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Ach wie gut, dass niemand weiß...

Bäumchen-Wechsel-Dich auf Ägyptisch
von

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1.

„Das hast du nicht wirklich getan!“ Beinahe hysterisch kicherte Aya, als ihre Schwester triumphierend den Bronzekelch in ihrer linken Hand schwenkte. Mit gespielter Empörung stemmte Reem eine Faust in ihre schmalen Hüften. „Willst du etwa behaupten, dass ich lüge? Dann probier doch selbst, wenn du mir nicht glaubst!“ Sie reichte das goldgelbe Getränk an ihren Zwilling weiter. Vorsichtig nippte Aya an der Flüssigkeit. Ihre dunklen Augen blitzten anerkennend. „Du hast wirklich den Messewein aus dem Tempel geklaut!“

Reem warf sich neben ihr auf das Bett. „Ich habe es dir doch gesagt!“, frohlockte sie. Mit einer ungeduldigen Geste forderte sie den Kelch zurück. „Jetzt gib schon wieder her – ich habe noch gar nichts getrunken!“

Ihre Schwester verdrehte die Augen: „Jaja, ist ja schon gut! Nur nicht so gierig!“ Sie lachte leise. „Wenn Hajar uns sehen könnte…“ Stocksteif richtete sie sich auf und verlieh ihrer Stimme einen affektierten Ton: „Das gebührt sich nicht für junge Damen. Meine ehrwürdigen und ach so hochwohlgeborenen Gebieterinnen, wir wollen doch nicht unsere guten Manieren vergessen!“

Reem brach in lautes Gelächter aus. Erschrocken presste sie beide Hände auf ihren Mund. Alarmiert lauschten die beiden Mädchen und warteten. Hoffentlich hatte sie niemand gehört!

Nach einem kurzen Moment des Schweigens brach Reem wieder die Stille. „Es tut mir Leid“,flüsterte sie. „Aber du kannst die alte Hexe wirklich zu gut imitieren!“

Ein roter Schimmer hatte sich auf Ayas Wangen ausgebreitet. Schwer war es abzuschätzen, ob der Alkohol dem Mädchen jetzt schon zu Kopf gestiegen war oder ob es das Kompliment ihrer Schwester war, das sie erröten ließ. „Danke.“ Noch einmal nahm sie einen tiefen Schluck aus dem Kelch. Ihre Schwester musterte sie argwöhnisch. „Übertreib es nicht, Aya.“ Die Ältere der beiden winkte ab. „Ach was – ich weiß, was ich…“

 

TOCK, TOCK! Ein energisches Klopfen ließ die jungen Fürstentöchter aufschrecken. Panisch sahen Aya und Reem sich an. „Wer…?“, hauchte Reem lautlos. Aya räusperte sich. „Wer ist da?“, rief sie.

Dumpf erklang die Stimme jenseits der schweren Holztür. „Hajar, meine Herrin. Darf ich hereinkommen?“

„Verdammt!“, fluchte Reem leise. Sofort entriss sie ihrer Schwester den Kelch. „Ähm…“, stotterte Aya. „Ei…Einen Moment. Ich muss mich erst… Ich muss mir erst etwas Angemessenes überziehen.“ Reem rollte mit den Augen. „Eine blödere Ausrede ist dir auch nicht eingefallen, oder?“, zischte sie. Dann goss sie die restliche Flüssigkeit in die kleine Zierpalme, die neben dem Fenster stand. Den leeren Becher rollte sie unter ihr Bett. Schwungvoll ließ sie sich dann bäuchlings darauf nieder und angelte nach der Papyrusrolle, die neben ihr auf dem Boden lag.

Spöttisch beobachtete Aya sie. „Als wenn sie dir abnehmen würde, dass du um diese Uhrzeit noch lernst…“, stichelte sie spitz. Dann wandte sie sich wieder dem ungebetenen Gast zu. „Du kannst hereinkommen, Hajar.“

 

Die Tür öffnete sich und eine ältere Frau mit dickem schwarzen Haar und tief eingegrabenen Falten um die Mundwinkel trat ein. Sie machte eine minimalistische Verbeugung. „Meine Gebieterinnen, Stolz des hohen Hauses, ich grüße Euch…“, leierte sie die Anrede für die beiden Adligen mehr lustlos als wirklich überzeugt herunter.

Noch während sie die Mädchen begrüßte, wanderten ihre Augen schon prüfend im Zimmer, das sich Aya und Reem teilten, umher. Kein Fehltritt, der der alten Zofe verborgen blieb – und alles, was sie sah, gab sie immer sofort an den Fürsten, den Vater der Zwillinge weiter.

Gespannt hielten diese die Luft an. Ob Hajar wohl den Geruch von süßlichen Alkohol, der immer noch in der Luft lag, bemerkt hatte?

Mit zwei schnellen Schritten war Hajar am Fenster und zog die Vorhänge energisch zu. „Ihr solltet die Vorhänge am Abend geschlossen halten, Herrinnen. Die widerwärtigen Gerüche der Straße ziehen sonst in Eurer Schlafgemach nach oben und stören Euren Schlaf.“

„Das wäre natürlich ungeheuerlich.“, stimmte Reem ihr mit Grabesstimme zu. Sofort biss Aya sich auf die Lippen, um nicht auf der Stelle laut loszulachen.

 

Hajar überging den unüberhörbar ironischen Kommentar ihres Schützlings geflissentlich und wandte sich Aya zu. „Der Herr Ahoshta – lang möge er leben – wünscht eure Anwesenheit in seinen Gemächern.“

Erstaunt legte die Schwarzhaarige eine Hand auf ihre Schlüsselbeine. „Vater will mich sehen? Aber… aber warum denn?“

Die Falten um den Mund der Bediensteten gruben sich tiefer in ihre Haut, als sie ihre Lippen zu einem freudlosen Lächeln verzog. „Ich habe einzig und allein die Aufgabe, Euch zu ihm zu geleiten. Mehr kann ich Euch nicht sagen, Herrin.“

„Jetzt?“, fragte Aya weiter. Hajar nickte. Wie als hätte sie auf dieses Stichwort gewartet, richtete sie sich wieder zu ihrer vollen Größe auf und strich imaginäre Flusen von ihrem Gewand.

Mit einer bemüht würdevollen Geste wies sie zur Tür. „Wenn Ihr mich nun bitte begleiten würdet?“

Perplex erhob Aya sich. Nach einem letzten hilflosen Blick zu Reem, die nicht minder erstaunt über das Anliegen der alten Zofe war, verließ sie ihr gemeinsames Zimmer.

Mit durchgedrücktem Kreuz folgte Hajar ihr. In der Tür verharrte die Nubierin kurz. Sie lächelte überheblich, als sie sich noch einmal zu der jüngeren Zwillingstochter des Fürsten drehte. „Im Übrigen lässt die Priesterin Emheteph fragen, wann sie denn ihren Kelch wieder abholen dürfe. Sie benötigt ihn für die morgige Zeremonie zu Ehren der Hathor.“

 

Noch bevor Reem irgendetwas zu ihrer Verteidigung anbringen konnte, schwebte Hajar beinahe mit selbstgerechtem Grinsen aus dem Raum. Die (zu Recht) Verfemte warf ihr einen bitterbösen Blick hinterher. „Dumme Kuh!“, schimpfte sie leise.

Dann warf sie einen Blick auf die Papyrusrolle, die sie sich zur Tarnung geangelt hatte und errötete: Sie hatte es wirklich geschafft, sie kopfüber auf ihrem Kissen zu drapieren. Kein Wunder, dass die Hexe da argwöhnisch geworden ist, dachte Reem verbittert. Sie zog die Decke über den Kopf. Dabei hatte der Abend doch so schön angefangen!

 

 

 

 

Eine halbe Stunde später

 

Reem war unter ihrer seidenen Bettdecke schon im angenehmen Dämmerschlaf versunken, als die Tür zu ihrem Schlafzimmer erst aufgerissen wurde und dann mit einem ohrenbetäubenden Knallen zuflog. Verärgert schlug sie die Decke zurück und setzte sich auf die Bettkante. Wütend funkelte sie in Richtung des Bettes ihrer Schwester. „Sag mal, kannst du nicht ein bisschen Rücksicht…“ Der Satz blieb ihr im Hals stecken: Aya hatte sich der Länge nach auf ihr Bett geworfen, ihr Gesicht in den reich verzierten Kissen vergraben und schluchzte hemmungslos. Mit einem Satz war ihr Zwilling bei ihr und streichelte ihr über die glänzend-braunen Haare. „Schhht…“, versuchte Reem ihre große Schwester zu beruhigen. „Was ist denn los, Habibi (Liebling auf Arabisch)?“

Aya hob ihr tränennasses. Der kholfarbene Kajal, mit dem die Fürstentochter neuerdings ihre Augen umrandete, war vollkommen verschmiert und ließ sie noch elender aussehen als sie es ohnehin schon war. „Er…Er will…“ Immer wieder wurden ihre Worte von Schluchzern unterbrochen.

Sie legte ihren Kopf in den Schoß ihrer Schwester und weinte hemmungslos. Reem ließ sie gewähren und fuhr mit den Fingern unablässig durch ihre Haare.

 

Schließlich hatte Aya sich wieder gefangen. Vorsichtig rappelte die zierliche Libyerin sich auf und fuhr mit den Handballen über ihre geröteten Augen. Dann räusperte sie sich. „Er will mich verheiraten.“, sagte sie mit tonloser Stimme. Ihr Blick schien durch ihre Schwester hinzuzugehen, als sie weitersprach. „Er will mich um des Friedens und der Politik willen an den Sohn eines ägyptischen Herrschers verheiraten.“ Sie kämpfte mit den Tränen. Mitfühlend nahm Reem ihre Hand und streichelte mit ihren langen Fingern darüber „Oh, Aya!“

Mit einer raschen Bewegung entzog die Ältere sich ihrer Berührung, stand auf und stellte sich an das Fenster neben ihrem Bett. „In zwei Wochen soll ich die Reise nach Theben antreten.“ Sie richtete ihre dunklen Augen auf ihre jüngere Schwester. „Du allerdings sollst schon morgen abreisen. Er will, dass du im Palast hilfst, die Hochzeit vorzubereiten.“ Eine einsame Träne lief ihr über die Wange. „Ich werde meinen Mann erst am Tag meiner Hochzeit kennenlernen! Weißt du eigentlich, wie demütigend das ist?“ Außer sich vor Verzweiflung schlug sie die Hände vors Gesicht. „Ich komme mir vor wie ein verkauftes Stück Vieh!“

Wieder fing sie an zu schluchzen.

Katzenhaft erhob sich nun auch Reem vom Bett und umschloss die Handgelenke ihrer Schwester mit festem Griff. „Schht… Es wird alles wieder…“ Sie brach ab. Es wird alles wieder gut, wollte sie sagen. Doch wie konnte sie das sagen?

Aya wusste genauso gut wie sie, dass die beiden als Mädchen machtlos gegen die politischen Machenschaften ihres Vaters waren. Und hatten sie nicht immer geahnt, dass es irgendwann soweit kommen würde?

 

Oft genug hatte Ahoshta seinen Unmut und seine Enttäuschung darüber geäußert, dass seine Frau Lasaraleen nur zwei Mädchen zur Welt gebracht hatte, ehe sie kurz nach der Geburt ihrer Zwillinge verstarb. Zwei Mädchen und kein Jungen, der irgendwann die Herrschaft über sein Reich erben und eine neue Ära schaffen würde.

Das Einzige, was er noch tun konnte, um sein Reich zu sichern, war nunmehr seine Töchter möglichst „gut“ zu verheiraten – das war es, was man Aya und Reem von Kindesbeinen auf, immer wieder, eingetrichtert hatte.

Dass sie ihr Land eines Tages stolz machen würden, wenn sie einen mächtigen Prinzen oder einen einflussreichen Fürstensohn heirateten. Doch für die Zwillinge war es nie mehr als das geschwollene Geschwätz der Minister und Lakaien ihres Vaters. Nie hatten sie einen Gedanken daran verschwendet, wann der Zeitpunkt kommen würde, an dem sie „ihr Land stolz machen würden“.
 

Reem legte ihre Stirn an die von Aya und ergriff wieder ihre Hände. Eine Weile standen die beiden Schwestern so da. Keine von ihnen verlor ein Wort, manchmal sagten Gesten so viel mehr als jedes Wort es konnte. Schließlich brach Aya die Stille. „Wenn ich…“, begann sie zögerlich. „Wenn ich ihn wenigstens zuvor kennenlernen könnte.“ Sie machte einen Schritt zurück, um Reem in die Augen sehen zu können. „Reem, ich will doch nur wissen, wie er ist, bevor ich ihn heiraten muss! Ich… Ich weiß doch noch nicht einmal, wie er aussieht!“ Während ihrer letzten Worte hatte sich die Stimme der Fürstentochter in beinahe hysterische Höhen geschraubt. Wieder brach das Schluchzen beinahe explosionsartig aus ihr heraus und das Mädchen sank wieder auf ihr Bett.

Fieberhaft dachte ihre jüngere Schwester nach. Dann legte ein seltsam überlegener Gesichtsausdruck sich über die scharfen Züge Reems. „Aya…?“ „Hm?“ Ein wenig zerstreut schaute Aya sie an. „Aya, jetzt, wo du verlobt bist… Musst du dann hier in der Residenz nicht ohnehin einen Schleier tragen?“ Die Angesprochene nickte. Reem fuhr fort. „Und muss ich mich für die Reise nicht gemäß der Traditionen nicht auch verschleiern?“ „Worauf willst du hinaus?“, platzte es ungeduldig aus Aya hinaus.

Ein kleines Lächeln entstand auf Reems Lippen. Ein winziges Lächeln, was sich schon bald über ihr ganzes Gesicht ausbreitete. Solange, bis Reem, ein triumphierendes Grinsen im Gesicht, ihre Zwillingschwester, die ihr bis aufs Haar glich, anstrahlte. Liebevoll strich sie ihr über das Haar. „Du wirst deinen Pharaonensohn noch vor der Hochzeit sehen, Aya. Das verspreche ich dir! Und wie ich dir das verspreche!“

Zwei Wochen später

 

 

Erschöpft sank Aya in die seidenen Laken des Gästezimmers, in welches die zierliche, schwarzhaarige  Frau sie geführt hatte. „Mein Gott, ich spüre Knochen, von denen ich nicht einmal wusste, dass ich sie habe…“, stöhnte das Mädchen und massierte sich sanft die Füße.

Niemand antwortete ihr. Wie sollte es auch anders sein? Sie war hier ganz alleine in diesem Zimmer, ebenso wie sie die zwei­­­wöchige Reise nach Theben ganz alleine angetreten hatte.

Nun gut, was heißt hier alleine: Vier Zofen und drei Soldaten ihres Vaters hatten sie auf dem langen Ritt durch die Wüstenlandschaft begleitet. Sie hatten ihr Gesellschaft geleistet; ihr zugehört, wenn sie Anekdoten aus dem Palast erzählt hatte und ihr Antworten gegeben, auf alle Fragen, die ihr auf der langen Reise in den Sinn gekommen waren.

Trotzdem war es einfach nicht dasselbe: Keine Reem war an ihrer Seite gewesen, die sie immer wieder zu kleinen Wettrennen anstiftete. Keine Hajar war ihr auf ihrem schwermütigen Kamel hinterhergejagt, ihr immer wieder Ermahnungen und Ratschläge ins Ohr schreiend, wenn sie denn mal wieder zu Atem kann.

Eine einsame Träne rann über ihre Wange hinunter bis zu ihrem Kinn und tropfte von dort auf die Laken. Mit einem dicken Kloß im Hals betrachtete Aya den dunklen Fleck, der sich dort ausbreitete.

Regungslos lag sie so für einige Zeit auf dem Bett, bis ein Klopfen sie aus ihrer Melancholie riss. „Hallo?“ Eine weibliche Stimme machte sich auf der anderen Seite der Tür bemerkbar. Sie klang noch jung, nicht so melodisch wie die Stimme der schwarzhaarigen Priesterin – ja, beinahe klang diese Stimme kindlich. „Darf ich reinkommen?“

Neugierig rappelte Aya sich auf. „Ähm…Ja…Klar doch!“, antwortete sie dann schließlich, immer noch ein wenig verwirrt.

Die Klinke drückte sich nach unten und ein braunhaariges Mädchen schob sich durch den Spalt zwischen Tür und Angel.

Auf ihren beiden Händen balancierte sie ein hölzernes Tablett: Ein Krug voll Milch sowie einige Fladen Emmerbrot waren darauf angerichtet. Die Brote dampften noch; die Braunhaarige musste sie gerade erst aus der Küche geholt haben. Ein würziger Duft stieg der Libyerin in die Nase und ihr Magen begann, sich geräuschvoll Gehör zu verschaffen. Reflexartig legte Aya eine Hand auf ihren knurrenden Bauch. Erst jetzt wurde ihr richtig bewusst, dass sie den ganzen Tag noch nichts Richtiges gegessen hatte.

Ihre Besucherin strahlte sie einladend an: „Ich habe mir schon gedacht, dass du wahrscheinlich wahnsinnig hungrig nach der langen Reise bist.“ Sie stellte das Tablett auf den kleinen Tisch am Fenster ab. Dann zog sie den Stuhl vor und ließ sich lässig darauf niederfallen. „Ich bin übrigens Mana. Du musst Reem sein, die Schwester von Atemus Verlobten, nicht wahr?“ Sie musterte Aya mit unverhohlener Neugier. „Ich habe gehört, dass ihr Zwillinge seid. Seht ihr denn wirklich genau gleich aus? Ich habe ja ein Portrait von deiner Schwester gesehen. Darauf sieht sie ganz genau so aus, wie du gerade!“

Mit offenem Mund hatte Aya den Wortschwall ihrer Besucherin verfolgt. Bei den Göttern, dachte die Fürstentochter beeindruckt. Noch nie habe ich einen Menschen so viel auf einmal reden hören!

Doch auch Mana war der geplättete Gesichtsausdruck ihres Gegenübers nicht entgangen: Beschämt schlug die junge Ägypterin eine Hand vor den Mund. „Bei den Flügeln des Ra, ich habe wieder zu viel geredet, nicht wahr? Es tut mir Leid, wenn ich dich so überrumpelt habe. Weißt du, jeder sagt: ‚Mana, hüte deine Zunge!‘, aber es ist einfach so aufregend, dich hier zu haben!“ Sie zwinkerte Aya verschwörerisch zu. „Du musst mir einfach alles über deine Schwester erzählen. Er würde es zwar nie zugeben, aber du musst wissen: Atemu ist ganz schön nervös wegen ihrer Ankunft hier in Ägypten…“

Sie seufzte. „Aber vermutlich wäre ich das an seiner Stelle auch.“

Aya schluckte. „Ja, ich auch“, antwortete sie schließlich mit belegter Stimme. „Es muss ein seltsames Gefühl sein, seinen zukünftigen Ehepartner nie kennengelernt zu haben…“

 

Währenddessen irgendwo in der Wüste

 

Sand, Sand, Sand… Es war wahnsinnig frustrierend. Seit vier Tagen waren sie jetzt unterwegs und alles sah einfach nur noch gleich aus! „Mir scheint, dass wir uns seit Tagen nicht von der Stelle bewegt haben.“ Betont gelangweilt schaute Reem ihre Begleiter an. Gedehnt fügte sie hinzu: „Dieser Ort sieht genauso aus wie die Orte, an denen wir gestern vorbeigezogen sind.“

Eine junge Tänzerin, die ihr Vater Reem, pardon: Aya, als Brautgeleit mitgegeben hatte, kicherte nervös: „Das liegt daran, dass wir in der Wüste sind, meine Gebieterin! Diese Umgebung ist kein Ort für unseresgleichen: Sie vernebelt Eure Sinne!“

Wütend blitzte Reem die vorlaute Sklavin an: „Willst du damit behaupten, ich bin verwirrt?“ Erschrocken riss die Frau die Augen auf und senkte eilig ihren Kopf. „Ehrwürdigste! Ich… Nein... Ich bitte Euch!“

Bevor Reem jedoch zu einer Antwort ansetzen konnte, lenkte Hamza sein Pferd zwischen die beiden ungleichen Kontrahentinnen. „Aya! Es reicht!“ Streng schaute der alte Schriftgelehrte die Fürstentochter an. „So ein Verhalten bin ich von dir nun wirklich nicht gewohnt. Du benimmst dich wie deine Schwester in ihren übellaunigen Phasen!“

Jetzt war es an Reem, beschämt zu Boden zu schauen. Verdammt, dachte das Mädchen verbissen. Ich hätte es wissen müssen! Wenn jemand ihre Maskerade durchschauen konnte, dann Hamza: Der Mann mit dem ergrauten Spitzbart kannte Aya und Reem schon seit ihrer Geburt. Mit einer Engelsgeduld hatte er den beiden Fürstentöchtern immer wieder die antiken Göttersagen ihrer Heimat und aus der Ferne erzählt, bei ihm hatten die Mädchen lesen und schreiben gelernt – ein kostbares Gut in ihrer Gesellschaft, gerade als Frau. Reem erinnerte sich an die hitzigen Auseinandersetzungen zwischen ihrem Vater und Hamza, als er mit seiner ungewöhnlichen Bitte bei dem Fürsten vorstellig geworden war. Angeschrien hatte ihr Vater seinen ältesten Berater: „Meine Töchter sollen was? Ich glaube, ich höre nicht richtig!“

Schon damals hatte die Schwarzhaarige ihren Lehrer für seine Standfestigkeit bewundert: Gewiss eine halbe Stunde lang hatte er seinem Herren erklärt, wie stark das Ansehen von Aya und Reem in den höheren Kreisen steigen würde, wenn die Mädchen der Kunst des Schreibens fähig wären! Welche Möglichkeiten sich da später für eine Eheschließung ergeben könnten. Und selbst wenn sich einer der beiden als so störrisch herausstellen sollte, das sich kein passender Mann für sie fände: Dann könnte sie immer noch eine Laufbahn als Hohepriesterin einschlagen!

Damals hatten Aya und Reem, die an der Tür zu den Gemächern ihres Vaters gelauscht hatten, kaum ein Wort von dem verstanden, was Hamza dem Fürsten da so eindringlich einflüsterte.

Alles, was für sie zählte: Sie durften schreiben lernen!

 

An diesen Moment kindlicher Freude dachte Reem jetzt zurück, während sie die Tränen fortblinzelte. Mit einem wehmütigen Lächeln schaute sie Hamza ein. „Ihr habt Recht, Meister.“ Sie wandte sich an die junge Sklavin. In einer jovialen Geste legte sie ihr eine Hand auf die schmächtige Schulter. „Verzeiht mir, meine Freundin.“ Sie beschloss, ihren neusten Trumpf auszuspielen. „Es ist nur… Der Gedanke an die Hochzeit hält meine Nerven zum Zerreißen gespannt.“ Tatsächlich war Reem in diesen Tagen ungewöhnlich dünnhäutig: Normalerweise hätte eine Bemerkung wie die der Tänzerin sie nie so aus der Haut fahren lassen. Normalerweise hätte sie vermutlich selbst darüber gelacht. Doch es war nichts normal in diesen Tagen: Ständig war die Fürstentochter der Angst ausgesetzt, aufzufliegen. Bei diesem Gedanken wurde der jungen Frau Angst und Bange: Vater würde mich umbringen, dachte sie ängstlich.

Umso erleichterter war sie, als Hamza ihr einen väterlichen Kuss auf die Stirn drückte. „Mach dir keine Sorgen, meine kleine Aya. Du wirst eine wundervolle Braut sein.“ Er lächelte wohlwollend. „Du wirst dein Land und deine Mutter stolz machen, meine Kleine.“

 

In diesem Moment kam Reem sich beinahe schäbig vor: Hamza, ihren größten Wohltäter, so zu belügen… Am liebsten hätte sie sich ihm weinend in die Arme geworfen. Am liebsten hätte sie ihm alles erzählt. Am liebsten… Ein heiseres Lachen riss die falsche Braut aus den Wunschträumen ihrer Geheimnisenthüllung. "Stör ich? Nein, wie rührend. Glatt ginge mir das Herz auf, wenn ich denn eines hätte. Okay, und jetzt alle die Hände dahin, wo ich sie sehen kann.“

Überrascht schaute Reem sich um: Während die kleine Karawane gestoppt hatte, um die kurze Unterhaltung zwischen Hamza und Aya/Reem nicht zu stören, hatten mehrere Banditen sich mit ihren Pferden an die Reisenden herangeschlichen und die Gruppe umzingelt. Die Soldaten hatten die Räuber bereits überwältigt. Regungslos lagen die Begleiter des fürstlichen Trupps neben ihren Pferden im Wüstensand. Reem schickte ein Stoßgebet zu den Göttern, dass sie nur bewusstlos und nicht tot waren.

Noch ehe sie es sich versah, hatte ihr jemand Fesseln um die schlanken Halsgelenke geschlungen. „Hallo, meine Hübsche…“, raunte dieser jemand.

Tausend Worte schossen der Schwarzhaarigen in diesem Moment durch den Kopf. Doch alles, was Reem nun über die Lippen kam, war: „Verdammt!“



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Kommentare zu dieser Fanfic (9)

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Von:  PikaJu19
2016-05-26T14:09:24+00:00 26.05.2016 16:09
Das ist eine tolle FF, ich würde mich freuen wenn sie bald weitergeht. Vor allem, wo es nun so spannend mit Bakura wird.
Von:  Tinebine
2015-11-29T22:23:38+00:00 29.11.2015 23:23
Liest sich richtig gut! Ich bin mal gespannt wie es weiter geht ;-)

LG Tinebine
Von:  Soralina
2015-11-20T20:13:45+00:00 20.11.2015 21:13
Ich warte sehnsüchtig auf neue Kapitel! ♡♡♡♡
Von:  Blaubeere20
2015-10-16T19:25:43+00:00 16.10.2015 21:25
Hallo!
Du hast echt einen großen Wortschatz und einen super Schreibstil (:
Die Idee und das Kapitel gefallen mir gut (:
Von:  shadow-queen
2015-10-13T21:38:20+00:00 13.10.2015 23:38
Weiteres tolles Kapitel! Oh Mann, ich bin so gespannt, wie es weitergeht, ein Abo hast du AUF JEDEN FALL von mir. Bitte, schreib schnell weiter!
LG, shadow-queen
Von:  shadow-queen
2015-10-13T21:32:47+00:00 13.10.2015 23:32
Hi, Nia!
Erstmal: Eine wirklich tolle Geschichte mit schönen, kreativen Namen und einem guten Storyverlauf (soweit es in der beschreibung und in diesem Kapitel steht). Dein Schreibstil ist wirklich schön! Kann kaum das nächste Kapitel erwarten. 😊😊
LG, shadow-queen
Von:  Soralina
2015-10-13T18:56:17+00:00 13.10.2015 20:56
Oohhh was für eine tolle FanFic ♡ Bitte bitte schnell weiter schreiben! ♡ Ich hoffe sehr, noch viele romantische Begegnungen mit Atemu zu lesen zu bekommen ♡

Gruß Sora
Von:  Sathi
2015-10-11T11:55:14+00:00 11.10.2015 13:55
Ein wenig irreführend, dieser Wechsel zwischen den Schwestern, musste mehrmals lesen, welche welche nun ist
*lach*
Aber gut, jetzt hab ichs verstanden^^
Klingt gut, ich bin sehr gespannt, wie es weitergeht. Bakura hat Reem/Aya(siehst du, ich komm doch wieder durcheinander :D)
Ich hoffe, es geht bald weiter.
Von:  Sathi
2015-10-11T11:51:25+00:00 11.10.2015 13:51
Als ich die Beschreibung las, kam ich nicht drum rum, mir deine Story einmal vorzuknöpfen.
*grins*
Einen sehr schönen Schreibstil hast du, der einen sofort in die Lage des Geschehens bringt. Sehr angenehm und interesant gestaltest du den Verlauf der Geschichte.
Ich bin gespannt, wie es weitergeht.


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