Zum Inhalt der Seite

Als wir Kinder waren

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Was es braucht

Mit langsamen Schritten lief er durch die Fußgängerzone. Bunte Blätter lagen auf seinem Weg und entlocken ihm ein kleines Lächeln. Gott. Er liebte Deutschland im Herbst. Die stürmischen Winde, die durch die Straßen wehten und an seinen Haaren zogen. Dazu war es noch warm genug um nur in Jeans und Shirt gehen zu können. Es war fantastisch. Die schwere Tasche mit seinen Einkäufen schulterte er neu und vertiefte sich in das Meer aus Gedanken und Gesprächen, die ihn umspülten. Seit fast fünf Monaten war er nun hier. Zurück in Deutschland, zurück in Frankfurt. Er war ausgestiegen, abgehaun, untergetaucht. Ganz auf sich gestellt zu sein war wohl die beste Entschiedung gewesen, die er damals hatte treffen können. Wenn die Jungs von Schwarz noch lebten, würde vermutlich nur Brad wissen, dass er selbst noch lebte, dass er nun hier war. Er hatte sich nicht verabschiedet Und hatte nichts mitgenommen. Er war nach dem Untergang der Kadetrale aus dem Wasser gekrochen und verschwunden, sobald er wieder genug Kraft hatte. So hatte er es sich vor genommen. So hatten sie es geplant. Erneut schlich sich ein Lächeln auf seine Lippen. Noch immer kam ihm der Plan völlig verrückt vor, den sie damals geschmiedet hatten. Er und Ran. Als sie sich nach ihrer Rückkehr das erste Mal begegnet waren, war alles klar gewesen. Sie hatten sich verloren. Alle beide. In ihre Zeit in Deutschland, in einander. Kurz schnaufte er, als er den Kiosk betrat, seine Zigaretten aus dem Regal zog und zur Kasse schritt. Er hatte sich erst daran gewöhnen müssen, seine Fähigkeiten nicht mehr so unbedacht einzusetzen. Auf den Schutz einer Organisation konnte er ja nun nicht mehr hoffen. Überhaupt hatte er die letzten Jahre nur auf Ran vertrauen können. Alles zwischen ihnen war heimlich gewesen und doch so unglaublich kitschig und romantisch. Gut die Aufträge waren eine logistische Meisterleistung Rans gewesen. Alle. Er hatte immer dafür gesorgt, dass sie sich nicht ernsthaft Schaden mussten Und einmal hatte Schuldig doch dazu gelockt mit ihm in deiner dunklen Gasse zu verschwinden. Alle Aufträge waren wunderbar glaubhaft inziniert. Bis auf den Letzten. Warum hatten sie auch Rans Schwester mit reinziehen müssen? Ihm wurde immernoch flau im Magen, wenn er daran zurück dachte.

Schuldig bezahlte und ging weiter. Seine Erinnerungen drängten sich ihm auf. Ran hatte ihn in diesem Moment garantiert gehasst. Er zog die Brauen zusammen. Ob es der Fujimiya-Tochter jetzt gut ging? Unweigerlich gingen seine Gedanken zu diesem Tag zurück. Er hatte sich in sein Gedächtnis gebrannt. Er hatte alles verändert. Sein ganzes bisheriges Leben, seine Pläne mit Ran. Schuldig hatte sich so viel Mühe gegeben, dass es dem Mädchen gut ging. Er war immer ganz nahe bei ihr gewesen und hatte es als seine psychopatische Ader getarnt. Es hatte ihm alles abverlangt. Doch Rans ehrliche Wut in seinen Augen hatte ihn noch mehr gekostet. Schuldig lief ein kalter Schauer über den Rücken. Er hatte tatsächlich Angst gehabt. Keine Angst vor dem Tod. Nein. Angst, dass das mit Ran zu Ende war. Mürrisch blieb er auf dem Gelände des Industriegebietes stehen, legte den Kopf in den Nacken und rollte seinen Kopf hin und her um die sauer gewordenen Muskeln zu entspannen. Die ersten Tage hier in seinem Versteck waren die Hölle gewesen, hatte er doch die letzten Jahre fast nie allein geschlafen. Meist Hatte er bei Ran geschlafen. Das schmales Bett und sein warmer Körper war alles, was es gebraucht hatte. Es war aufregend gewesen nicht gehört zu werden, wenn sie sich durch die Laken gescheucht hatten. Diese 1,8 Quadratmeter waren sein ganz persönliches Paradies gewesen. Doch dieses große, leere Bett in seinem Versteck ... Er konnte kaum schlafen. Er wusste nicht, ob Ran noch lebte, oder ob er tot war, mit der Kadetrale untergegangen. Und wenn er lebte, ob es noch ein "Wir" gab. Es wollte ihn zerfressen. Doch dann kam es anders.

"Starr keine Löcher in die Luft. Dadurch wird sie nicht besser", hörte er in brüchigem Deutsch und ein breites Grinsen stahl sich auf sein Gesicht. Er senkte seinen Kopf und sah auf den Mann, der auf der Holzkiste vor seinem Versteck saß und mit dem Klebestreifen ihres Fliegengitters kämpfte. Die abgewetzte Jeans und Schuldigs liebstes Shirt waren zu groß, standen ihm aber unglaublich gut.

"Krieg dich ein, Prinzessin. Du wolltest, dass ich mich unauffällig verhalte. Da dauert einkaufen eben", erklärte er und zuckte gleichgültig mit den Schultern.

"Warum legst du dich überhaupt mit dem Fliegengitter an? Das hat beim letzten Mal schon gewonnen", spottete er. Offensichtlich war das der letzte Tropfen Und die Bombe platzte.

Ran erhob sich ruckartig und begann farbenfroh auf japanisch zu fluchen. Schuldig beobachtete ihn dabei, wie er auf ihn zukam, seine Wange mehr Farbe annahmen und er drohend gegen seine Brust tippte. Die Worte vernahm er nur am Rande. Die üblichen Beschimpfungen die fielen, wenn Rans Grenzen überschritten waren. Angriff war eben seine beste Verteidigung. Schuldig besah sich den Mann vor sich. Seine Haare waren zerwühlt, feine Strähnen hingen ihm in den Augen und er sah abgekämpft aus. So wie damals, als er nach vier Tagen ohne Lebenszeichen plötzlich hier in der Tür stand. Damals waren ihm mit einem Blick zwei Dinge klar geworden: Sie hatten es geschafft. Beide. Und sie würden nie wieder in ihr altes Leben zurück kehren.

Fest griff Schuldig in Rans Nacken, zog ihn zu sich und küsste ihn stürmisch. Er musste ihn jetzt schmecken. Ran erwiderte es sofort. Er zog ihn fest an sich. Das hier, dieser Moment war alles, was es brauchte.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück