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Stolperkurs ins Chaos

von

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Dinge, die man grundsätzlich nicht richtig machen kann

3. Dinge, die man grundsätzlich nicht richtig machen kann
 


 


 


 

„Was wird jetzt mir geschehen?“, frage ich leise und niedergeschmettert. Auch auf diese Frage habe ich bereits eine Antwort. Gandalf wird sich gleich beraten. Mit diesem Thorin Eichenschild und irgendwelchen anderen Gestalten, die sich verantwortlich fühlen. Vermutlich sogar ein paar Elben aus irgendeinem düsteren Wald oder einem anderem schicken Ort. Ich mag es gar nicht, wenn Leute, die mich nicht mal ansatzweise kennen, über mein Schicksal entscheiden. Obwohl, die Leute, die mich kennen, sollten auch nicht über mein Schicksal entscheiden. Beides ist nicht gut für mich.

„Ich werde mich beraten, Dana McKinley. Du bleibst hier.“ Gandalfs Worte überraschen mich nicht wirklich. Nennt mich Nostradamus. Nein, nennt mich lieber Dana. Oder verfluchtes, blondes Weibsstück, das mag ich auch noch.

Okay, ich bleibe also hier. Alleine mit einem halben Laib Brot, Käse und einem stumpfen Messer. Immer schön optimistisch bleiben, ich bin immer noch hungrig.

Nachdem ich mir die dritte, dick belegte Stulle einverleibt habe, betritt Kili den Raum. Sein Blick schweift zu dem Brot, dem Käse und dem Messer. Brot und Käse sind fast alle, das Messer liegt akkurat auf dem Tablett. Als ob ich mit einem Käsemesser irgendwas reißen könnte. Wo sind meine Waffen? Wo ist mein heißgeliebter Dolch mit der Rune? Bestimmt liegt er irgendwo in einer Truhe, vermutlich bei Thorins privaten Schätzen. Ich kann mich daran erinnern, das Zwerge auf Schätze und Gold stehen. Das tut weh. Der Gedanke daran schmerzt. Dieser Dolch bedeutet mir eine Menge. Er war ein Geschenk von jemand. Jemand ganz Besonderen. Ich seufze laut und setze mich auf das schmale, hölzerne Bett. Was für ein Dilemma.

„Du siehst aus wie jemand, der gerade sehr schlechte Nachrichten erhalten hat“, stellt Kili fest. Schlauer Zwerg. Ich bin ehrlich gesagt am Boden zerstört und habe Bauchweh von der letzten Käsestulle.

Leidig nicke ich und verdrehe die Augen. „Gandalf und Thorin beraten sich gerade mit den Ältesten Zwergen. Ich darf nicht dabei sein“, stellt Kili fest. „Bist du zu jung?“, will ich wissen. Komm, erzähle mir was, ich brauche Ablenkung von meinem Elend.

„Ja, bin ich. Ich bin erst 64 Jahre alt.“ Oha, was für ein Jungspund. Da bin ich ihm mit meinen 439 Jahren aber um einiges voraus.

Ich meine, ich habe einiges gesehen. Die allerletzten Jahre der Hexenprozesse, die Eroberung der neuen Welten. Diverse Kriege, das industrielle Zeitalter. Ich habe gesehen, wie Könige ihren Kopf verloren und Herrscher ihren Verstand. Hab den bitteren Nachgeschmack der Inquisition gekostet, den Ersten Weltkrieg ausgesessen und mich in den zwanziger Jahren köstlich amüsiert. Ich tanzte den Cha-Cha-Cha in kurzen Kleidern und presste meinen Körper ein paar Jahrzehnte zuvor in viel zu enge Korsetts. Ich floh vor einen Diktator, der ganz Europa in einen Krieg verwickelte. Ich habe meine BHs in den 70er Jahren verbrannt und war gegen den Krieg in Vietnam. Ich sah Präsidenten kommen und gehen, sah, wie jemand einen kleinen Schritt auf dem Mond machte. Ich küsste Vampire, weinte um gute Freunde und alte Feinde. Ich habe Werwölfe mit Flohkuren versorgt und Dämonen mit Mitteln gegen Warzen. Habe beim Pokern mit Hexen eine Menge Geld verloren. Ich hatte fantastischen Sex mit einem Lügengott. Noch Fragen?

„Ich bin nur ein wenig älter“, lüge ich lächelnd. Ich mag den Zwerg mit den braunen Augen. Mir ist klar, dass ich hier noch eine Weile fest sitzen werde und dass ich dringend ein paar Freunde brauche. Der Zwerg mit den braunen Augen ist doch schon mal ein guter Anfang.

Kili erwidert mein Lächeln und für einen Moment bin ich verwirrt, weil sich mein Herzschlag beschleunigt. Ich bin über 400 Jahre alt, ich bin eine Kopfgeldjägerin, abgebrüht und Sklavin meiner Hormone, Pheromone und Endorphine. Ich habe mir vor gut 200 Jahren abgewöhnt, mich von Emotionen leiten zu lassen, weil sie mir nur Schwierigkeiten bereitet haben. Anscheinend kommt hier gerade einiges durcheinander. Das kann ja noch heiter werden.

Kili gähnt nach einer Weile und mir selber kriecht die Müdigkeit mit Nachdruck in die Glieder. Der Tag war aufreibend, anstrengend und ermüdend. Meine Augen brennen und meine Sinne sind seltsam abgestumpft. „Ich glaube, ich werde ein wenig schlafen“, erkläre ich erschöpft. Lass die da oben Mal tagen und beraten, sowas dauert immer ewig. Kenne ich schon, ist nicht das erste Mal, dass man sich zusammen findet, um sich über mich und meine Person zu beraten. Das kann dauern. Zu einem Ergebnis kommen die eh nicht.

Kilis Augen weiten sich, während ich mir die Stiefel ausziehe und anschließend die Hose. Ach, verflixt, nach 400 Jahren hab ich mein Schamgefühl ehrlich gesagt verloren. Ich bin müde, ich schlafe nicht gerne in Stiefeln und Hosen. So einfach ist das.

Mit nackten Beinen und unter sorgsamen Blicken aus braunen Augen schlüpfe ich unter die Bettdecke, drehe dem Zwerg den Rücken zu und schließe die Augen. Das Bett knarzt ein wenig und ist nicht wirklich bequem, aber es muss reichen.

Als ich am Morgen erwache, bin ich alleine, allerdings nur kurz. Ich bin gerade soweit, dass ich in meinen zweiten Stiefel schlüpfe, als die Tür aufgeht und zwei Zwerge in Rüstung und grimmiger Miene mir andeuten, ihnen sofort und ohne Widerworte zu folgen. Was ich natürlich tue. Das wiederum verwirrt die beiden Zwerge, die wohl mit Gegenwehr gerechnet haben und nun irgendwie beleidigt sind. Wie man es macht, ist es verkehrt. Das gilt wohl in allen Welten. Also murre und knurre ich ein wenig vor mich hin, was die Laune der Zwerge beträchtlich hebt. Geht doch.

„Schneller“, sagt einer der Zwerge streng. Das wollen die nicht wirklich, oder? Ich kann verflucht schnell sein, das muss ich auch, sonst wäre ich schon lange nicht mehr am Leben. Wenn man Jagd auf Dinge macht, die ihre Form und ihr Aussehen verändern können und sich innerhalb von dem Bruchteil einer Sekunde in eine andere Dimension verziehen, dann muss man ziemlich schnell sein.

Also bin ich schneller. Wie die Herren Zwerge es wollten. Sie sind ganz schön außer Atem, während sie hinter mir her sprinten. Sie wollten es so und ich bin bemüht, mich den Wünschen meiner Gastgeber anzupassen. Zufrieden sind sie trotzdem nicht. Ich verschwinde um eine Ecke und werde ausgebremst. Etwas bremst mich aus. „Uff“, sage ich und pralle mit jemand zusammen.

„Guten Morgen“, murmelt mein Gegenüber mir zu und blinzelt mich an. Natürlich ist es Kili, in den ich gerannt bin. Alles andere wäre ja auch unsinnig. Ich verstehe die kosmischen Kräfte ja manchmal, auch wenn ich von ihren Handlungen und Fügungen nicht immer begeistert bin. Also, was tut man in solch einem Moment? Man lächelt. Man genießt lächelnd den unerwarteten Körperkontakt mit einem Zwerg, den man sehr sympathisch findet. Was sollte man auch sonst tun?

Zwei völlig verschwitzte Zwerge tauchen hinter mir auf, keuchend und scheinbar erleichtert über die Tatsache, dass ich nicht stiften gegangen bin. Kilis Hände ruhen auf meiner Hüfte, es fällt mir erst jetzt auf. „Bist du auf der Flucht?“, fragt er mich vorsichtig und sein Griff verstärkt sich ein wenig. „Nein, die Herren wollten, dass ich mich schneller bewege und anscheinend war das wohl zu schnell“, erkläre ich gleichmütig und mit einem Achselzucken.

Kili schenkt mir ein hinreißendes Lächeln, das mich friedlich stimmt. Mittelerde stimmt mich irgendwie friedlich und dieser braunäugige Zwerg kocht mich weich. Scheiße, wo soll das enden? Werde ich dann irgendwann mit meinen Gegner eine Diskussion führen, anstatt ihnen den Kopf von den Schultern zu trennen? Oder mich vorher entschuldigen? Auf jeden Fall schlummert meine dunkle Seite grad recht friedlich vor sich hin, was nicht das Schlechteste ist. Ich habe mich damit arrangiert, die Tochter einer Halbgöttin und eines Dämonenfürsten zu sein. Beide Seiten bekommen ihre Aufmerksamkeit, wenn es notwendig ist, der Rest findet sich.

„Wo bringt ihr sie denn hin?“, will Kili von den beiden nach Luft schnappenden Zwergen wissen. „Zum Rat, die haben eine Entscheidung getroffen.“ Huch, das ging ja mal schnell. Na, mal gucken, ob ich in eine Zelle wandere oder gleich in den Feuern des Schicksalsberges versenkt werde. Letzteres wäre ziemlich unangenehm. Immer schön optimistisch bleiben, sage ich mir und trete einen Schritt von Kili zurück. „Ich komme mit“, erklärt Kili in einem Ton, der keine Widerworte zulässt. Also gehen wir weiter.
 

„Wir bringen die Frau.“ Na, was für eine Ansage. Dass die kein Pfund Mettwurst ausliefern, ist wohl jedem klar. Wichtig aussehende Zwerge, drei Elben und Gandalf sitzen an einem runden Tisch und mustern mich ausgiebig. Es riecht nach Alkohol und Tabak. War das eine Ratssitzung oder eher ein gepflegter Herrenabend? Obwohl es da kaum Unterschiede gibt. Riecht auf jeden Fall so und sieht auch so aus.

„Tritt vor, Dana McKinley aus Midgard“, sagt Gandalf mit wichtiger Stimme. Ich muss dazu sagen, Midgard ist nur mein Zweiwohnsitz. Passt schon, ist nebensächlich. Ich trete also vor und stehe kerzengrade und voller angespannter Erwartung da.

„Wir vom kleinen Rat haben nach langer Beratung befunden“, beginnt Gandalf umständlich, während ich mir die Anwesenden genauer ansehe. Elben sind schon hübsch, meine Fresse. Groß, schlank, perfekt frisiert. Aber- sie riechen ziemlich streng nach Waldboden und Erde. Ich muss bei Gelegenheit mal fragen, woraus die ihre Beinkleider machen. Ich vermeide das Wort Strumpfhose jetzt lieber. Auf jeden Fall müssen die Dinger reißfest sein, bei all dem Gestrüpp im Wald.

Nun ja, ich will nicht wissen, wie ich gerade für die rieche und vor allem nicht, wie ich für die aussehe. Ich stand vor nicht mal 24 Stunden knöcheltief in Dämonenkotze, die übrigens noch immer an meinen Stiefeln klebt und eine graugrüne Kruste darauf bildet. Irgendwas ist ja immer. Wie meine Hose aussieht, wollt ihr gar nicht wissen. Eine Dusche ist ein frommer Wunsch. Gleich nach sauberer Unterwäsche.

„Wir haben also befunden, dass wir deine Geschichte für glaubwürdig halten.“ Ah ja. Das ist ja schon mal was wert. Also doch kein Trip zum Schicksalsberg. Fein. Trotzdem sitze ich hier fest. Ich weiß es einfach, diese Sternenkonstellation hat mir den Tag gründlich versaut. Und vermutlich auch die nächsten 180 Jahre.

„Weiterhin sind wir zu dem Entschluss gekommen, dass du bleiben darfst. Natürlich unter strenger Beobachtung. Wir werden eine passende Aufgabe für dich finden. Du darfst wegtreten.“ Diese Worte stammen von Thorin, der nicht wirklich begeistert dabei klingt und vermutlich überstimmt wurde. Ehrlich gesagt ist es mir egal, ich bin erleichtert, dass ich nicht geköpft oder weggesperrt werde. Das ist mehr, als ich erwartet habe.

„Habt vielen Dank für Eure Großzügigkeit“, sage ich geübt. Der Satz passt immer in solchen Situationen und ich kann gar nicht mehr zählen, wie oft ich ihn inzwischen benutzt habe.

„Kili und Fili werden sich um dich kümmern. Ihr zeigt ihr alles“, sagt Thorin dann zu Kili und Fili, die brav nicken. Natürlich ist es Kili, der sich kümmern wird. Wer sonst? Fili ist nur das Alibi.

Ich verbeuge mich und sehe zu, dass ich den verqualmten Raum verlasse.

Da stehe ich nun draußen auf dem Gang und weiß nicht so recht, was ich mit mir anfangen soll. Ich bin dreckig, ich hab keine Klamotten zum Wechseln und Frühstück gab es auch noch nicht.

„Ich bin dreckig, brauche frische Sachen und ich habe Hunger“, sage ich zu meinem Aufpassern. Passende Klamotten dürften nicht das Problem sein, ich bin ja klein. Was zu essen gibt es bestimmt auch und garantiert auch eine Badewanne oder eine Dusche. Ich bin ja schon mit einem Rinnsal oder einem Bottich und Seife happy.
 

„Was zuerst?“, fragt Fili ziemlich amüsiert und verschränkt die Arme vor der Brust. Ja, gute Frage. „Sauber werden, saubere Sachen, dann essen. Alternativ auch essen, während ich sauber werde.“ Beide Zwerge grinsen und deuten mir an, ihnen zu folgen. „Oh, noch was Jungs- ich trage keine Kleider. Unter keinen Umständen. Nicht mal zu meiner eigenen Beerdigung“, erkläre ich mit Nachdruck. Die beiden Zwerge grinsen noch breiter. „Das überrascht uns nicht. Bleib mal stehen…“, meint Fili gut gelaunt. Er blickt einmal an mir herunter und nimmt Maß.

„Was ist das für ein Zeug auf deinen Schuhen?“, fragt er neugierig. „Dämonenkotze. Kriegt man mit einer Bürste und etwas Fett prima weg.“ Fili verzieht angewidert den Mund und schüttelt den Kopf. „Dämonenkotze… Nicht besser als Orkgekröse, befürchte ich. Was sind Dämonen?“ Oh Shit. Eigentlich direkt mit mir verwandt. Was nicht heißt, dass man ihnen nicht den Kopf abschlagen darf. Aus rein beruflichen Gründen, versteht sich. Nicht zu verwechseln mit diversen Familientreffen, in denen sich die Anwesenden an den Hals gehen, weil das einfach zum Guten Ton gehört. Kennt ihr bestimmt von Weihnachten, wenn vermutlich auch in abgemilderter Form.

„Es sind Kreaturen der Finsternis, die großen Schaden anrichten, wenn man ihnen nicht Einhalt gebietet. Sie können von einer Seele Besitz ergreifen, sie zerstören oder ähnliche Sachen. Keine sehr angenehmen Zeitgenossen“, erkläre ich sachlich. „Und du jagst diese Dämonen?“, will Kili nun wissen. Er klingt total interessiert. „Ja, das tue ich. Ist mein Beruf.“

„Dann bist du im Kampf erprobt?“, hakt er weiter nach. „Bin ich. Mit den meisten Waffen.“ Mit Wehmut denke ich an meinen Lieblingsdolch. Er war ein Geschenk von Odin Allvater für meine Dienste zum Wohle der Welten. Eine ziemliche Ehre für jemand, den man in den meisten Welten als Persona non grata bezeichnet. Ich werde ihn irgendwann zurück verlangen.

Der Duft von Seife und Bleiche steigt mir in die Nase, die Luft wird feuchter. Der Gang macht an dieser Stelle einen sanften Bogen nach rechts. Wir folgen ihm und der Geruch wird stärker. Fröhliche, weibliche Stimmen plaudern durcheinander, es wird gekichert. Zwerginnen. Und vermutlich die Waschküche.

Tatsächlich stehen ein gutes Dutzend bärtige, vollbusige Zwergenfrauen an großen Bottichen und waschen Wäsche. Sie tratschen und kichern, wie das so unter Frauen ist. Unter bärtigen Frauen, obwohl das keinen Unterschied macht. Neugierig mustern sie erst mich, dann ertönt ein sehr angetanes, mehrstimmiges „Hallo Kili, Hallo Fili“ von den Damen. Einige werden rot, richten sich Haare und Bartspitzen, rücken das Mieder zurecht. Ah, verstehe. Die beiden Jungs sind heiß begehrt. Kann ich verstehen.

Nach einer halben Stunde habe ich es dann erfolgreich geschafft, mich gegen die Idee, doch mal ein Kleid anzuprobieren gewehrt und bin mit einem Stapel frischer Wäsche und Schuhputzzeug versorgt. Die Damen verabschieden uns mit einem Kichern und ich folge meinen beiden Aufpassern weiter durch die Gänge.

„Hier kannst du ein Bad nehmen“, erklärt Fili mir freundlich. „Wir warten hier“, fügt Kili hinzu. Das setze ich voraus. Die beiden dürfen jetzt brav vor der Tür warten, während ich ein Bad nehmen werde. In einem Holzzuber mit viel heißen Wasser und jeder Menge Seife.

Und mit lautem Gesang, der so schaurig schlecht ist, das er wohl eine Horde Orks das Fürchten lehren würde. Sind Orks eigentlich musikalisch? Ich weiß es nicht, wie gesagt, der Teil meiner Ausbildung war für mich ziemlich uninteressant. Mittelerde war tabu und mehr musste ich nicht wissen. Macht doch auch Sinn, oder? Wenn etwas Tabu ist, muss man auch nichts darüber wissen. Es sei denn, man sitzt irgendwann in einem Badezuber im Zwergenland und singt ein sehr versautes Lied über eine Holde Maid mit blonden Haar, die gar nicht mal so hold wohl war, denn ihre Schenkel waren so offen wie ihr Haar..… Was man nicht alles von Kriegern und Göttern bei einem gepflegten Saufgelage lernt. Hach, es geht doch nichts über Siegesfeiern nach einer erfolgreichen Schlacht.

Ich steige irgendwann aus dem Zuber, weil meine Hände schon schrumpelig sind, rubbel mich mit einem Handtuch trocken und ziehe mir saubere Sachen an. Danach schrubbe ich die Dämonenkotze von meinen Stiefeln und poliere sie, bis sie glänzen. Jetzt bin ich bereit für das, was mir so bevorsteht.

„Wie lautete der Text?“, fragt Kili mich mit roten Ohren, die noch roter werden, als ich ihm den Wortlaut ausführlich erläutere. Worte wie bebende Brüste, befreite Lüste und wohlgeformter Hintern kommen darin vor. Und das Wort mächtiges Gemächt. Zwei Zwerge lauschen andächtig und kichern wie zwei kleine Jungs.

„Das musst du den Elben erzählen. Die pochen doch immer so auf die Ästhetik“, schlägt Fili grinsend vor. Ich glaube, ich hab noch ein paar Texte parat, die einen empfindlichen Elben dazu bringen könnten, freiwillig aus dem Fenster zu springen. Ohne elegante Landung, versteht sich.

Kili wirft ihm einen finsteren Blick zu. „Sprich nicht über Dinge, von denen du keine Ahnung hast, Bruder“, knurrt er wütend. „Verzeihung“, murmelt Fili zerknirscht und wirft mir einen leidigen Blick zu. Okay, bestimmte, weibliche Wesen sind ein Tabuthema bei Kili, gut zu wissen. Bestimmt nicht Elben im Allgemeinen, sondern eher ein Elb. Oder gar eine Elbin? Geht mich nichts an. „Sie ist seit Jahren fort, Kili. Und Trunni hat geheiratet. Das Leben geht weiter“, meint Fili trocken.

In Kilis Blick liegt so viel Leid, dass ich weg schaue. Es ging um eine Elbin, jemand namens Trunni und um große Gefühle. „SEI STILL!“ Okay, das war eine sehr klare Ansage. Kilis Fäuste ballen sich und für einen Augenblick sieht es so aus, als ob er sich auf Fili stürzen will. Und es keine drei Sekunden später auch tut.

„Es ist die Wahrheit! Tauriel hätte sich für dich entscheiden können. Sie hat dich hingehalten. Und Trunni hat sehr lange auf dich gewartet. Die Elbin wusste das“, wehrt Fili sich, während die beiden über den Steinboden rollen und sich Fausthiebe verpassen. Ich lehne mich an die Wand und gucke zu. Da halte ich mich komplett raus. Brüder, gebrochene Herzen und Raufereien, das kenne ich nur zu gut. Egal, in welcher Dimension. Zum Glück habe ich keine Geschwister. Sie hätten eh nicht lang überlebt. Ich kann sehr gnadenlos sein, schiebt es auf meine Gene väterlicherseits.

„Was ist denn hier los?!“ Thorins Stimme donnert durch den Gang, was die beiden Raufbolde aber ignorieren.

„Geht um eine Elbin, die Tauriel heißt und irgendwen namens Trunni“, erkläre ich achselzuckend. Thorin seufzt und stellt sich in gebührendem Abstand neben mich. Er verschränkt die Arme vor der Brust und mustert mich kurz. Das Leder seiner Kleidung macht dabei knirschende Geräusche. „Du riechst wesentlich besser als gestern, Frau“, stellt er nüchtern fest. Ich glaube, das ist aus dem Munde eines Thorin Eichenschild schon fast ein Kompliment.

„Wo ist eigentlich mein Dolch?“, frage ich unvermittelt. „An einem sicheren Ort, bis ich ergründet habe, welche Magie sich darin befindet“, erklärt er mir gelassen und sein Blick wandert zu seiner Hand. Ich sehe zwei große Blasen, die dunkel verfärbt sind. Ja, dieser Dolch hat es in sich. Er ist eben nicht für Zwergenhände bestimmt, sondern nur für meine. So einfach ist das. Da hat der Eisfluch, der darauf liegt und netterweise von einem echten Eisriesen gesprochen wurde, gute Dienste geleistet. Hat mir aber auch schon ein paar Erfrierungen beschert, was ich Thorin jetzt aber verschweige.
 

„Er gehört dir nicht, Zwergenkönig. Ich mag unhöflich sein, aber er wird dir so oder so nichts nutzen, denn er ist nur für meine Hände bestimmt.“ Kili und Fili unterbrechen ihre Prügeleinlage und hören gespannt zu. „Siehst du, Onkel, ich sagte es doch“, beginnt Fili in einem sehr klugscheißerischen Ton. Er erntet dafür einen strengen Blick von Thorin und einen Fausthieb von Kili, der sich offensichtlich gerade daran erinnert, dass er sich mit seinem Bruder geprügelt hat.

„Der Dolch bleibt da, wo er ist“, meint Thorin gleichmütig und tritt einen Schritt vor. Er greift die beiden, sich noch immer am Boden wälzenden Zwerge und trennt sie. „Schluss jetzt. Reißt euch zusammen. Alle beide.“ Thorins Stimme donnert förmlich durch die Gänge und lässt die beiden Streithähne empfindlich zusammen zucken. „Fili hat angefangen“, klagt Kili. „Und Kili hat weiter gemacht“, sagt Fili. Oh man. Ich habe das dringende Bedürfnis, ein paar Kreaturen zu töten bei so viel negativen Schwingungen. Das ist nicht gut für mein seelisches Gleichgewicht.

„Krieg ich jetzt endlich Frühstück oder muss ich es mir selber jagen?“, frage ich genervt. Ich bin satt schon leicht reizbar, aber hungrig und gereizt ist bei mir eine sehr gefährliche Kombination.

„Das will ich sehen“, sagt Thorin belustigt. „Gut. Wo ist der Ausgang?“, will ich wissen. Mir ist klar, dass ich jetzt nach draußen gehen werde und meinen Worten Taten folgen lassen muss. Ohne eine Waffe, versteht sich.

Fünf Minuten später stehe ich an der frischen Luft und bestaune die einmalig schöne Kulisse. Grüne Wälder, sanfte Täler und Berge. Ich hab schon weitaus hässlichere Welten betreten, allerdings konnte ich die immer problemlos verlassen. Sei es nun mit oder ohne Dämonenkotze an den Schuhen.
 

Ich sehe mich um und entdecke auf der Wiese ein Kaninchen. Frühstück. „Nicht atmen“, flüstere ich den Zwergen zu. Zwerge haben die Angewohnheit, laut zu atmen, das ist genetisch bedingt. Sie haben große Lungen und müssen entsprechend viel Sauerstoff hinein befördern.

Das Kaninchen hat mich schon lange gewittert, es stellt sich auf die Hinterbeine und schnüffelt, die Löffel orten Geräusche. Nach einem weiteren, sehr vorsichtigen Schritt greife ich nach einem flachen Stein. Wenn ich jetzt vorbei werfe, dann bin ich das Gespött eines Zwergenkönigs, was eindeutig gegen meine Ehre als Jägerin geht. Trotzdem tut mir der Mümmelmann leid.

Der Stein beschreibt einen hohen Bogen durch die Luft und trifft das Tier am Hinterkopf. Es bricht ohne einen Mucks zusammen. Zum Glück. Ich fühle mich mehr als schuldig, als ich ihn aufhebe und Thorin präsentiere. Ich mache so etwas normalerweise nur in Notfällen, Jägerin hin oder her. „Muss ich es noch selber häuten und ausnehmen, oder reicht es?“, frage ich unwirsch. Ein paar Früchte hätten es auch getan, finde ich.

„Sie isst ihn vermutlich roh“, meint Fili grinsend. „Nein, ich trinke nur das Blut“, antworte ich bierernst. „Unsinn“, wirft Kili energisch ein und nimmt mir den toten Mümmelmann mit einem Lächeln ab. Thorin schenkt mir einen misstrauischen Blick, den ich ihm nicht mal verübeln kann und reißt Kili das Kaninchen aus der Hand, dreht sich um und geht.

„Ist der immer so gut gelaunt?“, frage ich leise, als ich sicher bin, dass er weit genug weg ist. „Meistens“, antworten meine beiden Aufpasser lachend. Ich mag die Jungs auf jeden Fall lieber als Thorin Eichenschild. Beruht wohl auf Gegenseitigkeit. Und meinen Dolch kriege ich wohl auch so schnell nicht wieder. Obwohl das mal eine gute Beschäftigung wäre – den Dolch finden und wieder an mich nehmen. Ich hab geschätzte 180 Jahre Zeit, es sei denn, irgendwem fällt noch was geniales ein, um mich wieder in meine eigene Dimension zu bringen. Auf der anderen Seite sind 180 Jahre Urlaub auch was Feines, das deckt sich mit meinem Anspruch an Resturlaub. Glaube ich zumindest.
 


 

„Das ist Wurst“, erklärt Fili mir wenig später am reich gedeckten Frühstückstisch. Ich finde das nett und ebenso überflüssig. „Das weiß sie doch, du Dummbart. Wurst gibt es überall“, sagt Kili ihm überheblich. „Woher willst du das wissen?“

„Woher willst du wissen, dass dem nicht so ist?“, mault Kili. Oin legt sein Hörrohr beiseite und grinst.

„Sind die immer so?“, frage ich sehr leise, während die beiden Brüder munter weiter diskutieren. Ich muss insgeheim schmunzeln, weil Oin nickt. So schwerhörig ist er dann wohl doch nicht. Er will bloß nicht immer alles hören. Auch keine schlechte Taktik.

„Es gibt in jeder Dimension Wurst. Ich war auf jeden Fall noch in keiner, in der es keine Wurst gab“, erkläre ich schließlich.

„Wie ist das, wenn man in fremde Welten reisen kann?“, fragt Fili sehr neugierig. Das ist eine verdammt gute Frage. Ich bin ja nicht zum Sightseeing in den Dimensionen unterwegs, sondern, um Bösewichten das Handwerk zu legen. Ich muss stets bemüht sein, so unauffällig wie möglich zu agieren. Genau das erkläre ich dem Zwerg nun auch.

„Ein ziemlich hektisches Leben“, stellt Balin schließlich fest, der unserem Gespräch aufmerksam folgt. Recht hat er. Die zwei Tage in Mittelerde sind dagegen echt Wellness pur.

Nach dem Frühstück, das für meine Verhältnisse schon eher die Tagesration ist, helfe ich beim Abräumen und melde mich freiwillig zum Spüldienst. Genau wie Fili und Kili, die darüber nicht besonders begeistert wirken, weil sie ja auf mich aufpassen sollen. Sowas nennt man Zugzwang. Ich frage mich, was ich wohl beim Geschirrspülen so anstellen könnte. Ich werde nicht mit einem Spüllappen die Herrschaft über dieses Zwergenreich an mich reißen, so viel ist klar. Dafür bräuchte ich noch eine Spülbürste. Thorin ist aber auch ein misstrauischer Bursche. Ich bin auf die Gastfreundschaft dieser seltsamen Gesellen angewiesen, was das Ganze auch nicht besser macht.
 

Eine Zwergin kichert, als Fili ihr zuzwinkert und wird rot. Die zweite schenkt Kili ein umwerfendes Lächeln. Sie trägt kleine, bunte Glasperlen in ihrem Bart, die leise klimpern. Kili erwidert das Lächeln nicht minder umwerfend und zwei kichernde Zwergenfrauen stecken die Köpfe zusammen. Manche Dinge sind eben überall gleich.

„Und jetzt?“, frage ich die beiden, als wir fertig sind. „Ich müsste mich noch dringend um ein paar Sachen kümmern“, murmelt Fili mit Seitenblick auf die Zwergin. Ah, verstehe. „Schon gut“, meint Kili seufzend. „Ihr könnt euch auch beide um dringende Sachen kümmern. Ich warte in meinem Zimmer. Mal ganz ehrlich- wo soll ich denn sonst hin?“ Mein Vorschlag wird mit glänzenden Augen angenommen.

Natürlich gehe ich nicht in mein Zimmer. Ich bin doch nicht so dumm, mir diese einmalige Gelegenheit, mich ein wenig umzusehen, entgehen zu lassen. Notfalls sage ich eben, ich hätte meine Begleiter verloren und mich verlaufen. Funktionierte bisher auch immer bestens. Ich habe auch schon ein ganz bestimmtes Ziel vor Augen. Ich muss herausfinden, wo Thorins private Gemächer sind. Denn da ist bestimmt auch mein Dolch.



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