirklich interessiert. Seto richtete sich auf; “Diese Frage kann man zweideutig verstehen: Erstens, wie es meine Arbeitszeiten und Arbeitsweise beeinflusst, und zweitens, wie es den Verkauf meiner High Tech Duel-Disks beeinflusst. Nun; Da Joey nun ein wichtiger Teil ist, werde ich ihn stets in meiner Zeiteinteilung berücksichtigen. Zum zweiten Punkt: Es ist mir gleich, wie der Verkauf meiner Produkte dadurch läuft. Vielleicht steigt er, vielleicht sinkt er. Auf jeden Fall werde ich meinen Joey da nicht hineinziehen”.
 

Die Art, wie der Braunhaarige im Interview sprach, war fast noch ernster, als sein normaler Tonfall. Er blickte sein Gegenüber mit solch einem ausdrucksstarken Blick an, dass man überhaupt nicht mehr wegsehen konnte. Man traute sich gar nicht, ihn während des Sprechens zu unterbrechen oder auch nur den kleinsten Laut von sich zu geben.
 

Die nächste Frage wurde gestellt; “Wie werden Sie zwei mit den nicht ganz so netten Kommentaren der Gesellschaft umgehen? Homosexualität ist noch nicht überall akzeptiert”. Ich biss mir versehentlich auf die Zunge, mein Gesicht verzog sich und ich schmeckte Blut; Mum. Mum würde davon mitbekommen. Serenity würde es mitkriegen. Yugi, Tea und Tristan würden das ebenfalls nicht verschwitzen. Nun war ich verklemmter, als vorher.
 

Ein gleichgültiges Lachen verließ Setos Mund; “Haben Sie jemals erlebt, dass ich mich von feindseeligen Kommentaren einschüchtern habe lassen?”. Die Blonde lächelte, schüttelte den Kopf. Dann sah sie zu mir rüber; sie erkannte, wie verspannt ich war. Ihr Lächeln verwandelte sich in einen skeptischen, analysierenden Blick. Ihre Hand schrieb weiter an den Notizen. Was genau wohl notiert wurde? Ängstlicher, jämmerlicher Wheeler?
 

Ein paar Fragen und Antworten folgten noch, ehe die Interviewerin ihre Kamera aus der Tasche holte. Gekonnt stellte sie bestimmte Funktionen richtig ein, drückte an den Einstellungen herum, immer wieder das Licht im Zimmer analysierend. Letztendlich, als alles perfekt gewesen zu sein schien, erhob sie das Gerät und bekam uns beide vor die Linse. “Das wird das Titelfoto der Zeitung! Zusammenrücken und lächeln!”, sie knippste ab und in meinem Magen drehte sich alles um.

Ich bereue es (K)

Perfekt. Das Foto wurde geschossen und somit hatte ich Bestätigung, dass alles nach Plan lief. Die Menschen in dieser Stadt würden sich dann in zwei Teile spalten: Die einen, die wissen, dass ich das nur für meinen beruflichen Weg tue, und die ganze Sache nicht glauben - gut. Und dann die Leute, die das total rührend und mutig von mir finden - ebenfalls gut. Keine Missgeschicke vorsehbar.
 

Ich werde heller im Mittelpunkt scheinen, als jemals zuvor. Ich werde Aufmerksamkeit erlangen. Zwar durch ein falsches Bild, aber dennoch. Dieses Trugbild lässt meine Karriere wieder aufatmen.
 

“Vielleicht noch ein Kussfoto?”, fragte die Frau mit einem Lächeln. Ohne Joeys Zustimmung drehte ich seinen Kopf zu mir und legte meine Lippen auf seine - kein einziger Hauch von Gefühlen. Ich habe es abgestellt. Habe es nun endgültig geschafft, diesem ganzen Quatsch nicht mehr unterwürfig zu sein. Kein Drang nach Zuneigung, kein Bedürfnis nach gemeinsamen Nächten, keine Abhängigkeit. Du hast es geschafft, Kaiba. Hast dich endlich losgerissen von der schlechten, billigen Romanze. Hast dich endlich wieder unter Kontrolle.
 

Das Bild wurde geschossen und man konnte Joeys Rötung im Gesicht nicht verfehlen. Bist du denn immer noch so in mich verliebt, du naive Töle. Glaubst du wirklich, ich wäre dir noch emotionaler Untertan.
 

Zart strich ich noch über die Wange des Blonden, der mich mit Begierde ansah. “Hier wird’s ja heiß!”, die Interviewerin ließ einen kurzen Lacher aus. Danach verabschiedete sie sich von uns und wurde von Roland aus dem Raum geführt. Die Türe ging zu und einen Moment herrschte Stille.
 

“I-ich liebe dich so”, Joey war den Tränen nahe und wusste gar nicht, wie er sich verhalten hätte sollen. Er fiel mir in die Arme und presste sein Gesicht gegen meine Brust. Meine Hände vergrub ich in seinen Haaren und gab ihm ein Gefühl von Geborgenheit. Ich kann nicht nur Gefühle unterdrücken, ich kann sie auch vorspielen.
 

“Ich liebe dich auch”, meine Stimme klang warm, zart und weich. “Ich muss jetzt aber in die Schule. Meine Abschlussprüfung”, Joey hatte ein Zittern in der Stimme, das mich keineswegs kümmerte. Ich erhob mich, drückte ihm seine folierte Arbeit in die Hand und bestellte ihm ein Taxi, dessen Fahrer ich einen Zwanziger in die Hand drückte. Mach’, dass du mir aus den Augen kommst. Zumindest für ein paar Stunden.
 

Der Schüler umarmte mich und stieg in das gelbe Auto und winkte mir noch herzlich zu. Ich legte ein Lächeln auf die Lippen, das sofort verschwand, nachdem der Wagen weit genug war. Ich putzte meinen Mantel ab und machte mich wieder auf den Weg in mein Büro.
 

Kaum hatte ich mich auf meinen Stuhl gesetzt, begann das Telefon zu läuten. Es waren wie immer zahlreiche Anrufe in der Leitung. Gerade, als ich den ersten durchstellen lassen wollte, stürmte Mokuba herein und ich legte auf.
 

“Seto, erkläre mir, was das mit Joey auf sich hat!”, forderte der Kleine und sah mich komplett orientierungslos an. Ich lachte kurz auf und zuckte mit den Schultern. “Ihr habt...zusammen in einem Bett geschlafen”, seine Augen weiteten sich. “Mokuba, es reicht!”, fuhr ich ihn an, worauf er ein paar Schritte zurück machte und sich letztendlich umdrehte, um zu gehen. Du hast ihn schon wieder angeschrien, Kaiba. Er geht schon wieder traurig aus deinem Büro. Als er den letzten Schritt aus dem Raum gemacht hatte, schlug er die Türe hinter sich kräftig mit dem Fuß zu. Es knallte.
 

Sauer fuhr ich mir durch die Haare und musste wieder etwas Produktives machen. Hastig rief ich Roland an; “Bitte die nächsten Statistiken über den Verkauf von Duel Discs ausdrucken und mir so bald, wie möglich, bringen”. Damit beendete ich auch schon das Gespräch und seufzte laut. Am liebsten hätte ich alles hier umgeworfen und zerschmettern sehen.
 

Ja, ich habe mit ihm ein Bett geteilt. Ja, ich habe mit ihm geschlafen. Ja, ich habe ihm meinen nackten Körper komplett zur Verfügung gestellt. Und ich bereue es. Ich dachte, ich hätte die Situation halbwegs unter Kontrolle, da ich keine Gefühle durchdringen lassen habe - aber nun verliere ich den Verstand. Es trieb mich zur Weißglut. Mit der Faust schlug ich gegen die Wand und fühlte mich machtlos. Ich, der große Seto Kaiba, fühlte sich machtlos. Welch ein Jammer.
 

Du liebst ihn nicht. Du liebst ihn nicht, verdammt! Ein weiterer Faustschlag. Wie, als würde man mir die Luftzufuhr nehmen, atmete ich kräftig und laut ein und aus. Es machte mich so fertig. Die Sache mit Wheeler ließ jegliche Leitungen in mir durchbrennen.
 

“Was ist aus dir geworden”, sprach ich gegen die Wand. “Wie willst du der Öffentlichkeit eine Beziehung mit diesem Idioten vortäuschen, wenn du nicht einmal den Gedanken an ihn aushältst”, meine Lippen zitterten. Ich spürte, wie mein ganzer Körper zitterte und kurz davor war, in sich einzusacken.
 

Er hat heute seine Abschlussprüfung. Danach würde er sich einen Job suchen und sein eigenes Leben endlich auf die Reihe bekommen. Das bedeutet, dass ich ihn, nach erfolgreicher Verkaufsquote der Duel Discs, wieder alleine zurücklassen kann. Er wird dann schon klarkommen. Wird er schon.
 

Und ich?

Du bist durch! (J)

Ich saß gerade im Taxi, als mich die Prüfungsangst überkam. Ausgerüstet mit meiner fertigen Arbeit, schwitzte ich im Wagen vor mich hin; einerseits wegen dem Test, andererseits wegen der Sache mit Seto. War es wirklich so weit, dass er mich der ganzen Welt zeigen wollte? War er so stolz, mich “Sein” nennen zu dürfen?
 

Während der Fahrt blickte ich aus dem Fenster und sah zu, wie die ganze Welt an mir vorbeiraste. Ein Lächeln, von welchem ich nicht wusste, woher es kam, bildete sich auf meinen Lippen. Ich war nervös und unruhig, gleichzeitig entspannt und fühlte mich sicher. Gut: Ich bin mit Seto zusammen. Schlecht: Alle werden es erfahren. Schlecht: Ich habe gleich die alles entscheidende Prüfung. Gut: Wenn ich diese schaffe, ist Vieles einfacher.
 

“Die Schule hier?”, fragte der Fahrer. “Ja”, gab ich als Antwort. Der Wagen hielt und mein Herz raste. Langsam stieg ich aus und machte die Türe zu. Das Auto fuhr weiter und ich stand vor dem Schulgebäude. So, Joey - das ist der große Tag. Ich atmete tief durch und machte mich auf den Weg in meine Klasse. Meine Mitschüler saßen alle vorm Raum, in dem gerade der erste zur Prüfung antrat. Viele gingen ihre Arbeit noch einmal durch, um sie auch präzise und gekonnt zu präsentieren. Ich gehörte nicht dazu; ich wollte mich nicht noch unsicherer machen, als ich ohnehin schon war.
 

Meine rechte Hand knitterte die folierte Arbeit. Ich hob meinen Kopf leicht, starrte an die Decke und ging hin und her. Alles wird gut, Joey. Alles wird gut.
 

Der Student kam aus dem Klassenzimmer. Vom Alphabet her sollte ich dann der Nächste sein. “Und? Geschafft?”, kam es von meiner linken Seite. Der Angesprochene schüttelte den Kopf, worauf man bemitleidende Töne hörte.
 

“Joey Wheeler”, die Stimme der Direktorin schrillte in meinen Ohren. “Ja!”, sagte ich mit lauter Stimme und marschierte schnurstracks in den Raum, in welchem insgesamt drei Personen ausschließlich mir waren. Diese saßen direkt vor mir und blickten mich erwartend an.
 

“So, wer bist du und was erzählst du uns heute?”, fragte die eine Frau mit den blonden Haaren und der dick umrandeten Brille. “Mein Name ist Joey Wheeler und ich stelle Ihnen heute meine Vorwissenschaftliche Arbeit vor”, meine Handflächen schwitzten.
 

Wie genau alles verlaufen ist, möchte ich nur ungern beschreiben. Meine Nervosität nahm Überhand, und nach dem Vortrag hätte ich mich am liebsten ohrfeigen wollen; ich hätte es so viel besser machen können! Nichts desto Trotz bestand ich - ich bekam meine positive Note und war somit durch.
 

Die ganze Arbeit, der Schweiß und sogar die Tränen waren es wert. Ich glaube, ich habe noch nie in meinem Leben so stark ausgeatmet. Ein Steinblock fiel mir von der Brust, ich fühlte mich wieder frei. Nichts mehr, wovor ich beim Anblick des Kalenders Gänsehaut bekam.
 

Zuhause angekommen, prahlte ich erst einmal mit meinem Zeugnis. Mum jedoch wollte auf etwas ganz Anderes hinaus; “Super. Jetzt kannst du dir einen Job und eine Wohnung suchen!”.
 

Sie war erleichtert und angesäuert zugleich. Es zerriss mir das Herz, quasi rausgeschmissen zu werden, doch ebenso verspürte ich Freude, diesen Familienstress nicht mehr ertragen zu müssen. Mir Nichts mehr von ihr anhören zu müssen, mich nicht mehr herumkommandieren zu lassen.
 

“Ich werde mein eigenes Leben aufbauen und es wird mir besser gehen, als hier!”, behauptete ich selbstsicher und sogar etwas frech. “Gut. Morgen bist du weg!”, sagte sie festlegend und ließ kein ‘wenn’ oder ‘aber’ zu. Mit diesen Worten entfernte sie sich von mir und ging ins Schlafzimmer. Wie paralysiert stand ich im Wohnzimmer; morgen werde ich bereits rausgehaut? Wohin so schnell? Mit dem Geld, das Seto mir gab?
 

Total überfordert rannte ich in mein Zimmer, knallte die Türe zu und fiel ratlos ins Bett. Ich werde auf der Straße landen und Nichts zu essen haben. Werde auf Kleingeld von Passanten angewiesen sein. Werde auf dem kalten Asphalt schlafen und, wenn ich Glück hatte, am nächsten Morgen dort aufwachen. Undenkbare Szenarien spielten sich in meinem Kopf ab, bis ich zum Entschluss kam, positiv zu denken. “Positiv. Also, was ist an der ganzen Situation nun positiv?”, sprach ich zu mir selber und war kurz vor dem Verzweifeln.
 

“Nichts. Ich bin allein, ich bin einsam. Ich…”, plötzlich öffnete sich etwas. Ich bin eben nicht alleine! Oh mein Gott, ich bin doch mit Seto zusammen! Es war fast, wie in einem Traum. Seto hätte sicher Nichts dagegen, wenn ich für eine Weile bei ihm bleiben würde - ganz im Gegenteil. Es würde ihm sicher eine Freude bereiten und er vermisst mich bestimmt. Wie könnte er auch nicht? Wir sind ein Paar. Gleich morgen würde ich ihn anrufen und meine Sachen packen. Dann heißt’s Bonvojage, Mum!
 

Mit diesem Gedanken löste ich mich von meiner verklemmten Stimmung und war kurz davor, einzuschlafen. Die ganze Welt schien plötzlich wieder, wie ein friedlicher Ort zu wirken und mich zu beruhigen, anstatt Druck auf mich aus zu üben. Alle Sorgen waren mit einem Mal verschwunden und übrig blieb nur noch der süßliche, befriedigende Gedanke an meinen Seto.

Monster (K)

Es war nun schon zwei Tage her, seitdem der Artikel von Wheeler und mir in der Zeitung veröffentlicht wurde. Der Verkauf von den Duel Discs wurde bis ins Unermessliche raufgekurbelt und gepusht. Alles lief wieder wie geplant, dachte ich; doch es gab etwas, das mir extrem fehlte. Trotz der ganzen Macht und Kontrolle, die ich nun besaß, war da etwas, das mir Dolchstiche ins Herz versetzte. Eine Sache, die es so wirken ließ, als ob ich nur die Hälfte meiner Wenigkeit wäre. Als ob ein Puzzleteil fehlen würde: Joey.
 

Ich schrieb ihm, dass ich die nächsten Tage sehr beschäftigt sein würde und somit keinerlei Zeit für ihn hätte. Eigentlich stimmt es ja - ich bin ein sehr beschäftigter Mann. Jedoch habe ich das mit dem Zeitmangel nur behauptet, um mir den Blonden vom Hals zu halten. Um Ruhe von ihm zu haben. Um mir kein Kindertheater antun zu müssen. Komischerweise muss ich aber zugeben, dass er mir fehlt und dass meine egoistische Art total falsch war. Wie verlogen und selbstsüchtig war ich, einen Menschen anzulügen, der mir voll und ganz vertraute? Gänsehaut bildete sich auf meiner Haut.
 

Ich erinnere mich daran, an jenem Morgen so verdammt müde gewesen zu sein. Das war nach der Nacht, in der ich mit Joey schlief. Ich denke, ich kenne nun den Grund dieses extrem hohen Müdigkeitsschubes: Ich habe mit ihm gekuschelt. Ich habe noch nie mit jemandem gekuschelt, habe noch nie so gut geschlafen.
 

In den letzten drei Tagen konnte ich Nachts überhaupt nicht schlafen. Meine Meinung zu Joey verwandelte sich von “Vertrottelter Amateur” in “Ich brauche dich, Joey und es tut mir Leid”. Dieses Gefühl versetzte mich in eine Art Schuldgefühlwahn. Ich fühlte mich so schäbig, einfach, wie ein Arschloch. Höchstwahrscheinlich war ich auch die ganzen Jahre ein arrogantes Arschloch, hielt es aber für angemessen. Dachte, es wäre in Ordnung und gerechtfertig, nur, weil ich der große Seto Kaiba bin. Das war nicht richtig von mir.
 

Mein Herz gleichte einem großen, harten Steinklotz, der innen eine ganze Ausstellung von Narben und Verletzungen verbarg. Weil ich früher so stark verletzt worden bin, war ich im Glauben, dasselbe anderen Leuten zufügen zu dürfen. Ich hielt mich für etwas Besseres und rieb es anderen unter die Nase. Ich ignorierte und verspottete Menschen, wertete diese ab. Für mich waren alle minderwertige Kreaturen, die mir zu Füßen liegen hätten sollen. Was war ich nur für ein Idiot. Ja, genau - nicht die anderen waren die Spatzenhirne, sondern ich. Einzig und alleine ich; der große Seto Kaiba, der sich wie ein Kaiser über die ganze Stadt lustig machte.
 

Auch jetzt fühlt sich mein Herz an, wie ein riesiger Stein. Ein Stein, der mir schwer in der Brust liegt und mich runterzieht. Der sich von Schuldgefühlen ernährt und somit immer gewaltiger wird.
 

Ich saß mit leeren Augen vor meinem Laptop und konnte es nicht schaffen, meine Arbeit zu vervollständigen. Stattdessen grübelte ich über meine Vergangenheit. Und zwar nicht die mit Gosaburo und dem Waisenhaus; ich grübelte über die Jahre, in denen ich mich wie ein verdammter Trottel benahm. Wie könnte ich das jemals wieder zurecht biegen? Würden mir all diese Leute überhaupt verzeihen? Würde mir das überhaupt wer glauben, dass ich meine Fehler eingesehen habe?
 

Ich erschrack, als mir eine Träne über die Wange floss. Kaiba, weinst du? Ja, du tust es. Wie in der einen Nacht, in der du danach Joey in die Arme gefallen bist. Hatte dich überhaupt jemand jemals im Arm, außer Mokuba? Hat sich jemals jemand um dich gekümmert, außer Mokuba?
 

Die Statistiken des Verkaufs der Discs lag neben mir, geordnet und gerade auf dem Tisch. Doch was bringen mir diese Verkaufszahlen, wenn ich mich innerlich unkomplett fühle und mir Nähe wünsche? Eine Zeit lang starrte ich die Blätter an. “Du warst wirklich so selbstsüchtig”, sprach ich leise zu mir selber und erschauderte gar. Im Ekel vor mir selber, in der Reue meiner Charakterentwicklung.
 

Daneben lagen drei Zeitungen, in denen ich mit Joey das Titelblatt zierte. Verschiedene Meinungen wurden ausgesprochen, nicht eine einzelne interessierte mich. Am Anfang interessierte es mich nicht, weil es mir nur um mein Geld und meinen Erfolg ging. Und nun interessierten sie mich nicht, da ich einfach nur mit Joey glücklich sein wollte, egal, was andere dazu sagten. Noch mehr Tränen bildeten sich in meinen blauen Augen.
 

Sollte ich Joey anrufen? Wenn ich es tue, werde ich meine Erledigungen nicht abschließen können. Aber die würde ich mit diesem hohen Anteil an Liebeskummer sowieso nicht fertigstellen. Meine Hände griffen sich mein Handy und wählten mit zittrigen Fingern die Nummer des von mir Vermissten, welcher aber nicht abhob. Erneut versuchte ich, ihn zu erreichen. Wieder ein Fehlschlag. Völlig verzweifelt sprach ich ihm auf seine Mailbox; “Hey, Joey. Ich bin’s - Seto. Willst du vorbeikommen? Du fehlst mir und ich will nicht ohne dich schlafen gehen”.
 

Ich legte auf und konnte keine bessere Beschreibung für meinen Gefühlszustand finden, als “leer”. Wie würde die Welt reagieren, wenn sie den CEO Kaiba gerade sehen würde, in seinem Bürosessel sitzend und fast zerbrechend? Alle würden ihren Augen nicht trauen. Der große CEO hat Schuldgefühle wegen seinem früheren Verhalten und sehnt sich nach seinem Freund, der aber anscheinend nicht mehr interessiert ist.
 

War das Karma?

Ich will nicht ohne dich schlafen gehen (J)

“Dann zieh’ doch zu Kaiba, wenn du zu faul bist, um dir eine Wohnung zu suchen!”, schrie Mum und sah so aus, als hätte sie mir am liebsten ein ganzes Klavier ins Gesicht geworfen. Als sie seinen Namen erwähnte, gefror mir das Blut in den Adern; wie geht es ihm, was tut er? Eine unglaubliche Traurigkeit verbreitete sich in mir und settelte sich nieder. Ich wurde ganz still.
 

“Besser, als hier zu bleiben! Ich gehe meine Sachen packen”, meine Stimme klang trocken und rau. Sofort drehte ich mich um und machte mich auf den Weg in mein Zimmer. Mum sagte kein einziges Wort mehr. Diese Ruhe war so fremd, denn seit drei Tagen stritten wir so stark herum. Sie wollte mich schon unbedingt loswerden, frei von der Plage “Sohn”. Ich kann nicht genau sagen, wann es anfing, zwischen uns beiden total unangenehm zu werden. Ich erinnere mich nur daran, dass Mum irgendwann begann, Serenity zu bevorzugen, während ich immer tiefer in den Schatten gestellt wurde. Vielleicht wollte sie ihren Hass und Groll an irgendwem ausleben, weil Dad sie verlassen hat. Möglicherweise war ich der perfekte Sündenbock. Ich machte mir schon Jahre lang keine Gedanken mehr darüber - stattdessen suchte ich immer Wege, meine Mutter zu meiden und nicht all zu viel mit ihr zu reden.
 

Völlig erschöpft plumpste mein Körper auf die weiche Matratze des Bettes, welches mir in letzter Zeit ein stärkeres Heimatgefühl gab, als die Wohnung selber. Müde sahen meine trockenen Augen an die Decke. Kaiba - der Name versetzte mich ins Schaudern. Die Zeitungen sind voll von uns, und ich bilde mir ein, es lief sogar in den Nachrichten. Und trotzdem sind wir so weit voneinander getrennt. Wann hatte er sich das letzte Mal gemeldet? Das letzte Mal, das wir geredet haben, war an dem Tag, wo wir interviewt wurden. Drei Tage ohne irgendein Zeichen, ohne irgendeine SMS oder einen Anruf. Was war das für ein Freund? Tut man das seinem Partner einfach so an, ohne auch nur den kleinsten Streit gehabt zu haben?
 

Ich starrte die letzten Tage verzweifelt aufs Handy. So lange, bis es den Akku verlor und letztendlich runterfuhr. Warum ich nicht angerufen habe? Ganz einfach: Weil ich wissen wollte, ob er sich von alleine meldet. Ob er zeigt, dass er mich vermisst und sich ein baldiges Wiedersehen wünscht. Ob er die letzte Nacht wirklich ernst gemeint hat. Diese Momente waren einfach unbeschreiblich schön für mich, doch wer kann schon sagen, ob es auch das selbe für Seto war? Sehr viel Zweifel und Misstrauen ist in mir entstanden. Was, wenn das alles wieder nur ein schlechter Scherz war, ein falsches Versprechen? Irgendwie sah es so aus, denn es endete wie beim ersten Mal: Er ließ mich links liegen.
 

Ich drückte mein Kissen gegen mein Gesicht und schrie laut rein. Sollte ich es wirklich riskieren, und meinen Koffer packen, um bei dem anzuklopfen, der sich anscheinend nicht einmal mehr für mich interessiert? Schon wieder war ich kurz vor einem Nervenzusammenbruch. So langsam kam es mir so vor, dass Seto mein Leben Stück für Stück zerstört, anstatt es zu bereichern. Langsam aber sicher stirbt Gefühl für Gefühl in mir ab, bis ich irgendwann nur noch eine starke Taubheit in mir haben werde. Weißt du eigentlich, wie du mich leiden lässt, du reicher Idiot?
 

Ein schwaches Lächeln zierte meine Lippen, als ich den Gedanken im Kopf hatte. Genau mit solchen Namensgebungen diskutierten wir am Anfang immer, als wir noch gespielte Feinde waren… vielleicht hätten wir die auch bleiben sollen. Vielleicht wäre es besser so gewesen. Das Grinsen, das sich auf meinem Gesicht breit machte, wollte einfach nicht mehr verschwinden. Diese Erinnerungen an unsere zickigen Gespräche, die nie länger, als zwei Minuten andauerten, bauten sich wie Flashbacks vor meinen Augen auf. Und niemals werde ich vergessen, wie es für mich war, wenn wir dann aneinander vorbeigingen; wir waren beide genervt, doch gleichzeitig hätten wir lachen können.
 

Ich warf das Kissen auf den Boden und griff nach meinem Handy - leer. Ich gab die Hoffnung auf ein Lebenszeichen von Seto schon auf und hielt es nicht mehr für nötig, das Gerät überhaupt noch einzuschalten. Tränen bildeten sich in meinen Augen. Du hättest dir nun gewünscht, dass Seto kommt und dich in den Arm nimmt, nicht wahr, Joey? Du hättest am liebsten seine Wärme an dir gespürt und den Klang seiner Stimme in deinen Ohren gewollt. So gerne hättest du doch, Joey.
 

Weil ich sowieso nichts Besseres zu tun hatte, steckte ich das Handy doch ans Ladekabel und sah dabei zu, wie es aufleuchtete und sich einschaltete. Licht - davon fehlte mir viel im schwarzen Loch meines Herzens. Ich gab meinen PIN ein und erschrack, als ein Vibrieren deutlich machte, dass ich eine SMS bekommen hatte; eine Sprachnachricht. Von Seto?!
 

Unglaubwürdig starrte ich auf den Display. Vielleicht war es ein ‘Lass mich in Ruhe, okay? Okay’ - das war meine Angst. Doch andererseits hätte es doch auch ein ‘Ich vermisse dich’ sein können, oder? Ich hatte einfach nur Angst vor der ersteren Vermutung.
 

Ich spielte sie ab; “Hey, Joey. Ich bin’s - Seto. Willst du vorbeikommen? Du fehlst mir und ich will nicht ohne dich schlafen gehen”.

Du bist hier willkommen (K)

Mein Herz setzte kurz aus, als ich sah, dass Joey mich zurückrief. “J-joey?”, brachte ich stotternd heraus und kaute an meinen Nägeln. “Kann ich für ein paar Nächte bei dir bleiben?”, fragte er, hörte sich total fertig und erschöpft an. Hatte ich richtig gehört? Er wollte eine Weile hier bleiben? Bei mir, dem verlogenen Geschäftsmann? Ein dicker Strick schien meine Kehle einzuschnüren.
 

“Seto?”, kam es vom anderen Hörer. Sollte ich ihn wirklich zu mir lassen? Wenn er doch nur wüsste, was ich ihm alles verschwiegen habe. Kaum hörbar begann ich, zu sprechen; “Joey. Es würde mich riesig freuen, dich wieder einmal zu sehen. Die letzten Tage war ich sehr beschäftigt”. Ich klang völlig kaputt und schwächlich. Der Blonde drückte seine Freude aus, informierte mich dann aber kläglich über den Grund, einige Zeit bei mir bleiben zu wollen, oder besser gesagt, zu müssen. “Mir blutet das Herz”, gab ich leise, aber doch wahrnehmbar, von mir. So redete ich eigentlich nie, dieser Satz hat noch nie meinen Mund verlassen - und doch meinte ich ihn in diesem Moment ernst. Erst hielt ich ihn zum Idioten, und nun wird er von seiner Mutter hochkantig rausgeschmissen.
 

“Du bist hier immer willkommen. Bis später”, ich legte auf. Ich stieß ein lautes Raunen aus und ließ mich in meinen Bürosessel plumpsen. Was hast du getan, was hast du getan, was hast du getan, Seto. Diese ewigen Schuldgefühle werden mich sicher länger, als eine Woche, verfolgen. Aber hey, Joey kommt dann vorbei und dann kannst du ihn wieder in den Arm nehmen. Beruhig’ dich, Kaiba. Alles wird wieder gut. Hoffentlich.
 

Es klopfte an der Tür, worauf ich mich erschrack und schwören könnte, beinahe einen Herzinfarkt erlitten zu haben. “Herr Kaiba, ihr Kaffee”, kam es ernst von Roland. Ich versuchte, mich wieder zu fangen und so ernst, wie immer, zu schauen - dann gewährte ich ihm Einlass. Das Getränk wurde an meinen Tisch gestellt und ich dankte, bevor Roland den Raum wieder verließ. Ob Koffein diese wahnsinnigen Schuldgefühle ertränken konnte?
 

Ich nippte an der Tasse und grübelte, wie ich es Joey sagen sollte. Wie ich es ihm sagen soll, dass ich ihn nur benutzt habe. Ich mag arrogant, rücksichtslos und kalt gewesen sein, doch einen Menschen zu benutzen, war sogar unter meiner Würde. Ich war zwar kalt, aber niemals verlogen.
 

Es öffnete ein ganz seltsames Gefühl, über meine Charakterentwicklung nachzudenken. Und die Person, die ich vor einigen Tagen noch war. Ich trank meinen Kaffee leer, in der Hoffnung, er würde so schneller wirken. Tiefe Augenringe zierten mein Gesicht. Mein Blick war auf die Türe vor mir gerichtet - durch sie würde Joey hereintreten. Eine Weile starrte ich wie hypnotisiert einfach nur gerade aus. Wie viele Leute sind schon hier rein- und rausgegangen? Du hast es wirklich weit gebracht, Kaiba. Weil du immer deinen eisernen Willen beibehalten hast. Doch musstest du diesen Willen unbedingt mit Arroganz und Rücksichtslosigkeit mischen?
 

Ich glaube, ich habe seit meiner Kindheit nicht mehr so viel über Gefühle gegrübelt. Nur noch über Zahlen, Daten, Fakten. Zahlen, Daten, Fakten. Dahlen, Zakten, Faten. Fahlen, Dakten, Zaten. Mein Kopf war jeden Tag kurz vorm Explodieren und meine anhaltende Erschöpfung ließ mich zu einem chronisch gereizten Menschen werden.
 

Ich warf einen kurzen Blick in den Spiegel und bemerkte, dass ich wirklich, wirklich schlimm aussah. Man konnte mir meinen seelischen Zustand regelrecht vom Gesicht ablesen. Wenn du nur wüsstest, Joey. “Wie konntest du nur!”, schimpfte ich mit mir selber und spürte ein kühles Nass, das meine Wangen runtertropfte. Ein verschwommenes Arbeitszimmer war das Einzige, das ich noch wahrnahm.
 

“Herr Kaiba, Besuch für Sie”, Roland klopfte an die Türe. “Einen Moment”, kam es kalt von mir, ehe ich mit einem Taschentuch über mein Gesicht fuhr. Das eisige Blau war plötzlich weg und übrig blieb ein gefolterter Blick. Als die Türe aufging, drehte ich mich mit meinem Sessel sofort nach hinten und schickte Roland wieder hinaus.
 

“Seto”, hauchte Joey, bei dessen Stimme ich sofort Gänsehaut bekam. Warst du es wirklich? Ich musste mich ordentlich zusammenreißen, ganz ruhig und gelassen zu wirken. Ich gab keinen Ton von mir. “S-seto?”, Joey legte seinen Koffer ab und kam mit langsamen Schritten näher. Soll er dich so sehen? Soll er die Wahrheit über dich erfahren? Über dich, den neuen Seto Kaiba?
 

Der Blonde ging um den Tisch herum und stand nun neben mir, sah mich von der Seite. Sehr schnell sah ich zu ihm, schwieg immer noch. Ich rechnete damit, dass er mich fragte, wie mein Tag war und wie es mir geht, doch stattdessen warf er sich einfach auf mich und umschlang meinen Körper mit seinen Armen. Es tat gut, es tat so gut. Und gleichzeitig fühlte ich mich so verdammt schäbig. Weißt du, wen du hier umarmst, mein Liebster?
 

“Danke, dass ich hier bleiben darf!”, sagte er mit erleichtertem Ton und lag halb auf mir. “Du hast mir gefehlt…”, ich klang sehr emotionslos und mein Blick war gezielt nach vorne gerichtet, leer. Meine Arme waren ebenfalls um den Körper des Blonden gelegt, streichelten seinen Rücken. Du hast mir wirklich gefehlt. Aber wenn du alles erfährst, wirst du mir wahrscheinlich für immer “fehlen”.

Das Einzige (J)

Ich fühlte mich sehr stark entlastet und sicher. Wieder in Setos Armen zu sein, das vermisste ich. Der Braunhaarige jedoch schien sehr ausdruckslos und überhaupt nicht amüsiert. “Wenn ich dir zur Last falle, dann…”, mein Atem stockte und ich musste mit der Verdacht, unerwünscht zu sein, kämpfen. “Sag’ sowas nicht”, forderte mich Seto auf und strich mir durchs Haar. Er verwickelte mich in einen langsamen, zarten Kuss und stupste meine Nase. Erzählte mir, dass er furchtbare Schuldgefühle hätte, dass er mich nicht schon früher kontaktiert hatte. Wenn ich daran dachte, einsam in meinem Bett gelegen zu haben, ohne ein Lebenszeichen von ihm, hatte ich mir diese Entschuldigung sehnlichst gewünscht. Aber ich konnte nicht sauer auf ihn sein.
 

“Ich war ein totaler Mistkerl, ich muss mich entschuldigen. Verzeihst du mir?”, die Stimme des CEO klang so furchtbar dünn und beinahe gehaucht. Es flößte mir fast schon Angst ein, da ich glaubte, er hätte irgendetwas getan, wovon ich Nichts wusste. “B-bist du...fremdgegangen?”, fragte ich mehr verwirrt, als verängstigt und sah ihn erwartend an, ehe ich ein Kopfschütteln als Endaussage bekam. Wir lösten uns von einander und ich meinte, dass ich am liebsten einmal zuerst meinen Koffer auspacken und meine Sachen schlichten wollen würde. Seto erhob sich von seinem Stuhl, nahm mir das Gepäck ab und führte mich in sein Schlafzimmer, das so einige Erinnerungen weckte. Ein kalter Schauer lief mir über den Rücken, als ich daran dachte, wie er mich am nächsten Morgen einfach rausschmiss. Langsam verstand ich, weshalb er wollte, dass ich ihm verzeihe.
 

Völlig schwach fiel ich plötzlich ins Bett, verspürte in dem Moment gemischte Gefühle. All das, was inzwischen passiert ist, machte mich fertig. Diese kalte, arroganten Aktionen von Seto, dann die Versöhnung, danach die Presse, gefolgt von dem Nichtmelden seinerseits und jetzt bin ich wieder hier. Ich brauchte ein paar Minuten für mich allein, um zu realisieren, wer ich gerade war und wer da mit mir in diesem Zimmer stand. Ein verständnisvoller Seto, Joey. Keine Panik, es ist hier ein lieber Seto mit dir im Raum.
 

“Alles okay?”, fragte mich der Dunkelhaarige und setzte sich auf den Bettrand. “Mir war nur kurz schwindelig”, ich stand auf und griff mir kurz an die Stirn, bevor ich begann, meinen Koffer aufzumachen. Schlecht gefaltete Klamotten waren größenteils zu sehen. Kurz sah ich mich um, um festzustellen, wo ich diese unterbringen könnte. Es gab hier zwei große Schränke, bei denen ich jedoch nicht wusste, mit was sie befüllt waren und ob noch Platz frei war. Ich blickte Seto an, der mir meine Kleidung sofort abnahm und sie in den linken Kasten reinschlichtete. Dort befanden sich seine Hemden, und meine Güte, waren das viele! Das glich einer Luxusherrenabteilung.
 

Mir stach ein Hemd besonders ins Auge; ein schwarzes, das einen ziemlich tiefen V-Ausschnitt hatte - ich biss mir auf die Unterlippe. Seto war gerade dabei, meine Klamotten zu falten und einzusortieren, während ich seinen Körper von oben bis unten betrachtete. Ich ging mit langsamen, stillen Schritten auf ihn zu und umarmte ihn von hinten. Es tat gut, ihn an mir zu spüren. Das hat mir gefehlt. Es hat mir wirklich, wirklich gefehlt. Doch trotz dieser Unbeschwertheit und der Geborgenheit, beschlich mich eine Angst. Meine Handflächen begannen, leicht zu schwitzen.
 

“Bin ich hier willkommen?”, wollte ich wissen, meine Umarmung wurde schwächer, mein Blick senkte sich. Einige Flashbacks spielten sich in meinem Kopf ab, jagten mir Angst ein. Ich war mir nicht sicher, doch es kam mir so vor, als hätten all diese kleinen Zwischenfälle mein Vertrauen zu Seto geschwächt. Vielleicht hätte man sogar sagen können, ich wäre ihm gegenüber misstrauisch geworden. Ist es denn in dieser kurzen Zeit schon so weit gekommen?
 

Der Firmenchef drehte sich zu mir, blickte mir in meine Augen, die Unsicherheit widerspiegelten, und nahm mein Gesicht in die Hände. Er sagte Nichts, es blieb für einige Sekunden still und nur die Uhr, die tickte, war zu hören. In diesem Moment gab es nur ihn und mich, alles um uns hatte kein Gewicht mehr und war wie in schwarzweiß getunkt. Setos Blick durchbohrte mich gar, fühlte sich schwer und direkt an. Mir wurde ganz flau im Magen, meine Ängste passten gar nicht mit meinen Gefühlen zusammen, die entstanden, während er mich so ansah.
 

Mein Freund öffnete die Lippen; “Ich bin dir nicht fremdgegangen und ich werde dich auch nicht hier rausschmeißen, Joey. Du bist das Einzige…”, seine Lippen zitterten. “Das Einzige-”, versuchte er, den Satz zu beenden. Er atmete tief ein und kam meinem Gesicht näher; “Das Einzige, das ich jemals gebraucht habe”. Er drehte sich ruckartig um und fuhr sich mehrmals durch seine perfekten Haare, er wirkte plötzlich so gestresst und so verzweifelt. Ich denke, ich liege richtig, wenn ich sage, dass wir beide an diesem Abend sehr unsicher waren, was unsere Stimmung betraf. Wir waren beide sehr empfindlich und schwankend.
 

“Du bist das Einzige, Joey. Und du wirst es auch immer bleiben”, Seto ballte die Hände zu Fäusten und legte den Kopf in den Nacken.

Vertrauenslücken (K)

Sauer. Ich war so verdammt sauer. Joey war, neben Mokuba, das Einzige, das mir noch blieb. Sämtliche Emotionen klopften wild gegen meinen Brustkorb, machten es mir schwer, zu atmen. Ich musste mir so viele Fehler eingestehen aber hatte nicht den Mut dazu, mich diesbezüglich zu äußern. Mit welchen Worten sagt man jemandem zart, dass man ihn nur für seine eigene emotionale und physische Befriedigung missbraucht hat? Wie sagt man jemandem mit ruhiger Stimme, dass man ihn, trotz der Scheiße, die man ihm angetan hat, noch immer bei sich haben will? Geht das überhaupt? Für mich fühlte es sich so an, als könnte man es nicht.
 

“Ich weiß nicht, was gerade in dir vorgeht, aber könntest du dich bitte umdrehen, sodass ich dein wunderschönes Gesicht sehen kann?”, Joey klang besorgt. Ich ließ meine Hände locker, worauf diese nervös zitterten und zuckten. Mein ganzer Körper war angespannt, während ich mich fragte, ob ich es überhaupt verdiente, diesen wundervollen Menschen gerade in meiner Nähe zu haben.
 

“Ich kann dir in den nächsten Tagen eine Wohnung beschaffen, wenn du willst. Ich glaube, es wäre besser so”, sprach ich mit rauer Stimme, ehe ich mich umdrehte und meinem Gegenüber in die Augen sah. Sein Blick strahlte sehr starke Verwirrung und Besorgnis aus, was verständlich war. Natürlich weißt du nicht, wovon ich die ganze Zeit rede, mein Kleiner. War das nun gut oder schlecht?
 

Der Blonde begann, seine Kleidung selbst einzusortieren, da er merkte, dass ich sehr von meinen Gedanken und Empfindungen abgelenkt war. Er schlichtete seine Shirts in den Schrank; “Das mit der Wohnung wäre der Hammer! Es wäre sicher besser, da ich dich hier nicht mit meiner ständigen Anwesenheit belästigen kann, verstehe ich schon”. Joey klang plötzlich total ausgeglichen und relaxed - wahrscheinlich wollte er mir keine Löcher in den Bauch fragen, mir ein unangenehmes Gefühl verschaffen.
 

“Ich wüsste aber auch nicht, ob ich längerfristig hier bleiben könnte… ehrlich gesagt, kann ich dir nicht mehr so vertrauen…”, Joeys ruhige Stimmung ruderte in Richtung Trauer. Ein Stich bahnte sich durch meinen Körper, als ich diese Worte hörte. Natürlich kannst du mir nicht mehr vertrauen, Süßer. Das verstehe ich schon. Und ich würde am liebsten alles zurücknehmen, was ich je zu dir sagte, denn du bist das Einzige. Ich darf dich nicht verlieren.
 

“Das tut mir weh”, gab ich mit gesenktem Blick zu, merkte aber trotzdem, dass Joey seine Sachen fertig eingeräumt hatte. “Du hast mir auch weh getan”, flüsterte der Blonde zurückhaltend, worauf ich Nichts zu sagen hatte. Ich nickte nur. Ja, ich habe dich verletzt und kann es nicht als unfair sehen, dass du mir nicht mehr vertraust. Ich war ein richtiges Arschloch zu dir, Kleiner. Ich würde es so gerne wieder gut machen, aber ich bezweifle, dass das geht…
 

Ich öffnete meine Arme und sah ihn fragend an. Fragend, wie; Kommst du in meine Arme und lässt uns das für einen Moment vergessen?. Joey presste die Lippen gegeneinander und fiel in meine einladenden Arme, die ich um ihn schloss. “Und weißt du…”, begann mein Freund. “Das ist so ein Druck, wenn alle in der Stadt über einen Reden. Wenn sie Fotos von dir schießen, wenn sie dich mitten auf dem Weg aufhalten, um zu fragen, ob die Gerüchte stimmen. Wenn du in deinem Zimmer die Jalousien zumachst, weil du Paranoia hast. Verfolgungswahn. Die Angst, dass jede Bewegung, die du machst, festgehalten wird. Das ist einfach… schrecklich”, der Blonde drückte mich fest an sich.
 

Was habe ich ihm angetan… er ist nun dem ganzen Medienterror ausgesetzt… er wird das mental nicht durchstehen. Was habe ich getan, verdammt?! Nur, weil ich so gierig nach Macht war, zerkratze ich gerade indirekt die Psyche eines anderen Menschen.
 

“Ich trau’ mich gar nicht mehr, rauszugehen…”, wimmerte Joey und ich spürte, wie mein Hemd langsam feucht wurde. “Nicht weinen, Kleiner”, beruhigte ich ihn und streichelte seinen Kopf. Bitte nicht weinen… das macht alles hier nur noch schwerer. Wie gerne ich einfach alles zurücknehmen würde, die Zeit zurückspulen und dich so behandeln, wie du es verdient hast.
 

“Dann bleibst du für immer bei mir”, hauchte ich ihm ins Ohr und fuhr mit meinen Fingerspitzen seinen Rücken entlang. Er hatte einen schönen Rücken. Er hatte generell einen sehr schönen Körper. Ich ertappte mich dabei, Sexfantasien zu entwickeln. Kaiba! Du kannst doch nicht in so einem ernsten Moment an Sex denken… Oder etwa doch?
 

Ich nahm Joeys Gesicht in die Hände und wischte seine Tränen ab. Danach fuhr ich mit meiner Hand unter sein Shirt, was ihn kurz zucken ließ. Er sah mich mit seinen braunen Augen an und wusste nicht ganz so genau, was er nun davon halten solle. Ich jedoch ging weiter und zog ihm sein Kleidungsstück bis zur Brust hinauf, meine Augen spiegelten Gier wider. “S-seto…”, kam es etwas verstört vom Blonden.
 

Ich war mir bewusst, was ich gerade tat. Trotz der Angst und Unsicherheit meines Gegenübers versuchte ich, ihn auszuziehen und mit ihm zu schlafen. Nun nicht mehr gierig nach Macht, aber nach Sex - werde ich jemals aufhören können?

Emotionaler Absturz (J)

ch verstand nicht so Recht, wie Seto meine Gefühle so ignorieren konnte. Einerseits war ich empört, andererseits dachte ich doch auch vorhin dran, wie Seto in dem Hemd mit dem großen V-Ausschnitt aussehen würde… Ich war verwirrt. Er war verwirrt. Wir beide waren verwirrt.
 

“Lass das”, befahl ich, entfernte seine Hände von meinem Körper. Ernst blickte ich Seto an und wartete, bis das Signal bei ihm ankam. “Respekt sollte man noch haben”, fügte ich hinzu, mein Blick wurde strenger. Wer war ich, dass ich mich ihm unterwerfe? In der Zeit, wo er sich nicht gemeldet hat, vermisste ich ihn, jedoch habe ich gleichzeitig dazugelernt, dass ich niemanden brauche, um mich definieren zu lassen. Ich bin nicht von ihm abhängig. Ich bin nicht von ihm abhängig. Und das soll er auch zu spüren bekommen. Hört sich vielleicht so an, als wäre ich auf Rache aus, doch eigentlich will ich nur zeigen, dass ich sicher auf zwei Beinen stehe. Zwar jagen mir die Paparazzi noch gewaltige Ängste ein, aber daran lässt sich sicher arbeiten.
 

“Aber hättest du nicht auch gerade Lust,...”, begann der Dunkelhaarige und war wieder kurz davor, sich an meinem Shirt zu vergreifen. “Du willst unbedingt die Kontrolle haben, nicht wahr?”, mein Mund war trocken und meine Stimme rau. Es machte mich stinkesauer, dass Seto einfach nicht nachgeben wollte - in allen Dingen, die er tat und je getan hat. Er ist nicht der König dieses Universums und hat auch gar keinen Grund dazu, sich so zu benehmen.
 

Als ich so auf meinen Koffer starrte, fragte ich mich, weshalb ich überhaupt hergekommen bin. Ich erwartete einen verständnisvollen Seto, der mich hier liebevoll aufnimmt und Acht auf mich gibt; doch seitdem ich hier ankam, benahm er sich total daneben und wollte mir auch nicht erzählen, was los war. Möglicherweise wusste er es selbst nicht… Jedenfalls verspürte ich überhaupt nicht mehr das Gefühl, hier gebraucht zu werden. Ich kann sehr gut auf mich selbst aufpassen und fühle mich nicht mehr so hilflos ohne die Bestätigung anderer Menschen. Joey Wheeler gibt nicht auf.
 

“Ich will dich nur wissen lassen, dass ich dich sehr liebe. Gleichzeitig aber bin ich keineswegs an dich gebunden”, ich flüsterte fast. “Das ist doch ein Widerspruch… wenn man wen liebt, dann ist man sehr wohl gebunden”, entgegnete mir Seto, der sich auf die Unterlippe biss und mit der Versuchung kämpfte. Das machte mich sauer. Er hatte doch von meinem Problem mitbekommen, weshalb war ihm das plötzlich so verdammt egal, dass er nur noch an das eine denken konnte?
 

“Ich liebe dich, aber ich hätte kein Problem damit, meinen Koffer wieder zu füllen und von hier abzuhauen, Seto”, behauptete ich und merkte, wie lange wir eigentlich schon so stehen; so dicht bei einander, den anderen anblickend. “Bitte bleib’...”, kam es fast verzweifelt von meinem Partner. Ich wusste wirklich nicht, was ich darauf antworten hätte sollen. Ja? Nein?
 

“Wenn du nicht respektvoll mit mir umgehen kannst, habe ich hier Nichts mehr verloren. Entweder, du benimmst dich, oder ich bin weg. Vorher habe ich mich so gefreut, dich wieder im Arm haben zu dürfen, aber seitdem du so verdammt komisch bist, habe ich keinen Bock mehr, auch nur eine Minute länger hier zu sein…”, ich hörte mich erschreckend zornig an. War ich wirklich so sauer? Der CEO wirkte plötzlich so hilflos und zerbrochen. Ich hatte soeben Seto Kaiba auf die Knie gezwungen. Ich hatte nun die Oberhand. Fühlte sich das gut an? Ich verzog mein Gesicht komisch, als ich über diese Frage nachdachte.
 

“Bleibst du?”, fragte Seto und schmiegte sich an mich, ehe er seine Hände in meinen Rücken krallte. Ich gab einen leisen, erschreckten Laut von mir, bevor mich wieder die Wut packte. “Wenn du deine Hände nicht von mir nimmst”, warnte ich, kam aber nicht weiter, als ich merkte, dass die Hände sich weiter runter bewegten.
 

“Das kann’s doch nicht sein”, sprach ich zu mir selber, schloss genervt die Augen und stieß den Firmenchef stark von mir weg. Unglaubwürdig starrte er auf seine zitternden Finger, und war entsetzt. “Joey, ich weiß wirklich nicht, was gerade mit mir -”, er holte Luft und musste sich erst einmal wieder sammeln. Doch als er sah, wie ich meine Klamotten wieder in den Koffer tat, näherte er sich mir wieder.
 

Ich schlug den Deckel des Koffers aggressiv zu und drehte mich um; “Kannst du deine beschissene Lust nicht im Zaum halten? Ist das vielleicht der Grund, weshalb du dich bei mir überhaupt noch gemeldet hast?”. Eine Träne verließ meine Wange. Seto schüttelte den Kopf und versperrte mir den Weg zur Türe. “Es tut mir Leid, bitte geh’ nicht!”, er hörte sich sehr, sehr schwach an.
 

“Du bist aber einfach nur so verdammt attraktiv…”, gestand er und musste sich beherrschen, mich nicht wieder zu überfallen. Er starrte auf meine Brust und wusste für einen Moment nicht mehr, wo er anknüpfen wollte. “Ich werd’ mich aber nun benehmen, versprochen”, er sah mich mit seinen leidenden, blauen Augen an.
 

Genau in diesem Moment fiel mir ebenfalls ein, wie sehr er mir doch gefiel. Augenblicklich ließ ich das Gepäckstück fallen und steckte meine Zunge in seinen Hals.

Bittere Erkenntnis (K)

Ich wusste nicht, was mich dazu trieb, Joeys Gefühle komplett zu ignorieren und mich an seinem Körper zu vergreifen. Als er jedoch anfing, mich zu knutschen, löste sich etwas in mir; es beruhigte mich. Ich musste mich nicht mehr bemühen, meine Finger von ihm zu lassen. Wieso ist es überhaupt dazu gekommen, dass ich so scheiße zu ihm war?
 

Joey ließ seinen Koffer augenblicklich fallen und zog mich ins Bett. “Warum aufeinmal so stürmisch?”, fragte ich verwundert und zugleich erleichtert. “Du bist einfach so wunderschön”, gab der Blonde von sich und knöpfte mir das Shirt auf, das er sofort aus unserem Blickfeld schmiss. Er hielt kurz inne und betrachtete meinen Oberkörper, der ihn zu faszinieren schien. Ich grinste kurz und zog ihn daraufhin zu mir hin; “Ich gehör’ nur dir”. Joey befreite mich von meiner engen Hose und nahm mein Gesicht in die Hände. Seine braunen Augen waren so unendlich tief und klar, ich habe mich für einige Momente darin verloren. Wie konnte ich nur jemals in diese Augen lügen?
 

Joey war kurz davor, sich an mir zu vergreifen, als plötzlich mein Handy klingelte. Erwartungsvoll sah er mich an und wünschte sich, dass ich den Anruf für ihn ignorieren würde. “Ich muss da ran…”, sagte ich ernst und drückte auf “abheben”. Es war Mokuba, der mich darum bat, in mein Büro zu kommen. Ich fragte nicht nach dem Grund, ich wollte das einfach schnell hinter mir haben und hier weitermachen.
 

“Bin gleich wieder zurück”, versprach ich dem Blonden und zog mich wieder an. So marschierte ich in mein Büro und traf dort, wie abgesprochen, Mokuba an. Das Licht war an und er saß in meinem Bürosessel, hielt einige Papiere hoch; “Ich bin dir auf die Schliche gekommen, großer Bruder. All das, all das Zeug mit Joey hatte seinen Zweck. Er war nur ein Instrument”. Sein Blick war wütend und enttäuscht, Mokuba sah mich erwartungsvoll an. “Also zuerst einmal”, begann ich, “runter von meinem Stuhl. Und dich hat das gar nicht zu interessieren, was mit mir und Joey ist und ob da überhaupt etwas ist!”, ich hatte einen Hauch Mahnung in der Stimme. Wie konnte er sich einfach an meine Papiere machen? Er war viel zu neugierig.
 

Er hielt die ganzen Titelblätter mit mir und Joey auf der linken Seite, und die Statistiken der Duel Discs in der rechten. Ehrlichgesagt fühlte ich mich richtig schäbig, doch das zeigte ich ihm natürlich nicht. Stattdessen bahnte sich Wut durch meinen Körper. “Du legst das jetzt sofort ab und gehst schlafen!”, befahl ich lauter und blickte ihm todernst in die Augen. Mokuba blickte enttäuscht zurück und hatte immer noch beide Hände in der Luft. Zornig klopfte ich auf den Tisch und entriss ihm die Zeitungsblätter, welche ich dann gewaltig zerriss. Die Fetzen landeten am Boden, lautlos, leblos.
 

Ich packte Mokuba unsanft am Arm und riss ihn aus seiner sitzenden Position, sagte ein allerletztes Mal, er solle schlafen gehen, doch er zeigte keinerlei Anzeichen von Gehorsamkeit und widersetzte sich mir. Auch die Papiere in seiner anderen Hand entnahm ich ihm und knallte sie wütend auf den Tisch. Das Aufprallen füllte für eine Zeit diesen fast toten Raum, der in dieser späten Stunde selten benutzt wurde. Das letzte Mal, als ich mich um solch einer Uhrzeit hier befand, war jene Nacht, in der Joey mir den Tee über die Haare goss. Gänsehaut bildete sich in mir. Wir kamen uns das erste Mal so, so nah…
 

Ich verlor mich in Erinnerungen, hatte die Augen beinahe geschlossen, als mir einfiel, dass Mokuba noch völlig selbstsicher vor mir stand. “Du driftest ab. Aber mit deinen Gedanken bist du sicher nicht bei Joey”, meinte er frech. “DAS REICHT!”, stieß ich aus und zerrte ihn in sein Zimmer, worauf ich die Türe zuknallte. Ich rief Roland an und teilte ihm mit, er solle sich darum kümmern, dass er solange bei meinem Bruder bleibt, bis dieser einschläft.
 

Ich atmete tief aus und begab mich wieder in mein Büro, um dort nachzusehen, ob der Kleine sonst noch irgendwelche Dokumente beobachtet und umsortiert hatte. Während ich alle Schubladen und auch meinen Laptop durchsuchte, ging die Türe langsam auf. “Mokuba?”, fragte ich misstrauisch, bereit, aufzustehen und ihn sofort wieder wegzubringen. “Nein, Joey”, ertönte es leise, worauf er eintrat und erst einmal verwirrt herumguckte. Er wollte auf mich zugehen, als er auf die Papierfetzen trat, die sich noch am Boden befanden. Sofort klaubte er sie auf, legte sie an meinen Tisch. “Dir ist da was runtergefallen”, fiel ihm auf, bevor er merkte, was auf den Fetzen zu sehen war. Zerrissene Joey- und Kaibagesichter, die nun direkt neben den Statistiken der Verkaufszahlen platziert waren.
 

Joey blickte unglaubwürdig zwischen den beiden Seiten hin und her, seine Augen weiteten sich und sein Atem ging schneller. “Es ist nicht so, wie du denkst”, versuchte ich, ihn zu beruhigen, doch der Blonde hatte sich inzwischen schon in seinem Schock verloren und begann, am ganzen Körper zu zittern. Er hatte die Kontrolle über seine Reaktionen verloren.
 

“Du hast mich nur benutzt”, kam es mit brüchiger Stimme von ihm.

Krallen (J)

“Lass mich dir noch einmal alles erklären!”, bat mich Kaiba, doch ich schüttelte ab. Meine Faust schlug fest gegen den Bürotisch, bevor ich mich umdrehte und zur Türe raus wollte. Meine Schritte waren sehr langsam, zögernd. Wo sollte ich hin, wenn ich hier erst einmal draußen war? Wo war ich willkommen?
 

“Ich wollte dir nicht weh tun”, behauptete der Braunhaarige mit lauter Stimme, sein Blick klebte an meinem Rücken. “Du wolltest mir nicht weh tun, ja. Ich weiß nämlich, was du wirklich wolltest”, sagte ich, ihm den Rücken zukehrend. Meine Hände zitterten und mein Herz hatte sich noch immer nicht beruhigt. Mein unregelmäßiges Atmen verschaffte mir ein unangenehmes Gefühl, ich fühlte mich, als würde ich von innen heraus ersticken.
 

“Du wolltest Kontrolle”, begann ich. “Nachdem wir das erste Mal was miteinander gehabt hatten, hatte ich Macht. Ich hätte es allen verraten können und du hättest nichts dagegen tun können. Dieser Gedanke gefiel dir nicht und du bestachst mich mit Geld. Aber ich hatte immernoch die Fäden in der Hand. Da du völlige Kontrolle über diese Situation wolltest, hast du es selber der ganzen Welt verraten. Du wolltest es verkünden, damit ich keine Chance mehr hatte, meinen Mund aufzureißen. Du wolltest der sein, der die Katze aus dem Sack wirft. Du wolltest. Du”.
 

Kaiba versuchte, etwas zu sagen, doch er bekam nur ein Stammeln heraus. Ich hatte ihn an seinem wunden Punkt getroffen; ich durchschaute ihn. Ich hätte wissen müssen, dass das alles nicht echt war. Dass ich nur eine Marionette in seinem kleinen Theaterstück war. Dass der große Seto Kaiba keine Gefühle für jemanden entwickeln konnte. Ich fühlte mich so verdammt dumm und nutzlos, einfach so verblödet.
 

“Am Anfang vielleicht, Joey. Das stimmt. Aber dann...dann liebte ich dich”, Kaiba sprach mit einem gewissen Druck in den Worten. Hörte sich auf jeden Fall so an, denn ich müsste spätestens jetzt wissen, dass er ein guter Schauspieler war. Ich drehte mich um und merkte, dass die eiskalten blauen Augen meines Gegenübers wässerten. Ach, komm - diese Nummer zieht nicht mehr bei mir.
 

Ein gewaltiger Schmerz bildete sich in meiner Brust, als ich mir ausmalte, wie ich nun ohne ihn weitermachen würde. Alleine, einfach alleine. Ich war wohl einer der Menschen, die alleine nicht klarkamen. Ob man das ändern konnte?
 

“Du hast keine Beweise, dass du es jemals ernst gemeint hast”, warf ich in die Stille und schluckte hörbar. Nicht weinen, Joey. Er ist es nicht wert. Er war es nie wert und er wird es auch nie sein. Er ist nur ein egozentrischer Mistkerl, der Freude daran hatte, Menschen als Werkzeuge für seine Pläne zu benutzen. Und danach, danach schmiss er sie weg, zu den ganzen anderen Werkzeugen, die vielleicht dieselbe Aufgabe hatten, wie du.
 

“Dann komm her und hör’ mir zu!”, forderte er mich auf und kickte mit seinem rechten Fuß gegen seinen Schreibtisch, sodass ich aufzuckte und mich für einen Moment erschrack. Es klang wie das Geräusch, als mein Herz zerbrach. Zack. Plötzlich, ohne Vorwarnung und komplett.
 

“Ich will deine Lügen nicht mehr hören”, brachte ich gerade noch heraus, als ich spürte, wie meine Augen feucht wurden. Augenblicklich drehte ich mich um und öffnete die Türe, ganz egal, wo ich landen würde, nachdem ich dieses Gebäude hier verlassen hatte. Ich wollte ins Schlafzimmer zurück und meine Sachen wieder in den Koffer packen.
 

Kaiba schritt hinter mir her, worauf ich mein Tempo verschnellerte. Ich werde nicht wieder in deine Krallen fallen, CEO. Nicht noch einmal.
 

Plötzlich packte er mich von hinten an den Schultern und bohrte seine Finger in sie. Nicht all zu fest, aber fest genug, dass ich stehen blieb und mich fragte, was nun passieren würde. Ich ließ meinen Atem stoßweise aus und war auf alles gefasst. “Was willst du noch von mir, du Lügner?”, wollte ich wissen und presste meine Lippen gegeneinander.
 

“Weißt du, wieso ich so komisch zu dir war, als du deine Sachen ausgepackt hast? Genau deswegen. Ich wollte es dir sagen, wollte es dir nicht mehr länger verschweigen, Joey. Deswegen war ich so verdammt nervös, verstehst du? VERSTEHST DU ES, JOEY?!”, seine Finger schienen sich in mein Fleisch zu drücken, es schmerzte. Ich aber zeigte keine Art von Regung und blieb einfach still stehen.
 

“Sagst du gerade wirklich die Wahrheit, oder ist das wieder nur einmal perfekt eingefädelt, wie alle deiner Pläne?”, fragte ich fauchend und riss mich von seinem Griff. Ich wollte weg von hier. Es tat so schrecklich weh und es zerfraß mich von innen, zerrte an meinen Organen. Es schmerzte so furchtbar, ich fragte mich, ob ich jemals schon dieses Ausmaß von emotionalen Schmerzen zu spüren bekommen hatte. Ich bezweifelte es.
 

“Ich sage die Wahrheit, Joey. Und ich werde dir beweisen, dass ich Gefühle für dich hatte und noch immer habe. Ich verschaffe dir im Laufe der Morgenstunden eine Wohnung. Bitte gib mir eine Chance, Kleiner”, Kaiba hielt die Tränen zurück.
 

“Ich kann dir nicht mehr vertrauen”, sprach ich und drehte mich um. “Aber die Wohnung bekomme ich, denn die schuldest du mir nach der ganzen Sheiße hier”

Zigaretten und Alkohol (K)

Es vergingen Tage. Es vergingen Wochen. Es vergingen drei Monate. Drei Monate, in denen ich Joey furchtbar vermisste. Meine Sehnsucht stieg, und die Schlagzeilen wurden immer seltsamer gestaltet; Kaiba-Affäre nur eine Lüge?, Joey Wheeler kaum noch gesichtet, Trennungsschmerz oder Entlastung für Seto Kaiba?, Liebesgeschichte findet kein Happy End, Seto Kaiba macht Schluss mit Joey Wheeler.
 

Die Zeitungen landeten immer schnurstracks im Müll, ich wollte diese Gerüchte nicht mehr lesen. Andererseits war ich mir nicht sicher, ob es wirklich ein Gerücht war, dass unsere Romanze zu Ende war. Joey meldete sich nicht oft bei mir, er wohnte nun eine Stunde von mir entfernt. Er wollte weit weg von mir wohnen, er hielt es nicht mehr aus; uns. Seine Gefühle zu mir. Den Druck von allen Seiten.
 

Ich zahle ihm die monatliche Miete und legte noch was drauf, damit er leben konnte. Er meinte, er wird sich einen Job suchen und mir Bescheid geben, wenn er einen gefunden hatte. Jedoch hat er noch kein einziges Mal deswegen angerufen oder mir geschrieben… und ich wollte ihn nicht bedrängen. Wollte ihm nicht zur Last fallen, er soll sich erst einmal seelisch auskurieren.
 

Meine Tage fanden ihre übliche Routine wieder: Aufstehen, arbeiten, schlafen. Joey war da nicht mehr drinnen. Er rief nur dann an, wenn er mich über finanzielles informieren wollte. Auch, wenn die paar Anrufe nie über eine Minute gingen, tat es gut, seine Stimme zu hören. Zwar fiel meine Welt nach dem Auflegen wieder auseinander, doch der bittersüße Klang seiner Worte blieb in meinem Kopf erhalten.
 

Es fiel mir unglaublich schwer, ihn nicht besuchen zu kommen oder mal eine kurze Nachricht zu schreiben. Drei Monate sind eigentlich genug, um über jemanden hinweg zu kommen, doch in mir wuchs nur die Sehnsucht. Diese bohrte sich mit ihren Krallen tief in mich hinein, bis es sich so anfühlte, als würde ich darunter fast sterben. Er war mein Alles und ich habe alles aufs Spiel gesetzt…
 

Ich saß gerade vor meinem Laptop, als mein Handy plötzlich klingelte. Ich war bereit, um geschäftliche Dinge zu besprechen und mich über mein faules Personal zu beschweren. Als meine Augen aber Joeys Nummer erblickten, ließ ich das Handy vor Schock fast fallen. Er war es wirklich… meine Finger zitterten. Ich war so lange in Trance, sodass ich den Anruf versäumte. Scheiße.
 

Ich rief zurück, es läutete nur einmal, bis er abhob; “Kaiba, ich will mit dir reden”. Joey klang selbstsicher. Ich schnappte erstmal unauffällig nach Luft, bevor ich antwortete; “Ich bin in einer halben Stunde da”, somit war das Gespräch auch wieder beendet. Er legte auf.
 

Ich legte meinen Papierkram zur Seite, pickte ein Post-it mit “Noch zu erledigen” drauf und erhob mich vom Stuhl. Ich richtete aus, dass man mir meinen Helikopter vorbereiten solle, und zwar so schnell wie möglich. Ich zupfte mir vor dem Spiegel noch meinen Mantel zurecht und verließ die KC. Kühler Wind blies mir gegen das Gesicht, es war sehr frisch draußen.
 

“Wo soll es so spät noch hingehen, Sir?”, fragte mich Roland, und ich drückte ihm nur die Adresse in die Hand. Er nickte und setzte sich sofort nach vorne. Ich atmete erst einmal tief aus und schloss die Augen. Über was wollte er reden? Ich war mir so unsicher. So nervös. Ich legte meinen Kopf in den Nacken und versuchte, einen klaren Gedanken zu fassen.
 

Die Nacht war inzwischen angebrochen und die Sterne am Himmel leuchteten hell. Es war Halbmond und die Welt da draußen war schlafen gegangen. Alles still und harmlos. Eine Weile betrachtete ich alles, was aus dem Fenster zu sehen war, ehe ich einschlief. Mich überkam plötzlich eine fremde Art von Müdigkeit; plötzlich und underwartet.
 

“Sir, wir sind angekommen”, hörte ich weit entfernt, noch im Halbschlaf. “Sir”, sagte Roland dann lauter, bis ich meine Augen öffnete. Ich musste mich kurz orientieren, ehe ich mich daran erinnerte, wo ich eigentlich war und weshalb; Joey.
 

“Danke”, sagte ich emotionslos und stieg aus dem Hubschrauber. Ich rappelte mich auf, fuhr mir noch einmal durch die Haare und ging auf das Gebäude zu, welches vor mir lag. Wir haben uns nun drei Monate nicht mehr gesehen; wie wird Joey reagieren? Meine Schritte waren langsam und gezielt.
 

Ich läutete an, worauf mir die Stiegentüre geöffnet wurde. Er fragte nicht einmal, wer da war; er machte einfach auf. Ich nahm den Lift, um in den 3. Stock zu kommen. Als ich aus dem Aufzug ging, stand die Türe Nummer 8 schon offen. Vorsichtig betrat ich die Wohnung, Joey war vorerst nicht zu sehen. Ich klopfte gegen die offene Türe, um ihm zu zeigen, dass ich bereits hier war. Meine Augen schweiften hin und her, bis ich Schritte hörte.
 

“Kaiba”, war das erste Wort, das der Blonde von sich gab. “Joey”, entgegnete ich und starrte ihm in die Augen. Er schloss die Türe und musterte mich. “Vermisst du mich?”, wollte er gezielt wissen und wich nicht von der Stelle. Erst jetzt nahm ich einen dezenten Geruch von Alkohol und Zigaretten wahr. Die Antwort seinerseits hätte sich also erübrigt.
 

“Wie ich schon sagte”, begann ich, “du warst mein Alles und du bist immer noch mein Alles”.

Ich liebe ihn (J)

Zu viele Zigaretten, zu viel Alkohol. Zu viele Tage, zu viele Wochen. Zu viele Monate, zu viel Zeit. Ich lag nur depressiv in meinem Bett und wünschte mir Nichts sehnlicher, als dass Seto neben mir liegt. Dennoch konnte ich ihm das, was er tat, nicht so gänzlich verzeihen. Er hatte mir zwar eine hübsche Wohnung verschafft, doch das bewies noch lange Nichts; für ihn war Geld nie sein Problem. Also woher hätte ich wissen sollen, ob ich ihm wirklich etwas wert war?
 

“Ich bin also noch dein alles…”, ging ich im Kopf durch und schritt ins Wohnzimmer, um mich zu setzen. Seto folgte mir erst zögerlich, dann spürte ich aber seine elegante Haltung meinen Rücken durchbohren. Man fühlt das regelrecht bei Seto.
 

Ich seufzte kurz, fing dann aber an, zu reden; “Ich habe einen Job gefunden. Diese Wohnung würde ich gerne behalten. Und dich hätte ich gerne zurück”. Kurz, direkt, Klartext. Mein Gegenüber blickte mich interessiert an, bevor er den Aschenbecher am Tisch bemerkte; “Seit wann rauchst du?”. Ich ließ die Frage unbeantwortet. Er müsste selber wissen, wann ich begonnen hatte und weshalb. Genau in dem Zeitintervall, als die Sehnsucht zu groß wurde, griff ich zur ersten Zigarette, die mich beruhigte. Gefolgt von dem ersten Glas Wein. Und dem zweiten. Dem dritten. Dem vierten. Bis ich nicht mehr im Stande war, zu zählen.
 

“Wenn du mich je wieder küssen willst, solltest du damit aufhören”, grinste Seto und sah mich herausfordernd an. Ich konnte nicht anders, als kurz zu lachen. Ich erzählte ihm, dass ich einen Job in einem Restaurant als Kellner gefunden hatte. Vollzeit, 38,5 Stunden, Montag bis Sonntag. Ich würde gut zurecht kommen und wenn ich diese Wohnung behalten durfte, wäre fast alles perfekt; fast. Ich habe es versucht - ich habe versucht, anzufangen, ohne Seto leben zu wollen. Mein eigenes Ding durchzuziehen und unabhängig von ihm zu leben. Jedoch… scheiterte ich kläglich.
 

Es dauerte nicht lange, bis wir beide uns an diesem Esstisch wieder in die Arme fielen. Ich sog Setos Parfum ein und fühlte wieder diese Geborgenheit, die mich umgab, wenn er mich nahe bei sich hatte. Tränen der Erleichterung bahnten sich ihre Wege über mein Gesicht, während ich die Augen zudrückte. Ich drückte Seto fester an mich, hätte mir gewünscht, dass es beim Ansichdrücken kein Limit gab. Ich wollte ihn näher, noch näher, konnte ihn nicht fest genug drücken.
 

“Und du willst die Wohnung hier behalten? Sie ist sehr weit von mir weg”, Seto streichelte meinen Kopf. “Andererseits wird sich der Trubel um uns sehr schnell legen, wenn man uns nicht mehr miteinander sieht. Außerdem arbeitest du hier in der Nähe. Bleib’ ‘ne Weile hier und wenn sich alles stabilisiert hat, schauen wir weiter”, in seiner Stimme hörte man wieder diese Vernunft, die man nie überhören konnte. Selbst in so einer Situation nicht. Er hatte nichts von seiner Eleganz, dem Stolz und der Selbstsicherheit verloren. Er war immer noch der Firmenchef Seto Kaiba, der von früh bis spät arbeitete und sich Freizeit nahezu verbot. Es störte mich aber nicht - so habe ich ihn kennengelernt und ich hätte ihn mir nie anders gewünscht.
 

“Es tut mir alles Leid”, wimmerte ich und blickte zu ihm hinauf. “Mir tut es auch Leid, Joey”, sprach er, während er in die Ferne blickte. Er senkte seinen Kopf und sah mir in meine verweinten Augen, ehe er meine Tränen wegwischte. “Und jetzt schmeiß die restlichen Zigaretten weg, Kleiner”, sagte er gelassen und löste sich von mir. Er hatte recht, weg mit dem Zeug. Weg mit den Kippen und weg mit dem Alk.
 

Wir redeten noch lange über die Beziehung, die uns verband, bevor Seto wieder zurück nach Hause flog. Wir verziehen uns unsere Fehler und entschuldigten uns für das ganze Theater, das zwischen uns spielte. Wir erinnerten uns an unsere erste Nacht und an jenen Abend, an dem wir beide so komisch drauf waren und ich letztendlich meine Koffer packte.
 

Es ist zwar viel Scheiße zwischen uns passiert, aber

ich

liebe

ihn.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Bitte auch in meine Bakura-FF reinschauen (: Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Na, was glaubt ihr?
Wird Kaiba den aufgewühlten Joey hineinlassen? ;3 Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Hey, ihr Lieben!
Meine neue Yu-gi-oh! Fanfiction ist online.
Sie trägt den Namen "Are you sane, Baby?"
Stichwort: Tendershipping

<3 Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Ich wette, wir alle konnten uns das "Mokuba, es reicht!" von Kaiba nur zu gut vorstellen :D Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Hey, hey!
Da bin ich wieder (:
Ich habe eine lange Zeit nicht mehr weitergeschrieben, weil ich die ganze Zeit am Grübeln war, ob Joey Kaiba nun verzeihen sollte. Dann bin ich zu dem Entschluss gekommen, dass IHR entscheidet!
Schreibt mir in die Kommentare, was Joey nun tun soll, vielleicht kann mich der eine oder andere überzeugen (: Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Hey, liebe Leser!
Ich lasse euch noch dieses Kapitel da, weil ich morgen für zehn Tage nach Russland fliege (:
Ihr werdet euch also noch ein bisschen damit gedulden müssen, was mit unseren beiden Lieblingen passiert.

Die Story findet aber bald ihr Ende.
Wie es ausgeht, habe ich schon beschlossen; lasst euch überraschen!

LG,
eure Blaubeere20 Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
An alle Zeichner:

Ich brauche für meine kommende Fanfiction ein Cover. Der Gewinner erhält 100 Karotaler. Schaut mal bei meinem Wettbewerb vorbei oder schreibt mir eine ENS (: Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
So, liebe Leute!
Ohne viel Drama ist es nun zu Ende gegangen. Ich wollte, dass sich in Ruhe wieder alles zwischen den beiden einpendelt. Dass sie sich verzeihen und ihre Fehler einsehen.
Ich danke euch für die 86 Favoriten!

An dieser Stelle will ich mich für die kurzen Kapitel entschuldigen. Ich war es nie anders gewöhnt, aber ich habe mich verbessert! Diese FF hatte ungefähr 800 Wörter pro Kapitel. "Are you sane, Baby?" hat durchschnittlich 1000 Wörter. Und bei meiner kommenden FF "West Coast" kurbel' ich so richtig an und steigere auf 3000 Worte pro Kapitel. Also seid stolz auf mich :D

Danke an alle, die diese FF mit Freude gelesen und mitgefühlt haben.
Ich liebe euch. <3 Komplett anzeigen

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Kommentare zu dieser Fanfic (87)
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Von:  Onlyknow3
2016-01-05T22:08:59+00:00 05.01.2016 23:08
Das ist dir gelungen mit diesem Kapitel. Habe es endlich geschaft alle anderen Kapitel zu lesen. Bin froh darüber denn die Geschichte gefällt mir sehr gut. Das ende musst sein nach dem beiden so viel erlebt haben. Mach weiter so, freue mich auf was neues von dir.

LG
Onlyknow3
Von:  Lunata79
2015-09-21T10:16:46+00:00 21.09.2015 12:16
Schönes Ende.
Hab meine versäumten Kapis nachgelesen und schreib dir hier halt nur einen Kommi.
Ich hoff, das ist nicht schlimm. Wüsste ehrlich gesagt auch gar nicht, was ich schreiben könnte.
Mir fehlen meistens die Worte. *lach*

Lg
Lunata79

Antwort von:  Blaubeere20
21.09.2015 19:29
Danke für dein Kommentar (:
Von:  RandaleEiko
2015-09-17T05:04:52+00:00 17.09.2015 07:04
Ich bn stolz auf dich (^o^) Yuppie endlich haben sich die beiden war ne schöne ff keine frage) :
Antwort von:  RandaleEiko
17.09.2015 07:11
oh ups falscher smily am ende
Antwort von:  Blaubeere20
17.09.2015 15:45
Dankeschön (: <3
Von:  RandaleEiko
2015-09-08T04:40:16+00:00 08.09.2015 06:40
Jaaa wird Zeit Joey zurück zu gewinnen!! ^^
Von:  CharlieBlade1901
2015-08-26T20:35:16+00:00 26.08.2015 22:35
Bitte bitte bitte sag mir dass das nicht das endgültige aus ist?
Ich will nicht dass es das Ende ist

Antwort von:  Blaubeere20
27.08.2015 10:16
Nein, ist noch nicht aus :D
Von:  RandaleEiko
2015-08-26T15:03:56+00:00 26.08.2015 17:03
Hoffentlich wird es eine schöne Überraschung werden QnQ wil lhappy eeeend uääh
Von:  ChibiKira
2015-08-22T21:33:41+00:00 22.08.2015 23:33
Ich schließe mich an!
Also wenn Joey etwas sagen würde wie "Oh, du hast mich also nur benutzt? Naja, Schwamm drüber. Lass uns für den Rest unseres Lebens glücklich vereint sein." wäre das schon etwas unglaubwürdig... ^^"
Aber ich bin ein absoluter Fan von Happy Ends, also müssen sie sich am Ende auf jeden Fall bekommen! ^o^
Antwort von:  Blaubeere20
22.08.2015 23:47
Danke fürs Kommentar (:
Von:  RandaleEiko
2015-08-22T14:39:09+00:00 22.08.2015 16:39
DRAMA BABY DRAMA :D ! ich wurde gerne etwas dramatisch haben. Halt so schön spannend trotzdem sollten sich die zwei am Ende noch kriegen *u* ....... Großer Gott wie schnulzig sich das anhört (o..o)
Antwort von:  Blaubeere20
22.08.2015 16:55
Merk ich mir :D
Von:  Sujang
2015-07-27T19:25:40+00:00 27.07.2015 21:25
Oh weh oh weh was geht denn da ab bei denn beiden ^^
Jetzt versteh ich garnix mehr :)
Schreib schnell weiter ;)
Lg sujang
Von:  Lunata79
2015-07-27T17:35:25+00:00 27.07.2015 19:35
Häh? Das ist jetzt aber nicht dein Ernst? *fassungslos lachend kopfschüttel*
Was geht nur in den Beiden vor sich? Das ist ... ich finde dafür nicht einmal Worte.
Antwort von:  Blaubeere20
27.07.2015 20:35
Haha, sie auch nicht :D


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