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I'm in Love with a Killer

Sie leben unter uns
von

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Misstrauen

Misstrauen

Piwi:

Verwundert blickte ich noch immer in Rel’s Gesicht. Seine Miene war entspannt, seine Augen geschlossen und sein Nasenbluten wurde immer heftiger. „Was ist passiert? Haben Sie einen Fehler gemacht?“, fragte mein Bruder sofort hektisch und verstärkte unbewusste seinen Griff an den Schultern des Blondhaarigen. „Pira! Pass auf, du tust ihm noch weh!“, zischte ich im zu und er löste sofort erschrocken seine Umklammerung. „Nein, so ist es nicht. Sein Körper ist nur schon so geschwächt gewesen, dass er diese Prozedur nur schwer verarbeitet. Solange es beim Nasenbluten bleibt, ist alles in Ordnung. Sollte er aufwachen und sich übergeben, dann könnten wir wieder ein Problem haben.“ „Also können wir jetzt nichts tun?“, hakte ich nach und blickte Rel besorgt an. Hiisi hatte ein Tuch geholt und tupfte damit das Blut aus Rel’s Gesicht. „Nein. Ihr müsst verstehen, sein Körper hat angefangen sich von innen aufzulösen. Durch diesen Zauber wurde zwar die läuternde Macht extrahiert, aber die entstandenen Schäden nicht geheilt. Die beiden Jungs müssen sich erst einmal etwas auskurieren und ihre Wunden heilen lassen.“ Pira atmete etwas erleichter aus. „Also heißt es nun Abwarten und Tee trinken?“ Der Türkishaarige musste leicht lachen, nickte jedoch. „Ruht euch erst einmal etwas aus. Ihr seht sehr geschafft aus. Wann habt ihr denn das letzte Mal was Anständiges gegessen und geschlafen?“ Bana lachte auf. „Schon eine Weile her.“ Der Arzt räumte seine Utensilien beiseite und verstaute die Siegel in einer Art Tresor. „Na dann kommt mit runter. Ich werde euch etwas zu Essen geben und dann erzählt ihr mir mal in Ruhe eure Geschichte“, meinte er und blickte sich noch einmal zu seinen Patienten um. Pey schlief seelenruhig, was man an dem sachten heben und senken seiner Brust feststellen konnte. Das Nasenbluten des Blondhaarigen hatte aufgehört und auch er schien nun ganz normal zu schlafen. Wir verließen leise das Zimmer und kehrten zu Anna und Kisin in das Wohnzimmer zurück.
 

Anna:

„Mich wundert es nur, dass sie dich nicht angerührt haben. Bist du denn sowas wie das Notfallessen für die Unreinen?“, wollte Kisin wissen. Der Junge klebte sichtlich an meinen Lippen und war sehr wissbegierig. Für ihn war ja auch vieles neu, da ich aus einer ganz anderen Welt stammte. „Nein, so ist es nicht. Ich bin aus… anderen Gründen bei ihnen.“ „Und welche? Oh, das hört sich alles so spannend an!“ Ich musste innerlich auflachen. Wäre er ein Mensch, dann würde er sich wirklich altersgerecht verhalten. „Ich war einfach zur falschen Zeit, am falschen Ort“, erklärte ich schlicht. „Man und mehr willst du mir nicht verraten?“ Kisin wirkte geknickt und wirklich enttäuscht. „Nein, wird sie nicht“, ertönte plötzlich Pira’s Stimme und der Dämon funkelte den kleineren Dämon herrisch an. „Wie geht es dem Prinzen?“, fragte er sofort und stand mit einem Satz auf. „Er muss sich erst ausruhen“, ließ Pira den Jungen wissen und setzte sich neben mich. Die anderen suchten sich ebenfalls einen Platz und ließen sich erschöpft in die Lehnen sinken. „Wie.. geht es Pey?“, fragte ich meinen Sitzpartner schüchtern. „Er wird’s überstehen“, meinte der Braunhaarige mit den blonden und violetten Strähnen und schloss die Augen. Piwi, welcher sich auch zu uns gesetzt hatte atmete erleichtert aus. „Meister, das Ritual hat ganz schön lange gedauert. Der rote Mond ist schon vor einer Weile aufgegangen!“, wandte sich der kleine Junge mit den graublonden Haaren an den Arzt, welcher soeben ins Zimmer kam und ein Tablett auf den kleinen Tisch stellte. „Schon so spät?“, fragte er verwundert und kratzte sich am Kopf. Die Jungs um mich herum starrten auf das Tablett, auf welchem eine silberne Platte mit lauter Häppchen lag. Hätte ich es nicht besser gewusst, hätte ich es schon als rohen Schinken oder Lachs abgestempelt, aber das konnte unmöglich normales Essen sein. „Greift ruhig zu. Es sieht zwar wenig aus, aber ihr werdet schnell davon satt werden“, meinte der Arzt lächelnd und die Jungs tauschten ein paar Blicke untereinander aus, danach griffen sie zu und begannen zu Essen. Kisin, welcher mir gegenüber saß besah sich die Szenerie etwas angewidert. Er mochte das Menschenfleisch ja nicht, aber war das auch okay für einen Dämon? Meines Erachtens glichen die Verhaltensweisen hier schon beinahe dem Mittelalter… War es da nicht ein Vergehen, wenn man anders war, als die breite Masse? „Hier Kisin, für dich die Alternative“, lächelte der Türkishaarige und hielt Kisin einen Teller mit anderen Fleischstückchen hin. Seine Augen begannen gleich heller zu leuchten. „Danke, Meister!“, rief er erfreut und schlug sofort zu. „Hast du denn keinen Hunger?“, wandte er sich fragend an mich. Ich schüttelte leicht den Kopf. Der Mann konnte ja schlecht wissen, dass ich kein Dämon, sondern ein Mensch war und Meinesgleichen nicht essen konnte. Das wäre ja totaler Kannibalismus gewesen! Bei dem Gedanken wurde mir leicht schlecht. „Sie ist ein Mensch“, meinte Kisin zwischen ein paar Happen hindurch. Schlagartig lief mir ein kalter Schauer den Rücken hinunter und auch die Jungs stoppten in ihren Bewegungen. „Ach, so ist das also. Na, dann sehe ich mal nach, was ich dir anbieten kann“, lächelte er sanft und kehrte in die Küche zurück. „Was zum…“, begann Bana und blickte dem Arzt verwirrt hinterher. Ich war mir sehr sicher, dass die anderen das gleiche gedacht hatten, wie ich. Ich hatte eher damit gerechnet, dass ein reinrassiger Dämon, Kisin mal außenvorgelassen, anders reagieren würde. Dass er sich auf mich stürzen würde oder sonst was. Dass er mich nicht als Person, sondern als Essen sah, aber das? Hiisi schien sehr… wie konnte man das am besten sagen? Er schien sehr tolerant gegenüber Menschen zu sein. Aber er aß sie doch selbst, oder? Konnte man das mit den Menschen vergleichen, die die Tiere mochten, aber dennoch ihr Fleisch aßen? Wahrscheinlich…
 

Der Türkishaarige kehrte einige Minuten später wieder in den Raum zurück und hielt mir eine kleine Porzellanschüssel entgegen. Als ich sie entgegen nahm, spähte ich vorsichtig über den Schüsselrand. „Ich hoffe das ist okay. Etwas anderes habe ich nicht da“, lächelte er entschuldigend und verschwand erneut in der Küche, nur um kurz darauf sich mit einer Tasse Kaffee zu uns zu gesellen. Meine Augen begannen zu funkeln und ein Lächeln schlich sich auf meine Lippen. Es waren ein paar getrocknete Früchte, Getreidekörner und eine cremige, weiße Masse, die aussah wie Joghurt. Vorsichtig probierte ich das Gemisch und stellte fest, dass es sich bei der cremigen, weißen Masse um Quark handelte. „Vielen Dank“, sagte ich erfreut und begann genüsslich zu Essen. Ich hatte zwar auf dem Weg zu Itinier mir unterwegs eine Kleinigkeit zu Essen gekauft, aber mein Magen hatte mir schon vor ein paar Stunden deutlich gesagt, dass er wieder hunger hatte. „Wie kommt es, dass hier auch Essen für Menschen existiert?“, fragte Pira gerade heraus. „Ich verwende das Zeug nicht wirklich zum Essen. Für ein paar Behandlungen ist es gut, so etwas hier zu haben“, erklärte der Mann sachlich und nippte an seinem Getränk. „Mich wundert es, dass Dämonen krank werden können“, meinte Piwi etwas verwundert und blickte den reinrassigen Dämon vor sich fragend an. Hisii musste kurz auflachen. „Dämonen werden auch nicht krank. Das einzige, was den Körper eines Dämons schwächen kann, sind heilige Gegenstände von Klerikern oder der direkte Kontakt. Es passiert ja wirklich nicht oft, dass einer unserer Art einen Kampf mit einem Kleriker so ganz unbeschadet überlebt. Entweder er wird gleich geläutert, oder der Prozess verläuft langsamer. Egal auf welche Weise ein Dämon mit einem Kleriker in Kontakt getreten ist, er ‚infiziert‘ sich so oder so, sollte der Kleriker seine Macht benutzt haben. Und wenn das der Fall ist, dann wird derjenige sterben, sollte er nicht behandelt werden. Wie ich es vorhin schon sagte, es ist ein Wunder, dass die beiden überhaupt noch gelebt haben.“ Plötzlich kehrte ein unangenehmes Schweigen in den Raum und mir wurde schlagartig klar, warum. „Er stirbt so oder so?“, wiederholte Baka Hiisi’s Satz noch einmal. Der Dämon nickte und Baka musste schwer schlucken. Sein Gesicht war beinahe kalkweiß geworden und auch die anderen blickten geschockt auf den Boden. „Was ist los? Wusstet ihr das etwa nicht?“ Der Mann schien etwas verwirrt, war es anscheinend eine Sache, die jeder Dämon wissen sollte. „Und… wie kann man feststellen, dass man ‚infiziert‘ wurde?“, fragte Pira etwas bedrückt nach. Konnte es etwa sein, dass ich den Jungs noch mehr Ärger beschert hatte, als ohnehin schon? „Das geht ganz einfach. Dafür bräuchte ich nur eine Blutprobe desjenigen“, meinte er ganz sachlich und balancierte seine Tasse auf der Handfläche. „Wäre es möglich, bei jedem von uns diesen Test durchzuführen?“, fragte der Braunhaarige mit den blonden und violetten Strähnen bittend. „Seid ihr denn auch alle von dem Licht getroffen worden?“, stellte er mit einer gerunzelten Stirn die Gegenfrage, „Ihr scheint mir dafür viel zu vital.“ „Wir sind nicht in Kontakt mit dem Licht geraten… Aber vielleicht auf eine andere Weise.“ „So? Und wie?“, wollte er gebannt wissen, konnte er sich nicht vorstellen, was es sonst gewesen sein konnte. „Zum Beispiel… wenn einem das Hirn fast verbruzelt wird“, meinte Baka etwas angesäuert und starrte vor sich auf den Boden. „Oder wenn man den Kleriker versucht hat zu töten und bevor er ohnmächtig wurde, man von ihm ne Art Stromschlag bekommen hat?“, fügte Pira zähneknirschend hinzu. Jetzt viel es mir wieder ein. Pey, Rel und Pira hatten am Anfang meiner Entführung versucht mich zu töten, hatten es aber nicht geschafft. Ich erinnerte mich noch wage an die komischen Träume die ich gehabt hatte, bevor ich wieder zu mir kam.
 

Oh nein… Heißt das etwa sie wären so oder so gestorben, wenn wir nicht hier her gekommen wären? Was habe ich ihnen nur angetan? Andererseits… warum mache ich mir solche Gedanken um sie? Sie haben mir mein Leben zerstört, sie haben versucht mich zu töten und Rel hat mich sogar getötet. Warum sollte ich jetzt Mitleid mit ihnen haben? Sie behandelten mich zum größten Teil wie ein Stück Dreck und es wäre ihnen doch bestimmt lieber, wenn ich verschwinden würde. Aber Piwi und Pey sind anders als Bana, Baka, Pira und Rel. Sie waren nett zu mir, auch wenn sie mich ein paar Mal bedroht hatten. Piwi war nur böse geworden, als ich bei ihm versucht hatte, Rachel zu kontaktieren. Ich konnte es ihm nicht verübeln, dass er etwas gegen mich hatte, weil ich doch der Grund gewesen bin, dass er seine Wohnung verloren hat. Aber trotz dieser Sachen, war er der einzige, der auf den Weg hierher nett zu mir gewesen war, er hatte mir sogar Geld gegeben, damit ich mir etwas zu Essen kaufen konnte. Sollte ich eher denken, dass ich mit den Jungs Quitt bin? Sie haben mein Leben zerstört und ich ihres?
 

Die Zweifel in meinem Kopf begannen wieder die Oberhand zu gewinnen und ich wirkte immer geknickter. In was für eine Abwärtsspirale waren wir nur geraten? „Dann müsste ich einen Bluttest machen und nachsehen, ob sich dort etwas von der Macht eines Klerikers befindet. Egal wie klein die Menge an Magie ist, sie wird bei dem Test angezeigt. Sollte es wirklich so sein, dass ihr euch infiziert habt, dann wird euch das Gleiche erwarten, wie den Prinzen und eurem Freund. Da ich jedoch eben eure Magie gesehen habe, und sie ziemlich eindeutig und rein schien, glaube ich kaum, dass ihr etwas abbekommen habt. Und wenn doch, dann sollte es jedoch nicht so schmerzhaft sein, wie bei ihnen.“ Die Stimmung um mich herum wurde zunehmend ernster. „Unreine und dann auch noch verseucht. Na ihr seid mir welche“, schnaubte Kisin und stellte seinen Teller auf den Wohnungstisch. „Unreine? Dann seid ihr gar keine vollwertigen Dämonen? Warum ist mir das nicht schon gleich aufgefallen?“, grübelte Hiisi vor sich hin. „Ist das ein Problem?“, hakte Pira nach und spielte nervös mir seinen Fingern. „Ach quatsch. Ihr habt den Prinzen hierher gebracht, also solltet ihr keine Probleme mehr bekommen. Wenn er auch noch bestätigt, dass ihr zu ihm gehört, dann habt ihr denselben Status, wie wir anderen Dämonen auch. Vielleicht sogar noch einen besseren, da ihr im direkten Kontakt mit der Königsfamilie steht“, lächelte der Türkishaarige. Er lief kurz nach oben in sein Behandlungszimmer und kehrte mit ein paar Glasröhrchen, einem Skalpell und einem Stift zurück. Danach verteilte er die Röhrchen an die Jungs und ließ das Skalpell und den Stift herumgehen. Schweigend schnitt sich jeder von ihnen in die Hand oder in den Arm und träufelte etwas von seinem Blut in das Gefäß. Zuletzt schrieben sie noch ihre Namen darauf und gaben es dem Arzt wieder zurück. „Dann setzte ich mich doch gleich mal dran und überprüfe eure Befürchtungen.“ Verdutzt blickten die Jungs ihm hinterher, als er wieder nach oben verschwand. „Ist er immer so nett zu allen?“, wandte sich Bana an den kleinen Dämon. Kisin grinste breit vor sich hin. „Der Meister ist ein sehr netter Dämon. Er hilft wo er nur kann und es ist ihm sogar egal, wer oder was es ist. Selbst den Menschen in den Fabriken hilft er manchmal.“ „Fabriken?“, fragte Piwi nach. Konnte man sich das alles hier etwa so wie in unserer Welt vorstellen? Aber das machte doch gar keinen Sinn. „Ja, die Menschen leben in den Fabriken. Ich finde es wirklich grausam, wie die Leute mit ihnen umgehen, aber da bin ich leider nur einer von wenigen.“ „W-wieso? Was machen sie denn mit… Menschen?“, mischte ich mich nun auch in das Gespräch ein. „Menschenfleisch ist das Hauptlebensmittel in unserer Welt. Was denkst du, was sie mit ihnen machen? Die Gebäude sind riesig! Es gibt verschiedene Bereiche, wo die Menschen leben, bis sie getötet werden. Sie werden gezüchtet, gemästet und zum Schluss geschl-“ „Okay ich denke weitere Details kannst du dir sparen“, unterbrach Piwi den Jungen mit den graublonden Haaren und blickte mich etwas besorgt an. Mein Gesicht war kalkweiß geworden und mir war einfach nur schlecht. Die Menschen hier wurden ja wie Schweine gehalten! Genau wie Itinier es mir an den Kopf geworfen hatte… Aber… Zuchtbetriebe? Allein bei dem Wort wurde mir schon schlecht. Die Menschen hier wurden also nur bis zu einem bestimmten Alter am Leben gehalten, nur um sie dann zu töten und zu Essen für die Dämonen weiter zu verarbeiten? Das war ja krank! „Ich find es einfach nur unfair und daher verweigere ich auch das Menschenfleisch. Es ist nicht immer leicht, aber man kann auch ohne überleben“, erzählte er munter und zeigte auch, wie ernst ihm die Sache war.
 

Nachdem Kisin mit seinen Erzählungen fertig war herrschte wieder Schweigen unter uns. Die Jungs hingen wahrscheinlich alle mit ihren Gedanken bei dem Test und warteten gebannt auf das Ergebnis. Was, wenn sie wirklich infiziert waren? Dann mussten sie alle auch diese Magieoperation durchstehen. Hiisi meinte zwar, dass es nicht so schmerzhaft werden würde, aber das hieß nicht, dass es nicht weh tun würde. Pira hatte die Augen geschlossen und atmete ganz ruhig. War er etwa eingeschlafen? Verübeln konnte ich es ihm nicht. Wann hatte er das letzte Mal in Ruhe geschlafen? Durch den ganzen Stress und das ganze hin und her in der letzten Woche wohl nicht so viel. „Oh verdammt!“, rief der graublondhaarige Junge auf einmal auf. Verschreckt zuckte mein Sitznachbar neben mir zusammen und öffnete seine Augen einen spaltbreit. Kisin war von seinem Platz aufgesprungen und eilte zur Tür. „Ich muss gehen, sonst machen sich meine Eltern noch Gedanken wo ich bin. Ich komme heute Abend wieder, bis dahin sollte der Prinz ausgeruht sein. Verlasst nicht das Haus, sonst könntet ihr von den Wächtern erwischt werden. Sobald der Prinz wieder bei vollen Kräften ist, sollte er so schnell wie möglich in den Palast zurückkehren“, ratterte er seine Worte herunter und verschwand aus der Tür. Verdattert von dem, was der Junge von uns wollte blickten wir ihm nur stumm hinterher. Danach widmete sich jeder wieder seinen Sachen und das Schweigen ging weiter.
 

Pey:

Als ich die Augen öffnete bemerkte ich nur ein dämmriges Licht um mich herum. Das letzte Mal, als ich die Augen geöffnet hatte, waren wir doch noch in so einem komischen Raum mit Spiegeln gewesen. Wo war er nur hin? Und auch dieser komische Typ mit den weißen, orangenen und lila Haaren? Er hatte Anna bedroht! Wenn ich ihn das nächste Mal sah, dann würde ich ihm sowas von eine reinschlagen! Was erlaubte er sich auch, sie anzufassen oder sonst was mit ihr zu machen. Anna… Wo war sie nur? Und wo war ich überhaupt? Meine Umgebung kam mir total unbekannt vor. Ich konnte spüren, dass ich auf einem Bett lag, aber meins konnte es nicht sein. Wir waren doch auf dem Weg zu dem Portal gewesen… Waren wir in einem Hotel in der Nähe? Was war nur passiert, als ich nicht bei Bewusstsein war? Ich drehte sacht meinen Kopf zur Seite und blickte an eine blanke, kahle Wand. Mein Blick wanderte herum und ich konnte vor mir in der Ferne eine Tür ausmachen. Wie weit sie von mir weg war, konnte ich nicht sagen. Ich ließ meinen Blick weiter herum wandern und erblickte neben mir noch ein Bett. Als ich weiter hinauf sah, konnte ich eine Person ausmachen, die dort lag. Im Dämmerlicht erkannte ich nur ganz schwach blonde Haare. War das Rel? Aber das konnte er nicht sein, da seine Haare ja weiß geworden waren durch Anna. Die Person neben mir schien sich nicht zu bewegen, anscheinend schlief sie. Neben dem Bett der Person spannte sich ein Vorhang durch den Raum. Er diente wohl als Raumtrenner oder sowas in der Art. Dahinter befand sich eine eingeschaltete Lichtquelle, was das dämmrige Licht auch erklärte. Nur schwach konnte ich eine flüsternde Stimme hören, erkannte aber nicht um wen es sich handeln könnte, geschweige denn was sie sagte. Mein Blick ruhte wieder auf der Person neben mir. Ihr Brustkorb erhob sich und sank sogleich wieder, ganz langsam und sehr ruhig. Würde sich mein Körper nicht wie Blei anfühlen, dann wäre ich aufgestanden und hätte nachgesehen, ob mir die Person vielleicht bekannt vorkam. Ich konnte mich ja noch nicht einmal richtig aufsetzten, sondern versank in meiner Matratze unter der weichen, warmen Decke. Das Kissen war auch recht bequem. Aber was machte ich hier? Und wie war ich her gekommen? Wo waren meine Freunde? Wo war Anna? Lauter Fragen schwirrten in meinem Kopf herum. Neben mir schien sich auf einmal etwas zu bewegen, also richtete ich meine Aufmerksamkeit wieder auf die Person. Sie drehte ihren Kopf in meine Richtung und blickte mich einen Augenblick an. „Bist du das Pey?“, fragte die Person und ich wusste sofort, dass es sich hier um Rel handeln musste. Seine Stimme war total rau und trocken. Wie konnte es sein, dass er wach war? Und zudem auch noch im Stande war, mit mir zu reden? „Ja“, antwortete ich schlicht und erschrak mich beinahe selbst über meine Stimme. Sie war auch total brüchig und rau. Was war mit uns passiert, dass wir jetzt so platt waren? „Wo sind wir?“, fragte Rel und seufzte auf, als er sich etwas bewegte. Er schien Schmerzen zu haben. „Keine Ahnung… Ich kann mich nur noch an nen Spiegelraum und nen komischen Typen erinnern“, erzählte ich, musste aber immer wieder eine kleine Pause machen. Ich schien meine Stimme eine Zeit lang nicht mehr benutzt zu haben, daher klang sie auch so kaputt. „Wie sah er aus?“, wollte der Blondhaarige wissen und schloss die Augen. „Weiße, orangene und lila Haare… Und er hatte ne lange Narbe im Gesicht“, meinte ich, als es mir wieder einfiel. „Dann sind wir durch das Portal“, seufzte der Blondhaarige und atmete erleichtert durch. „Sie haben’s wohl doch geschafft“, lächelte er knapp, dennoch war er sehr erschöpft. Plötzlich hörte ich von der anderen Seite des Vorhangs, wie ein Stuhl weggerückt wurde und Schritte auf uns zuhielten. „Wie ich sehe, sind Sie wach, Majestät. Wie geht es Ihnen?“, erklang die Stimme von einem Mann, der hinter dem Vorhang hervorkam. Er hatte türkise Haare und ich riss geschockt die Augen auf. „Raym?“, fragte Rel mit kraftloser Stimme. „Nein, das kann unmöglich sein“, meinte ich und starrte den Typen weiter an. Sein Gesicht konnte ich nicht erkennen, nur seine leuchtenden, türkisen Augen. „Verzeiht, Majestät, aber ich bin nicht Euer Bruder. Mein Name ist Hiisi, ich bin der Medicus in diesem Bezirk.“ Rel begann knapp zu lachen. „Wäre auch zu schön gewesen“, murmelte er. „Mein Körper fühlt sich so kraftlos und schwer an“, beantwortete er die zuvor gestellte Frage. „Das ist nur natürlich nach der OP“, meinte Hiisi beschwichtigend. „Und wie geht es dir?“, wandte er sich an mich. „Mir geht’s genauso“, meinte ich nüchtern. „Es dauert seine Zeit, bis die Wunden im inneren eurer Körper verheilt sind. Ich schätze, bei Ihnen Majestät wird es ein wenig länger dauern.“ Rel schnalzte mit der Zunge. „Bitte… verschon mich mit dem Majestätsscheiß. Ich will damit nichts mehr zu tun haben.“ Der Mann vor uns schien etwas verwirrt. „Sie können doch nicht einfach so Ihren Titel ablegen. Euer Vater ist bestimmt schon besorgt, weil Ihr nicht zurückkamt.“ „Das bezweifel ich. Es sind vielleicht sieben oder acht Jahre. Als ob es ihm da aufgefallen ist, dass wir nicht zurückgekommen sind. Wahrscheinlich hat er uns schon für tot erklärt… wobei es bei Raym ja wirklich der Fall ist.“ Seine Stimme brach zum Ende hin ab und er holte tief Luft. „Entschuldigt… Das wusste ich nicht“, entschuldigte sich der Medicus und verneigte sich kurz. „Wenn Sie nichts dagegen haben, dann würde ich Ihren Anhängern Bescheid geben, dass Sie beide wach sind. Sie machen sich schon große Sorgen.“ Rel nickte, und der Türkishaarige verschwand aus der Tür.
 

„Majestät?“, lachte ich beinahe. „Mach dich nicht über mich lustig“, knurrte Rel knapp. Er konnte einfach noch nicht bedrohlich wirken, dafür war er noch viel zu fertig. Es dauerte einen Moment, dann öffnete sich die Tür abermals und unsere Freunde kamen herein. Anna konnte ich an Piwi’s Seite ausmachen. Sie suchte nach meinem Blick, ich den Ihrigen. Das letzte woran ich mich erinnern konnte war, dass ich gesagt hatte, dass ich sie liebte. Hatte ich das nur geträumt, oder hatte ich das wirklich gesagt? Wenn ich mich richtig erinnerte, dann war ich mir sogar ziemlich sicher, dass ich es gesagt hatte, bevor ich zusammengeklappt war. Die plötzliche Schwäche hatte mich total überrumpelt und ich hatte das Bewusstsein verloren, so musste es jedenfalls gewesen sein. „Was ein Glück, ihr seid endlich wieder wach“, entkam es Bana und er grinste über beide Ohren. Auch Baka und Piwi mussten grinsen, als sie sahen dass es uns allmählich besser ging. „Haben wir viel verpasst?“, wollte ich wissen, bekam aber nur ein Kopfschütteln entgegen. „Seit eurer Bewusstlosigkeit ist eigentlich nichts sonderlich Wichtiges passiert“, antwortete Pira schlicht und blickte etwas emotionslos in Rel’s Richtung. „Gab es Komplikationen?“, hakte Rel nach, hatte er anscheinend ein paar bedenken. „Dank dir nicht“, grinste Baka breit. „Du warst hier unser Freifahrtschein“, lachte nun auch Bana. „Ja, Eure Majestät“, meinte Pira nun etwas ernster und zerknirscht. „Lass das“, grummelte der Blondhaarige und schloss wieder die Augen. „Du bist uns ein paar Antworten schuldig, meinst du nicht auch?“, wollte der Braunhaarige mit den blonden und violetten Strähnen wissen. „In wie fern?“, fragte der Dämon und sah seinem Gegenüber direkt in die Augen, nachdem er sie wieder geöffnet hatte. „Wie erklärst du es, dass wir nicht wussten, was für nen Status du hier hast, oder warum das Buch noch immer in deinem Besitz ist?!“, legte Pira die Karten offen auf den Tisch. Rel knirschte etwas mit den Zähnen. „Ihr ward an meinen Sachen?“ „Nur weil wir nen Anhaltspunkt brauchten. Wie wurden hier ohne irgendwas abgesetzt und mussten zusehen, wie wir zu Recht kamen. Hätten wir Kisin nicht gefunden, wären du und Pey wahrscheinlich verreckt“, schnauzte Pira den Bettlägerigen an. „Sammael hat euch nicht hier her geführt? Was ein Waschlappen…“, seufzte Rel sichtlich und drückte seinen Kopf ins Kissen. „Wer ist Sammael?“, fragte Bana verwirrt. Der Name kam ihm anscheinend sehr fremd vor, genau wie mir. „Weiße Haare mit orangenen und lila Strähnen? Der Typ der euch das Portal geöffnet hat.“ „Aber in deinem Handy stand Itinier… wir sind davon ausgegangen, dass er so heißt?!“ Es herrschte einen kurzen Moment stille, dann hörte man wie Rel zu kichern anfing. „Ihr habt ihn doch hoffentlich nicht so genannt?“, lachte er in sich hinein. „Doch, mehrmals sogar. Er sagte wir sollen ihn nennen, wie wir wollen“, erzählte Piwi ernst. Rel begann erneut zu glucksen. „Zu genial. Warum war ich bloß bewusstlos?!“ „Was ist daran so witzig?“, hakte Bana nach, fühlte er sich anscheinend sehr verarscht. „Nichts, nichts, schon gut. Ich denke, Pira hat Recht. Ich bin euch sehr wahrscheinlich ein paar Antworten schuldig. Aber nicht mehr heute. Wartetet wenigstens ab, bis ich mich alleine aufsetzen kann“, raunte mein Bettnachbar etwas schläfrig und schloss wieder die Augen. Er war wohl noch sehr müde, was ich ihm aber auch nicht verübeln konnte.
 

Pira:

Rel schloss die Augen und binnen einer Minute war er eingeschlafen. Mein Gemüt hatte sich nicht wirklich verbessert, wollte ich doch ein paar Antworten haben. Würde er zugeben, dass er uns verraten und wieder hier her zurückkehren wollte? Ich war einfach nur sauer. Warum hatte er unseren Freund gespielt, wenn er doch so schnell wie möglich wieder abhauen wollte? „Kommt, wir lassen die beiden sich ausruhen. Je schneller sie gesund werden, desto eher können wir wieder weg von hier“, meinte ich grimmig und war der erste, der aus dem Zimmer trat und wieder nach unten ins Wohnzimmer ging. Was würde mit uns geschehen, wenn die beiden wieder gesund waren? In unsere letzte Heimatstadt konnten wir schlecht zurück, da die Polizei noch immer nach Anna suchte. Würden wir wieder zurückkehren würden sie uns früher oder später finden, hatten wir ja überall ein paar Spuren hinterlassen. Wir mussten wohl oder übel schon zum weiß-nicht-wie-vielten-Mal ein neues zu Hause suchen. Und dann? Sollten wir einfach so weiterleben wie bisher? Ich spielte, wie schon öfter in den letzten Jahren, mit dem Gedanken, wie es wohl wäre, wenn wir keine Dämonen geworden wären. Wenn wir einfach wieder ganz normale Menschen sein könnten… Mit einem Job, einem zu Hause und vielleicht sogar einer Familie. Rel und Raym hatten uns damals unser ganzes Leben zerstört! Wir hatten nicht einmal eine Chance gehabt, uns von unseren Familien zu verabschieden! Wahrscheinlich hatten Piwi und ich es noch am besten von unseren Freunden getroffen, hatten wir ja das Glück gehabt, dass wir Brüder waren und uns das gleiche Schicksal ereilt hatte. Auch wenn ich noch etwas zerstritten mit dem Rothaarigen war, so konnte ich doch nie wirklich richtig sauer auf ihn sein. Er war meine einzige Familie, die mir geblieben war. Würde ich es mir mit ihm verscherzen, dann hatte ich niemanden mehr. Klar, wir waren alle in den letzten Jahren wie eine Familie zusammengewachsen, aber das war nicht dasselbe. Ich hatte es satt! Satt so zu leben! Warum war uns nicht ein wenig Normalität gegönnt?
 

Rel hat unser Leben kaputt gemacht! Er hat unsere Zukunft komplett auf den Kopf gestellt, hat unsere Träume, Wünsche und Hoffnungen für unser weiteres Leben zerstört! Er wollte uns verraten, wollte uns im Stich lassen und jetzt soll ich einfach so weitermachen wie bisher? Naja, ich sollte keine voreiligen Schlüsse ziehen. Ich muss abwarten, was er zu sagen hat und vor morgen werden wir wahrscheinlich keine Antworten bekommen. Also gut, dann muss ich wohl warten, bis es dem Verräter wieder besser geht…



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  _Melli_
2016-10-23T00:02:09+00:00 23.10.2016 02:02
Yaaa! Neues Kapitel! *~* Also sind sie endlich aufgewacht.. Aber könnten sterben.. :/ OH man.. Hab irgendwie Angst davor, weiter zu lesen.. :'( <|3 Aber ich freue mich auch.. xD

Mit freundlichen Grüßen..
Mel~
Antwort von:  Sakami-Mx
23.10.2016 03:30
XD vielen Dank für dein kommentar :) es freut mich, dass du dich trotz deiner gemischten gefühle aufs nächste freust^^ ich werd mir wieder mühe geben xp

Freundliche Grüße zurück ^^


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