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Matchball

One Shot Sammlung
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Irgendwie hab ich mich während des Schreibens voll eingerostet gefühlt. :') In diesem One Shot sind dafür so viele Eindrücke und persönliche Ansichten verarbeitet, über die ich in den letzten Wochen wieder intensiv habe nachdenken müssen, dass ich mich fast schon schlecht fühle, das alles auf die armen Jungs abgewälzt zu haben. Zumal ich das Gefühl habe, als wäre Noya mir total misslungen, weil ich ihn als Ventil missbraucht habe. orz Aber lässt sich auch nicht mehr ändern. Jedenfalls werden Leute, die mich gut kennen (*hust*Jasmin*hust*), bestimmt die ein oder andere Sache wiedererkennen. xD Komplett anzeigen

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Lift (Tanaka/Nishinoya)

Dass Tanaka und Nishinoya sich in der Pause unter dem großen, alten Baum in einer kaum besuchten Ecke des Pausenhofes trafen und gemeinsam zu Mittag aßen, war bereits an ihrem ersten gemeinsamen Schultag zu einem Ritual geworden. Mittlerweile waren die meisten ihrer Abläufe so eingespielt und von den beiden verinnerlicht, dass selbst ihre Teamkameraden sie manches Mal damit aufzogen. Nishinoya war immer der Erste von ihnen der eintraf, und das lag nicht nur daran, dass Tanakas Lehrer grundsätzlich etwas später den Unterricht beendeten oder dass Nishinoya in einen Sprint ausbrach, sobald er das Gebäude verlassen hatte (er würde gerne schon bei Verlassen des Raumes losrennen, aber dafür hatte er bereits mehr als ein Dutzend Verwarnungen kassiert, also benahm er sich lieber).

Ganz häufig versuchte Tanaka vor der Pause noch, sich mit Mädchen zu verabreden, wobei »verabreden« vermutlich das falsche Wort dafür war und selbst »reden« noch wie eine maßlose Übertreibung schien. Es war nicht so, dass ihm die Stimme versagte, wenn er mit Mädchen sprach, oder gar dass er vor lauter Angst keinen Ton herausbekam. Vielmehr lag es daran, dass er unverständliche Phrasen und zusammenhangslose Sätze vor sich hin brabbelte, sodass die meisten Damen gar nicht verstanden, worum es ihm ging und ihn einfach stehen ließen. Nishinoya tat es leid, dass sein Freund keine Erfolge verbuchen konnte, aber sie beide hatten sich mit der Zeit daran gewöhnt. Gut, Tanaka hatte sich ungern an die routinemäßige Abfuhr vor dem Mittagessen gewöhnt, aber es lag ja von vornherein nicht an mangelndem Engagement von seiner Seite, also reichte es eigentlich, wenn Nishinoya ihm gut zusprach, ein Päckchen Milch ausgab und das Gespräch in eine andere Richtung lenkte.

Nur heute war es irgendwie anders als sonst. Heute dauerte es fast zehn Minuten, bis Tanaka zu ihm stieß, und als er es endlich tat, hatte er die Hände in seinen Hosentaschen vergraben und sah aus, als hätte man ihm soeben mitgeteilt, dass seine Großmutter gestorben war. Nishinoya versuchte, seinen knurrenden Magen auszublenden – er wartete immer auf Tanaka, ganz gleich wie hungrig er war – und warf dem anderen einen fragenden Blick zu, sowie dieser ihn ansah.

»Sorry, Noya-san«, nuschelte Tanaka kleinlaut und hob halbherzig die Hand zum Gruß, ehe er sich neben seinen Freund ins Gras fallen ließ. Bevor Nishinoya sich davon abhalten konnte, verzog er das Gesicht, doch zu seinem Glück war Tanaka mehr damit beschäftigt, sein Essen auszupacken, als ihn anzusehen. So schlimm war es noch nie gewesen, und wenn er ehrlich war, wusste Nishinoya nicht, ob seine üblichen Aufmunterungsmethoden diesmal helfen würden. Etwas anderes blieb ihm aber erst einmal nicht übrig, also seufzte er lautlos, griff ebenfalls nach seinem Essen und begann ihr Gespräch auf die gleiche Art wie sonst auch.

»Haben sie dich wieder stehen gelassen? Du weißt, dass du darauf nichts geben musst, Ryuu.«

Darauf schwieg Tanaka zunächst, und hätte Nishinoya nicht ohnehin schon bemerkt, dass etwas anders war als sonst, wäre es ihm spätestens jetzt aufgefallen. Tanaka war niemals still. Wobei, richtiger wäre: er war niemals still, wenn Nishinoya ihn nach den Details seiner Abfuhr fragte. Für gewöhnlich erklärte er ihm genau, was geschehen war, mit jedem peinlichen Satz seinerseits und inklusive der Anzahl der Augenpaare, die ihn skeptisch gemustert hatten. Tanaka war dann laut und empört und weinte bittere Tränen, die aber nur in den Augen schmerzten und nicht im Herzen. Tanaka durfte in solchen Situationen nicht still sein, damit wusste er nicht umzugehen.

Eine gefühlte Ewigkeit später – es waren knapp zwölf Sekunden; Nishinoya hatte im Kopf mitgezählt, um sich zu beschäftigen – schüttelte Tanaka kurz den Kopf.

»Nein, haben sie nicht«, setzte er an. »Das wäre ja noch menschlich gewesen.«

»Inwiefern?«, fragte Nishinoya und bereute es sofort. Zwar hörte er sich Tanakas vermeintliche Liebestragödien immer geduldig an, doch das bedeutete nicht, dass er ihm damit auch weiterhelfen konnte. Wenn die Kränkung wirklich tief saß, war Nishinoya sich unschlüssig, wie er am besten damit umzugehen hatte. Umso erleichterter war er, als Tanaka erst noch eine Weile schwieg und sich sammelte, obwohl ihn die Warterei fast in den Wahnsinn trieb.

»Diesmal haben sie mich ausgelacht«, antwortete Tanaka irgendwann, ohne ihn anzusehen.

Das ging ja noch. Sein Freund verfügte über eine beachtliche Portion an Selbstbewusstsein, da dürfte ihn ein lausiger Kommentar nicht aus der Bahn werfen.

»Haben gefragt, was ich mir überhaupt einbilden würde, jeden Tag ein anderes Mädchen zu belästigen.«

Gut, vermutlich ging er dem weiblichen Teil ihrer Schule damit schon ein wenig auf die Nerven. In gewisser Weise konnte Nishinoya das nachvollziehen, auch wenn sie das sicher netter hätten ausdrücken können.

»Und dass ich es gar nicht verdienen würde, dass eine von ihnen mit mir ausgeht«, fuhr Tanaka mit einem so niedergeschlagenem Ausdruck in den Augen fort, dass Nishinoya unwillkürlich ein Laut zwischen Knurren und Zähneknirschen entwich. Von da an blendete er die Stimme seines Freundes aus, wollte nicht wissen, welche gemeinen, an den Haaren herbeigezogenen Dinge Tanaka sich hatte anhören müssen, oder wie schrecklich es sich angefühlt hatte, zurückgewiesen zu werden.

Nishinoya wollte nicht hören, wie man seinem Freund – den er für den warmherzigsten, liebenswertesten, witzigsten Menschen auf dem gesamten Planeten hielt –, das Lächeln aus dem Gesicht gestohlen hatte. Sonst würde er nämlich irgendwann jemanden anzünden müssen, und diese Seite von ihm (von der er nicht einmal wusste, woher sie kam oder wo sie sich die meiste Zeit über verbarg) vertrug sich so gar nicht mit dem gutgelaunten Optimisten, der er für gewöhnlich war.

»Alles Unsinn«, begann er aus Reflex, ohne wirklich zu wissen, wie er fortfahren wollte. Es passierte nicht oft, dass Nishinoya die Worte fehlten, auch wenn das in diesem Fall zum Teil daran liegen mochte, dass er von vornherein nicht richtig zugehört hatte. Hastig steckte er sich einen großen Bissen Hähnchen in den Mund und kaute bestimmt, aber langsam darauf herum, um Zeit zum Überlegen zu gewinnen.

Mit all der kalten Wut im Bauch, die nur immer weiter zunahm je mehr er über eine Antwort nachdachte, fiel es ihm jedoch schwer, des Fleisch herunter zu schlucken, geschweige denn, sich eine ordentliche Erwiderung zurechtzulegen. Er musste wohl so wütend aussehen, wie er sich fühlte, denn Tanaka schaute nun vielmehr besorgt als niedergeschlagen aus.

»Noya-san? Alles in Ordnung?«

Trotz aller Proteste seines Magens zwang er sich, den mittlerweile geschmacklosen Klumpen in seinem Mund zu schlucken. Gerne hätte er etwas getrunken, doch dafür blieb ihm in seiner Empörung keine Zeit.

»Nichts ist in Ordnung! Was fällt denen eigentlich ein?!«

Für einen kurzen Moment vergaß Tanaka, dass er eigentlich traurig war und starrte sein Gegenüber stattdessen verwirrt an.

»Eh?«

Nishinoya konnte sich gerade davon abhalten, mit den Augen zu rollen.

»Was die dir da für einen Mist einreden wollen, von wegen, du hättest keine Freundin verdient!«

Für ihn war das gleichbedeutend mit der haltlosen Behauptung, Tanaka hätte keine Form von Zuneigung verdient. Bei jedem anderen hätte er daran vielleicht noch einen ernsthaften Gedanken verschwendet, aber für ihn war Tanaka einer der Menschen, die alles Glück und alle Liebe der Welt verdient hatten. Deswegen musste er sich auch zurückhalten, nicht vor lauter Frustration zu schreien, als der andere nur betrübt den Kopf hängen ließ.

»Ganz Unrecht haben sie damit nicht.«

Als er dabei zusah, wie Tanaka lustlos mit den Essstäbchen in seinem Essen herumstocherte, war mit einem Mal auch ihm der Appetit vergangen. Nie hätte Nishinoya gedacht, dass er sich seinem besten Freund gegenüber einmal so hilflos fühlen würde. Wobei es nicht nur Hilflosigkeit war, die da in ihm köchelte. Er mochte es nicht, wenn seine Freunde sich selbst bemitleideten oder gar schlecht von sich redeten. Solche Dinge machten ihn als lebensfrohen Optimisten, der nach jeder Niederlage aufzustehen und weiterzugehen wusste, unglaublich wütend und trafen im Regelfall nur auf Unverständnis, ganz gleich wie sehr er sich bemühte, ihren Standpunkt nachzuvollziehen.

Aber Tanaka war ihm so wichtig, wie vermutlich kein zweiter Mensch, also wollte er sich Mühe geben, verständnisvoll zu sein. Selbst mit der leisen Stimme im Kopf, die ihm zuflüsterte, dass er das ohnehin nicht schaffen würde.

»Übertreibst du nicht ein wenig?«

Jeder andere Mensch hätte die Frage vermutlich nicht so aufgefasst, wie Nishinoya sie gemeint hatte. Aber er und Tanaka kannten sich in- und auswendig, also schwieg Tanaka erst einmal, legte ein wenig verwirrt den Kopf schief und wartete, dass sein Freund fortfuhr. Auch, wenn er daran, wie Nishinoya unbewusst die Stirn in Falten legte, erkennen konnte, dass die folgenden Worte vermutlich nicht das sein würden, was er in diesem Moment gerne hören würde.

»Eigentlich hast du doch nicht einmal richtiges Interesse an den Mädchen als Individuen.« Nishinoya zögerte erst noch, wurde aber mit der Zeit sicherer. »Du sagst immer nur, dass du eine Freundin willst, aber nicht, dass du mit einer bestimmten zusammen sein willst, weil du irgendwelche tieferen Gefühle für sie hegst.«

Und eigentlich dürfte er sich darüber gar nicht so aufregen. Eigentlich wusste Nishinoya, dass die Art, wie er auf diese Situation reagierte, ein wenig überzogen und für seine vermeintliche Position als bester Freund unpassend war. Aber er war auch schon vor einiger Zeit zu der Erkenntnis gelangt, dass es für ihn mehr als bloße Freundschaft war, und aufopferungsvolle Phrasen wie »Solange Ryuu glücklich ist, ist mir egal, mit wem« passten so gar nicht zu ihm.

Gerade deswegen hielt er sich in diesem Moment vermutlich auch nicht zurück, achtete nicht mehr auf seine Wortwahl und sprach genau das aus, was er dachte, ohne vorher zu überlegen, ob er sich angebracht verhielt oder nicht.

»Weißt du überhaupt, wie die Schnepfe heißt, die dich hat abblitzen lassen?«

Die für Nishinoya sehr untypische Wortwahl und sein patziger Unterton ließen Tanaka perplex die Augenbrauen hochziehen. Irgendwas an dem Gesichtsausdruck seines Freundes überraschte ihn so sehr, dass er nicht einmal dazu kam, sich zu rechtfertigen.

»Wenn's passieren soll, passiert es«, fuhr Nishinoya indes ungerührt vor, die Arme vor der Brust verschränkt und energisch mit dem Kopf nickend. »Du musst dir doch nicht immer freiwillig einen Korb geben lassen, das hast du nicht nötig.«

Wenn Tanaka das anders sah, sagte er es zumindest nicht. Stattdessen stellte er sein Mittagessen beiseite, schlang die Arme um seine nun angewinkelten Beine und richtete den Blick gen Himmel.

»Aber findest du es nicht auch einsam manchmal?«

Der ihm fremde Unterton in Tanakas Stimme ließ Nishinoya aufhorchen und alles bereuen, das bisher aus seinem Mund gekommen war.

»Wie, einsam?«

Nishinoya hatte sich in seinem Leben bisher vor gar nichts gefürchtet, also konnte er nur vermuten, dass sein plötzliches Unwohlsein daher rührte, dass er Angst vor Tanakas Antwort hatte. Wie gebannt starrte er dessen Profil an und wartete darauf, dass er fortfuhr.

»Na, wenn du abends kurz vorm Schlafen noch im Bett liegst und einfach mit jemandem reden willst. Erzählen willst, wie dein Tag war, oder einfach nur zuhören willst, oder meinetwegen auch nur mit jemandem zusammen schweigen willst.«

Bei dem sehnsüchtigen Funkeln, das für einen kurzen Augenblick in Tanakas Augen trat, zog sich ihm der Magen zusammen. Beiläufig stellte er sein Mittagessen beiseite, ohne seinen Blick vom anderen abzuwenden.

»Oder wenn das Letzte, das du vorm Schlafen hörst, ist, wie viel du einem anderen Menschen bedeutest.«

»Du kannst auch einfach mich anrufen«, erwiderte Nishinoya mich flacher Stimme, ohne wirklich über seine Worte nachzudenken. Bevor er jedoch eine hastige, gelogene Erklärung hinzufügen konnte, sah Tanaka ihn erstaunt an.

»Oh, stimmt. Das ginge«, meinte dieser nach einigem Überlegen zufrieden. Nishinoya hatte erwartet, ein empörtes ›Das ist nicht das Gleiche!‹ zu hören, und dass dem nicht so war, ließ ihn unwillkürlich lächeln. Als Tanaka in einen Schneidersitz wechselte und nachdenklich die Arme vor der Brust verschränkte, fühlte Nishinoya, wie ihm leichter ums Herz wurde. Die Art, wie sie jetzt wieder miteinander umgingen, hatte etwas Vertrautes, sodass es fast schon so war, als hätte es die letzten paar Minuten nie gegeben.

»Wobei wir sowieso fast den ganzen Tag miteinander verbringen. Viel Neues gäbe es da nicht zu bereden«, gab Tanaka nach einer Weile zu bedenken, doch Nishinoya schnalzte darauf nur mit der Zunge und erwiderte fast schon beleidigt: »Glaubst du ernsthaft, uns würden die Gesprächsthemen ausgehen?«

»Stimmt auch wieder.«

Und dann lachte Tanaka. Laut und fröhlich und genau so, wie Nishinoya es kannte und liebte. Er konnte gar nicht sagen, wie froh er war, dieses vertraute Geräusch wieder zu hören. Für einen kurzen Moment dachte er, dass alles wieder in Ordnung wäre, bis:

»Aber verübeln kann man es ihnen nicht.«

Nishinoya ahnte, in welche Richtung das ging. Innerlich jede ihm bekannte Gottheit anflehend, konnte er nur hoffen, dass Tanaka von nun an schwieg, dass er einfach hinunterschluckte, was er noch sagen wollte, und das obwohl er nichts lieber hörte als die Stimme seines Freundes. Aber natürlich war sein Hoffen vergebens.

»Was sollten sie auch mit mir wollen? Es gibt Millionen bessere Kerle da draußen.«

Auch wenn er wusste, dass Tanaka das vermutlich nur im Scherz gesagt hatte, einfach als Abschluss für dieses Thema, konnte Nishinoya nicht anders, als wütend das Gesicht zu verziehen und den anderen mit so intensivem Blick zu mustern, dass er fast fürchtete, einer von ihnen würde in Flammen aufgehen.

»Jedes Mädchen, das dir keine Chance gibt, ist selbst schuld.«

Es tat ihm in den Ohren weh, wie bitter Tanaka bei seinen nächsten Worten klang.

»Natürlich sagst du das, Noya-san, schließlich sind wir Freu—«

»Auch wenn wir keine Freunde wären«, unterbrach er ihn mit Nachdruck, während er seinen Oberkörper ein bisschen mehr in Tanakas Richtung drehte, um ohne Schwierigkeiten den Blickkontakt zu ihm zu halten.

»Die wissen doch gar nicht zu schätzen, was sie an dir hätten. Du bist begeisterungsfähig, loyal und kümmerst dich so sehr um deine Freunde. Überleg mal, wenn ich irgendwann mal nachts vor deiner Haustür auftauchen würde, mit fremdem Blut überströmt und mit einem Messer in der Hand, wäre dir egal, was ich wem angetan hätte. Vermutlich würdest du mich in eine Decke einwickeln und verstecken, wenn die Polizei vorbeikäme.« Sowie Tanaka verwirrt die Stirn in Falten lag, fügte er hinzu: »Die wüssten natürlich, dass sie mich bei dir finden, weil wo würde ich sonst zuerst hinlaufen? Aber auch das würdest du mir verzeihen.«

Nishinoya wartete ein wenig, bis sein Gegenüber die Bedeutung hinter seinen Worten registriert hatte, zum einen, um zu beobachten, wie sich seine Wangen kaum merklich rot färbten, und zum anderen, um seinem Herz, das wie wild in seiner Brust schlug, Zeit zu geben, sich zu beruhigen.

»Weißt du eigentlich, wie stolz ich darauf bin, einen besten Freund wie dich zu haben, der niemals aufgibt und auf den ich mich immer verlassen kann?«

Peinlich berührt wandte Tanaka den Kopf ab, wollte sich nicht ansehen lassen, dass er nicht wusste, ob er vor Rührung weinen oder vor Scham im Erdboden versinken sollte. Aber Nishinoya hatte sich so viel Mut angeredet, dass er ihm noch eine weitere Sache sagen wollte.

»Ich könnte mir keinen besseren Partner wünschen«, gestand er mit einer Stimme, die so leise war, dass Tanaka sie nur verstand, weil er ein überdurchschnittlich gutes Gehör besaß.

»Partner im Sinne von«, er schluckte, wusste nicht, wohin er gucken sollte, »Liebespartner?«

»Ja.« Voller Überzeugung verschränkte Nishinoya die Arme vor der Brust, schloss die Augen und nickte eifrig. Für etwa drei Sekunden. Dann bemerkte er, was er da eigentlich gesagt hatte, riss die Augen wieder auf und sah seinen Freund unbeholfen lächelnd an. »O-oh. Das klang jetzt unheimlich, oder? Entschuldige.«

Eilig schüttelte Tanaka den Kopf, vielleicht ein wenig zu eilig, aber er konnte es nicht ertragen, den anderen so verunsichert vor sich sitzen zu sehen. Es passte einfach nicht zu ihm.

»Quatsch! Mit einem Partner wie dir könnte ich mich echt glücklich schätzen!«

Ohne groß darüber nachzudenken, setzte Tanaka zu seiner Erklärung an.

»Wir verstehen uns ja nicht umsonst so gut. Du bist der zuverlässigste, ehrlichste Mensch, den ich kenne, und mit niemandem sonst kann ich so viel Spaß haben. Ich weiß nicht mal, ob ich bei irgendwem sonst so sehr ich selbst sein kann wie bei dir.«

Er stockte, überlegte nun doch kurz. Bei seinen nächsten Worten wurde Tanakas Gesichtsausdruck entspannter, sanfter.

»Du hörst dir seit wir uns kennen mein Gejammer an und erwartest nichts im Gegenzug. Wenn irgendeines der Mädchen, das ich nach einem Date gefragt habe, auch nur ansatzweise so wäre wie du, wäre ich vermutlich der glücklichste Mann auf der Welt.«

Darauf schwiegen sie beide, wagten es nicht, dem jeweils anderen in die Augen zu sehen. Eine Weile rutschten sie nervös umher und beschäftigten sich mit anderen Dingen; Tanaka fummelte am Saum seiner Schuluniform und Nishinoya wechselte alle paar Sekunden seine Sitzposition. Irgendwann hielt Tanaka es allerdings nicht mehr aus.

»Noya-san?«

»Hm?«

Nishinoya neigte seinen Kopf in Tanakas Richtung, sah ihn aber nicht an. Stattdessen konzentrierte er sich darauf, die Stimme seines Freundes über sein laut pochendes Herz hinweg überhaupt zu verstehen.

»Ich glaube, von nun an werde ich mittags nicht mehr zu spät kommen.«

»Gut.«

Nishinoyas Stimme klang heiser, und keiner von beiden wusste ob vor Glück oder weil er versuchte, Tränen zurückzuhalten. Er traute sich nicht, in Tanakas Richtung zu gucken, aber er vermutete, dass es ihm ähnlich ging. Sie saßen noch einige Augenblicke schweigend und beschämt nebeneinander, beide mit hochroten Köpfen, bis Tanaka schließlich vorsichtig nach Nishinoyas Hand griff. Zunächst zögerte er, doch dann drückte er leicht und konnte sein erleichtertes Aufseufzen, als Nishinoya es ihm gleichtat, nicht unterdrücken.

»Ich… ruf dich dann heute Abend an?«, flüsterte Tanaka unsicher, hoffnungsvoll, und obwohl Nishinoya diese Tonlage nicht von ihm kannte, gefiel sie ihm in diesem Moment sehr.

»K-klingt gut, ja.«

Um sein leichtes Stottern zu überspielen – und, weil er es wollte –, verschlang Nishinoya ihre Finger miteinander. Sie schafften es immer noch nicht, einander in die Augen zu sehen, aber dafür wurde das Lächeln auf ihren Gesichtern immer breiter. Auch den Rest des Tages würden sie sehr viel weniger sprechen, als es sonst der Fall war, aber das störte beide nicht. Schließlich würden sie von nun an vorm Schlafen noch genug Möglichkeiten haben, die Stimme des anderen zu hören.



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Kommentare zu diesem Kapitel (4)

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Von:  Ur
2019-04-14T11:53:50+00:00 14.04.2019 13:53
Ich hab einen neuen Haikyuu!!-Schub erlitten und bin wieder mal hier gelandet. Ich hab beim nochmaligen Anschauen von Staffel eins wieder mal gemerkt, wie süß die beiden Schnuffis sind und du hast sie so herzerweichend dargestellt ;-; Ich finde, Tanaka verdient ganz viel Liebe und Noyas leidenschaftliche Verteidungsrede war genau das richtige *~*
Antwort von:  Schangia
14.04.2019 17:39
Haikyuu!! kommt immer wieder, zu den unerwartetsten Zeiten uû Danke dir für den Kommentar, ich freu mich, dass die beiden dir etwas helfen konnten, mit den feels klarzukommen ;)
Antwort von:  Ur
14.04.2019 17:41
Ja, es tröstet mich ein wenig über meinen Abschlussprüfungsstress hinweg :'D Wenn alles gut geht, fang ich morgen mit Staffel zwei an und wer weiß, welche Charaktere mich dann von hinten überfallen ^^
Antwort von:  Schangia
14.04.2019 18:16
Huch, ist's bei dir auch soweit? Viel Erfolg! Wenn du's so sagst, sehe ich sie schon alle mit 'ner Keule in der Hand hinter dir in einer Reihe stehen xD
Antwort von:  Ur
14.04.2019 18:19
So fühlt es sich auch an xD Ich höre Bokutos lautes HEYHEYHEY schon in meinen Ohren dröhnen und mich vom Lernen abhalten :'D
Von:  Dorobbong
2015-07-04T21:03:35+00:00 04.07.2015 23:03
Hm, okay. Eigentlich weiß ich gerade gar nicht so recht, ob ich in der Lage bin einen vernünftigen Kommentar zu schreiben. (Wobei ich das ja nie so richtig mache. Ahaha.)
Aber bevor ich es wieder vergesse, lasse ich dir ein paar Worte da.
Zuallererst, ja. Beim Lesen sind mir gewisse Dinge sofort aufgefallen, die ich von dir als Mensch tatsächlich mittlerweile gut kenne, aber ich finde das hat dem Ganzen keinen besonderen Abbruch getan. Es mag vielleicht etwas untypisch daherkommen, aber für die Situation und auch um die Emotionen zu verdeutlichen, war es vollkommen in Ordnung.
Und es verwundert dich sicherlich nicht, wenn ich dir sage, dass ich zur Mitte hin tatsächlich feuchte Augen bekommen habe. Erstaunlicherweise lag das aber weniger an irgendeiner besonderen Wortwahl (die ich so jetzt nicht ausmachen konnte), noch an der Tatsache, dass TanaNoya einfach ganz wundervoll und niedlich ist, sondern vielmehr an einigen Aspekten, die mich persönlich angesprochen haben, mit denen ich mich identifizieren konnte. - Sei es die Unsicherheit und Unfähigkeit darin in sich selbst etwas Wertvolles zu sehen, oder der stillschweigende Wunsch nach jemanden, der dir tatsächlich das Gefühl gibt, dass du ihm etwas bedeutest. Ich finde es schwierig, das in Worte zu packen, aber in diesem Oneshot habe ich mich Tanaka unheimlich nahe gefühlt und hatte beim Lesen auch irgendwo das Gefühl, dass dieser Freundschaftsaspekt, den du dort aufgegriffen hast, nicht von ungefähr kommt.
Das mag wahrscheinlich nicht deine Absicht gewesen sein, aber ein bisschen habe ich uns in den beiden wiedergefunden.
In der Art und Weise des Umgangs miteinander und dem, was dort gesagt wurde. Vielleicht interpretiere ich in der Hinsicht aber auch bloß ein bisschen zuviel in diesen wirklich gelungenen und äußerst niedlichen Versuch, der Welt TanaNoya etwas näher zu bringen und über den Tellerrand AsaNoya's hinauszublicken. ;>
Zum Stil selbst. Nunja. Du hast den Oneshot simpel gestaltet, dich auf das Wesentliche konzentriert und Persönliches mit einfließen lassen (da erinnere ich mich unweigerlich an dieses kleine 'Liebeskarussell', oder wie auch immer man das nennen mag, dass du erst vor einiger Zeit durchlitten hast), was dem Ganzen nochmal eine, meines Erachtens nach, besondere und unerwartete Note verliehen hat. Ich mag es sehr, besonders dieses Verwischen der Grenze zwischen Freundschaft und Liebe, das gibt der Story einen gewissen Freiraum und für die Zukunft würde ich mir weitere solcher niedlichen Geschichten wünschen.

Wirklich eine gute Arbeit. :) ♥
Antwort von:  Schangia
05.07.2015 13:11
Wenn es einigermaßen gepasst hat, auch wenn's persönlicher war als bei den meisten anderen Geschichten, dann bin ich beruhigt. Stimmt schon, dass da vor allem die Erfahrungen der letzten Wochen mit eingeflossen sind, praktisch in einem Versuch, das Ganze für mich komplett abzuschließen. Darauf angelegt, dass die Freundschaft der beiden in einigen Aspekten an uns erinnert, hab ich es tatsächlich nicht, aber irgendwie ist es passiert. Ist mir auch beim Schreiben aufgefallen, aber ich find's gut so, also wollte ich nicht krampfhaft versuchen, da irgendwas dran zu ändern. :)
Danke dir für den lieben Kommentar. ♥ And all hail TanaNoya~! >D


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