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Star Trek - Icicle - 03

Freundschaften
von

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Von kleinen und großen Kindern

Am Place de la Concorde, dem Platz der Eintracht, dem größten in Paris und dem zweitgrößten in Frankreich, brummte das Leben. Im 8. Arrondissement, im Zentrum der Stadt liegend, zweigte von hier die Avenue des Champs-Élysées bis zum Arc de Triomphe ab, die auch zum Regierungspalast der Föderation führte. Markant auf dem Platz war zweifellos der 22 Meter hohe Obelisk von Luxor, und die den Obelisken flankierende Brunnenanlage Fontaine de Mer.

Ebenfalls auffällig waren die acht steinerner Frauenstatuen, welche die Allegorien der acht französischen Städte: Bordeaux, Lille, Brest, Rouen, Lyon, Marseille, Nantes und Straßburg symbolisierten.

An der Nordseite des Platzes befand sich im westlichen der beiderseits der „Rue Royale“ mit gleichen Fassaden versehenen Bauwerke, das Hôtel de Crillon. Die identische Front der Bauwerke wurden von Louis François Trouard in Anlehnung an die Fassaden des Louvre entworfen. Es zeigte je zwei Tempelhallen, die durch eine lange, zwölfteilige Säulenreihe zum Platz hin verbunden waren. Zwischen beiden Gebäuden erkannte man im Hintergrund die acht Säulen der Kirche St. Madeleine.

Tar´Kyren Dheran der vor dem umlaufenden Metallgitter des Obelisken stand, blickte kurz nach Links, in Richtung des Triumpfbogens. Dann konzentrierte er sich wieder ganz auf die alten ägyptischen Symbole, die auf dem Obelisken zu sehen waren. Er fand es faszinierend, dass diese Symbole mehr mit den altbajoranischen Schriftzeichen gemeinsam hatten, als mit modernen irdischen. Unbewusst schweiften seine Gedanken zu den Cryllianern, denen er vor mehreren Monaten begegnet war. Auch deren Schriftzeichen besaßen eine signifikante Ähnlichkeit mit den heute verwendeten bajoranischen. War das nur Zufall?

Zusammen mit Konteradmiral De Mornay hatten Linara, Sorek und er zunächst ein kleines Bistro, ganz in der Nähe besucht. Als De Mornay sich schließlich von ihnen zwischenzeitlich verabschiedet hatte, weil sie vor ihnen dreien zum Präsidenten geladen war, hatte Dheran die Gelegenheit genutzt, ein wenig allein durch Paris zu streifen. Nach dem vermasselten Golfspiel, und all den anderen kleinen Katastrophen der Woche, brauchte der Andorianer erst einmal etwas Zeit für sich. Also war er an diesem sonnigen Nachmittag hierher gekommen. Dieser Platz war geschichtsträchtig, denn hier hatten Marie Antoinette, ihr Gatte, König Louis XVI und Maximilian Robespierre, der beide schuldig sprach, ihren Kopf verloren. Zu dieser Zeit hieß der Platz noch: Revolutionsplatz.

Linara Enari und Sorek wollten ihn später hier treffen.

So in Gedanken versunken, bemerkte Dheran das kleine Mädchen an seiner linken Seite zuerst gar nicht. Erst als das blonde Mädchen mit den schulterlangen, blonden Locken und den strahlend blauen Augen immer näher an ihn heran rückte und unverwandt zu ihm hoch starrte, wurde der Andorianer aufmerksam und erwiderte den neugierigen Blick des Mädchens. Dheran schätzte ihr Alter auf etwa acht Standard-Jahre. Sie trug eins jener momentan ganz modernen, bunten Sommerkleider, wie man sie nun überall zu sehen bekam.

Tar´Kyren Dheran beschloss vorerst das Mädchen zu ignorieren und schritt zu einer der Bänke, um sich in die Sonne zu setzen. Manchmal beneidete er die Menschen um diesen Planeten, auf dem es gleichzeitig tropische, gemäßigte und arktische Klimazonen gab. Er schloss entspannt seine Augen und öffnete sie erst wieder, als er spürte, dass er nicht länger allein war.

Das Mädchen von eben stand schräg vor ihm und blickte ihn erneut neugierig an.

Der Andorianer fasste einen Entschluss und sprach das Kind an: „Guten Tag, mein Name ist Tar´Kyren Dheran. Was kann ich für Sie tun, Madame?“

„Es heißt Mademoiselle, Monsieur Dheran“, verbesserte die Kleine leicht empört. „Madame nennt man verheiratete Frauen, und dafür bin ich noch viel zu klein.“

Die Augen des Andorianers wurden groß und unwillkürlich richtete er sich etwas auf. Dann sagte er: „Entschuldigung, Mademoiselle, das war unbedacht von mir.“

Das Mädchen nickte gnädig und antwortete: „Angenommen, Monsieur Dheran. Mein Name ist übrigens Claudine Binoché. Dort drüben sitzt meine Mutter.“

Dheran folgte dem Blick des Mädchens und erkannte eine elegant gekleidete, junge Frau mit blonden Haaren, die ihm freundlich zu lächelte. Dann konzentrierte Dheran sich wieder auf das Mädchen und verneigte sich leicht. „Angenehm, Mademoiselle Binoché. Gestatten Sie, dass ich Sie Claudine nenne? Sie können auch Tar´Kyren zu mir sagen.“

Der Blick des Mädchens verfinsterte sich, und Dheran spürte, dass er einen Fehler gemacht haben musste. Er konnte sich zwar nicht vorstellen welchen, aber ihm schwante nichts Gutes bei dem strafenden Blick des Mädchens.

 

* * *

 

Linara Enari und Sorek erreichten gut fünfzehn Minuten vor der vereinbarten Zeit den Place de la Concorde. Unbemerkt näherten sie sich der Bank, auf der Dheran saß, und sich mit einem kleinen Mädchen unterhielt. Sorek wollte direkt zu ihm gehen, doch Linara hielt ihn zehn Meter vorher am Arm zurück und meinte flüsternd, mit schlecht versteckter Schadenfreude: „Warten Sie, das möchte ich mir bis zum Ende anschauen.“

Der Halbvulkanier blickte Linara fragend an und die Bajoranerin erklärte: „Captain Dheran blickt seiner ersten Niederlage in die Augen, er weiß es nur noch nicht. Diese Kleine dort wird ihn fertig machen. Glauben Sie mir, Sorek, ich weiß aus Erfahrung, wie Kinder in diesem Alter ticken, mein Sohn ist etwa genauso alt, wie das Mädchen bei Dheran. Das ist selbst dann kein Zuckerschlecken, wenn man gewohnt ist Kinder um sich zu haben. Aber Tar´Kyren Dheran, als Junggeselle...“

Sie ließ den Rest des Satzes offen und grinste nur hämisch.

„Nun, warten wir es ab“, gab Sorek leise zurück und beobachtete, gemeinsam mit Linara den Fortgang der Unterhaltung.

 

* * *

 

Das Mädchen stemmte seine kleinen Fäuste in die Hüften, und Dheran fühlte sich an Kira Nerys erinnert. „Hören Sie, Monsieur: Meine Mutter hat mir verboten, fremde Leute einfach zu Duzen. Und wie kommen Sie überhaupt auf eine solche Idee, wir kennen uns doch gar nicht.“

Der Andorianer machte ein verblüfftes Gesicht. So hatte lange Niemand mehr mit ihm gesprochen. Und hier konnte er nicht einmal kontern, ohne dass er sich blamierte. Also beschloss er ruhig zu bleiben, verneigte sich leicht in Richtung des Mädchens und sagte mit feiner Ironie: „Bitte entschuldigen Sie, Mademoiselle Binoché. Wie konnte ich nur.“

Entgegen Dherans Erwartung blieb der Blick des Mädchens verärgert. „Monsieur Dheran, Sie müssen nicht glauben, dass Sie mich verulken können, nur weil ich noch so klein bin.“ Sie warf ihm einen beleidigten Blick zu. „Das ist gar nicht lustig.“

Dheran schluckte. Das Mädchen hatte Recht, er hatte tatsächlich geglaubt, es würde seine Ironie nicht bemerken; offensichtlich ein Trugschluss. Er veränderte seine Taktik und erklärte offen: „Sie haben Recht, Mademoiselle Binoché. Ich habe mich, Ihnen gegenüber, schlecht benommen. Verzeihen Sie mir?“

Der Andorianer blickte das Mädchen so offen und bittend an, dass es ihn zuerst verwundert, dann plötzlich grinsend ansah. „Sie können also ganz nett sein, wenn Sie wollen“, stellte die Kleine fest. Sie kam etwas näher und fragte dann unvermittelt: „Darf ich mich auf ihren Schoss setzen?“

Dheran blickte hinüber zu der Bank auf der die Mutter des Mädchens saß und hoffte, sie würde es verbieten, doch die Frau nickte ihm nur aufmunternd zu.

Dheran grinste gezwungen zurück, bevor er das Mädchen anhob und etwas unbeholfen auf seinen Schoss setzte. „Sitzen Sie gut so?“, erkundigte sich der Andorianer bei dem Mädchen.

Die Kleine nickte begeistert und plauderte munter drauflos: „Wissen Sie, dass Sie der erste Andorianer sind, den ich persönlich kennen gelernt habe? Ich dachte immer, dass Andorianer kalte Hände haben würden, aber ihre Hände scheinen gar nicht kalt zu sein.“ Sie griff prüfend an eine seiner Hände und blickte ihn fragend an. „Ist das ein Trick?“

„Nein, Mademoiselle“, erklärte Dheran ernsthaft. „Sie müssen wissen, dass gerade Wesen, die auf einer kalten Welt aufwachsen, Wärme speichern können müssen. In der Tat haben Andorianer deswegen wärmere Hände, als Menschen.“

„Oh“, machte das Mädchen. „Das wusste ich nicht.“

„Das wissen die wenigsten Menschen. Auch meinem Ersten Offizier musste ich das vor kurzem erst erklären, und diese Frau ist bereits über Dreißig.“

Das Mädchen blickte ihn mit großen Augen an. „Sie kommandieren wirklich ein Raumschiff?“

Dheran nickte. „Ja, ein Raumschiff der AKIRA-KLASSE. Kennen Sie diesen Schiffstyp, Mademoiselle Binoché.

Das Mädchen schüttelte stumm den Kopf und Dheran begann ausgiebig von der ICICLE zu berichten, wobei das Mädchen ihm gebannt zuhörte.

 

* * *

 

Captain Linara Enari, die zuerst vor Schadenfreude am liebsten in die Luft gesprungen wäre, blickte mit wachsendem Erstaunen auf die Szene, die sich zehn Meter entfernt abspielte. Kopfschüttelnd blickte sie schließlich zu Sorek und meinte: „Zwicken Sie mich bitte, das kann doch nicht wahr sein.“

Captain Sorek blickte die Bajoranerin unbeeindruckt an, ohne jedoch ihrer Aufforderung nachzukommen. „Sieht ganz so aus, als habe Captain Dheran die Offensive gestoppt.“

„Ja“, machte Linara nachdenklich und beobachtete den Andorianer plötzlich mit anderen Augen. Bisher hatte sie in Dheran immer die Verkörperung des Wortes Krieger gesehen. Doch hier, in diesem Moment, wurde ihr klar, dass dies nur eine Seite des Andorianers war. Dieser scheinbare Karriereoffizier besaß doch offensichtlich noch andere Qualitäten. Im Augenblick schien er ihr geradezu entwaffnend menschlich, sofern dieser Begriff auf einen Andorianer anwendbar war. Dort vorne saß der Andorianer auf einer Bank, ein kleines Mädchen auf seinem Schoss und plauderte entspannt mit diesem kleinen Wesen, dass ihm gebannt zuzuhören schien. Irgendwie berührte es Linara ganz tief im Innern, diesen sonst so kompromisslosen Soldaten derart familiär, ja liebenswürdig, zu erleben.

Unwillkürlich schweiften ihre Gedanken zu ihrem Sohn, Jhorem, ab, den sie abgöttisch liebte und viel zu selten sah. Beinahe melancholisch beobachtete sie Dheran und das Mädchen und schließlich schluckte sie und atmete mehrmals tief durch. Danach fühlte sie sich wieder etwas besser.

Nachdenklich beobachtete Linara Dheran und das Mädchen. Zu sehen, wie zwei grundverschiedene Wesen, zweier verschiedener Generationen friedlich mit einander sprachen beinhaltete eine eindeutige Symbolik. Und es bedeutete auch Hoffnung. Hoffnung darauf, dass sie drei, als Offiziere der 5. Taktischen Flotte, das Richtige taten, um vielleicht irgendwann eine friedliche Koexistenz aller Galaktischen Völker zu ermöglichen. Vielleicht würden sie selbst das nicht mehr erleben, aber sie würden zumindest einen weiteren Schritt in diese Richtung gehen – für ihre Kinder und Kindeskinder.

Auf der Bank plauderten Dheran und das Mädchen angeregt mit einander und schienen sich dabei immer besser zu verstehen.

Linara bekam mit, wie das Mädchen die Narbe auf der Wange des Andorianers mit dem Zeigefinger berührte und neugierig fragte: „Tut das weh?“

„Nein, die Narbe ist schon einige Jahre alt. Sie erinnert mich an eine junge Frau, die ich einmal kannte. Sie war Bajoranerin.“

Das Mädchen blickte an ihm vorbei und fragte dann: „So, wie die Frau dort drüben?“

Dheran blickte über seine linke Schulter und erkannte Linara Enari und Sorek, die auf ihn zu kamen. Er wandte sich wieder an das Kind und antwortete: „Ja, sie und der Mann neben ihr sind meine Kollegen, auf die ich gewartet hatte. Möchten Sie, dass ich Sie mit ihnen bekannt mache, Mademoiselle Binoché?“

„Au ja!“ Bereitwillig ließ sich das Mädchen auf den Boden stellen und ganz selbstverständlich auf den Arm nehmen, nachdem der Andorianer sich erhoben hatte. Sie warteten, bis Linara und Sorek sie erreichten, und Dheran nahm sich Zeit die beiden Captains eingehend vorzustellen. Schließlich blickte Dheran das Mädchen an und Linara hätte schwören können, das sein Bedauern im Blick echt war.

„Tut mir leid, Mademoiselle Binoché, aber wir drei müssen nun los“, erklärte der Andorianer. „Den Präsidenten der Föderation lässt man nicht warten.“ Er zwinkerte dem Mädchen zu, das ihn verwundert ansah. Dann bevor er wusste, wie ihm geschah, beugte sich das Mädchen vor und gab ihm einen schnellen Kuss auf die Wange.

„Du darfst mich Claudine nennen“, erklärte sie und ließ sich absetzen.

Dheran kniete sich zu ihr hinunter und reichte ihr seine Hand. „Und du darfst mich Tar´Kyren nennen.“

Sie nickte, drückte seine Hand und lief dann hinüber zu ihrer Mutter. Dort angekommen drehte sie sich zu ihm um und winkte ihm zu.

Dheran winkte lächelnd zurück, bevor er sich zögernd abwandte und mit Linara und Sorek auf den Weg zum Regierungspalast machte. Während sie die Avenue des Champs-Élysées hinunter schritten blickte ihn Linara nachdenklich von der Seite an und meinte mit warmem Klang in der Stimme: „Sie stecken voller Überraschungen, Monsieur Dheran.“

 

* * *

 

Nach dem Besuch beim Föderationspräsidenten hatten Konteradmiral De Mornay am frühen Abend im Luxushotel San Regis, keine zweihundert Meter vom Regierungspalast entfernt, eingecheckt. Dieses bereits Mitte des 19. Jahrhunderts gebaute und seitdem ständig erweiterte und modernisierte Hotel, war ganz auf das Ambiente des ausgehenden 19. Jahrhunderts getrimmt. Das galt sowohl für die Einrichtung, als auch für den Service. Hier bekam man sogar noch über Nacht seine Schuhe geputzt, wenn man sie Abends vor seine Zimmertür stellte.

Nach einem opulenten Abendmahl hatte De Mornay noch mit den Captains in der Hotelbar gesessen und und einige humoristische Ereignisse aus ihrer Kadettenzeit zum Besten gegeben. Erst kurz vor Mitternacht hatte sie sich dann zurückgezogen, und auch Sorek hatte sich kurze Zeit später von Linara und Dheran verabschiedet, die sich durchaus in der Lage sahen, den angebrochenen Abend allein fortzuführen.

Während Linara einem sehr guten Frühlingswein zu sprach, den es hier zu ihrer Überraschung gab, hielt sich Dheran an Andorianisches Ale. Im Laufe des Abends war der Andorianer zusehends aufgetaut, was wahrscheinlich zu einem nicht unerheblichen Teil an seiner Begegnung mit dem kleinen Mädchen lag. Diese kleine Episode schien ihm sichtlich gut getan zu haben und Linara nutzte seine momentane Stimmung, um etwas mehr über diesen charismatischen Mann zu erfahren.

Auch sie selbst erzählte während der nächsten Stunden einiges von sich, und als draußen bereits der Morgen zu grauen begann, hatten beide nicht nur einiges an Alkohol zu viel im Blut, sondern auch das Gefühl, sich mit einem guten Freund unterhalten zu haben.

Unsicher erhob sich Linara schließlich und gähnte dabei unterdrückt. „Kommen Sie, Monsieur Dheran, der Kellner will Feierabend machen.“

„Dabei hat der Abend gerade erst begonnen“, knurrte der Andorianer, erhob sich aber ebenfalls, wobei seine Antennen sich fortwährend in die verschiedensten Richtungen bewegten. „Na gut, vielleicht sollten wir wirklich noch etwas schlafen, bevor wir nachher nach San Francisco aufbrechen.“

„Sie sagen es“, lachte Linara und hakte sich auf dem Weg zum Lift bei Dheran unter, wobei sie ihn immer wieder etwas zur Seite zog, bis Dheran amüsiert meinte: „Madame Linara, Sie haben zwar nur Wein getrunken, aber Sie sind voll wie tausend Mann.“

„Stimmt gar nicht“, beschwerte sich die Bajoranerin sofort und straffte sich.

Sie fuhren im Lift nach oben, in den siebenten Stock. Als sie ausstiegen, blieb Linara stehen und hielt Dheran am Arm zurück. Einen Moment lang blickte sie fasziniert an den Schuhen entlang, die fein säuberlich aufgereiht vor den Zimmertüren standen. Ohne ein Wort der Erklärung machte sie sich daran, die Schuhe auf der linken Seite des Ganges einzusammeln und warf dem Andorianer nach dem vierten Paar einen auffordernden Blick zu es ihr nach zu tun.

Es dauerte einen langen Moment, bis Dheran, der erschüttert war Linara dabei zu sehen, wie sie bündelweise Schuhe klaute, begriff, was die Bajoranerin vorhatte und ihrem Beispiel folgte.

Die Arme beladen mit Schuhen stiegen sie schließlich in den Aufzug und Dheran wählte die zweite Etage an. Dort verteilten sie die Schuhe aus dem siebenten Stock und sammelten dafür die Schuhe ein, die in dieser Etage vor den Türen standen, wobei sie peinlich darum bemüht waren, zarte Damenschuhe dorthin zu stellen, wo zuvor derbe Männerschuhe gestanden hatten. Mit einer neuen Schuhladung fuhren sie hinauf in den obersten, achten Stock. Von dort hinunter in den Vierten; herauf in den sechsten, hinunter in den ersten, und wieder hinauf in den dritten Stock. Danach fuhren sie noch eine ganze Weile, jedes Mal beladen mit Schuhen, von Stockwerk zu Stockwerk, wobei Dheran den Eindruck gewann, dass sie so manches Paar Schuhe mehrfach transportierten.

Müde, aber sichtlich zufrieden mit ihrem Werk, verabschiedeten sich Linara und Dheran schließlich vor ihren Zimmern um wenigstens noch etwas Schlaf, bis zum Frühstück zu bekommen.

 

* * *

 

Als Tar´Kyren Dheran nach einem kurzen, unruhigen Schlaf erwachte, glich das Hotel einem Bienenstock. Hastig duschte er, kleidete sich an und machte sich dann auf den Weg zum Aufzug.

Draußen auf dem Gang kam ihm, als erstes, eine verzweifelt dreinschauende Trill entgegen, nur mit einem Schuh an ihren Füßen und einem derben Männerstiefel in der Hand, der ihr sicherlich fünf Nummern zu groß gewesen wäre. Auch andere Gäste aller Volkszugehörigkeiten liefen laut gestikulierend im Gang auf und ab, und machten dabei ihrem Unmut Luft. Ein erboster junger Trill rief in Dherans Richtung: „Wenn ich bloß wüsste, wer für dieses Chaos verantwortlich ist. Der könnte etwas erleben...“

„Solche Typen sollte man aufhängen!“ rief der Andorianer zustimmend zurück und ging mit etwas schlechtem Gewissen in Richtung Lift davon. Auf dem Weg nach unten, zum Frühstücksbuffet, stellte er fest, dass die auf den Gängen und im Treppenhaus stattfindende Umtauschaktion jedem arabischen Basar zur Ehre erreicht hätte.

Obwohl er, als Einziger richtig beschuht, eigentlich Aufmerksamkeit hätte erregen müssen, erreichte er unangefochten den Frühstücksraum.

Mit einer großen Tasse starken Kaffee und einem Teller voll Sandwiches steuerte er schließlich den Tisch an, wo sich bereits Captain Sorek und Linara Enari niedergelassen hatten. Mit einem ungewohnt leisen Guten Morgen setzte er sich zu seinen Kameraden und stellte Teller und Tasse auf den Tisch.

Lustlos rührte Linara Enari in ihrem Kaffee herum und beobachtete Sorek, der mit dem Löffel sein Ei bearbeitete. Einen Moment später blickte sie den Halbvulkanier an und erkundigte sich aufgebracht: „Könnten Sie vielleicht mit diesem infernalischen Gehämmer aufhören?“

Unbeeindruckt erwiderte Sorek ihren Blick, nicht ohne noch zwei weitere Male mit dem Löffel auf das Ei zu schlagen.

Dheran der herzhaft zulangte blickte kauend auf die einsame Sandwichscheibe die auf dem Teller der Bajoranerin lag und fragte schließlich mitfühlend: „Haben Sie keinen Appetit?“

Die Bajoranerin blickte fassungslos auf Dherans Teller und meinte dann, schlecht gelaunt, zu Sorek: „Dieser Kerl kann saufen, wie ein Ketzer und hat am nächsten Tag nicht mal Kopfweh.“

„Brauchen Sie einen Arzt?“ fragte Sorek harmlos und erntete dafür einen vernichtenden Blick der Frau.

„Vielen Dank auch für das allgemeine Mitgefühl.“

Dheran und Sorek blickten sich an, und für einen Moment gewann der Andorianer den Eindruck, als würde sich der Halbvulkanier königlich amüsieren.

Kurze Zeit später tauchte Konteradmiral De Mornay an ihrem Tisch auf wünschte einen guten Morgen und setzte sich zu ihnen. Nachdem sie einen Schluck von ihrem Kaffee genommen hatte, blickte sie in die Runde und fragte neugierig: „Haben Sie drei das Tohuwabohu auf den Gängen mitbekommen?“

Sorek bestätigte, während Linara und Dheran lediglich, höchst unbeteiligt, nickten.

De Mornay schmunzelte unmerklich und sagte in Richtung der Bajoranerin und des Andorianers: „Wissen Sie, da sind drei Captains der 5. Taktischen Flotte mal ausnahmsweise in dieser Stadt, in einem vornehmen Hotel – und dann passiert so was.“

Dabei beließ es Konteradmiral De Mornay, doch die ertappten Mienen von Dheran und Linara entgingen ihr keineswegs. Dabei musste sie selbst aufpassen, dass sie sich kein Schmunzeln erlaubte.

Nach dem Frühstück wurden sie von einem Shuttle abgeholt dass sie in Richtung San Francisco zur Akademie flog. Da sie dabei nach Westen flogen, kamen sie, örtlich gesehen, am frühen Morgen an der amerikanischen Westküste an, so dass den drei Captains noch Zeit zur Erholung blieb.

Als sie schließlich, gegen 8.30 Uhr Ortszeit über die breiten Wege des großzügig begrünten Campusgeländes schritten, fühlte sich auch Linara Enari wieder einigermaßen fit für das, was in etwa einer halben Stunde auf sie zu kam.



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