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Prelude of Shadows

Die Team Shadow Chroniken
von

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Amy – Akt 2, Szene 5

7 Jahre vor Team Shadows Gründung

 

[LEFT]„Du bist ja nicht sehr weit gekommen“, sagte Brandon, der mit hinter dem Kopf verschränkten Armen hinter ihr her schlenderte. „Ich dachte, bis ich dich wieder eingeholt habe, hast du längst Stratos City erreicht. Da wolltest du doch hin, oder?“

Amy warf ihm von ihrem Sitzplatz auf einem moosbewachsenen Baumstumpf einen bitterbösen Blick zu. Sie gab es ungern zu, aber sie hatte sich total verkalkuliert. Der Ewigenwald war voll mit Trainern, die sie herausforderten. Anfangs war das noch ganz praktisch gewesen. Sie hatte ordentlich Geld verdient und Sengo war endlich ausgelastet, aber dadurch war sie am ersten Tag kaum vorangekommen. Tag zwei war nur noch schlimmer gewesen. Trotz ihres Levelvorteils gegenüber den anderen Trainern hatten sich ihre Pokémon nach den kontinuierlichen Kämpfen ziemlich verausgabt, aber sie wollte nicht zurück ins Pokécenter gehen und ihren gesamten Fortschritt zu Nichte machen, also hatte sie versucht, abseits vom Pfad den Trainern auszuweichen. Das hatte gut geklappt, bis sie von einer Herde Strawickl tiefer in den Wald gejagt wurde, in ein Dickicht aus Brennnesseln gefallen war und sich anschließend komplett verlaufen hatte.

Und dann hatte Brandon zu ihr aufgeschlossen. Amy war sich fast sicher, dass er ihr aufgelauert hatte.

„Es gab ein paar unvorhergesehene Schwierigkeiten“, sagte sie zähneknirschend.

„Na ja, bald sind wir aus dem Wald raus. Gib deinen Pokémon ein paar Tränke und weiter geht’s.“

„Tränke?“

Brandons Mund fiel auf. Er deutete auf sie, dann auf ihren gewaltigen Rucksack. „Du hast keine Tränke dabei? Gar keine? Hast du sie etwa schon alle aufgebraucht?“

„Nein, ich hatte nie welche dabei.“ Sie wurde rot. „Ich habe doch gesagt, ich bin keine professionelle Trainerin.“

„Bei dem Level deiner Pokémon muss ich dir widersprechen, aber holla, du bist wirklich nicht gut vorbereitet. Als nächstes willst du mir noch sagen, dass du keine Pokébälle dabei hast.“ Er lachte.

Amy lachte nicht.

Brandons Lachen erstickte. „Du hast keine POKÉBÄLLE dabei?“

„Mach dich nur lustig, ich bin immer noch stärker als du.“

„Ausgeruht vielleicht, aber jetzt … Oh Mann.“ Brandon schüttelte den Kopf. „Das habe ich wirklich noch nie erlebt. Du bist wie ein Chef-Koch, der noch nie in seinem Leben ein Ei zubereitet hat. Die Ausrüstung ist die Basis eines Protrainers. Wie willst du jemals von Stadt zu Stadt kommen, wenn du nicht die richtigen Items dabeihast?“

„Meine Ausbildung war etwas … kämpferischer.“

Brandon hockte sich ihr gegenüber. Er sah sie traurig an. „Kämpfen ist aber nicht alles. Überlebensfähigkeiten, Orientierung, Achtsamkeit, Vorbereitung, Teamwork … das gehört alles dazu.“ Er stand auf und begann breit zu grinsen. „Zum Glück hast du jetzt mich.“

Amy schüttelte den Kopf. „Bitte, du musst wirklich nicht—“

„Doch, doch, ich bestehe darauf—“

„Es ist absolut nicht nötig—“

„Nichts würde mich glücklicher machen—“

Sie redeten einige Sekunden übereinander, dann brachen sie beide in Lachen aus. Amy wischte sich eine Träne aus dem Augenwinkel. „Also gut, tu was du nicht lassen kannst. Aber ich gehe auf direktem Weg nach Stratos City, nur dass das klar ist.“

„Klaromato. Die Nesseln waren auch auf direktem Weg dorthin, oder?“

„Ach, halt den Mund.“

Amy gab es nicht gerne zu, aber es tat gut, Brandon dabei zu haben. Er bot sogar an, ihr einige Tränke zu geben, aber Amy fühlte sich unwohl damit, diese anzunehmen, nachdem sie schon sein Geld einkassiert hatte. Ein bisschen Stolz hatte sie dann doch. Mit der Hilfe seiner Karte fanden sie recht schnell den Weg zurück zum Pfad und erreichten noch am selben Abend den Waldausgang.

Es war schon dunkel, aber das machte die Aussicht, die sich ihnen bot, nur umso spektakulärer. Eine gigantische Hängebrücke, mit einer Beleuchtung wie ein Sternenmeer, erstreckte sich vor ihnen über das schwarze Wasser.

Der salzige Wind rauschte an ihnen vorbei und riss Amys Haar in alle Richtungen. Neben ihr starrte Brandon mit offenem Mund in die Ferne. „Wahnsinn“, flüsterte er.

„Ein Meisterstück der Architektur“, stimmte Amy zu. Sie hatte die Brücke bereits einige Male aus der Ferne gesehen, wenn sie mit ihrer Mutter in andere Regionen geflogen war, aber sie nachts aus der Nähe zu sehen war unvergleichlich. Sie riss sich von dem Anblick los. „Komm“, sagte sie zu Brandon. „Wir können noch ein paar Stunden laufen, bevor wir uns schlafen legen.“

Der schüttelte sich. „Klar, ja, okay.“ Er schielte zu ihr. „Hast du denn überhaupt ein Zelt—“

„Uuuuuund weiter geht’s“, rief Amy fröhlich und lief los.

„Hey, warte auf mich! HEY!“

 

 

Nach einer sehr windigen Nacht und viel Gespött über Amys nicht vorhandene Ausrüstung erreichten sie Stratos City am frühen Mittag. Der Wind war kalt, aber die Sonne hatte noch Kraft, sodass Amy eher zu warm war. Sie hatten die Skyline der Stadt bereits von oben auf der Brücke bewundert, aber nun machten sie ihre allerersten Schritte in den Trubel der Großstadt.

Amy hatte gedacht, dass sie nach Jubelstadt in Sinnoh nichts mehr schockieren würde, aber Stratos City war eine völlig andere Liga. Die Hochhäuser blockierten die Sicht auf den Himmel, bis Amy den Kopf in den Nacken legen musste, um die Wolken zu sehen. Das hektische Treiben der Stadtbewohner und Trainer umhüllte sie von allen Seiten. Sie fühlte sie wie ein loses Blatt in einer Flussströmung. Es waren so viele Menschen, Graffitikünstler, Musikanten, Skateboarder, Trainer, Business-Leute, Eltern mit Kinderwagen … es war absolutes Chaos.

Brandon drängte sich ganz eng an sie, während sie zusammen versuchten, sich durch die Menge zu kämpfen. Nicht weit von der Brücke konnten sie das Kreischen von Wingull am Hafen hören, und einige rote Neonschilder zeigten den Weg zum hiesigen Pokécenter.

„Also, wo geht es hin?“, fragte Brandon. „Da ich weiß, dass du keine erfahrene Trainerin bist, gebe ich dir den Tipp, dass Pokécenter sehr nützlich sind.“

„Danke, das wusste ich auch.“

Brandon machte ein sehr überraschtes Gesicht, woraufhin Amy ihm sofort mit der flachen Hand einen Klaps auf den Kopf verpasste. „Mach dich nur lustig.“

Er streckte ihr die Zunge heraus. „Es macht zu viel Spaß, um aufzuhören. Aber ernsthaft, du solltest ins Pokécenter. Deine Pokémon haben seit drei Tagen keine Erholung gehabt. Wenn du hier trainieren und die Arena herausfordern willst, musst du topfit sein.“

„Ich sagte doch, die Arena interessiert mich nicht.“

„Wer trainiert seine Pokémon auf über Level 30, wenn ihn die Arena nicht interessiert?“, fragte Brandon. „Hauspokémon hast du nicht, das ist mal klar. Dein Sengo ist eine Maschine.“

„Warum bist du so besessen davon, ob ich ein Protrainer bin oder nicht?“, fuhr Amy ihn an. „Langsam nervt es wirklich. Ich habe keine Lust, mich hundertmal zu wiederholen. Du hast keine Ahnung, wie gefährlich es sein kann, sich nur darauf zu fokussieren. Lass mich damit einfach in Ruhe.“

Brandon hob abwehrend die Hände, aber seine Miene war wütend. „Tut mir leid, habe ich da einen Nerv getroffen? Wenn dich meine Art so sehr ärgert, sollten wir vielleicht lieber getrennter Wege gehen.“

„Fein“, knurrte Amy. Sie konnte nur an ihre Mutter denken, an Tim, an das Versprechen an ihren Vater. „Geh ruhig zuerst zum Pokécenter. Ich schaue mich in der Stadt um.“

„Gut.“

„Sehr gut.“

Brandon sah sie noch einen Moment länger an, so als hoffte er, dass sie ihre Worte zurücknehmen würde, aber Amy verschränkte nur die Arme. Er nickte und verschwand innerhalb von Sekunden in der Menge.[/LEFT]



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  Lady_Ocean
2023-02-24T14:15:27+00:00 24.02.2023 15:15
Ich kann beide sehr verstehen, wie sie sich hier am Ende zerstritten haben. Solch außergewöhnlichen Umständen wie denen von Amy begegnet man als Ottonormaltrainer einfach nicht. Daher wundert es mich nicht, dass Brandon sich überhaupt nichts anderes als "Pro-Trainer" unter ihr vorstellen kann und diese Maske auch einfach nicht ablegen kann, egal wie oft sie ihm noch sagt, dass sie keine ist und auch kein Interesse daran hat. Er hat einfach null andere Beispiele kennengelernt (und ist wahrscheinlich selbst noch recht jung), so dass er sich bei jemanden mit Level 30-Pokémon einfach nichts anderes vorstellen kann als Training, Pokémoncenter, Heilen und Arenakämpfe. Und es ist absolut klar, dass das Amy langsam echt aufregt. Sie muss total das Gefühl haben, dass Brandon ihr nicht zuhört. Es ist schade, dass Brandon nicht einmal neutral danach gefragt hat, was sie denn stattdessen machen will und warum sie so irre starke Pokémon hat, obwohl sie keine Trainerin ist. Sicher hätte Amy nicht ihre ganze Lebensgeschichte vor ihm ausgebreitet, aber sie hätte wahrscheinlich einen guten Mittelweg zwischen Aufklärung und Privatsphäre gefunden. Na ja, es kam, wie es kam. Da bringt es nichts, über verschüttete Milch zu jammern (aber vielleicht denkt Brandon ja noch ein bisschen darüber nach und kommt nächstes Mal auf die Idee, eine unverfängliche Frage zu stellen. :) Oder traut es sich. Es wäre ja auch möglich, dass ihm Fragen wie die oben erwähnten durchaus auf der Zunge brannten und er sich nur nicht getraut hat, die auch zu stellen).

Was ich niedlich fand, war die Episode, wo Brandon und Amy bemerkt haben, was für grundlegende Anfängerfehler sie auf ihrer Reise macht. Nicht mal Tränke dabei *lach*. Wobei ich allerdings vermute, selbst wenn sie daran gedacht hätte, hätte sie sich wahrscheinlich keine gekauft, weil sie finanziell einfach so knapp lebt im Moment. Aber in diesem Fall war es ja wirklich, dass sie da schlichtweg nicht dran gedacht hatte. ^^ Bei dem Level ihrer Pokémon ist das echt niedlich. Es zeigt aber auch, wie einseitig das Training ihrer Mutter war. Mit Lebenspraxis hatte das nichts zu tun. Mit "Überlebensfähigkeiten, Orientierung, Achtsamkeit, Vorbereitung, Teamwork" spricht Brandon wirklich viele wichtige Schlüsselkompetenzen eines Trainers an. Und die Metapher mit dem Chefkoch, der noch nie ein Ei zubereitet hat, war herrlich! Passt wie die Faust aufs Auge. :D
Von:  Kerstin-san
2023-02-21T17:47:27+00:00 21.02.2023 18:47
Hallo,
 
ich hätte mich auf Anhieb in diesem Wald verlaufen, wenn ich mich abseits des offiziellen Weges aufgehalten hätte. I feel you, Amy!
 
Brandon streut ja richtig schön Salz in die Wunde, was? Aber mal ehrlich: Tränke sehe ich ja noch ein, aber da Amy aktuell (noch nicht) vor hat Pro-Trainer zu sein, wüsste ich jetzt nicht, warum sie zwingend Pokébälle mit sich herum schleppen sollte. Aber lustig, wie planlos Amy das ganze Unterfangen angegangen ist - ein Zelt oder einen Schlafsack hätte ich bei ihr jetzt schon erwartet.
 
Oho, da geraten die beiden ja doch recht schnell aneinander. Ich kann verstehen, dass es Amy nervt, dass Brandon immer wieder aufs Pro-Trainerdasein zurückkommt, aber die schnauzt ihn da echt ziemlich an. Hoffen wir mal, dass die beiden das später noch geklärt bekommen und dass Amy für den Moment auch alleine in der Großstadt klar kommt und nicht noch auf nen Haufen anderer Trainer trifft. Irgendwie hab ich immer noch die Sorge, dass ihr die Gemälde ihres Vaters abhanden kommen.
 
Liebe Grüße
Kerstin
Von:  PattMaster
2023-02-21T14:50:08+00:00 21.02.2023 15:50
Oh, oh. Amy allein in New York, äh Stratos City. Das kann ja nur gut gehen, sicherlich wird gar nichts passieren.


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