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Prelude of Shadows

Die Team Shadow Chroniken
von

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Amy – Akt 1, Szene 6

7 Jahre vor Team Shadows Gründung

 

Amy saß im Flur auf einem der dekorativen Sofas und versuchte, Morbitesses strafenden Blick zu ignorieren, mit dem das Gestirnpokémon sie bedachte. Natürlich war ihre Hose ein bisschen dreckig, und ihre Schuhe voll mit Schlamm, aber sie konnte nicht ewig mit geradem Rücken rumstehen und darauf warten, ins Lehrzimmer gerufen zu werden.

Tim und ihre Mutter waren kurz nach ihrer Rückkehr ins Haus dorthin verschwunden, mit der Ansage, dass Amy nach Tim mit der Besprechung dran sein würde, aber die beiden redeten seit über einer Stunde und Amy machte sich langsam Sorgen. Gedankenverloren rieb sie über die Pokébälle an ihrem Gürtel. Sie hatte das dringende Bedürfnis, mit ihren Pokémon zu sprechen, aber Sengo war noch bewusstlos—sie hatte noch keine Gelegenheit gehabt, sie mit der inhäusigen Pokécenterstation zu heilen, und in Lady Morbs Gegenwart wollte sie dieses Gespräch ohnehin nicht führen.

Stühle schrammten über das Parkett. Amy schreckte hoch und Morbitesse hob erwartungsvoll den Kopf. Die Tür öffnete sich und Tim kam herausgeschlichen, Schultern hängend. Als er Amy sah, wandte er schnell den Blick ab und lief zwei Stufen auf einmal nehmend die Treppen hoch. Amy kniff die Augen zusammen. So hatte sie ihn noch nie erlebt. Mama hat ihn wohl ziemlich zerpflückt.

„Amy!“

„Ich komme schon!“

Amy betrat das Lehrzimmer. Es war mit allem nötigen ausgestattet. Bücherregale füllten die rechte Wand, während die linke mit einem großen Fenster den Blick auf den Garten erlaubte. Zwei Schreibtische mit PCs standen in der Mitte des Raumes, und am Kopfende stand das Pult und der Samtsessel ihrer Mutter. In einer Ecke stand eine Vitrine mit den Orden und Medaillen, die ihre Mutter im Laufe ihrer Karriere gesammelt hatte.

Catherine saß an ihrem Pult und winkte Amy ungeduldig zu sich. Anhand der Schlammabdrücke konnte Amy genau sehen, dass ihr Bruder die gesamte Stunde direkt vor ihr gestanden hatte. Kein Wunder, dass er so schnell nach oben verschwunden war. Aber warum hat er dich nicht angucken wollen?

„Stell dich hierhin, so ist es gut.“ Catherine wartete, bis sie in Position war, bevor sie ihre Hände unter ihrem Kinn faltete und Amy musterte. „Das war ein guter Kampf“, gestand sie. „Ich war tatsächlich ein wenig beeindruckt. Es scheint, als wären meine Lektionen nicht gänzlich an dir vorbei gegangen, auch wenn du dich mit Händen und Füßen gegen dein Training wehrst.“

„Danke, Mama.“

„Nach meiner Analyse mit Tim sind wir jedoch zu dem Schluss gekommen, dass der Kampf etwas unausgeglichen war.“

Amy nickte sofort. „Natürlich. Ich bin die Ältere, ich habe mehr Erfahrung. Tim wird bestimmt bald—“

„Du missverstehst mich.“ Der harte Blick ihrer Mutter lähmte Amy so effektiv wie ein Horrorblick. „Ich bin der Meinung—und nach viel Diskussion hat Tim mir zugestimmt—dass dein Sengo sich als Addition in seinem Team sehr gut machen würde. Lin-Fu würde dafür in dein Team kommen, zumindest bis wir einen adäquaten Ersatz gefunden haben.“

Amys Mund wurde schlagartig trocken. „Aber …“ Ihre Hand schloss sich automatisch um Sengos Ball. „Sengo ist zwei Level schwächer. U-und Tim hat so viele Pläne für Strategien mit Lin-Fu. Die beiden sind so ein gutes Team! Es würde ihm nur schaden, es jetzt auszuwechseln.“

„Dein Sengo hat mit Typ- und Levelnachteil ein Unentschieden gegen Lin-Fu erreicht. Und darüber hinaus hat es sehr gute Kampfinstinkte und Durchsetzungsvermögen gezeigt, was sehr selten ist. Nein, Amy, dies ist die richtige Entscheidung. Tim hat bereits seine Zustimmung gegeben.“

Als wenn du ihm eine Wahl gelassen hättest!

Amy spürte, wie ihr ganzer Körper zu zittern begann, aber sie zwang sich, ruhig stehen zu bleiben. Sie musste das geradebiegen. Sie wollte Sengo nicht abgeben, nicht nachdem sie gerade erst den Anfang einer Beziehung zu ihr aufgebaut hatte, aber dass Tim und Lin-Fu getrennt wurden … das würde sie unter keinem Umstand zulassen.

„Wann soll der Tausch stattfinden?“, fragte Amy.

„Nächste Woche, sobald dein Vater seine Paranoia abgelegt und wieder in die Stadt gefahren ist.“ Sie rieb sich die Schläfen. „Ich kann so nicht arbeiten. Jetzt geh hoch und wiederhole das Material dieser Woche. Wir werden bald extra Lektionen einführen müssen, um die verlorene Zeit wieder wettzumachen.“

Amy wusste, wann sie entlassen war. Sie nickte energisch, drehte auf dem Absatz um und verließ mit langen Schritten das Zimmer. Lady Morb stand noch immer wachsam wie eine Statue neben der Couch und beäugte sie. Was immer sie hier zeigte, würde ihrer Mutter zu Ohren kommen. Sie lächelte Morbitesse an und ging so entspannt wie möglich die Treppen hinauf, wo sie schnurstracks auf Tims Zimmer zusteuerte.

Die Tür öffnete sich erst, nachdem sie mehrmals energisch dagegen schlug. Tim wandte den Blick ab, als sie an ihm vorbeihuschte. Amy nahm ihn bei den Schultern und strich ihm über den Kopf. Seine Augen waren rotumrandet und sein blondes Haar hing ihm unfrisiert in die Stirn. Kissen lagen verstreut auf dem Boden, die Bettdecke lag zerknüllt in einer Ecke.

„Du musst nicht tun, was sie dir sagt!“, platzte es aus ihr heraus. Die angestaute Angst, die Furcht, die Frustration. Tim war bislang immer gut mit dem Druck ihrer Mutter umgegangen, aber jetzt … „Wenn wir uns beide weigern, Sengo und Lin-Fu herzugeben, kann sie nichts tun!“

„Wovon redest du?“ Tim riss sich von ihr los. „Natürlich kann sie das. Sie ist unsere Mutter.“

„Aber wir können sie nicht alles mit uns machen lassen! Tim, bitte.“ Ihr Bruder stand mit dem Rücken zu ihr, Kopf gesenkt.

„Was, wenn sie Recht hat? Wenn Lin-Fu in deinem Team besser aufgehoben wäre?“

„Das ist doch Unsinn!“ Amy zwang sich, nicht zu schreien, aber ihre Stimme war trotzdem lauter als sie es normaler Weise wagen würde. „Mama hat eine Obsession damit, Pokémonteams zu perfektionieren, aber Pokémon sind keine Maschinen. Es macht einen Unterschied, wer ein Team trainiert, und wie die Pokémon zueinander und vor allem zu ihrem Trainer stehen. Vertrauen, Freundschaft, gemeinsame Ziele … das kann man nicht mit Zahlen ausdrücken. Lin-Fu und du, ihr seid ein Team. Das kannst du sie nicht einfach kaputtmachen lassen.“

„Ich liebe Lin-Fu.“ Eine Träne rollte Tims Wange hinunter, aber er wischte sie sofort wütend weg. „Und ich will sie nicht abgeben. Aber wenn Mama sagt, dass das der Weg zum Erfolg ist, werde ich mich ihr fügen. Und es tut mir leid, dass du dafür Sengo abgeben musst, aber ich werde mich gut um sie kümmern. Versprochen.“

„Darum geht es hier doch gar nicht!“ Amys Sicht verschwamm. „Du hast doch keine Ahnung, wie es sich anfühlt, seinen Starter zu verlieren. Ich bin bis heute nicht darüber hinweg, und ich hatte niemals überhaupt die Wahl. Bist du sicher, dass du dir diese Schuldgefühle aufbürden willst, nur damit Mama das Gefühl hat, dein Team um ein Prozent verbessert zu haben?“

„Du bist so naiv, Amy.“ Tim drehte sich zu ihr um. Seine roten Augen starrten sie wutentbrannt an. „Sie hat Erfahrung. Sie kommt aus einer Familie von Pokémontrainern und Strategen. Seit vier Generationen ist jedes Kind in dieser Familie mindestens in die Pokéliga gekommen. Wenn du dich nicht immer querstellen würdest, könntest du so viel stärker sein als jetzt. Stattdessen musst du dich von ihr bestechen lassen.“

„Bestech— du weißt davon?

Tim sah sie traurig an. „Natürlich weiß ich davon. Mama hat mir schon vor Jahren davon erzählt.“

„Aber …“ Amy wusste nicht, was sie sagen wollte. All die Jahre hatte sie nicht nur ihren Vater geschützt, sondern auch ihren Bruder. Sie hatte gedacht, sie könnte den Schein waren, ihm das Gefühl geben, dass in ihrem Haushalt alles okay war. Ihn vor der wahren Natur ihrer Mutter bewahren.

Und nun fand sie heraus, dass ihr Bruder längst von all diesen Dingen wusste, und dass er deswegen auf sie herabsah.

Amy war nicht die Einzige in diesem Haus, die hinter einer Maske gelebt hatte.

Sie schluckte die Wut hinunter, wollte nicht wütend auf ihren Bruder sein. Aber es fiel ihr verdammt schwer.

„Also gut“, sagte sie in die drückende Stille hinein. „Gib Lin-Fu ab, wenn du das für richtig hältst. Aber Sengo bekommst du nicht.“

Sie drehte sich um und ging zur Tür. Tim seufzte entnervt. „Amy, warte—“

Sie knallte die Tür hinter sich zu.

Es war ihr egal, ob Lady Morb oder sogar ihre Mutter sie hörten. Ihre Augen brannten, ihr Brustkorb bebte. Sie konnte kaum atmen.

Oh, kleiner Bruder … sie hat dich in ihren Bann gezogen. Aber ich biege das gerade. Ich lasse nicht zu, dass sie dich verdirbt.

Amy hatte bereits mit dem Gedanken gespielt, als Catherine ihr von ihrem Plan erzählt hatte, aber sie hatte ihre Zweifel gehabt, ob sie wirklich so weit gehen sollte.

Jetzt nicht mehr. Tims Worte glühten wie heiße Kohlen in ihrem Gehirn. Du bist so naiv, Amy.

Sie ballte die Fäuste und stapfte auf das Arbeitszimmer ihres Vaters zu.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Lady_Ocean
2022-12-14T01:24:44+00:00 14.12.2022 02:24
Ich kann den Gedanken von Chatherine, Sengo und Lin-Fu zu tauschen, nicht so wirklich nachvollziehen. Beide haben erst drei Pokémon in ihrem Team und es ist noch so viel offen, was für Strategien sie sich in Zukunft zurechtlegen könnten. Ich sehe auch nicht so wirklich, wo z. B. Milza und Mebrana einen Typennachteil hätten, den Lin-Fu besser ausgleichen würde als Sengo. Oder was für einen strategischen Nachteil Lin-Fu in einem Team mit Waumboll und Rokkaiman ausgleichen könnte. So, wie Catherine spricht, scheint es mir, dass sie nur Tims Team mit Sengo stärken will und dass Lin-Fu ihr insgesamt als nicht geeignet genug für ein Elite-Team erscheint und deshalb möglichst bald ausgetauscht werden soll. Genau wie sie es schon mit Schallquapp gemacht hat.
Dass Amy nun endlich den Schritt wagt, mit ihrem Vater zu sprechen und sich dagegen zu wehren, ihr und Tims Pokémon ihrer Mutter zu opfern, finde ich äußerst mutig. Das wird mega viel böses Blut geben. Catherine wird sich jämmerlich rächen wollen für diesen Aufstand. Aber es kann echt nicht sein, dass diese Frau so mit ihrer Familie und mit den Pokémon umspringt.
Von:  Kerstin-san
2022-12-12T16:01:10+00:00 12.12.2022 17:01
Hallo,
 
ach du meine Güte, sind wir hier denn auf dem Pokémonbasar, wo alles verschachert wird, was nicht bei drei verschwunden ist?! Ich weiß nicht, was ich schlimmer finde: Dass Caroline das so seelenruhig vorschlägt (deute ich das richtig, dass sie Tim um jeden Preis das "bessere" Team als Amy geben will?) oder dass der damit einverstanden ist und jedes seiner Pokémon austauschen würde, wenn seine Mutter ihm sagt, dass ihm das einen Vorteil bringen würde.
Ich glaube, wenn Sengo wüsste, was hier so diskutiert wird, wäre das das letzte Mal, dass sie kämpfen würde. Ich finds übrigens toll, dass Amy sich Tim gegenüber weigert, Sengo ihm zu überlassen.
 
Und doppelt interessant, dass Tim nicht nur weiß, welches Doppelspiel gegenüber ihrem Vater gespielt wird, sondern dass er damit vollkommen einverstanden zu sein scheint und Amy sogar dafür bemitleidet, dass sie das so hart nimmt bzw. versucht ihm gegenüber den heilen Schein zu wahren. In gewisserweise ist er sehr viel kompromissloser als Amy, obwohl er seine Emotionen andererseits viel offener zeigt. Ich hab mich z.B. sehr darüber gewundert, dass Caroline nichts gesagt zu haben scheint, als Tim vor ihr geweint hat oder sogar mit ihr über Lin-Fu diskutiert hat, ehe er sich gefügt hat. Hätte Amy da Widerworte gegeben, wäre das Gespräch sicherlich in einem riesen Streit geendet. Vlt. ist sie gegenüber Tim etwas nachsichtiger, weil sie weiß, dass er ihr letztlich immer zustimmen wird?
 
Uah, ich bin so neugierig, was Amy jetzt vorhat. Sie scheint echt total sauer zu sein und auf einmal gewillt gewisse Risiken einzugehen, vor denen sie noch vor ein paar Tagen zurückgeschreckt wäre.
 
Hier "Als er Amy sah, wendete er schnell den Blick ab" müsste es glaube ich "wandte" statt "wendete" heißen.
 
Liebe Grüße
Kerstin


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