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Kinder der Freiheit

von

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Training

Der nächste Tag sollte einer der schlimmsten in Freyas Leben werden. Nicht nur, dass Erwin sich ihr gegenüber verhielt wie eh und je, was sie total verunsicherte, anscheinend hatte sie es mit ihrem Spielchen ein wenig zu weit getrieben, denn Levi zeigte beim gemeinsamen Training keine Gnade.
 

„Dann zeig mir mal, wie gut du deinen Körper einsetzen kannst", waren seine Worte gewesen, mit denen der Alptraum begann.
 

„Hätte ich doch bloß nichts gesagt", murmelte sie, während sie die ersten Runden lief.
 

Nach dem Aufwärmen stand Krafttraining auf dem Programm. Levi ließ sie wirklich leiden – Crunshes, Liegestütz, Kniebeugen, Stretching – jeder einzelne Muskel in ihrem Körper wurde beansprucht und das nicht zu knapp. Mittlerweile war sie an einem Punkt angekommen, wo sie über eine Pause sehr dankbar wäre.
 

Du hast die letzten 5 Jahre lieber Kuchen gegessen, als deinen Körper fit zu halten, tadelte sie ihr Unterbewusstsein, selber schuld.

Sie verharrte in der Liegestütz mit ausgestreckten Armen und versuchte zu Atem zu kommen. Ihre Muskeln zitterten vor Anstrengung, während Schweiß von ihrer Nasenspitze tropfte.
 

„Weiter", forderte Levi schroff.
 

Freya zögerte, da sie befürchtete, sie würde die Kraft für eine weitere Liegestütz nicht finden, was direkt von ihm bestraft wurde. Ein Fuß drückte sich zwischen ihre Schulterblätter in ihren Rücken und schon lag sie mit dem Gesicht im Dreck.

Arschloch, schrie alles in ihr. Er wollte sich für gestern revanchieren, ok, aber das ging zu weit.

Wut breitete sich in ihrem Körper aus, wie am Vortag die Gänsehaut. Deutlich konnte sie die Hitze wahrnehmen, die ihrem Nacken emporstieg. Energisch biss sie die Zähne zusammen. Sie schöpfte Kraft aus dieser Wut und stemmte sich gegen sein Gewicht wieder nach oben. „Nimm deinen Scheißfuß von mir", stieß sie zwischen den Zähnen hervor.
 

Erneut landete sie auf dem Boden. „Ich versteh dich nicht, wenn du Dreck frisst. Wie war das?"
 

Das war der Moment, in dem sie bittere Rache schwor. All das Bauchkribbeln und Knistern vom Vortag waren vergessen. Sie würde ihm weh tun, irgendwann ganz bestimmt. Vielleicht würde sie bei der anstehenden Expedition ihm eine Spritze mit einer Überdosis Anästhetikum in den Hals rammen.

Nun würde sie definitiv keine Schwäche ihm gegenüber zeigen, das war klar. Erneut stemmte sie sich nach oben und abermals presste sein Fuß sie auf den Boden zurück.
 

Nach einiger Zeit schien ihm allerdings dieses Spiel langweilig zu werden. „Steh auf und fange an zu laufen", wies er Levi sie an.
 

„Wie viele Runden diesmal?", fragte sie, statt Widerwort zu geben.
 

„Zehn, falls du die noch laufen kannst."
 

Ohne zu murren begann sie mit der ersten Runde. Sie würde ihm zeigen, dass sie die zehn Runden noch laufen konnte. Was sich jedoch als schwierig erweisen sollte.
 

Mehr als die Hälfte hatte sie bereits geschafft, doch wollten ihre Beine sie einfach nicht mehr tragen. Levi beobachtete, wie sie schwankte und immer weiter in die Knie ging. Er rechnete damit, dass es nicht mehr lange dauerte und sie würde aufhören oder sogar umkippen. Kurz bevor er sie zurückrufen wollte, umfasste sie die Kette an ihrem Hals und er bemerkte eine Veränderung an ihr. Entschlossen hob sie den Blick, der vorher auf den Boden gerichtet war. Ihre Körperhaltung wurde gerader, die Länge ihrer Schritte nahm zu, so wie ihr Tempo sich steigerte. Eins musste er ihr zugestehen – entschlossen war sie allemal.

Doch erkannte er auch, dass die letzten Meter die Hölle für sie waren.
 

Nach Abschluss der zehnten Runde, sank sie auf die Knie und rang nach Luft. Erschöpft ließ sie sich auf ihr Hinterteil nieder, streckte die Beine gerade aus und umfasste mit den Händen ihre Füße, um sich zu dehnen.

Mit vor der Brust verschränkten Armen stellte er sich neben sie. „Ich hätte nicht gedacht, dass du es schaffst“, sagte er, wobei er keinerlei Anerkennung in seiner Stimmer mitschwingen ließ.
 

Freya hob den Blick. Ihre Wangen waren gerötet und die Stirn nass vom Schweiß. Noch immer atmete sie schwer, jedoch gleichmäßig. „Tja, so schnell kriegst du mich nicht klein“, stieß sie zwischen den Atemzügen hervor und verzog den Mund zu einem frechen Grinsen.
 

„Lass uns etwas essen gehen“, lenkte er vom Thema ab. Mittlerweile war die Sonne hinter den Mauern verschwunden und allmählich schwand das Tageslicht.
 

„Ich brauch noch einen Moment“, gab sie zu und hielt sich die Seite, da heftiges Seitenstechen sie quälte. „Geh ruhig schon.“
 

Zu Freyas Erleichterung zog ihr überaus liebreizender Trainingspartner von dannen. Sie legte sich mit dem Rücken in den Staub, versuchte ihr wild schlagendes Herz zu beruhigen und ihre Atmung in den Griff zu bekommen. Dabei schloss sie die Augen.
 

Langsam kam sie zur Ruhe und ihr Kreislauf stabilisierte sich wieder. Plötzlich klatschte etwas neben ihrem Kopf auf den Boden. Erschrocken fuhr sie hoch und sah sich nach der Quelle des Geräusches um. Neben ihr lag ein gefüllter Trinkschlauch.

Da bemerkte sie Levi, der hinter ihr stand. „Willst du mich nach deinem fit-für-den-Sommer-Programm nun vergiften?"
 

„Ich denke, du weißt deinen Körper einzusetzen, da sollte das doch ein Klacks für dich gewesen sein." Er zog belustigt eine Augenbraue nach oben.
 

„Du bist ein Arschloch, weißt du das?", fragte Freya kühl.
 

„Das Kompliment gebe ich gerne zurück."
 

„Na dann sind wir uns ja einig", lachte sie auf. „Auf gute Zusammenarbeit."

Freya hob den Trinkschlauch an und prostete ihm zu, ehe sie einen großzügigen Schluck nahm.
 

Auch wenn beide es anfangs nicht wahrhaben wollten, so verstanden sie sich mit fortschreitender Zeit immer besser und fanden gefallen daran, sich gegenseitig zu necken.
 

„Du kommst also auch aus dem Untergrund", sagte Levi ungerührt, während er neben ihr her joggte. Es war ein Ritual für sie geworden vor dem Abendessen zusammen noch eine Runde durch den anliegenden Wald zu laufen.
 

„Was heißt hier auch?", fragte sie und sah ihn aus dem Augenwinkel an.
 

Levi rollte genervt mit den Augen. „Hast du die Gerüchte denn noch nicht gehört?"
 

„Was? Von dir und deiner Untergrund-Gang?" Sie lachte und winkte mit einer Hand ab. „Die Leute erzählen viel, wenn der Tag lang ist. Laut ihnen habe ich meine Stellung auch nur dadurch erlangt, weil ich mit Erwin das Bett teile."
 

Freya wandte Levi den Kopf zu und stellte fest, dass dieser eine seiner feinen Augenbrauen skeptisch hochgezogen hatte. „Glaubst du das etwa auch?"

Empört boxte sie ihm auf die Schulter.
 

Levi schlug zurück. „Selbst wenn, es ist mir egal", murrte er.
 

Sie rieb sich die schmerzende Stelle am Oberarm. „Naja, vielleicht stimmt es ja auch", schmunzelte sie verschwörerisch.
 

Wieder verdrehte er die Augen. „Du lenkst von der Frage ab", ermahnte er sie.
 

„Welcher? Ob ich mit Erwin schlafe?", neckte sie ihn gespielt unwissend.
 

Sie war ein fürchterliches Weib, empfand Levi. Frech, ungehorsam, laut. Als Antwort trat er nach ihren Beinen, jedoch machte sie rechtzeitig einen Satz zur Seite. „Hey!", beschwerte sie sich.
 

„Wieso willst du das so unbedingt wissen?" Sie hatte keinen blassen Schimmer, wieso er sich so sehr dafür interessierte.
 

„Das geht dich nichts an", knurrte er in ihre Richtung.
 

„Dann geht dich meine Herkunft auch nichts an", bellte sie zurück.
 

Schweigen.

Außer den Geräuschen des Waldes, vernahm man nur ihre Schritte auf dem sandigen Feldweg.
 

„Ich werde das Gefühl nicht los, dass wir uns schon mal begegnet sind", durchbrach er irgendwann die Stille.
 

„Da hast du aber keinen bleibenden Eindruck bei mir hinterlassen", witzelte sie.

Als Freya seinen Blick auffing, wunderte es sie, weshalb sie nicht auf der Stelle tot umfiel. Er war wirklich der Meister der giftigen Blicke.
 

Konnte sie ihm von ihrer Herkunft erzählen? Er glaubte, sie schon einmal gesehen zu haben, aber sicher war er sich da nicht. Allerdings würde er keine Ruhe geben, bis er es erfahren würde.

Zwar könnte sie ihn anlügen, doch müsste er nur Erwin fragen und ihr Schwindel würde auffliegen.
 

„Ok, wenn es dir so wichtig ist: Ja, ich habe im Untergrund gelebt." Sie wartete auf eine Reaktion seinerseits, die jedoch ausblieb. Mit ungerührter Miene lief er weiter neben ihr her. „Aber sag es bitte keinem", fügte sie leise hinzu.
 

„Wieso? Hast du etwas angestellt?", wollte er von ihr wissen. Er wusste gar nicht, wie sehr er damit ins Schwarze traf. War vielleicht auch besser so.
 

„Nein, aber du solltest aus eigener Erfahrung wissen, dass man es nicht unbedingt leichter hat. Im Gegenteil sogar, man ist Mensch dritter Klasse", sagte sie.
 

Brummend stimmte er ihr zu, ehe sie sich wieder in Schweigen hüllten.
 

Freyas Hand umfasste den Anhänger ihrer Kette. Sie musste aufpassen, was sie sagte. Levi war nicht dumm und er könnte ihr kleines Geheimnis vielleicht schneller lüften, als ihr lieb war.



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