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Matchball

One Shot Sammlung
von

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Welcome Distraction (Bokuto/Akaashi)

Bokuto konnte den Juni wirklich nicht leiden. Vielleicht hätte er ihn gemocht, wenn er nicht in Japan leben würde, aber er hatte bisher kaum seine eigenen Präfektur verlassen, also konnte er das nicht mit Bestimmtheit sagen. Im Juni begann nämlich für die meisten Teile Japans die Regenzeit, und Regen bedeutete, dass Bokuto kaum draußen sein konnte. Nun gut, genau betrachtet hieß es nicht, dass er das Haus nicht verlassen konnte, aber nachdem er im letzten Jahr an mehreren Nachmittagen stundenlang im Regen herumgerannt und danach fast zwei Wochen mit einer Lungenentzündung flach gelegen hatte, wollte sein Team kein Risiko mehr eingehen und achtete strikt darauf, dass er wenn überhaupt nur noch mit mindestens zwei Regenschirmen ins Freie trat.

Dass er aufgrund des Regens noch viel mehr Zeit in der Sporthalle ihrer Schule verbrachte als ohnehin schon, bedeutete aber nicht automatisch, dass er auch motivierter war. Es hatte fast schon den gegenteiligen Effekt; Bokuto war noch unkonzentrierter als sonst und verlor schon nach wenigen Minuten das Interesse an den jeweiligen Trainingsabschnitten. Vor allem gegen Ende des Trainings lag er häufig auf einer der Sportbänke, meistens aber direkt auf dem Boden und starrte die Decke an. Natürlich nicht, ohne sich lauthals darüber zu beschweren, wie langweilig ihm war.

Sein Team nahm es mehr oder minder gelassen hin, weil sie wussten, dass er sich irgendwann wieder einkriegen würde. Das geschah an manchen Tagen schneller als an anderen, meistens zum Anfang der Woche oder kurz vor Spielen gegen andere Schulen. Heute jedoch, an diesem Freitagabend ohne ein anstehendes Match am Wochenende, war Bokutos Motivation bereits am Morgen schon in ein Flugzeug gestiegen und hatte sich aufgemacht in ein Land, in dem auch zu dieser Jahreszeit rund um die Uhr die Sonne schien.

»Maaan, mir ist langweilig!«, maulte er zwar monoton, aber laut genug, dass ihn seine Freunde über die üblichen Geräusche in der Sporthalle noch gut hören konnten. Normalerweise hätten sie ihn ignoriert, wie bei den gut zwei Dutzend Ausrufen davor auch, doch Konohas Geduld neigte sich dem Ende – und seine eigene Motivation ehrlich gesagt auch, da war eine kleine Abwechslung vom Training immer willkommen –, also erbarmte er sich, seinem Captain zu antworten.

»Dem könntest du Abhilfe schaffen, wenn du trainieren würdest.«

Er wusste genau so wie die anderen, dass er sich den Kommentar hätte sparen können. Bokuto lag schon seit einer halben Stunde bäuchlings auf dem Boden und sah aus einem der kleinen, niedrigen Fenster.

»Aber wer zählt dann die Regentropfen?!«, empörte er sich plötzlich, und da keiner von ihnen damit gerechnet hatte, tatsächlich eine Antwort zu erhalten, hielten sie kurz in ihrem Training inne und sahen ihn mit einer Mischung aus Überraschung und Resignation an. Bokuto war mit einem mal wacher als vorher und starrte gebannt auf die Fensterscheibe.

»Oooh, die zwei Regentropfen machen gerade ein Wettrennen auf der Scheibe!«, murmelte er aufgeregt, ehe er sich ein wenig zur Seite drehte – sein Blick hing immer noch an dem fragwürdigen Schauspiel vor ihm – und sich um die Aufmerksamkeit seiner Teamkameraden bemühte. »Akaashi! Was meinst du, wer gewinnt? Der Linke oder der Rechte?«

Akaashi seufzte kaum merklich. »Der Rechte, Bokuto-san.«

»Glaubst du? Aber der Linke ist viel größer und— woah, er hat aufgeholt! Der Rechte gewinnt!«

Voller Elan setzte Bokuto sich auf und drehte sich diesmal so, dass er seine Freunde ansehen konnte. Jeder Anflug von Müdigkeit oder Unlust war wie weggeblasen, als er Akaashi mit großen Augen und offenem Mund anstarrte.

»Wie cool, Akaashi! Woher wusstest du das?« Bevor der Angesprochene jedoch etwas darauf erwidern konnte, wandelte sich Bokutos Gesichtsausdruck in Bewunderung. »Ist das etwa dein geheimes Talent?!«

Washio schüttelte nur matt den Kopf, während Komi sich ein Kichern nicht verkneifen konnte. Akaashi jedoch sagte erst einmal gar nichts und überlegte einige Zeit, bevor er nickte und zu einer Erklärung ansetzte.

»In der Mittelschule war ich Captain des Regenzeit-Clubs. Wir hatten nicht viele Mitglieder, aber haben es trotzdem ins Finale eines der größten Turniere geschafft.« Er seufzte so, als würde er sich nur ungern an diese Zeit zurückerinnern. »Dann, im letzten Jahr, ist unser bestes Mitglied jedoch krankheitsbedingt ausgefallen und wir mussten unsere Teilnahme zurückziehen. Seitdem konnte ich Regentropfe nie wieder mit den gleichen Augen betrachten.«

Für einen Augenblick war es bis auf das stete Trommeln des Regens vollkommen still – und das, obwohl Komis Kopf schon ganz rot war, weil er sein Lachen unbedingt unterdrücken wollte, bis Bokuto reagiert hatte. Dem stiegen mittlerweile Tränen in die Augen, als er taumelnd aufstand und auf Akaashi zuging, die Arme weit ausgebreitet, als wollte er ihn zum Trost umarmen.

»Akaashiii, das ist ja schrecklich!«, jammerte er so vollends aufrichtig, dass Konohas Kopf fast genauso rot anlief wie Komis. Akaashi jedoch blieb vollkommen ruhig.

»Und eine Lüge obendrein«, setzte er nach, ehe Bokuto näherkommen konnte. Angesichts des verwirrten Gesichtsausdrucks ihres Captains konnten die beiden anderen sich nicht mehr zurückhalten und brachen in schallendes Gelächter aus.

»Ich kann nicht glauben, dass er ihm das abgekauft hat«, murmelte Onaga beschämt, während Sarukui ihm aufmunternd auf die Schulter klopfte.

»Daran gewöhnst du dich nach einiger Zeit, keine Sorge.«

Akaashi schüttelte indes nur sacht den Kopf. Wenn er sich die momentane Stimmung im Team so ansah, konnten sie ihr Training genauso gut jetzt schon beenden, anstatt sich noch eine halbe Stunde herumzuquälen. Mit einem letzten Blick auf Bokuto – der immer noch völlig verwirrt vor ihm stand und ziemlich verloren wirkte – drehte er sich um und gab Anweisungen, wer welchen Teil der Halle aufräumen sollte. Während Washio, Onaga und Konoha die Bälle einsammelten und in einen der kleinen Lagerräume brachten, holten Komi und Sarukui die Besen und Wischmoppe.

Eigentlich hatte Akaashi sich nicht allein um die Netze kümmern wollen. Doch obwohl Bokuto mittlerweile aus seiner Schockstarre erwacht war, machte er keine Anstalten, seinem Freund zu helfen und stand nur schmollend und mit vor der Brust verschränkten Armen auf dem Spielfeld. Dabei sah er demonstrativ in die andere Richtung und wartete so offensichtlich darauf, Akaashi irgendetwas sagen zu hören, dass es fast schon wehtat, ihm zuzusehen.

Nach einiger Zeit erbarmet Akaashi sich tatsächlich.

»Bokuto-san, wenn du dich so leicht reinlegen lässt, wird dir das irgendwann zum Verhängnis werden«, erklärte er ruhig, ohne in seiner Arbeit innezuhalten oder den anderen anzusehen. Er musste aber auch nicht aufzusehen, um zu erahnen, was Bokuto tun würde.

»Aber es geht hier um dich!«, rief er entrüstet, als er näher ans Netz herankam. »Warum solltest du mir was Böses wollen?«

Es war leicht für Akaashi, das Lächeln zu unterdrücken, das sich auf seine Lippen stehlen wollte. Er tat das ständig in Bokutos Nähe und hatte auch weiterhin nicht vor, damit aufzuhören. Genauso wenig plante er, seine Arbeit an den Netzen zu unterbrechen, während er mit seinem Captain redete.

»Du solltest auch mir nicht alles glauben. Manchmal ist es gut, ein wenig skeptischer an die Dinge heranzugehen. Es könnte sein, dass—«

Akaashi stockte, weil sich in seinem Augenwinkel nichts bewegte. Das mochte komisch klingen, doch selbst wenn er Bokuto nicht direkt ansah, konnte er in seinem peripheren Blickfeld immer erahnen, dass der andere gestikulierte, selbst wenn es nur ein eifriges Nicken war. Jetzt aber schien er sich gar nicht zu bewegen, was so untypisch für ihn war, dass Akaashi tatsächlich aufblickte und ihn fragend ansah.

»Bokuto-san?«

Bokuto reagierte nicht direkt, sondern war viel zu sehr damit beschäftigt, ihn angestrengt anzustarren. So kannte Akaashi ihn nur, wenn sie gegen andere Schulen spielten, und bedachte er es recht, hatte er ihn eine ganze Weile nicht so gesehen. Besonders im Gegensatz zum Beginn ihres Trainings war er jetzt hochkonzentriert. Akaashi war ein wenig unwohl dabei, dass sein Freund ihm so viel Aufmerksamkeit schenkte, aber er wartete dennoch geduldig, dass er von sich aus etwas sagte.

»Weißt du, deine Hände können einen ganz schön ablenken«, raunte Bokuto irgendwann mehr zu sich selbst als zu dem anderen, doch Akaashi spürte trotzdem, wie ihm Blut in die Ohrenspitzen schoss.

»Ach ja?«

Er versuchte, seine körperliche Reaktion herunterzuspielen – wobei er nicht einmal davon ausging, dass Bokuto es tatsächlich bemerkt hatte –, sah aber dennoch ein wenig beschämt zur Seite. Bokuto störte sich nicht sonderlich daran, sondern nickte nur eifrig mit dem Kopf und griff voller Elan nach Akaashis Hand.

»Und wie!«

Mit einer Neugier, als würde er Akaashis Hand das erste Mal berühren, inspizierte Bokuto sie von allen Seiten, drehte und wendete sie und betrachtete sie aus jedem erdenklichen Winkel. Dabei schaute er viel mehr aus wie ein kleines Kind mit einem neuen Spielzeug als einer der besten Volleyballspieler des Landes, aber es war genau dieser Kontrast, den Akaashi so sehr an ihm schätzte. Sanft lächelnd betrachtete er, wie Bokuto mit seinen Fingern feinfühliger als erwartet die Linien auf seiner Hand nachfuhr. Akaashis Finger waren lang und gerade, deswegen wirkten seine Hände größer als Bokutos, und genau das schien ihn gerade in den Bann zu ziehen.

»Wobei, macht schon Sinn, dass ein Setter wunderschöne Hände hat.«

Akaashi hatte ihn kaum gehört, denn er sprach viel leiser als sonst. Er mochte solche Momente eben weil sie so selten waren.

»Solange du mich nicht nur auf meine Hände reduzierst«, meinte Akaashi eher scherzhaft, während er das Gefühl von Bokutos Haut auf seiner eigenen genoss. Obwohl sie als Volleyballspieler natürlich beide Hornhaut an Fingern und Handfläche hatten, waren Bokutos Hände noch ein gutes Stück rauer als seine.

Mit einem Mal jedoch hielt Bokuto in seiner Bewegung inne, sah auf und schaute Akaashi so ernst an wie schon lange nicht mehr.

»Deine Hände sind genauso schön wie der ganze Rest von dir!«

Auch in den paar Monaten, die sie jetzt schon zusammen waren, hatte Akaashi nicht gelernt, wie er mit dieser Seite von Bokuto umgehen sollte. Meist schoss ihm die Schamesröte ins Gesicht (so wie jetzt) und er schwieg, während er fieberhaft nach einer Antwort suchte, die ihn wieder die Oberhand würde haben lassen. Er war fast schon dankbar, als er trotz des Rauschens in seinen Ohren hörte, wie eine Tür zu seiner Linken geöffnet wurde.

»Und es geht wieder los«, witzelte Konoha, nachdem er aus einem der kleinen Lagerräume zurück in die Halle gekommen war. Durch die Ablenkung bekam Akaashi gerade genug Zeit, seine Gedanken wieder etwas zu ordnen und zu einer kurzen Predigt anzusetzen.

»Bokuto-san, wie oft denn noch? Wenn wir nicht alleine sind dann—«

»Liebe ich dich trotzdem!«, rief Bokuto jedoch mit so viel Aufrichtigkeit und Begeisterung, das Grinsen so breit und strahlend, als er auch noch nach der anderen Hand seines Freundes griff und sie fest umschlossen hielt, dass Akaashi ihm nicht böse sein konnte. Stattdessen erwiderte er den sanften Druck und schloss kurz die Augen, um sich diesen Moment genau einzuprägen.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von: Crispie
2017-01-08T08:43:51+00:00 08.01.2017 09:43
OMG !!!! Ich habe zwar alle deine OS gelesen und fand wirklich alle super, aber "This one takes the cake!!!" Hier kommen vorallem Bokutos Naivität und Akaashis ruhige Präsenz so gut zum Ausdruck!!!

Und dann noch dieser schöne Moment zwischen ihnen ich zitiere mal: "Deine Hände sind genauso schön wie der ganze Rest von dir!"....ich bin dahin geschmolzen wie Schokolade ;_; Sooooo süüüüsss!

Ich hoffe es kommen bald wieder neue OS von dir :) Du hast einen sehr schönen Schreibstil!! Mach bitte weiter so!

Viele Grüße

Crispie
Antwort von:  Schangia
09.01.2017 16:40
Aww, das freut mich wirklich sehr! Bokuto zu schreiben macht irrsinnig Spaß, aber den Satz, den du zitiert hast, mag ich auch mit am meisten in dem One Shot. :) Vielen Dank für die lieben Worte! ♥


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