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FalloutChristie

Kein Fallout bekommt dich klein, denn du bist eine Kämpferin
von

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Nach einem dennoch recht eisigen letzten Abend und Rückflug bin ich mehr als froh am nächsten Tag in mein eigenes Bett zu fallen. Eine Woche lang jemanden aus dem Weg zu gehen, macht einen echt fertig, wenn man sich ein Zimmer teilt. Ich nehme mir mein Laptop und beschließe, den Tag nichts anderes zu tun, als die verpassten Videos der letzten Tage von Tom, Emma und Joshua zu gucken. Es gibt ein paar Videos über das Treffen, mit denen ich anfange. Noch immer bin ich von der Menge der Menschen überwältigt, die dort waren. Auf dem Bildschirm sieht es sogar noch nach viel mehr aus. Nachdem ich alle Videos durch habe, öffne ich Facebook. Direkt als erstes fällt mein Blick auf den Beitrag ganz oben von Julia, die mich darin sogar markiert hat. London mit den Besten. Trotz einem schlechten Start hatte ich dennoch viel Spaß ist die Überschrift ihres Fotoalbums. Eigentlich sagt es nicht wirklich etwas aus, aber es kränkt mich. Für mich ist es ihre Art mir zu zeigen, dass ich ihr fast die Reise verdorben hätte. Ich muss mit den Tränen kämpfen. So viel zum Vertragen. Emma hatte ein neues Video angekündigt, dass jeden Moment online kommen müsste. Gespannt aktualisiere ich meine Abonnements auf YouTube. Okay, heute bin ich wohl wirklich etwas seltsam. Sonst warte ich nicht wie gebannt vor dem Bildschirm, dass die Verlinkung auftaucht.
 

"Tipps für neue YouTuber", lese ich, als ich auf den Link klicke. Direkt tönt Emmas fröhlicher Ton durch die Lautsprecher meines Laptops. Ihre Laune ist immer ansteckend und hilft gegen fast jede schlechte Laune. Für einen Moment kann ich Julia und ihr Theater ausblenden. Als das Video zu Ende ist, bin ich entschlossener denn je. Ich möchte meinen eigenen Kanal machen. Schon seit Jahren folge ich diversen Kanälen und spiele mit dem Gedanken, selber Videos hochzuladen. Doch bisher habe ich mich nicht getraut. Nur warum nicht? Vermutlich sagst du mir als nächstes, dass du dich selber auch online zum Deppen machst. Ich versuche, die Gedanken an Julia zu verdrängen und suche mein Handy. Die Videoqualität reicht hoffentlich für den Anfang. Jeder hat mal klein angefangen. Tom hat sein erstes Video mit einer Webcam gefilmt, sodass er nur sehr unscharf ist, da bin ich mit meinem Handy schon besser dabei. Nur worüber soll ich das Video machen? Mich verlässt der Mut wieder. Vielleicht will mich ja auch niemand sehen. Wenn ich es nicht versuche, finde ich es nie heraus. Manch einer ist damit bekannt geworden, dass er zeigt, was in seiner Tasche ist oder was auf seinem Schreibtisch liegt. So etwas bekomme ich ja wohl auch noch hin. Und Julia muss ich davon ja nichts sagen, sollten wir noch miteinander reden. Sie interessiert sich ja eh nicht für YouTube. Dann wohl auch nicht für meine zukünftigen Videos. Ein Blick auf die Uhr verrät mir, dass ich mir darüber morgen immer noch Gedanken machen kann. Sofern ich dann immer noch denke, dass ich Videos machen möchte. Und tatsächlich ist mein erster Gedanke, dass ich ein generelles Video machen könnte, um mich vorzustellen, in dem ich sage, was ich mit meinem Kanal vorhabe. Aber was habe ich mit meinem Kanal vor?
 

Von unten dringen Geräusche, die mir verraten, dass meine Eltern bereits wach sind. Widerwillig steige ich aus meinem Bett. Würde meine Blase nicht nach Erleichterung schreien, würde ich den Tag ebenfalls im Bett verbringen. Der Gedanke meinen Kanal zu planen, macht meine Laune jedoch etwas besser. Unten empfängt mich meine Mutter bereits fröhlich, als ich aus dem Bad komme.
 

"Du hast gar nicht erzählt, wie London war", sagt sie. "Ist etwas passiert?"
 

Normalerweise erzähle ich meinen Eltern, wenn ich mich mit jemandem gestritten habe oder mich etwas besonders beschäftigt. Gerade habe ich jedoch das Gefühl, dass dies nicht angebracht ist. Vor allem, weil ich fürchte, dass sie sich auf Julias Seite schlagen könnten, wenn es um YouTube geht. Wann immer ich meiner Mutter bisher von Tom erzählt habe und wie interessant ich es finde, dass Leute mit Videos im Internet sogar so viel Geld machen können, um damit ihr Leben zu bestreiten. Dann höre ich von ihr immer nur, dass es illusorisch ist und diese Leute gar nichts gelernt haben. In ein paar Jahren spätestens würden sie auf die Nase fallen damit. Immer muss es hier darum gehen, was in zwanzig Jahren ist und nicht in einem. Das ist echt deprimierend. Und wenn ich dann meinem Vater davon ausnahmsweise mal etwas erzähle, bekomme ich immer das Gefühl, dass er direkt an Pornos denkt.
 

Ich hole mir eine Schüssel aus dem Küchenschrank und überlege, was ich Mama erzählen soll, während ich mir Cornflakes hineinkippe.
 

"Du musst neue Milch aufmachen", sagt meine Mutter mir, als ich nach einer offenen Tüte im Kühlschrank suche. Also hole ich eine volle Tüte aus dem Schrank und hoffe, beim Öffnen nicht schon den halben Inhalt zu verschütten. "Nun erzähl schon, du bist doch sonst nicht so ruhig."
 

"Es war ganz interessant, die Stadt mal genauer zu sehen", sage ich. Keine Ahnung, wie ich das Thema Julia umgehen soll, also erzähle ich meiner Mutter eine kurze Version davon. Meine Mutter sieht mich schweigend an. Als ich fertig bin, beginne ich meine Cornflakes zu essen. Sie sollten nun immerhin schön weich sein. Eigentlich will ich von Mama gar nichts zu dem Theater hören.
 

"Also war der ganze Trip raus geschmissenes Geld?", fragt sie schließlich. Ja, irgendwie schon.
 

"Nein, London ist eine wirklich schöne Stadt", sage ich. "Irgendwann möchte ich wieder hin."
 

"Wie wäre denn ein Auslandssemester in England, wenn du studierst?", schlägt meine Mutter vor.
 

"Mal sehen", erwidere ich. Auch auf das Thema habe ich gerade keine Lust.
 

"Mal sehen?", mischt mein Vater sich ein und hat nicht einmal eine Begrüßung über, als er das Esszimmer betritt. Geradewegs setzt er sich an den Esstisch, wo er sich die Zeitung greift und eine Zigarette anzündet. Immerhin habe ich so einen Grund mehr, mich mit dem Essen zu beeilen und wieder in mein Zimmer zu gehen. Wie gerne würde ich ausziehen. Vor einer Weile haben Julia und ich noch überlegt, ob wir eine Wohngemeinschaft machen wollen. Das ist ja wohl jetzt auch Geschichte. Nun scheitert es nicht nur am fehlenden Geld. In meinem Zimmer seufze ich laut, als ich die Tür hinter mir geschlossen habe. Erst mal Ideen für meinen YouTube Kanal sammeln, sage ich mir. Das wird mich ablenken. Nur wo soll ich bloß anfangen? Das Design muss stimmen, aber auch der Inhalt. Es dauert nicht lange, da habe ich ein paar Blätter Papier vor mir liegen und sammle Ideen zu den verschiedenen Bereichen. Zwar sammele ich gerade alle Arten von Videos, die mir einfallen, aber immerhin kann ich hinterher immer noch überlegen, was ich machen möchte und was nicht. Ich kann ja auch ein bisschen rumprobieren. Mit jedem neuen Punkt auf meiner Liste bessert sich meine Laune. Die Idee, einen Kanal aufzubauen, gefällt mir immer mehr. Zunächst fallen mir nur die gängigen Tags ein oder Beautyvideos, aber eigentlich sind diese nicht so mein Ding. Tags sind ganz lustig anzusehen, aber meist eher, wenn zwei Leute im Video sind. Und Beautygedöns ist nicht so meins. Mein Blick wandert unwillkürlich zu dem kleinen Schminkspiegel auf meinem Schreibtisch. Die dunklen Augenringe lassen mich aussehen, als wäre ich mehr tot als lebendig. Wäre vielleicht doch nicht so verkehrt, mal ein bisschen Make-up zu benutzen. Es muss ja nicht direkt so viel sein, wie Julia mir ins Gesicht geschmiert hat. Gegen ein Glätteisen habe ich mich mit meinen dicken Pferdehaaren auch lange gewehrt, bis ich seinen Wert zu schätzen gelernt habe. So oft, wie ich mir irgendwelche Make-up Tutoriale ansehe, sollte jawohl auch das eine oder andere hängen geblieben sein. Es müssen ja nicht gleich eigene Videos darüber sein, aber vorzeigbar sollte ich von meinem ersten Video an sein, wenn ich nicht will, dass Leute mich für einen Zombie halten. Andererseits wäre ein vloggender Zombie doch mal etwas ausgefallenes.
 

Ich beginne eine neue Liste, die ich damit bezeichne, was ich noch vorbereiten oder besorgen muss, bevor ich mit dem filmen anfange und schreibe ganz oben Make-up kaufen auf. Gut, dass ich direkt verschiedene Listen gemacht habe, sonst hätte ich vermutlich bereits den Überblick verloren. Es fällt mir immer schwerer, mich darauf zu konzentrieren, weil es mir in den Fingern juckt, direkt los zu filmen. Aber dafür muss ich erst einmal eine wichtige Entscheidung treffen: deutsche oder englische Videos? Ich gucke selber nur englischsprachige YouTuber und fühle mich immer seltsam, wenn ich deutsch höre. Nach all dem Englischunterricht in der Schule, führe ich sogar auf Englisch Selbstgespräche. Die Wahrscheinlichkeit, jemanden zu finden, der meine Videos mag, wäre damit wohl auch größer, weil ein Großteil der Welt englisch spricht. Aber deutsch wäre einfacher, weil mir oft die Vokabeln für manche Dinge fehlen. Wieso ist das alles so schwierig?
 

Weil ich also noch nicht genug Listen habe, beginne ich zusätzlich eine mit den verschiedenen Gründen, die für die Sprachen sprechen. Der wichtigste Punkt und zugleich das größte Hirngespinst ist, dass Tom meine Videos verstehen würde, wenn er sie je sehen würde. Aber wie albern war es, so zu denken? Die Wahrscheinlichkeit bei all den Videos, dass er gerade auf meine stößt, falls er selber überhaupt andere YouTuber sieht als seine Freunde, ist verschwindend gering. Es ist absurd, darüber überhaupt nachzudenken. Es gibt nicht einmal eine Garantie, dass überhaupt irgendwer meine Videos gucken wird.
 

"Oh man", seufze ich und lehne mich in meinem Stuhl zurück. Es ist Zeit für eine Pause, sagt mein Hirn und meine Hände strecken sich nach meinem Laptop aus. Ich rufe Twitter auf und schreibe kurz und knapp, dass ich überlege, Videos zu machen. Zwar habe ich nicht viele Follower, aber irgendwo muss ich es loswerden. Dann gehe ich, obwohl ich weiß, dass ich es besser nicht tun sollte, auf Facebook. Noch immer ist Julias Post ganz oben. Ein paar ehemalige Mitschüler haben es kommentiert und fragen, was passiert sei. Andere stimmen zu, dass sie ebenfalls viel Spaß hatten. Noch hat Julia nicht geantwortet, aber das hat nichts zu heißen. Vielleicht sollte ich die Seite erst mal meiden. Meiner Laune tut sie sowieso nicht gut. Also suche ich stattdessen auf YouTube nach Videos darüber, wie man einen Kanal am besten aufbaut und wie man gut startet. Für die Schule lernen fand ich nur lästig, aber jetzt macht es Spaß. Immerhin weiß ich, wofür ich es tue.



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