you're sad
Tränenspuren waren auf dem bleichem Gesicht zu sehen, als der Junge mit dem brauen Haar, den Kopf hob. Ein schwaches lächeln zierte seine roten Lippen, wärend er den Stift, den er die ganze Zeit schon in den Händen hielt, weglegte. Das Stück weißes Papier, auf dem er ein paar Zeilen geschrieben hatte, legte er auf die Mitte seines alten Schreibtisches. War es feige, was er tat?
Seine Brust zog sich zusammen und mit einer Entschlossenheit, die ihn erschütterte, stand er von seinem Stuhl auf. Er zog seine Schreibtischschublade auf und warf ein paar lose Blätter hinaus, ehe er jenen Gegenstand fand, den er gesucht hatte. Er hatte es verstecken müssen, wer wusste, was seine Eltern getan hätten, hätten sie es entdeckt. Wahrscheinlich hätten sie versucht, mit ihm zu Reden. Nicht, das sie das nicht sowieso schon versuchten. Sie hatten gemerkt, dass er sich verändert hatte.
In der Schule war er nicht beliebt. Nein, ihn mochte dort niemand. Auch seine alten Freunde, mit denen er als Kind solch großartige Abenteuer erlebt hatte, hatten sich gegen ihn gewandt. Ganz besonders ein Freund. Jack war irgendwann einfach nicht mehr gekommen. Ob es daran gelegen hatte, dass er älter geworden war, wusste er nicht. Doch, der Wintergeist hatte ihn im Stich gelassen, dann, als er ihn am nötigsten hätte gebraucht. Wahrscheinlich hatte der Wintergeist neue Freunde gefunden, und brauchte ihn nun nicht mehr. So wie seine anderen Freunde auch. Niemand brauchte ihn. Er war nichts wert.
Jamie schluckte. Nervosität kroch in seine Glieder, ließ ihn unkontrolliert zittern. Was er vorhatte, war nicht unbedingt Falsch. Nicht für ihn. Niemand wusste davon, also würde ihn auch niemand aufhalten können, alles lief nach Plan. Seine Eltern waren nicht zu Hause, Sophie übernachtete bei einer Freundin, der Brief war geschrieben und er war bereit.
Wer würde ihn schon vermissen? Sophie vielleicht – natürlich würde sie das. Es tat ihm so leid, dass er seine liebe, kleine Schwester so zurück ließ, aber es ging nicht anders. Er musste es tun, und es würde keine Alternative geben, das wusste er. Und irgendwann, da würde es die kleine schon verstehen, das musste sie einfach. Denn schließlich konnte er so nicht weiter Leben.
Jeden Tag stand er nur auf, um abends wieder ins Bett zu gehen. Die Schule war eine einzige Qual, ganz ohne Freunde, zu Hause war es das gleiche. Er fühlte sich so müde und verloren, sah jeden Tag die Menschen, die lachend durch die Straßen gingen und ihr Glück förmlich in die Welt hinaus schrien, wärend er allein und verloren da stand, nicht wusste, was er mit sich anfangen sollte. Vielleicht war es auch seine Schuld, dass niemand ihn mochte, und sein Freund sein wollte. Er hatte sich doch so angestrengt. Jeden Tag hatte er sich gesagt, dass er sich nur genug anstrengen musste und dann würde schon alles gut werden. Doch das wurde es nicht.
Und urplötzlich, sah er sich in seinem Zimmer um, und verzog das Gesicht. Sein Zimmer war groß und recht dunkel, die einzige Lichtquelle diente dem Fenster, gegenüber von seinem Bett. Kleine Eiskristalle bildeten sich auf der Fensterscheibe und es erinnerte ihn an Jack, sein Herz zog sich zusammen. Neue Tränen bildeten sich in seinen Augen, wobei er gedacht hätte, sie wären endlich versiegt.
Schnell setzte er sich auf sein großes Bett und legte den scharfen Gegenstand neben sich. Er war bereit. Und doch zitterte sein gesamter Körper. Hatte er Angst? Angst was danach kam? Ja, wahrscheinlich, aber das war normal. Jeder Mensch hatte davor Angst, selbst die Erwachsenen, auch wenn sie das nie zugeben wollten. Aber man merkte es an der Art, wie sie davon sprachen. So furchterfüllt.
Aber die seine Angst ließ nach. Den Schmerz fürchtete er nicht, den konnte er ertragen, so, wie er ihn immer ertragen hatte.
Er hörte den lauten Motor des Autos seiner Eltern in der Auffahrt, und Panik stieg in ihm hoch. Er hatte sich zu viel Zeit gelassen, verdammt. Entschlossen griff er nach dem silbrigen Kattermesser und Atmete tief durch. Entspannt schloss er die Augen und lächelnde. Das letzte, was sie von ihm sehen sollten, sollte nicht traurig wirken. Endlich würde er Glücklich werden, und das sollten alle sehen. Er setzte das Katermesser an seinem Handgelenk an, Atmete durch, und sah auf. Seine Eltern waren nun schon im Haus angelangt und riefen nach ihm. Vielleicht hatten sie Essen mitgebracht. Doch das kümmerte ihn jetzt herzlich wenig.
Und mit Entschlossenheit durchnitt Jamie Bennett sich die Pulsadern an beiden Armen.
Mom, Dad, Sophie,
Es tut mir leid.
Bitte seid nicht allzu traurig, und versucht wenigstens, es zu verstehen.
Ich liebe euch.
Jamie