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La Vie de Fayette

Beloved Enemies
von

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Club Moonflower

Seth kam um knapp 17 Uhr vorbei und hatte sich ein schwarzes Hemd angezogen, dazu eine ebenso schwarze Jeans. Er sah wirklich verdammt gut aus und es hätte mich nicht gewundert, wenn die Frauen bei seinem Anblick schwach geworden wären. Ich hatte mich für ein türkises T-Shirt mit Aufdruck entschieden. Türkis war ohnehin schon immer meine Lieblingsfarbe gewesen. Nicht zuletzt, weil dies auch die Farbe meiner Augen war. Ich konnte es kaum erwarten, endlich mal wieder mit meinem besten Freund in einen Club zu gehen und ordentlich zu feiern. Meine Laune war jedenfalls auf dem absoluten Höhepunkt und ich war mir sicher, dass der Abend unvergesslich werden würde. Nicht zuletzt, weil ich nach langer Zeit mit meinem besten Freund einen draufmachen ging. Der Club Moonflower war sehr zentral gelegen und hatte erst vor zwei Jahren eröffnet. Wir waren schon bei der Eröffnungsfeier dabei gewesen und hier hatte mein bester Freund auch seine jetzige große Liebe kennen gelernt. Raphael hatte ich persönlich bis jetzt noch nicht kennen gelernt, weil ich nur ein Mal im Moonflower war und an dem Abend ein anderer Barkeeper gearbeitet hatte. Aber so wie Seth von Raphael schwärmte, schien dieser ein absoluter Traummann zu sein. Wenn er an diesem Abend im Club arbeitete, dann hatte ich ja wenigstens die Chance, ihn mal kennen zu lernen.

„Und?“ fragte ich Seth, während wir mit dem Bus in Richtung Innenstadt fuhren, um so zum Club zu kommen. Denn wir beide waren vernünftig genug, um später lieber mit dem Taxi nach Hause zu fahren, als betrunken mit dem Auto durch die Gegend zu fahren. „Wie war denn der Tag im Laden? War viel los?“

Mir entging nicht, dass Seth übers ganze Gesicht strahlte und das lag mit großer Sicherheit daran, dass er mir gleich seinen Liebsten vorstellen wollte und er ohnehin über beide Ohren verliebt war. Natürlich freute ich mich für ihn, aber im Grunde war es doch eine blanke Ironie. Seth war glücklich in einer Beziehung, nachdem er so viele One-Night-Stands und kurze Affären hatte und ich? Ich hatte gerade erst eine Beziehung beendet und hatte Liebeskummer und obendrein noch eine gewaltige Wut im Bauch wegen meinem Wiedersehen mit Rion, auf welches ich nur allzu gerne verzichtet hätte.

„Ach es war gut besucht“, antwortete er zufrieden. „Wir haben zwei Großaufträge reinbekommen und sollen den Blumenschmuck für eine Hochzeit ausrichten. Für den zweiten sollen wir den Blumenschmuck für eine Beisetzung vorbereiten.“

„Na hoffentlich nicht für ein und dasselbe Paar“, scherzte ich und auch Seth musste lachen. Einen Großauftrag für eine Hochzeit und dann noch einen für eine Beerdigung zu bekommen, war doch auf eine etwas makabere Art und Weise ironisch. Schließlich aber erkundigte sich Seth bei mir nach dem Rechten und wie mein Tag so verlaufen wäre. Mit einem erschöpften Seufzer erzählte ich ihm von der Sache mit Rion und auch Seth war recht erstaunt, als er das hörte und schüttelte sprachlos den Kopf. Er kannte Rion nicht direkt, da er eine Jahrgangsstufe höher gewesen war als ich. Aber er wusste schon, was das für ein Kerl war und etwas verständnislos meinte er dazu „Also entweder ist er sehr dreist, oder aber es ist seine Art, sich für das Mobbing zu entschuldigen.“

An der zweiten Wahl hatte ich meine ernsten Zweifel. In dem Fall hätte sich Rion doch direkt entschuldigen können, aber stattdessen hat er genau da weitergemacht, wo er vor sechs Jahren aufgehört hatte.

„Er ist einfach nur dreist, arrogant und selbstverliebt, außerdem ist er ein Sadist. Aber ich hab ihm gesagt, was Sache ist und damit hat es sich erledigt.“ Verständnisvoll nickte Seth, wirkte aber doch ein wenig besorgt und ich wusste schon warum. Vorsichtig legte er eine Hand auf meine Schulter und sah mich mit seinen tiefbraunen Augen an.

„Wenn du Hilfe brauchst, dann kannst du jederzeit zu mir kommen. Sollte dir dieser Rion Probleme machen, dann rede ich mal mit ihm.“ Es war auch wirklich erleichternd zu hören, dass ich nicht ganz alleine da stand und klar kommen musste. Denn auch wenn ich mich durchaus in der Lage sah, auch meine Meinung zu sagen, manchmal hatte ich doch so meine Schwierigkeiten mit anderen, die größer und stärker waren als ich. Und dass ich mich an Seth wenden konnte, der um einiges größer und stärker war, gab mir auch ein Stück weit Sicherheit.

„Danke, Seth. Wenn ich dich nicht hätte…“ Ich gab ihm einen freundschaftlichen Stoß in die Seite, woraufhin er schmunzeln musste. Wir beide waren wirklich wie Brüder und verstanden auch die Scherze des anderen. So auch, als Seth mir durch die Haare wuschelte und meinte „Jetzt übertreib nicht gleich, sonst fall ich gleich noch über dich her.“

Natürlich wusste ich, dass er das nicht ernst meinte und ich vertraute ihm auch. Nach seinem Coming-Out hatten wir ein langes und offenes Gespräch geführt, um alle Karten offen auf den Tisch zu legen und eventuelle Missverständnisse aus der Welt zu schaffen. Und dabei hatte mir Seth auch versichert, dass er keinerlei Gefühle für mich hegte, sondern lediglich einen fast schon brüderlichen Freund in mir sah. Für mich war das natürlich eine große Erleichterung gewesen, denn ich hätte seine Gefühle einfach nicht erwidern können und außerdem wollte ich ihn nicht als Freund verlieren. Da das geklärt gewesen war, ließ ich mir auch solche Späße von ihm gefallen. Immerhin ärgerte ich ihn auch manchmal ganz gerne mit seiner Homosexualität. Uns beide verband nämlich auch die Eigenschaft, dass wir auch über uns selbst lachen und unsere Makel immer noch mit einer Selbstironie betrachten konnten. Darum war mein Konter darauf auch „Und ich dachte, du stehst nur auf echte Kerle.“
 

Die Stimmung war gelockert und wir hatten gute Laune. Den Ärger mit Rion hatte ich längst vergessen und als wir schließlich an der Bushaltestelle ausstiegen und den Club Moonflower erreichten, freute ich mich schon fast wie ein kleines Kind an Weihnachten. Wir gingen zum Eingang hin, wo wir auch den Türsteher trafen. Ein Schrank von einem Menschen, der solche Muskeln hatte, dass ich mich ernsthaft fragte, ob sein Spitzname nicht vielleicht Terminator war. Bei dem ernsten Gesicht rutschte mir augenblicklich das Herz in die Hose und ich hatte einen Heidenrespekt vor dem Kerl, der gut und gerne über zwei Meter groß war. Seine Hände erinnerten mich an Baggerschaufeln und ich war mir sicher, dass der sich nicht mal anstrengen müsste, um mir das Rückrad zu brechen. Seth ging direkt zu ihm hin, sprach kurz mit ihm und sogleich schaute der Schrank mit seinen finsteren Augen zu mir herunter. Dann fragte er „Ist das deine Freundin?“ Obwohl ich enormen Respekt vor diesem Monstrum von Kerl hatte, so konnte ich diesen Kommentar doch nicht so auf mir sitzen lassen.

„Ich bin sein Kumpel, klar?“

Ich versuchte zwar selbstbewusst auszusehen, aber bei diesem tödlichen Blick begannen mir nun doch die Knie zu schlottern. Hilfe… wenn der Kerl mal aus den Latschen kippte, würde mit Sicherheit Erdbebenalarm ausgelöst werden. Doch dann schwand der finstere Blick und sogleich war mir so, als würde der Türsteher-Terminator nun doch nicht mehr so furchteinflößend sein. „Oh, entschuldige. Das tut mir leid…“

Wow, der entschuldigte sich sogar bei mir. Nun, im Grunde waren Türsteher ja auch nur Menschen und in der Vergangenheit hatte ich ja auch schon die Erfahrung gemacht, dass sie eigentlich ganz nett waren, wenn man ihnen friedlich begegnete und keinen Streit suchte. Aber dieses bedrohliche Auftreten gehörte für sie eben zum Job dazu. Für sie war es ein Mittel, um sich auch gegen schwierige Individuen durchzusetzen. Nun hatte ich zwar keine Angst mehr vor dem Kerl, aber mein Respekt war nicht minder groß. Und so ließ uns Herkules 2.0 hindurch und wir betraten den Club Moonflower. Es war bereits einiges los und die Musik spielte laut. Eine Lasershow wurde gerade veranstaltet und eine Gruppe tanzte bereits auf der Tanzfläche. Wir steuerten als erstes die Bar an, da ich ja auch Raphael kennen lernen wollte. Und tatsächlich stand er da und mixte gerade einen Batida Brazil. Wie ich mir schon gedacht hatte, war Raphael südamerikanischer Abstammung, hatte einen Bart und schwarzes Haar. Wie Seth schon erzählt hatte, war er gut trainiert und sah wirklich aus wie der Traum einer jeden Frau. Ich war wirklich sprachlos, denn es erstaunte mich immer wieder, was für einen Geschmack mein bester Freund da hatte. Ich wandte mich an Seth und rief ihm durch den Lärm zu „Wie zum Teufel schaffst du es bloß, dir einen Typen zu angeln, der der Inbegriff von Sexiest Man Alive ist?“

„Er hat eher mich angesprochen“, gab Seth zu und lächelte verlegen. „Von alleine hätte ich mich nicht getraut, ihn anzusprechen.“

Kein Wunder, dachte ich mir so, als mein Blick wieder zu Raphael wanderte, der uns schon bemerkt hatte und uns zuwinkte. Bei so einem gut aussehenden Kerl musste man auch enormes Selbstbewusstsein haben, um ihn anzusprechen. Zwar hatte Seth Selbstbewusstsein, aber dafür hätte es eindeutig nicht gereicht. Als wir dann endlich die Bar erreicht hatten, grüßte Raphael uns gut gelaunt, unterließ aber jeglichen zärtlichen Austausch mit Seth und ich konnte mir schon denken wieso: wahrscheinlich hatte Raphael sehr viele weibliche Fans und da war es eben auch lukrativ, wenn man sie im Glauben ließ, er wäre noch zu haben. Und mit Stolz verkündete Seth „Fay, das ist Raphael. Raphael, das ist mein bester Freund Fay.“

Raphael und ich grüßten uns mit einem Händedruck und zum Glück drückte er nicht allzu fest zu.

„Ist mir eine Freude, Fay“, rief Raphael und wirkte auf Anhieb sehr sympathisch auf mich. „Seth hat mir ja schon so einiges über dich erzählt.“

„Nur Gutes, will ich hoffen.“

Ich merkte sofort, dass die beiden wirklich das perfekte Paar waren und ich das sagte ich den beiden auch, als ich sichergegangen war, dass das sonst keiner an der Bar mitkriegen würde. Sogleich bestellte ich mir, um mir ein wenig zusätzliche Partystimmung anzutrinken, einen Tequila Sunrise, während Seth einen Long Island Ice Tea wählte. Wir verabschiedeten uns dann wieder von Raphael, suchten uns einen Platz und tranken unsere Cocktails, bevor wir dann auf die Tanzfläche gingen.
 

Die Musik hämmerte laut und überall leuchteten Lichter in allen Farben und heizten die Stimmung auf. Ich wurde regelrecht von der Musik fortgerissen und als ich meinen zweiten oder sogar schon dritten Cocktail hatte, da wandte ich mich an Seth und rief ihm zu, er könne gerne zu Raphael gehen. Mit genügend Alkohol im Blut konnte ich mich schon alleine amüsieren und wenigstens einer von uns sollte sein Liebesglück auskosten. Die Musik dröhnte aus den Lautsprechern und ich war wie in eine Art ekstatische Trance verfallen. Ich tanzte auf der dichten Tanzfläche, wo sich unzählige Körper dicht an dicht drängten und mir auch inzwischen vollkommen egal war, ob mich irgendwelche Typen antanzten, weil sie mich erst ursprünglich für ein Mädchen hielten. Schließlich aber, als ich merkte, dass mir so langsam doch ein klein wenig schwindelig wurde und ich eine kurze Pause brauchte, ging ich zu eine der Bars hin. Da das Moonflower sehr groß war, gab es zwei Bars. Die Hauptbar, wo Raphael arbeitete und eine andere nahe des V.I.P.-Bereichs. Ich bestellte mir einen Cuba Libre und merkte erst, dass Rion fast direkt neben mir saß, als er mich ansprach.

„Bist du dir sicher, dass du Cocktails trinken solltest, Fayette? Frauen vertragen ja nicht so viel Alkohol wie Männer.“

„Was willst du denn hier? Verfolgst du mich etwa?“ giftete ich ihn an und inzwischen hatte der Alkohol den größten Teil meiner Vorsicht und Zurückhaltung ausgemerzt und ich war durchaus bereit, mich mit diesem Kerl anzulegen.

Dummerweise machte da meine Motorik nicht mehr ganz so gut mit, wie ich eigentlich wollte. Und auch mein Sichtfeld war nicht mehr ganz klar. Mein Blick schweifte schließlich zu seinem Drink und ich stellte fest, dass es ein Cosmopolitan war. Passte irgendwie zu ihm.

„Nein“, antwortete er und wirkte genauso wie im Café. Er hatte immer noch diesen herablassenden und überlegenen Blick und dieses hinterlistige Lächeln. „Ich wollte mich nur nach einem ereignisreichen Arbeitstag ausspannen. Und was führt dich her? Bist du auf Männerfang?“

Normalerweise hätte ich ihm keine Antwort darauf gegeben, aber dummerweise machte Alkohol ja auch irgendwie redseliger. „Ich hab gerade eine Trennung hinter mir und will mich ablenken. Und außerdem wollte ich den Ärger mit dir vergessen, mein Freund.“
 

Ich trank meinen Cocktail in wenigen Zügen aus und fühlte mit einem Male eine schleichende Trägheit über mich kommen, gepaart mit einer gewissen Müdigkeit. Mir war schwindelig und ich merkte auch, dass ich wohl nicht mehr wirklich in der Lage war, anständig geradeaus zu laufen. Das würde noch einen ordentlichen Kater geben, aber wenigstens war ich nicht mehr imstande dazu, mir wegen irgendetwas noch Gedanken zu machen. Ich stützte meinen Kopf auf meine Hand und versuchte mich irgendwie zu sammeln, doch das war leichter gesagt als getan. So langsam dämmerte es mir, dass ich vielleicht doch ein wenig zu viel getrunken hatte. Aber die Erschöpfung und Benommenheit hielten zum Glück auch nicht lange an.

„Wow, du hattest echt eine Beziehung?“

„Klar hatte ich die“, rief ich, wobei ich auch feststellte, dass es selbst mit dem Sprechen nicht mehr so wirklich klappen wollte. Vier Drinks hatte ich schon und das war schon einiges.

„Ob du es wusstest oder nicht, aber ich hatte schon drei.“

Und um meine Aussage zu unterstreichen, hielt ich ihm die entsprechende Anzahl von Fingern hoch. Nur da ich mittlerweile so einiges doppelt und dreifach sah, fiel es mir natürlich schwerer, auch selbst zu erkennen, wie viele Finger ich gerade hochhielt. Und tatsächlich korrigierte mich Rion auch sogleich, indem er erklärte „Du hältst gerade vier Finger hoch.“

Um mich zu vergewissern, ob Rion wirklich Recht hatte, sah ich mir meine Finger genau an, doch ich war nicht mehr wirklich in der Lage, die Anzahl zu bestimmen und so beließ ich es einfach dabei.

„Und was ist mit dir?“ fragte ich und trank meinen Cocktail trotz der Tatsache weiter, dass ich vielleicht doch besser aufhören sollte. „Hast du eine Freundin?“

„Nein, derzeit bin ich Single.“

Das kaufte ich ihm nicht wirklich ab und meinte dann natürlich direkt, ohne überhaupt großartig zu registrieren, was ich da gerade von mir gab: „Wieso das denn? Du siehst heiß aus und ich bin mir sicher, so ein Typ wie du hat locker zehn Frauen an einem Finger. Wenn ich mal so verdammt scharf aussehen könnte. Stattdessen hält mich selbst der Türsteher für ein Mädchen! Dabei will ich doch auch nur, dass mich irgendjemand liebt, auch wenn ich keine Muskeln hab und nicht so groß bin. Aber irgendwie will keine Beziehung halten, weil ich einfach unfähig bin. Warum kann ich kein richtiger Kerl sein, warum?“
 

Ohne es zu wollen, flossen bei mir die Tränen. Ich hatte mit einem Male einen richtig heftigen Heulkrampf bekommen, was auch eine der vielen Nebenwirkungen des Alkohols war. Im nüchternen Zustand hätte ich nie und nimmer so etwas zu Rion gesagt, geschweige denn dass ich vor ihm geheult hätte. Aber mir war das vollkommen egal und ich war auch nicht mehr nüchtern genug, um meine Gefühle unter Kontrolle zu halten. Und da war es mir auch herzlich egal, ob es ausgerechnet mein schlimmster Feind war, bei dem ich mich ausheulte.

„Ich bin in jeder Hinsicht ein kompletter Vollversager. Ich bin ein verdammter Schwächling und ich werde niemals als Mann wahrgenommen werden. Nicht mal küssen kann ich.“

Nur halbwegs realisierte ich, was ich da eigentlich gesagt hatte und dass ich tatsächlich solche Sachen zu Rion sagte, wo dieser doch keine Gelegenheit ausließ, um sich über mich lustig zu machen. Und deshalb rechnete ich auch damit, dass er gleich wieder einen dummen Kommentar vom Stapel lassen würde, mit dem er mich dann wieder aufziehen konnte. Umso verwirrter war ich, als nichts dergleichen kam und Rion dann stattdessen sagte „Womöglich hast du diese richtige Person noch nicht gefunden. Und es liegt nicht unbedingt am Aussehen. Selbst damit kannst du absolutes Pech haben und von einem Beziehungsflop in den anderen rutschen.“

„Liebe ist für’n Arsch“, pflichtete ich ihm bei und trank meinen Cocktail aus. „Und irgendwann haben auch wir Glück. Wenn selbst Seth sich einen so heißen Barkeeper anlachen kann, dann werde ich garantiert auch nicht als Junggeselle sterben.“

Ich wollte aufstehen und wieder zur Tanzfläche gehen, doch ich stellte fest, dass es nicht mehr so einfach war, wie ich es mir vorgestellt hatte. Alles verschwamm vor meinen Augen und um mich herum drehte sich alles. Auch mit meiner Fähigkeit, klar zu denken, war es nicht weit her und für mich gab es nur eine Lösung, etwas gegen dieses Problem zu unternehmen: noch mehr Alkohol! Also wandte ich mich an den Barkeeper, der mir in Folge meines Suffs mehr und mehr wie Leonardo di Caprio in seinen jungen Zeiten zu Titanic aussah und rief ihm zu „Einen Tequila Sunrise bitte!“

„Du hattest genug“, kam es vom Leonardo-Doppelgänger und Diskutieren war auch nicht mehr mit ihm möglich. Er blieb dabei und so ging ich beleidigt von dannen und machte mich auf den Weg zu den Toiletten. Etwas Kaltes Wasser ins Gesicht konnte ja vielleicht helfen, wieder ein wenig klarer im Kopf zu werden. Ich drängte mich an den anderen vorbei und erreichte tatsächlich die Herrentoiletten. Nachdem ich mich erleichtert hatte und mir im Anschluss die Hände wusch, betrachtete ich mich im Spiegel. Und man sah mir deutlich an, wie angesäuselt ich eigentlich war. Aber ich hatte keine Lust, jetzt schon zu gehen. Die Nacht war noch jung und ich wollte weiter feiern. Das Schlimmste aber war, dass man mir sogar ansah, dass ich geheult hatte. Meine Augen waren gerötet und wirkten ein wenig aufgequollen. Um ein wenig klarer im Kopf zu werden, wusch ich mir das Gesicht mit kaltem Wasser und tatsächlich hatte ich den Eindruck, als würde es ein wenig helfen. Doch ich wusste selbst, dass logisches Denken für den Rest des Abends eindeutig nicht mehr möglich war. Deshalb wäre mir auch nie in den Sinn gekommen, dass ich vielleicht doch besser nach Hause gehen und meinen Rausch ausschlafen sollte. Nein, das kam für mich in diesem Moment überhaupt nicht infrage. Ich wollte weiterfeiern, ganz egal wie sehr ich auch betrunken war. Plötzlich bemerkte ich, dass Rion wieder neben mir am Waschbecken stand. Was wollte der denn wieder hier?

„Verfolgst du mich etwa?“ fragte ich ihn und schaute ihn durch den Spiegel grimmig an. Doch er blieb unbeeindruckt und erklärte ganz einfach „Ich brauch ja wohl kaum deine Erlaubnis, um auf die Toilette zu gehen, Fayette. Aber meinst du nicht auch, dass es langsam mal an der Zeit wäre, nach Hause zu gehen? Du kannst ja kaum noch vernünftig laufen.“

„Ach und du bist noch völlig nüchtern, oder was?“

„Nein, aber im Gegensatz zu dir kenne ich mein Maß.“

Das wollte ich nicht auf mir sitzen lassen. Denn ich war der festen Überzeugung, dass ich mein Maß ganz eindeutig kannte und so baute ich mich, so gut es mir in meinem Zustand noch möglich war, vor ihm auf und sah kampfbereit und entschlossen aus.

„Ach ja? Nur damit du es weißt, du bist nicht so ein toller Hecht, wie du denkst. Mag sein, dass du andere mit deinem guten Aussehen blenden kannst, aber ich weiß, was für ein Arsch du wirklich bist. Mich führst du nicht hinters Licht und mein Entschluss steht fest: das Fotoshooting kannst du dir an den Hut stecken, okay? Du bist… du bist…“

Mir fiel in dem Moment einfach nichts mehr Gescheites ein, was ich ihm noch zusätzlich an den Kopf werfen konnte. Ich konnte auch nicht mehr vernünftig nachdenken und mir war es in dem Moment auch vollkommen egal, ob sich Rion wieder über mich lustig machen würde oder nicht. Doch stattdessen seufzte dieser nur kopfschüttelnd, ergriff mich am Arm und zerrte mich zur Tür.

„Du bist auch echt ein unverbesserlicher Vollidiot“, gab er nur zurück und ich, der ich keine Ahnung hatte, was er nun im Schilde führte, versuchte mich von ihm loszureißen.

„Lass mich los, verdammt. Wo willst du mit mir hin?“

„An die frische Luft“, erklärte er mir und schleifte mich in Richtung Eingang und ich war nicht mehr wirklich imstande, mich gegen ihn zu wehren. Auch im nüchternen Zustand wäre das wohl kaum möglich gewesen, aber ich wollte nicht nach draußen gehen. Nein, ich wollte verdammt noch mal im Club bleiben und weiterfeiern. Und doch… als ich diesen festen Griff um meinen Arm spürte und Rion etwas näher betrachtete, da erschien er mir plötzlich nicht mehr so ein Ekelpaket zu sein. Nein, irgendwie wirkte er mit einem Male ganz süß und so verabschiedete sich auch der Rest meines logischen Denkvermögens. Stattdessen warf ich mich auf ihn und drückte mich fest an ihn, wobei ich mir ein süffisantes Kichern nicht verkneifen konnte. Und diese Reaktion meinerseits brachte auch Rion völlig aus der Bahn, der mich daraufhin losließ und anscheinend nicht wusste, was er jetzt tun sollte. Jetzt hatte ich ihn. Verschlagen grinste ich ihn an und kicherte.

„Ja, da bist du jetzt sprachlos, oder? Damit hättest du wohl nicht gerechnet.“

Mit großer Genugtuung sah ich, wie perplex mein alter Feind war und dass er scheinbar nicht wusste, was er darauf wohl erwidern sollte. Mir sollte es nur recht sein und ich beschloss, dieses Spielchen noch ein wenig weiterzuspielen. Einfach nur, um ihn in Verlegenheit zu bringen und mal zu sehen, wie er die Fassung verlor und nicht mehr der charismatische und stets beherrschte Überflieger war, der immer dieses kalte und siegessichere Lächeln auf den Lippen hatte. Ich wollte mehr davon sehen und ich war dafür bereit, aufs Ganze zu gehen. Einfach nur, um ihn zu ärgern. Doch so einfach wollte Rion wohl nicht mit sich spielen lassen. Er versuchte sich aus meiner Umklammerung zu lösen und schien deutlich ungehaltener zu werden.

„Jetzt lass mich endlich los und hör auf mit diesem Quatsch, Fayette. Du musst dich ernsthaft ausnüchtern.“

„Was denn?“ fragte ich ihn herausfordernd und grinste schief. „Machst du dir vielleicht Sorgen um mich?“

Rion seufzte und ich glaubte so etwas wie Verlegenheit bei ihm zu sehen. Und das fand ich irgendwie faszinierend an ihn, denn dieser Blick war mir so neu an ihm. Er wirkte nicht mehr so unantastbar und als würde ihn wirklich gar nichts beeindrucken. Wenn ich es nicht besser gewusst hätte, dann hätte ich wirklich gesagt, dass Rion „menschlicher“ wirkte. Es war irgendwie amüsant, auch mal eine andere Seite zu sehen und nicht immer die eines eiskalten Mistkerls, der wie ein abgebrühter Firmenchef wirkte. „Oh Mann, du bist aber auch echt eine Nervensäge“, knurrte er und schien es offenbar aufgegeben zu haben, mich nach draußen zu bringen. Tja, die Runde ging dann ja wohl eindeutig an mich.

Schließlich holte Rion sein Smartphone heraus und begann eine Nummer zu wählen.

„Was machst du da?“ fragte ich und immer noch hielt ich ihn fest umklammert, was wahrscheinlich auf manche Leute gewirkt hätte, als wäre ich ein Kind, das sich an seinem Vater geklammert hätte. Oder eben halt wie ein abgrenzungsbehinderter Stalker. „Ich hole ein Taxi. In dem Zustand kannst du ja wohl kaum alleine laufen.“

„Alte Spaßbremse“, grummelte ich und zog eine beleidigte Schmollmiene. „Du schickst mich einfach nach Hause wie ein Baby, nur weil du Schiss vor mir hast? Und ich dachte, du bist ein echter Kerl, du Blödi!“

Diesen Kommentar wollte er scheinbar nicht auf sich sitzen lassen. Entweder lag es daran, weil ich seine Männlichkeit infrage gestellt hatte, oder ich hatte ihn mit der Bemerkung zu sehr provoziert, dass er irgendwie Angst vor mir hätte. Ehe ich mich versah, hatte sich Rion nämlich aus meinem Griff befreit und kurz darauf stand ich mit dem Rücken zur Wand und meine Handgelenke wurden festgehalten, sodass es mir nun kaum möglich war, mich zu befreien oder mich zu wehren. Doch das fiel mir in dem Moment auch nicht so wirklich ein, denn dazu war ich viel zu betrunken. Stattdessen sah ich in Rions eisblaue Augen und sagte und tat nichts. Irgendwie schienen mich diese Augen zu hypnotisieren wie bei einer Schlange. Ich hatte noch nie in meinem Leben so hellblaue Augen gesehen, die wie Kristalle leuchteten. Sie wirkten auf der einen Seite so kalt… genauso wie er das vom Charakter her auch ausstrahlte. Aber sie beherbergten ein solches Licht, das fast schon unnatürlich war. Ja es war, als würde etwas aus seinem Innersten heraus leuchten und nur in seinen Augen zu sehen sein. Und das war es auch, was mich letztendlich schwach werden und mich wirklich alles vergessen ließ. Vielleicht wollte ich ihn mit meiner Aktion auch noch mal zusätzlich schocken und ihn durcheinander bringen, um seine starke Ausstrahlung zu brechen und den Mensch in ihm hervorzulocken. Obwohl ich eigentlich wissen sollte, dass ich es nicht tun sollte, beugte ich mich vor und küsste ihn. Ich spürte seine Lippen auf den meinen, die sich erstaunlich zart anführten und ich roch sein Aftershave. Aber dann trat genau das ein, was immer bei mir passierte, wenn sich meine Lippen mit denen einer anderen Person berührten. Mir wurde schwindelig, mein Körper versagte augenblicklich und mir wurde schwarz vor Augen. Ich bekam nur noch mit, wie Rion erschrocken meinen Namen rief und mich auffing, bevor ich das Bewusstsein verlor. So wie es mir immer in solchen Situationen passierte, seit ich zwölf Jahre alt war.

Ich kam aber kurz darauf wieder zu mir und ich saß auf dem Boden, mit dem Rücken zur Wand gelehnt. Nur verschwommen sah ich Rion, wie er sich über mich beugte und mit mir redete. Doch so wirklich war ich noch nicht bei Sinnen, um zu verstehen, was er sagte. Mir war immer noch furchtbar schwindelig und ich bezweifelte, dass ich jetzt noch die Kraft hatte, aufzustehen. Schließlich aber zog Rion mich hoch und nahm mich auf den Rücken.

„Du bist wirklich anstrengend, weißt du das? Du bist echt schlimmer als 16-jährige Mädchen“, hörte ich ihn grummeln und ich merkte so langsam, dass er richtig sauer war. Ich bekam am Rande mit, wie er mich nach draußen brachte und ein Taxi ansteuerte, welches in der Nähe des Eingangs parkte. Ehe ich mich versah, verfrachtete er mich auf den Rücksitz, bevor er selbst Platz nahm und dem Fahrer die Adresse nannte, zu der er hinfahren sollte. Und auch wenn ich stockbesoffen war und gerade einen Ohnmachtsanfall hinter mir hatte, so war ich dennoch inzwischen wieder aufnahmefähig genug um mitzukriegen, dass es nicht meine Adresse war, die Rion da nannte. Im Normalfall hätte ich ja etwas gesagt, aber da fielen auch schon meine Augenlider zu und ich schlief direkt ein.



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