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Love Happens

von

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Flucht

Das Licht blendete sie, als Mio sich auf die Seite drehte. Sie verzog sich das Gesicht und legte sich einen Arm über die Augen, um den aufdringlichen Sonnenstrahlen zu entgehen. War es wirklich schon Morgen? Sie wollte noch nicht aus ihrem schönen Traum gerissen werden. Keiji-Sempai hielt sie doch gerade im Arm, sie spürte sogar seine Wärme im Rücken, als wäre er tatsächlich da. Mio wollte noch ein bisschen länger liegenbleiben und von ihm träumen.

Das zufriedene Lächeln wich aus ihrem Gesicht, als ihr schlagartig bewusst wurde, dass es gar kein Traum war. Die Ereignisse der letzten Nacht spielten sich vor ihrem inneren Auge im Schnelldurchlauf ab und vertrieben den letzten Funken Müdigkeit aus ihrem Leib.

Mio sprang abrupt aus dem Bett und suchte hastig nach ihrem Handy, während der schlafende Keiji unerkennbare Laute von sich gab. Scheiße, scheiße, scheiße! Das gehörte nicht zu ihrem Plan, bei ihm einzuschlafen. Sie hatte vorgehabt, noch in derselben Nacht nach Hause zu fahren. Er hatte ihr sogar versprochen, sie nach Hause zu bringen, aber anscheinend waren sie so müde gewesen, dass sie beide eingeschlafen waren.

Mio hockte auf dem Boden und durchwühlte mit rasendem Herzen die kleine Tasche, die sie gestern Abend mitgenommen hatte. Als sie fündig wurde, warf sie einen Blick auf ihren Handydisplay und stellte erleichtert fest, dass es erst kurz vor 7 Uhr morgens war. Da ihre Mutter frühestens um 8 Uhr aufstand, hatte sie noch genügend Zeit, nach Hause zu kommen und vorspielen, als wäre sie nie weg gewesen. Vorausgesetzt Keiji fuhr sie mit seinem Motorrad.

Mio setzte sie sich zurück aufs Bett und bemerkte erst jetzt die Digitaluhr auf Keijis Kommode. In all der Hektik war sie ihr gar nicht aufgefallen. Mio sah zu Keiji, der weiterhin friedlich schlummerte und nichts von seiner Umgebung mitbekam. Er lag auf dem Bauch und gab eine gute Sicht auf seine linke Gesichtshälfte frei. Es war ein seltener Anblick, sodass sie diese Gelegenheit glatt ausnutzte und ihn näher in Augenschein nahm. Es musste wohl stimmen, was man über schlafende Menschen sagte: Sie sahen in der Tat unschuldig aus. Selbst Keiji-Sempai, der immer einen frechen Spruch auf den Lippen hatte, wirkte in diesem Moment wie ein harmloser Junge, der niemandem etwas zu Leide tun konnte.

Mio grinste bei dem Gedanken daran und malte sich aus, wie er wohl reagieren würde, wenn sie es ihm erzählte. Sie streckte ihre Hand nach ihm aus und fuhr ihm durchs Haar, das sich erstaunlich weich anfühlte.

„Wach auf“, flüsterte sie ihm zu, „du musst aufstehen und mich nach Hause fahren.“

Keijis Grummeln ließ sie nicht davon abbringen, weiterzumachen, bis er widerwillig die Augen öffnete und verschlafen zu ihr sah.

„Wie spät ist es?“, fragte er mit einer heiseren Stimme und setzte sich auf. Mio kam nicht umhin, einen verstohlenen Blick auf seinen nackten Oberkörper zu werfen. Die Haut war glatt und leicht gebräunt wie sein Gesicht. Sie hatte das Verlangen, darüber zu streichen, wie gestern Nacht. Als ihre Blicke sich trafen, machte Mios Herz einen Satz, als hätte er sie gerade bei etwas Verbotenem erwischt, doch er sah sie weiterhin nur fragend an.

„S-sieben“, stotterte sie und ärgerte sich innerlich über ihren Mangel an Beherrschung. Wo war denn auf einmal ihre Lässigkeit geblieben? Mio wandte ihren Blick wieder ab und strich sich, um ihre Verlegenheit zu verbergen, eine Strähne hinters Ohr. „Wir sollten los, bevor meine Mutter aufsteht und merkt, dass ich nicht da bin.“

Sie nahm Keijis Nicken aus dem Augenwinkel wahr, doch statt aufzustehen und sich anzuziehen, zog er sie in seine Arme.

„Hey, was tust du da?“, protestierte Mio. „Wir sollten los, hörst du?“

„Ja, in fünf Minuten, okay?“

Mio seufzte, gab aber sofort nach und schmiegte sich an ihn. Es war süß von ihm, dass er noch kuscheln wollte, bevor sie losfuhren. Dieser dominante Kerl, von dem man eigentlich keine Zärtlichkeiten erwarten würde, strich ihr sanft über den Rücken.

„Wie fühlst du dich?“

Mio spürte, wie seine Frage ihr die Hitze in die Wangen trieb. Sie hätte nicht gedacht, dass sie ihre Hemmungen ablegen könnte, aber letzte Nacht war genau das geschehen. Keiji-Sempai hatte ein gewisses Talent dafür, Frauen zu verführen, und Mio konnte ihm dieses Mal nicht widerstehen. Es wäre falsch, dem Alkohol die ganze Schuld zuzuschreiben. Früher oder später wäre es eh passiert und in Keiji-Sempais Fall eher früher. Er war ein leidenschaftlicher Mensch, dem Nähe äußerst wichtig war. Aber das war nicht der Grund, warum Mio sich auf ihn eingelassen hatte.

Mittlerweile wunderte es sie auch nicht mehr, dass er so viele Verehrerinnen hatte. Sie würde lügen, wenn sie behauptete, es würde sie kalt lassen und sie wäre nicht im Mindesten eifersüchtig, aber er hatte gesagt, dass diese Frauen ihm nichts bedeuteten und daran klammerte sie sich.

„Gut.“

„Ich bin froh, dass ich dein erster war“, sagte er unverblümt und kassierte von Mio einen Schlag gegen die Brust. Er rieb sich die Stelle, konnte sich aber ein Grinsen nicht verkneifen. „Was ist? Ist doch ganz normal, dass ich so empfinde.“

„Aber du musst es nicht auch noch laut aussprechen!“, fuhr sie ihn empört an und schimpfte ihn einen blöden Affen. „Hör auf, mich ständig in Verlegenheit zu bringen.“

Keiji lachte nur und zog sie fester an sich, damit sie ihn nicht noch einmal schlagen konnte.

„Unter einer Bedingung.“

Mio sah ihn skeptisch an.

„Und die wäre?“, fragte sie vorsichtig.

Keiji sah sie verheißungsvoll an und strich ihr mit dem Handrücken über die Wange.

„Du sollst nur mich sehen, Mio.“

Mios Augen weiteten sich überrascht. Nur ihn sehen? Das tat sie doch jetzt schon. Kein anderer Junge interessierte sie. Doch Keiji schien es aus ihrem Mund hören zu wollen, denn er packte sie sanft aber bestimmt am Kinn und forderte eine Antwort. „Hast du das verstanden?“

Mio hatte nicht das Gefühl, dass ihr eine andere Wahl blieb, als seine Bedingung zu akzeptieren. So eine ähnliche Situation hatten sie doch schon einmal.

Bevor Mio ihm eine Antwort geben konnte, klopfte es unerwartet an der Tür.

„Keiji? Bist du etwa schon wach?“

Ihre Blicke wanderten zeitgleich zur Tür.

„Verdammt... Deine Mutter...“, gab Mio unüberlegt von sich und spürte plötzlich Keijis Hand auf ihrem Mund. Er befahl ihr mit einem Blick still zu sein.

„Ja, bin wach. Ist irgendwas?“

„Prima! Das Frühstück ist gleich fertig. Dann können wir endlich wieder zusammen essen!“

„Ich esse später.“

Damit schien sich seine Mutter nicht zufrieden zu geben.

„Das finde ich aber nicht in Ordnung. Du bist kaum zu Hause und wenn du doch zu Hause bist, essen wir nicht einmal gemeinsam. Nimm dir doch bitte wenigstens dafür Zeit!“

Keiji schnalzte genervt mit der Zunge.

„Ist ja schon gut.“

Hinter der Tür hörte man leise Schritte, die sich entfernten.

Keiji-Sempai nahm seine Hand von Mios Mund und fuhr sich mit derselben durchs Haar.

„Was machen wir denn jetzt?“, fragte Mio etwas panisch. Wenn seine Eltern hiervon Wind bekamen, würden auch Mios davon erfahren und dann drohte ihr lebenslanger Hausarrest oder Schlimmeres...

Keiji gab ihr keine Antwort, sondern grübelte vor sich hin. Während er nachdachte, löste sich Mio von ihm und zog sich ihre Kleidung vom Vortag an. Sie holte einen kleinen Spiegel aus ihrer Handtasche und richtete, soweit es ihr möglich war, das Haar. Das Make-up konnte man allerdings nicht mehr retten. Da sie gestern Nacht ihr kleines Intermezzo hatten, war der Lippenstift zum größten Teil verwischt und die Wimperntusche ein wenig unter den Augen verschmiert. Mio versuchte vergeblich, das untere Lid mit dem Zeigefinger sauber zu reiben, und gab nach wenigen Versuchen auf.

„Keiji-Sempai“, sagte sie, nachdem sie sich schnellstmöglich fertiggemacht hatte, „wie sollen wir das denn jetzt machen?“

Keiji stand mittlerweile am Fenster und sah hinaus.

„So machen wir's“, sagte er und zeigte auf das Fenster, als würde diese Erklärung ausreichen, doch Mio hatte keine Ahnung, was er meinte.

„Du kletterst aus dem Fenster.“

Mio blinzelte und runzelte entgeistert die Stirn.

„Was...?!“

„Wir sind im Erdgeschoss, das sollte zu schaffen sein.“

„Und was, wenn mich eure Nachbarn sehen?“

Die Einfamilienhäuser standen in dieser Wohnsiedlung dicht nebeneinander und wurden nicht einmal durch eine Hecke voneinander getrennt. Die Wahrscheinlich war groß, dass sie von jemandem aus der Nachbarschaft entdeckt werden könnte.

„Wäre es dir lieber, wenn meine Eltern dich sehen?“

Mio kaute nachdenklich auf der Unterlippe. Sie war von diesem Plan nicht besonders angetan, aber ihr wurde schnell bewusst, dass sie gar keine andere Wahl hatte.

„In Ordnung.“

Keiji ging zu seinem Schrank und holte einen Kapuzenpullover und eine Jogginghose heraus, die er ihr reichte.

„Hier, zieh das an. Damit dich niemand erkennt.“

Mio tat wie ihr geheißen, zog sich das Kleid wieder aus und schlüpfte in die etwas weite Jogginghose, die sie fest an der Hüfte zuschnürte, damit sie nicht abrutschte. Um nicht zu stolpern, krempelte sie die langen Hosenbeine hoch. Dann zog sie den Pullover an und die Kapuze gleich mit über den Kopf. Der Pulli verströmte Keiji-Sempais unverkennbaren Geruch. Er dachte immer ein paar Schritte voraus, denn so konnte sie nicht nur schwerer erkannt werden, sondern konnte sich ebenso bequemer auf das Motorrad schwingen. Nachdem sie fertig war, öffnete Keiji das Fenster und hob Mio auf die Fensterbank.

„Meine Schuhe!“

Die hatte sie gestern Nacht aus Gewohnheit im Flur stehen lassen. Was, wenn seine Mutter sie bereits entdeckt hatte? Nein, dann wäre sie garantiert bereits in Keijis Zimmer gestürmt und hätte ihm die Hölle heiß gemacht.

„Ich hole sie gleich, wenn ich rausgehe. Du läufst am besten ein Stück bis zur nächsten Straßenecke, damit man dich von unserem Haus aus nicht sieht. Ich komme sofort nach und bringe deine Schuhe. Alles klar?“

Mio nickte und verspürte eine tiefe Aufregung, die sie packte.

Keiji half ihr aus dem Fenster zu steigen. Tat sie das gerade wirklich? Es war wie in einem Film. Einfach unrealistisch. Seit seinem Liebesgeständnis ging ihr Leben drunter und drüber. Oft war es nicht einfach gewesen, auch wenn sie nach außen hin nie Schwäche gezeigt hatte. Sie hatte versucht, mit allem allein fertig zu werden, aber vielleicht musste sie das gar nicht. Vielleicht war er schon immer an ihrer Seite gewesen und, ohne dass sie es bemerkt hätte, und hatte auf sie aufgepasst.

Mio landete mit ihren nackten Füßen im Gras, das vom Tau noch ein wenig feucht war. Sie hatten Glück, dass es Sommer war und sie sich durch diese Aktion keine Erkältung holen konnte. Früh Morgens hatte sich die Hitze noch nicht festgesetzt und es war angenehm frisch.

„Alles okay?“, erkundigte er sich mit aufrichtiger Besorgnis.

„Ja“, antwortete Mio mit einem kläglichen Lächeln in seine Richtung, „außer, dass das hier total verrückt ist.“

Keijis dunkles Lachen war ansteckend, sodass Mio die ganze Situation nicht mehr ernst nehmen konnte. Auch sie grinste breit.

„Wir sehen uns dann gleich“, meinte Keiji-Sempai und schloss das Fenster, bevor Mio sich auf den Weg machte. Sie schaute vorsichtshalber zu den Fenstern des Nachbarhauses, um sich zu vergewissern, dass man sie nicht beobachtete, aber dort regte sich nichts.

Mio tapste wie verabredet zu der nächsten Straßenecke, darauf bedacht, auf nichts Scharfes oder Kantiges zu treten und niemandem zu begegnen. Aber die Sorge schien vollkommen unnötig zu sein, denn der Fußgängerweg war sauber gefegt und menschenleer.

Mio musste nicht lange auf Keiji warten. Nach wenigen Minuten hörte sie bereits sein Motorrad näherkommen. Er hielt vor ihr an und klappte das Visier seines Helms hoch.

„Was hast du deiner Mutter gesagt?“, fragte Mio, während sie in ihre High Heels schlüpfte. Sie musste eine witzigen Anblick bieten, in dem übergroßen Trainingsanzug und den schicken Schuhen.

„Ich meinte, ich muss kurz weg“, erzählte er mit einem ungerührten Schulterzucken.

„Hoffentlich bekommst du keinen Ärger.“

Der Helm dämpfte Keijis Lachen. Der schien sich ja gar keine Sorgen zu machen. Auch vorhin, als seine Mutter plötzlich vor seinem Schlafzimmer stand, hatte er seelenruhig mit ihr geredet. Mio war überrascht, dass seine Mutter ihm das einfach durchgehen ließ. Aber vielleicht war die Erziehung bei Jungen einfach anders als bei Mädchen. Bevor Mio einen weiteren Gedanken spinnen konnte, zog er sie zu sich.

„Zieh meinen Helm aus.“

Mio sah etwas irritiert drein, kam seiner Bitte jedoch nach. Da er immer noch auf dem Motorrad saß und sie hohe Absätze trug, war sie nun diejenige, die größer war und auf ihn herabblicken konnte.

„Küss mich.“

Ihr erster Impuls war es, dagegen zu protestieren, aber ihr fiel kein schlagfertiges Argument ein. Keine Menschenseele befand sich auf den Straßen, die ganze Stadt schien zu schlafen. Niemand würde sie beobachten, also gab es keinen Grund, seinem Wunsch nicht nachzukommen.

„Unter einer Bedingung.“

In Keijis dunkelbraunen Augen spiegelte sich Schalk, aber auch Interesse wieder.

„Da bin ich ja mal gespannt.“

Mio holte tief Luft.

„Du darfst mich nicht wieder verlassen“, sagte sie entschlossen, bevor sie der Mut verließ. Mit klopfendem Herzen wartete sie auf seine Reaktion. Keijis Gesichtsausdruck veränderte sich langsam, wurde ernster.

„Das werde ich nicht.“

Die Freude, die seine Worte in ihr auslösten, war unbeschreiblich. Sie würde am liebsten einen Luftsprung machen, aber hielt sich zurück.

„Nun schau nicht so ernst“, sagte sie dann mit einem Grinsen und stupste mit ihrem Zeigefinger seine Nasenspitze an. „Hier hast du deinen Kuss.“

Mio schlang ihre Arme um seinen Hals und drückte sich, so weit es diese Position zuließ, an ihn. Sie küsste ihn zärtlich, bevor sie sich auf den Weg zu ihr nach Hause machten.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Tasha88
2018-11-17T08:23:24+00:00 17.11.2018 09:23
<3
Das war ja süß <3
Das hätte ich nicht erwartet...
Mehr Drama und so...
Freue mich auf alles weitere :D

... Kurzes kommi >.<

<3 <3 <3
*Twix da lasse*


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