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This Is Called Love

Kurzgeschichten Sammlung
von

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Planmäßig verzweifelt

Endlich Sportunterricht. Klar, ich mache gerne Sport. Vor allem spiele ich mit Vorliebe Fußball, aber zurzeit gibt es einen ganz anderen Grund warum ich mich gerade auf diese Unterrichtsstunde am meisten freue. Erwähnter Grund ist, dass ich von hier aus das Zimmer von unserem Schularzt sehen kann. Und eben dieser hat es mir seit einiger Zeit angetan. Im Gegensatz zu all den anderen Lehrern ist er nämlich nicht asbachuralt, sondern ziemlich jung und fällt genau in mein Beuteschema vom Äußeren her. Vom Platz aus kann ich ihn gut im Auge behalten und manchmal hängt er sogar am Fenster und sieht uns zu. Spricht ja von selbst, dass ich mich dann besonders anstrenge. So auch heute.

Er lehnt am Fensterbrett und sieht zu. Wir sind gerade am Warmlaufen. Immer im Kreis herum ist auch irgendwie dämlich. Da weiß man mal wie sich Hamster in Laufrädern fühlen.

Jetzt ist auch meine Chance gekommen. Ab und an kann ich es mir leisten. So merkt er nicht, dass ich es absichtlich tue und er denkt sich höchstens, dass ich ein Tollpatsch bin.

Als ich absichtlich so laufe, dass ein anderer Schüler gegen mich prallt, strauchele ich und gebe mir Mühe mich nicht allzu sehr am Boden abzustützen. Stöhnend bleibe ich am Grund und sehe auf mein Knie. Es blutet leicht.

Was tut man nicht alles für ein paar Minuten allein beim Schularzt?

„Leo? Alles in Ordnung?ˮ, ruft mein Sportlehrer.

„Ja, das Knie blutet ein bisschen, aber das geht schon!ˮ

„Nichts da! Geh zum Schularzt und lass ihn das mal ansehen! Wenns nicht so schlimm ist, kannst du immer noch an der Stunde teilnehmen!ˮ

„Okay!ˮ

Läuft ja wie geschmiert! Zum Glück ist mein Sportlehrer von der überfürsorglichen Sorte. Also humpele ich von dannen mit einem breiten Grinsen im Gesicht.

Als ich zum Fenster sehe ist Herr Scholz leider nicht mehr zu sehen. Schade. Oder hat er es gesehen und kommt mir entgegen? Das wäre ein Traum!

Ich laufe vom Sportplatz direkt zum Schulgebäude rüber und durch die verlassenen Flure. Meine Schritte klingen hier irre laut.

Vor dem Krankenzimmer bleibe ich stehen und klopfe. Nach wenigen Sekunden runzele ich die Stirn und klopfe erneut.

„Komisch, keiner da? Er war doch eben noch am Fenster...ˮ, murmele ich und drücke die Türklinke herunter.

„Geh ruhig rein.ˮ

Ich zucke zusammen und drehe mich um. Die Schritte habe ich kaum wahrgenommen.

„Herr Scholz musste dringend weg. Hat 'nen Anruf bekommen. Alles okay?ˮ, fragt der Junge.

So ein verdammter Mist! Jetzt war alles total umsonst! Verfluchte Scheiße!

„Eh~ nicht so wichtig.ˮ Ich bin imstande wieder zu gehen als er mein Humpeln bemerkt und mich am Arm zurückhält.

„Bleib hier. Ich sehe mir das mal an.ˮ Er öffnet die Tür zum Krankenzimmer und wartet darauf, dass ich eintrete. Was ich nun auch widerwillig und mit verbissener Miene tue.

Was für ein Jammer!

Ich setze mich auf die Liege, während der Junge die Tür schließt und sich auf den Drehstuhl des Arztes nieder lässt.

„Ich kenne dich. Du heißt Sven Peters oder?ˮ, frage ich ihn neugierig.

„Ja, woher kennst du mich?ˮ Überrascht sieht er zu mir auf.

„Na ja, war 'ne ziemlich große Sache als du dich an der Schule geoutet hast. Du warst sozusagen das Gesprächsthema Nr. 1 für ein paar Wochen.ˮ

„Aha...ˮ Er hebt mein Bein an und stellt es zwischen seinen Beinen auf dem Sitz des Drehstuhls ab. Ich presse meine Lippen zu einem schmalen Strich zusammen und verbeiße mir einen anzüglichen Kommentar. Legt er es darauf an oder was?

Moment mal! Auf was?

Stirnrunzelnd sehe ich ihm zu wie er die Wunde vom grobkörnigen roten Sand säubert und mir eine Salbe draufschmiert. Er klebt ein Pflaster drüber und jedes Mal, wenn mich seine Finger an der nackten Haut zufällig berühren überkommt mich eine leichte Gänsehaut.

„Ich bin auch schwulˮ, erzähle ich nach einer Weile des Schweigens in der ich ihm einfach nur zugesehen habe.

„Cool!ˮ, meint er nur und sieht mich abwartend an. Was heißt hier cool? Ist das etwa alles?

„Ist sonst noch was?ˮ, fragt er und stemmt seine Hände auf die Oberschenkel.

„Nein, nichts!ˮ, murre ich und hoppse von der Liege herunter, nachdem ich mein Bein zurückgezogen habe. „Danke!ˮ

Energischen Schrittes gehe ich zur Tür und suche schleunigst das Weite. Was habe ich auch erwartet? Zu blöd, dass Herr Scholz nicht da ist. Jetzt muss ich wieder so lange warten bis ich mir erneut einen Unfall leisten kann.
 

***
 

Zwei Wochen später bin ich der Meinung, dass ich es wieder riskieren kann. Dummerweise klappt es nicht so wie ich es vorhergesehen habe. Wohl eher wie ich es geplant habe.

Wieder einmal Sport. Diesmal spielen wir Fußball. Ich stehe im Tor. Einer der Jungs kommt auf mich zugerannt genau in dem Moment als ich loshechte um den Ball zu fangen, bevor er ins Netz prallt. Der andere Junge ist so dicht vor mir, dass er nicht mehr rechtzeitig stoppen kann und mich heftig anrempelt. Ich stürze nach hinten und bekomme den harten Pfosten gegen den Nacken. Es schmerzt höllisch. Ich sacke zusammen, kauere mich hin und greife mir in den Nacken.

„Leo!ˮ, ruft diesmal nicht nur mein Sportlehrer sondern auch einige meiner Mitschüler, die mich besorgt umringen.

„Alles okay?ˮ, fragt Herr Meyer.

„Nicht anfassen!ˮ, zische ich. Boah~ das tut so schon sau weh! Dann soll da nicht auch noch jemand in meinen Nacken grabschen!

„Ist noch alles dran?ˮ Oh, die Stimme kenne ich doch. Mr. Cool. Der Kühlschrank aus dem Arztzimmer.

„Sieht man doch!ˮ, fahre ich ihn ungehalten an.

„Ich bringe ihn ins Krankenzimmer.ˮ

„Okay, danke Sven.ˮ

Hey! Was soll das? Habe ich jetzt etwa gar nichts mehr zu melden? Ich erhebe Einspruch!

Sven umgreift meinen Oberkörper und die Kniekehlen und hebt mich hoch, als wäre ich eine Feder. Als ich in sein Gesicht sehe, merke ich mit Genugtuung, dass ich alles andere als leicht bin. Gut so. Geschieht ihm ganz recht! Was mischt er sich auch ein? Soll er mich ruhig tragen.

Trotzdem lehne ich mich kaum merklich an seine Brust. Mein Kopf ruht an seiner Halsbeuge und für einen Moment fühlt es sich gar nicht mal so schlecht an wie eine Prinzessin durch die Gegend getragen zu werden. Auch wenn Prince Charming mächtig am Schnaufen ist.

„Wieso machst du das? Kriegst du dafür Pluspunkte?ˮ, frage ich ihn verächtlich.

„Ja, das hoffe ich doch.ˮ Sven sieht nach vorne, während er die Tür des Schulgebäudes anstrebt.

„Ach? Von wem? Vom Sportlehrer?ˮ, will ich höhnisch wissen.

„Ich dachte von dir?ˮ Mit unbestimmten Blick schaut er mich flüchtig an.

Irritiert sehe ich zu ihm hoch, auch wenn das arg auf den schmerzenden Nacken geht. Gibt's doch nicht! Steht der etwa auf mich? Ist er so kühl, weil er schüchtern ist oder was?

Kleinlaut lasse ich mich zum Krankenzimmer tragen. Nach ein paar Mal klopfen öffnet sich die Tür noch immer nicht.

„Ist wohl mal wieder unterwegs.ˮ Mit dem Ellenbogen drückt Sven die Türklinke herunter ohne mich abzusetzen. Er geht sofort zur Liege und lässt mich vorsichtig darauf nieder.

Aus einem weißen Schrank befördert er ein Kühlkissen zutage und legt er mir fürsorglich auf den Nacken.

„Danke.ˮ Ich schließe seufzend meine Augen. Man, fühlt sich das gut an. Erleichterung überkommt mich. Die Kälte hemmt den Schmerz ein wenig.

Als ich die Augen wieder öffne, sehe ich Sven direkt in die Augen. Er sitzt auf dem Stuhl und hat sich leicht vornübergebeugt, um mir mit der Hand das Kühlkissen an den Nacken zu drücken.

Ganz langsam rollt er mit dem Stuhl näher an mich heran ohne seinen Blick von mir zu nehmen. Ich drehe mich ein wenig auf die Seite und spüre wie mir das Herz bis zum Hals schlägt. Sein Gesicht ist auf einmal so nahe, seine Lippen nur noch Zentimeter entfernt. Ich spüre seinen warmen Atem auf meinem Gesicht, dass mein Wangen in brennen und sehe ihn nur noch aus halbgeöffneten Lidern an. Der leichte Druck auf meinen Lippen, erst schüchtern, dann mutiger, lässt es in meinem Bauch mächtig kribbeln. Da scheint einigen Flugzeugen die Turbinen ausgegangen zu sein. Totalabsturz. Massenkarambolage!

Ich schlinge meine Arme um Sven, ignoriere meinen zeternden Nacken und es stört mich nicht im Geringsten, dass er halb auf der Liege hängt und sich wahrscheinlich dabei gerade einen Krampf holt.

Dass er mir gleich die Zunge in den Mund schiebt, kommt zwar ein wenig plötzlich, ist aber überaus willkommen. Mein Hirn hat sich eh längst verabschiedet. Es ist mit meinem Verstand untergetaucht.

Svens rechte Hand fährt mir über den nackten Oberschenkel immer tiefer Richtung Shorts und eine Gänsehaut überkommt mich. Ich spüre seine warmen Finger unter dem Stoff. Aber nur am Rande, seine Zunge erfordert weitaus mehr Aufmerksamkeit.

„Ähem!ˮ Jemand räuspert sich und lässt uns hastig auseinander fahren. Herr Scholz steht in der Tür.

„Das hier ist kein Aufenthaltsraum.ˮ

„Ja, äh...ˮ Sven scheint ebenfalls kaum klar denken zu können. Wie gut, dass ich damit nicht der Einzige bin. „Er hat... sein Nacken hat Schmerzen.ˮ

„So? Sein Nacken hat Schmerzen?ˮ Grinsend kommt der Arzt ins Zimmer und scheucht Sven von der Liege weg. Hastig setze ich mich auf und lasse mich vom Arzt untersuchen.

„Scheint ordentlich geprellt zu sein. Damit musst du zum Orthopäden gehen. Das muss auf jeden Fall geröngt werden. Dafür haben wir hier nicht die erforderlichen Geräte.ˮ

„Okay.ˮ

„Das Kühlpad kannst du mitnehmen. Gute Besserung.ˮ

„Danke.ˮ

„Soll ich dich heimbringen?ˮ, fragt Sven hilfsbereit, nachdem ich die Tür hinter mir geschlossen habe und wir wieder im Flur stehen.

„Nee, ich rufe im Sekretariat meine Mutter an.ˮ Er nickt und bleibt zaudernd bei mir stehen.

„Schon komisch...ˮ Ich neige den Kopf zur Seite und krause die Stirn. Sven sieht mich fragend an.

„Ich dachte, ich steh auf ihn, aber als er mich berührt hat habe ich irgendwie nichts gefühlt.ˮ

„Tja, war wohl nur eine vorübergehende Schwärmerei, was?ˮ

„Möglich.ˮ Ich zucke mit den Schultern.

„Also dann...ˮ Sven wendet sich ab. Hastig greife ich nach seinem Arm. „Was ist?ˮ, fragt er hoffnungsvoll.

„Sehen wir uns morgen?ˮ, frage ich ihn mit einem Kloß im Hals.

„Klar, warum nicht?ˮ Er lächelt freudig und drückt mir noch einen flüchtigen Kuss auf den Mund ehe er zurück Richtung Sportplatz läuft. Nachdenklich sehe ich ihm nach. Meine Hand legt sich auf den Bauch. Es kribbelt wieder heftig. „Massencrash von Flugzeugen...ˮ, murmele ich grinsend.



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