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Vielleicht irgendwann

von

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38. Kapitel, in dem keiner schlafen kann

Der Morgen graute und die ersten Vögel kündigten mit ihrem Zwitschern den neuen Tag an, als Takeru endlich leise aus dem Bett kletterte und seine Unterhose vom Boden aufhob. Er zog sie an und drehte sich dann zu dem Mädchen um, in dessen Bett er geschlafen hatte. Noch immer konnte er nicht glauben, was er getan hatte. Er hatte tatsächlich eine völlig Fremde im Club aufgerissen, war mit ihr nach Hause gegangen und hatte mit ihr geschlafen. Einfach so und ohne sie zu kennen. Es war nicht ansatzweise so gewesen wie mit Mimi. In der Nacht hatte er kein Auge zu bekommen und die ganze Zeit darüber nachgedacht, was er getan hatte. Und was er im Club gesehen hatte.

Das Bild von Yamato und Hikari tauchte erneut vor seinem geistigen Auge auf und wieder sah er, wie Hikari sich vorbeugte und seinen Bruder küsste. Takeru hatte sich augenblicklich abgewandt und das Mädchen, mit dem er bis dahin nur getanzt und ein wenig geflirtet hatte, geküsst. Es war eine Trotzreaktion gewesen, doch in dem Moment hatte es so unglaublich gut getan. Und dann hatte er plötzlich ein Verlangen in sich gespürt, das ihn dazu getrieben hatte, dem Mädchen in ihre Wohnung zu folgen.

Nun wieder vollkommen angezogen schlich Takeru zur Tür und wollte sie öffnen, als er hinter sich die Bettdecke rascheln hörte. „Gehst du schon?“

Er drehte sich um. Ihr Haar hing ihr in wirren Strähnen ins Gesicht und sie blickte ihn aus verschlafenen Augen an.

„Bleib‘ hier“, bat sie und streckte die Hand nach ihm aus.

„Ich muss los“, murmelte Takeru ausweichend und öffnete die Tür. Sie erwiderte noch etwas, doch er war schon aus dem Zimmer verschwunden und stahl sich leise aus der Wohnung.

Erleichtert trat er aus dem Haus und sog die frische Morgenluft ein. Mit schnellen Schritten machte er sich auf den Weg nach Hause. Nachdenklich kramte er sein Handy aus der Hosentasche hervor und öffnete noch einmal die SMS, die er letzte Nacht von Hikari erhalten hatte.

 

Ich gehe jetzt nach Hause

Viel Spaß noch mit deiner Errungenschaft…

 

Es waren nur zwei Sätze, doch er konnte genau herauslesen, was sie von dieser Aktion hielt. Wahrscheinlich das Gleiche wie er von dem Kuss mit Yamato.

Er würde sie gern anrufen und mit ihr darüber reden, doch höchstwahrscheinlich schlief sie noch. Und außerdem wäre es wohl keine gute Idee, darüber zu reden. Das Gespräch würde vermutlich nur in einem Streit enden, weil sie ihm klarmachen würde, was sie davon hielt, mit einem Menschen zu schlafen, den man nicht einmal kannte. Andererseits hatte er irgendwie das Bedürfnis, sich zu erklären, sich zu rechtfertigen. Und er wollte wissen, was da jetzt zwischen ihr und Yamato lief. Oder wollte er es doch nicht wissen? Was, wenn aus den beiden jetzt plötzlich ein Paar geworden war?

Ein bedrückendes Gefühl machte sich in Takerus Magen beim Gedanken an Yamato und Hikari breit. Das wäre so falsch. Fast genauso falsch wie Taichi und Mimi.

Wie automatisch fischte er sein Handy erneut hervor und tippte eine SMS.

 

Ruf mich mal bitte an, wenn du wach bist

 

Es dauerte nicht einmal eine Minute, bis sein Handy klingelte und Takeru überrascht auf das leuchtende Display sah. Sie rief ihn tatsächlich an.

„Du bist ja wach“, begrüßte er sie.

„Ja, Sherlock. Warum sollte ich dich anrufen?“, fragte sie bissig. Es klang ganz so, als wäre ihre Laune am Tiefpunkt. Ein Indiz dafür, dass aus ihr und Yamato nicht allzu viel geworden war. Vielleicht sollte er wirklich Detektiv werden.

„Können wir reden?“

„Schieß‘ los. Ich bin ganz Ohr. Bin mal gespannt, warum du um diese Uhrzeit wach bist.“

„Nicht am Telefon. Kannst du raus kommen?“

Er hörte sie seufzen. „Okay. Bin in zehn Minuten unten.“

„Bis gleich.“ Er legte auf und schob sein Handy zurück in die Hosentasche. Beim nächsten Shop hielt er an und kaufte zwei Becher Tee zum Mitnehmen. Als er am Haus der Yagamis ankam, stand Hikari schon vor der Tür. Sie trug eine graue Jogginghose, eine dunkle Jacke und einen hellen Schal, den sie sich so um den Hals geschlungen hatte, dass ihr Mund nicht mehr zu sehen war. Ihre Augen wirkten verquollen, ihre Miene war finster und ihre Haare in einen unordentlichen Dutt gebunden.

„Morgen“, begrüßte Takeru sie und drückte ihr einen Becher Tee in die Hand.

„Danke“, murmelte sie.

Sie machten sich auf den Weg Richtung Meer, das an diesem Morgen in einem hellen Grau strahlte. Ein einzelner Jogger quälte sich durch den feuchten Sand, sonst war niemand zu sehen.

Takeru und Hikari steuerten wortlos die nächste Bank an und setzten sich. Beide hielten sie mit den Händen die Teebecher umklammert und saugten die Wärme auf.

„Also worüber willst du reden?“, fragte sie schließlich, als er keine Anstalten machte, das Wort zu ergreifen.

„Über gestern. Deine SMS klang so angepisst“, antwortete er.

„Warum sollte ich angepisst sein?“

„Keine Ahnung, das habe ich mich auch gefragt. Du sahst viel zu beschäftigt aus, um dich über irgendwas anderes als meinen Bruder zu kümmern“, entgegnete er trocken.

Sie sah ihn von der Seite an. „Hast du das etwa gesehen?“

„Ich hab‘ gesehen, wie du an ihm geklebt hast und mehr wollte ich nicht sehen.“

„Und hast du auch das danach gesehen?“, fragte Hikari.

„Nein“, sagte er verwirrt.

„Er hat mir erklärt, es gäbe da ein Mädchen, das er will. Ich kenne sie und er kennt sie schon lange. Ich dachte, er meint mich und habe ihn geküsst. Dann hat er gesagt, er meinte Sora. Das war alles. Dann bin ich gegangen. Ich wollte dir Bescheid sagen, aber du hast mit diesem Mädel rumgeknutscht. Wollte eure traute Zweisamkeit nicht stören.“ Sie nippte an ihrem Becher und hielt den finsteren Blick starr aufs Meer gerichtet.

Takeru beobachtete sie mitleidig. Er konnte sich nicht erinnern, sie schon einmal so niedergeschlagen gesehen zu haben. Ihr Gesicht sah aus, als hätte sie bis vor kurzem noch geweint. Ihre Schultern hingen schlaff herunter und selbst ihr Haar wirkte glanzlos.

„Tut mir echt leid, dass es so gelaufen ist“, murmelte er.

Sie zuckte mit den Schultern. „Hätte es wissen sollen.“ Mit dem Handrücken rieb sie sich über die Augen. Es sah aus, als würde sie wieder anfangen zu weinen.

Er griff nach ihrer Hand und drückte sie sanft.

„Ich sei wie eine Schwester für ihn, hat er gesagt“, erklärte sie mit erstickter Stimme. „Das tat so weh, aber ich hätte es einfach wissen müssen.“

Takeru erwiderte nichts. Er wusste genau, was sie meinte, konnte in etwa nachempfinden, wie es sich anfühlte.

„Aber vielleicht ist es besser so“, sagte er nach einer Weile.

„Hm?“ Sie sah ihn fragend an.

„Naja, jetzt weißt du, woran du bist und kannst diese Sache endlich abhaken. Ich meine, wie lang bist du ihm jetzt hinterhergelaufen? Vier Jahre? Jetzt hat das endlich ein Ende und du kannst dich auf was Neues konzentrieren“, erklärte er.

„Wow, danke. Das hilft mir wirklich sehr“, erwiderte sie sarkastisch. „Dann waren also die letzten vier Jahre meines Lebens umsonst? Willst du das damit sagen? Ein gebrochenes Herz ist besser als glücklich zusammen sein?“

Er seufzte. Manchmal konnte sie eine richtige Dramaqueen sein. „Nein, das wollte ich damit nicht sagen. Aber lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende. Stell‘ dir vor, du wärst ihm jetzt noch zehn Jahre hinterhergelaufen und hättest dann erst irgendwann mitgekriegt, wie er das Ganze sieht. So, wie es jetzt ist, tut es zwar weh, aber ich glaube, später hätte es noch mehr wehgetan.“

Eine Weile schwieg sie und schien über seine Worte nachzudenken.

„Vielleicht sollte es einfach so sein, verstehst du? Vielleicht wollte das Schicksal es so, wie es gestern passiert ist, weil da draußen noch etwas anderes auf dich wartet. Was Besseres“, redete er weiter.

Sie sah ihn stirnrunzelnd an. „Bist du betrunken?“

„Nee, nur übermüdet.“ Er lächelte schief.

Einen Augenblick lang sagte keiner von ihnen etwas.

„Scheiße“, nuschelte sie dann und wischte sich über die Augen. „Und wie war’s bei dir? Warum bist du um diese Uhrzeit wach?“

„Konnte nicht schlafen“, antwortete er leise.

„Warst du zu Hause?“, fragte sie und er spürte ihren prüfenden Blick auf sich.

Er zögerte. „Nein.“

„Du bist nicht ernsthaft mit diesem Mädel mitgegangen?“

„Doch.“

Sie stöhnte. „Oh Takeru. Bitte werd‘ nicht einer von denen.“

„Einer von wem?“, fragte er verständnislos.

„Von diesen Typen, die ihre Wochenenden damit verbringen, sich in Clubs zu betrinken und eine nach der anderen abzuschleppen. Das passt nicht zu dir.“

Er hob eine Augenbraue. „Was soll das heißen?“

„Du bist lieb und gut, hilfsbereit und denkst immer an andere. Typen, die sowas machen, denken nur an sich und trampeln auf den Gefühlen anderer herum“, erklärte sie energisch.

Takeru schwieg. Wieder kamen ihm Mimis Worte in Erinnerung. Er wäre lieb und süß, aber zu nett. Wie ein bester Kumpel, mit dem man über alles reden konnte. Und für Hikari war es offenbar genauso. Er war ihr bester Freund und sie würde nie etwas anderes in ihm sehen.

„Bitte werd‘ nicht so“, bat sie eindringlich.

„Kari, das war einmal, okay? Und überhaupt, was ist so falsch daran?“, erwiderte er trotzig.

„Dass das nicht du bist.“


Nachwort zu diesem Kapitel:
Hach, das Kapitel hat irgendwie Spaß gemacht. Ich mag solche Takari-Gespräche. :>

Vielen lieben Dank mal wieder an alle lieben leser und Feedbackschreiber. :) Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  UrrSharrador
2017-01-27T12:06:31+00:00 27.01.2017 13:06
Aaalso. Was soll man da sagen? Das war ja quasi ein Teufelskreis - Takeru sieht, wie Hikari Yamato küsst, ist angepisst, küsst daraufhin die Nächstbeste, Hikaris Höhenflug endet und sie sieht Takeru und diese Schwarzhaarige und ist auch angepisst, marschiert nachhause und tja, jeder ist schlecht drauf xD Aber immerhin können sie sich aussprechen und alles kommt wieder ins Lot. Und witzigerweise hat es ihnen beiden nicht gefallen, den jeweils anderen beim Küssen zuzusehen - nein, ich hab mir geschworen, ich fang nicht wieder mit dem Shipping an!^^
Von:  dattelpalme11
2016-03-25T10:30:41+00:00 25.03.2016 11:30
Sooo ich habe es geahnt -.- Er hat das nur gemacht, weil er Matt und Kari gesehen hat und es in den falschen Hals bekommen hat -.-
Ich hoffe auch, dass er das nicht noch öfter macht, aber irgendwie habe ich da ein schlechtes Gefühl o.O
Aber ich finde es gut, dass sie sich nochmal ausgesprochen haben und ich denke auch, dass Kari versuchen sollte darüber hinweg zu kommen. Das mit Matt hat keinen Sinn, wenn er halt immer noch an Sora hängt :(
Aber wenn ich Kari wäre würde ich auch nicht wollen, dass mein bester Freund so ein Aufreißer wird -.- Ist ja auch für sie sicher kein schönes Gefühl, obwohl man in ihre Reaktion wirklich viel interpretieren könnte. Aber das lasse ich jetzt erstmal :D
Okay, ich bin mal gespannt wie es weitergeht und jetzt muss ich mal Mia unter der Couch hervorziehen :D So wie es aussieht, steckt sie fest xD

Liebe Grüße <3 (rot) <3 (grün)
Antwort von:  Juju
25.03.2016 11:33
MIA!!! :D <3
Danke für deine Kommentare, Spinati. <3 (rot) <3 (grün)
Von:  Leucan
2016-03-24T17:57:08+00:00 24.03.2016 18:57
Irgnedwie süß das beide nicht wirklich schlafen konnten :D

Mäh...sie sind sich so nah und doch so fern. Kann sie nicht jemand aufeinander zuschubsen. So ein Huch rempler XD

Spannend spannend.

LG KC


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