Zum Inhalt der Seite

Eine Hand wäscht die andere...

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Schmetterlingsseife, und Ex-Freundinnen

Das Leben war gut. Tenten und Neji schlenderten über den Campus, ihre Arme hingen entspannt an ihren Seiten. Vertraute Zweisamkeit herrschte in der Stille zwischen ihnen. Im Nachhinein hätte Tenten noch nicht einmal sagen können wie genau es geschehen war, doch am Wochenende begleitete ihr Gatte sie regelmäßig zu potenziellen Universitäten. Natürlich verbrachte er die meiste Zeit damit den anderen Gästen aufgrund seiner düsteren Ausstrahlung Angst einzujagen oder griesgrämige Kommentare über die Fehlleistungen der Institution abzugeben. Aber Tentens Gemüt ließ sich diese Tage keinen Dämpfer auflegen. Es war als flöge sie durch die Luft, konnte alles erreichen. Offensichtlich war ihr die Geschichte des Icarus entfallen. Sie war sich so sicher, dass sie nächstes Jahr stolze Studentin einer guten Uni sein würde.

Sie hatte sich sogar mit hochhakigen Schuhen ausgesöhnt. Sie trug sie noch immer nicht gerne und pflegte immer ein ganzes Sortiment an Gelpflastern in ihrer Handtasche bei sich zu haben, doch mittlerweile konnte sie es einen ganzen Abend in den Dingen aushalten ohne am nächsten Morgen gelähmt zu sein. Einen ganzen Tag konnte sie allerdings noch nicht verkraften. Daher lagen die beigefarbenen Pumps im Augenblick am Boden ihrer Tasche vergraben. Nach dem Universitätsbesuch hatten sie versprochen zu einem kleinen Soiree zu erscheinen. Sie wusste nicht was Nejis Onkel jetzt wieder ausgeheckt hatte, doch sie war sich sicher es konnte ihnen nichts anhaben. Es stellte sich nämlich heraus, dass Neji und sie ein recht gutes Team waren. Sie warf ihm kurz lächelnd einen Seitenblick zu.

Sie waren keine Grace Kelly und Marlon Brando, doch wenn es dazu kam das glückliche Brautpaar zu spielen, waren sie in letzter Zeit erstaunlich erfinderisch geworden. Es bereitete Tenten beinah eine diebische Freude den Schein so aufrecht wie möglich zu erhalten. Sie erinnerte sich an eins der letzten Wochenenden, an denen sie Nejis Onkel ein Schnippchen geschlagen hatten.

Das furchteinflößende Familienoberhaupt hatte am Telefon Neji gegenüber erwähnt, dass er die nächste Zeit gern mal vorbei kommen würde. Ganz nebenbei, keine große Sache. Das Problem war, dass Nejis Onkel nie zu Besuch kam. Daher gingen bei Neji natürlich sofort die Alarmglocken los und er rief seine Frau an, um ihren Konterangriff zu diskutieren.

Tenten hatte den perfekten Plan. Nach der Arbeit fuhr sie in die Stadt, um ein paar Sachen einzukaufen. Mit dem Wagen voller Einkaufstaschen machte sie sich dann auf den Weg in das gute Viertel, in dem Neji residierte. Es war keine der Orte am Stadtrand, wo jedes Haus einer Villa glich, doch es war definitiv nichts was Tenten sich hätte leisten können. Sie war erst ein paar Mal bei Neji gewesen, doch sie fand sein Haus ohne Umstände. Die Fassade des zweistöckigen Familienhauses war recht schlicht bis auf zwei Säulen, die die Überdachung über der Haustür trugen. Die Fenster hatten Klappläden, sodass Neji neugierige Blicke leicht aussperren konnte. Sein Wagen war zum Glück in der Garage, sodass Tenten ihr Auto in seiner Einfahrt parken konnte.

Beladen mit Einkäufen klopfte sie an. Es dauerte nicht lange bis man ihr öffnete. Sie nahm die zweite Tür im Flur von links und fand sich in der ausladenden Küche wieder. Auf der Kücheninsel stülpte sie die Taschen um und sah belustigt mit an wie ein skeptischer Neji den Inhalt begutachtete. Er hob ein Stück Seife hoch und sagte: “Ein Schmetterling.” Es war undeutlich ob er missbilligend oder überrascht war.

“Ja, das soll auch so sein. Glaub mir, im Augenblick würde niemand glauben, dass hier eine Frau wohnt.”

“Bei dir auch nicht”, gab er ironisch zu Bedenken. “Du willst auch keine Schmetterlingsseife.” Sie schob seine Redseligkeit auf sein Erstaunen ob der vielen plüschigen Dinge, die plötzlich Einzug in sein Haus nahmen.

“Das wissen deine Verwandte doch nicht”, rief sie zurück während sie Zierkissen auf der Couch im Wohnzimmer verteilte. Daraufhin versank er wieder in gewohntes Schweigen, half ihr aber willig alles im Haus zu verteilen. Leider war er nicht besonders gut darin zu wissen wo alles hingehörte. Also arrangierte Tenten alles noch mal neu sobald er mit einem Raum fertig war. Am Ende des Abends war eine Hälfte des Schrankes voller eleganter Kleider und Schuhe. Im Badezimmer hatten neue Handtücher Einzug gehalten. Tenten hatte nicht nur ihre eigenen lavendelfarbenen Handtücher hinzugefügt, sondern seine alten auch noch mit neuen weißen ersetzt. Auf ihren stand “Sie” und auf seinen “Er”. Sie bekam auch ihre eigenen Schubladen, wo sie Damenbinden, Slipeinlagen, Tampons, Shampoo, ihren Rasierer und alles andere was der weiblichen Hygiene zugeschrieben werden konnte lagerte. Für sein Arbeitszimmer und das Wohnzimmer hatte Tenten sogar ein paar romantische Bücher besorgt. In seinem Schlafzimmer machte sie sich auch zu schaffen. Das Deckbett zierte ein Blumenmuster, auf dem Nachttisch lagen Frauenzeitschriften und eine Nagelfeile. Das letzte was sie taten war einen großen, weißen flauschigen Teppich im Wohnzimmer zwischen Couch und Fernseher auszubreiten.

“Und fertig!”, seufzte Tenten und ließ sich auf das Sofa fallen. Behände gesellte Neji sich zu ihr. Er hob die Fernbedienung leicht an und Tenten verstand. Sie nickte. Er schaltete den Fernseher an und schaute die Nachrichten. Als sie beim Wetter angekommen waren, warf er ihr noch einen Blick zu. Mit dem Kopf weit im Nacken und offenstehendem Mund war sie eingeschlafen. Ein Rinnsal Speichel lief aus ihrem Mundwinkel. Neji schaltete den Fernseher und das Licht aus, machte es sich mit verschränkten Armen auf seiner Couch gemütlich, schloss die Augen und schlief ebenfalls.

Tatsächlich war Nejis Onkel an dem Wochenende vorbeigekommen. Tenten hatte mit Neji in trauter Zweisamkeit die ganze Zeit geduldig auf ihn gewartet. Als er dann endlich in seinem Porsche die Einfahrt hochgefahren kam, öffnete Tenten ihm freundlich die Tür, servierte Eistee im Esszimmer und zog sich dann mit einem Buch in Nejis Wohnzimmer zurück, während die zwei irgendeine scheinheilige Familienangelegenheit besprachen. Wahrscheinlich war sie sowieso nur erfunden. Als das Familienoberhaupt sich entschuldigte, um zur Toilette zu gehen konnte Tenten genau mitverfolgen wie der ehrwürdige Herr sich die Treppe hochschlich, um vermutlich im zweiten Stock herumzustöbern. Als er wieder ging und Neji und Tenten ihm Arm in Arm nachwinkten sah er ganz und gar nicht erfreut aus.

Als sie jetzt über den Campus wanderten konnte Tenten sich ob dieses Siegs ein Grinsen nicht verkneifen. Sie war gewiss, dass sie und Neji heute Abend auf dem Soiree gleichfalls siegreich sein würden. Als sie schon in Siegesgefühlen schwelgte, zeigte er ihr sein Handgelenk. Sie registrierte die Uhrzeit und automatisch lenkten sie beide ihre Schritte Richtung Wagen.

Auf der Hinfahrt streifte sich Tenten im Beifahrersitz umständlich die Nylonstrumpfhosen über, wechselte ihr T-Shirt für eine gebügelte Bluse ein und schminkte sich noch mal die Lippen nach. Wie Frauen mit so was auf dem Mund zu Mittag aßen war ihr schleierhaft. Als letztes heftete sie sich Nejis Brosche an und streifte ihren Ring von der Kette ab und ihrem Finger über.

“Wie seh ich aus?”, erkundigte sie sich. Seine Antwort war ein kurzes Nicken.

Das als klein angekündigte Soiree bestand aus mindestens dreißig Leuten, die allesamt in Konversationen vertieft waren, die Tenten Kopfschmerzen gaben.

Natürlich fragten viele sie nach ihrer anstehenden Hochzeitsfeier, doch Tenten lachte nur verschwörerisch und vertraute allen an, dass ihr Schwiegeronkel sie und Neji überraschen wollte.

“Ich bin davon überzeugt, dass es absolut wunderschön wird”, versicherte Tenten einer Runde schmuckbehangener Hausfrauen. “Nur das feinste Menü mit exquisitem Geschirr. Mir wurde auch versichert, dass einige der talentiertesten Musiker für den Anlass einfliegen würden.”

Beeindrucktes Munkeln zog sich durch die Gruppe. Während die Frauen Geschichten über ihre eigene Hochzeitszeremonie austauschten, wurdeTenten ein wenig von den anderen isoliert. Jemand hatte sanft ihren Arm ergriffen und führte sie vom allgemeinen Trubel der anderen Gäste fort. Es war kein anderer als Nejis Onkel. Seine zerfurchte Stirn wurde noch ein bisschen runzliger als er ihr ein breites Lächeln schenkte. Seine gefährlichen hellen Augen schienen sie durchdringen zu wollen.

“Liebe, Tenten”, begann er und sie bereitete sich mental auf eine Interrogation vor. Zurecht. “Ich arbeite zur Zeit an der Rede für meinen Toast. Und da ist mir aufgefallen, dass ich leider nicht genug Zeit mit euch verbringe.” Sein Lächeln wurde eine Spur breiter. “Natürlich hoffe ich das bald zu ändern. Aber worauf ich hinaus möchte ist dass ich gar nicht weiß welche der vielen wundervollen Facetten meines Neffen du so innig liebst.”

Tenten stutzte, ließ es sich aber nicht anmerken. Stattdessen seufzte sie als schwelge sie in Erinnerungen, aber in Wirklichkeit war ihr Kopf wie leergefegt.

Was war wohl die beste Antwort? Weshalb konnte man einen Mann wie Neji wohl lieben?

Schade, dass er nicht mehr lächelte …

Sie sah ein, dass sie sich einen Grund zusammenbasteln musste.

„Er hält mich die ganze Nacht über und die Welt scheint sich plötzlich nicht mehr so schnell zu drehen. Bei ihm bin ich vollkommen ruhig und geborgen“, gab sie zum Besten und beobachtete ganz genau wie ihr Gegenüber das schlucken würde.

Es war riskant sich so weit aus dem Fenster zu lehnen, doch Nejis Onkel hatte die Augen zu schmalen misstrauischen Schlitzen verengt, aber bisher noch nicht protestiert.

Tenten sah ihm weiterhin fest in die Augen, ganz so als hätte sie ihre Worte ernst gemeint und hoffte darauf, dass sein Onkel ihrem Mann nicht nahe genug stand, um zu wissen wie er sich in trauter Zweisamkeit verhielt.

Und sie hatte mitten ins Schwarze getroffen erkannte sie erleichtert als ihr Antagonist schwieg. Er konnte sich nicht sicher, einfach nicht vollkommen sicher sein, dass sie es sich ausgedacht hatte … Er gab auf und blinzelte. Er räusperte sich umständlich.

„Aha.“ Mehr sagte er nicht, weil Neji zu ihrer Rettung eilte. Jener hatte sich von einer seiner jungen, schönen Verwandten losgerissen und stürmte mit langen, maßvollen Schritten und gerunzelter Stirn auf sie beide zu.

“Er brauchte nur ein bisschen Input für seine Rede”, beruhigte Tenten ihren Gatten mit weicher Stimme und einer sanften Geste auf seinem Unterarm. Federleicht glitt eine seiner Hände auf ihren unteren Rücken. Sie hatten diese Pose erst neulich in seinem Wohnzimmer einstudiert. So würden sie für Fotos posieren, wenn der große Tag da war.

Hiaschi machte eine unauffällige Geste mit der linken Hand, die Tenten nur aus den Augenwinkeln bemerkte. Die schöne blonde Verwandte, mit der Neji sich eben noch unterhalten hatte, machte sich mit gleitenden Schritten auf den Weg zu ihnen.

“Ich möchte euch eine der Musikanten vorstellen, die ich für die Hochzeit angeheuert habe. Sie ist eine formidable Cello-Spielerin und-” Er nahm elegant ihre Hand in seine und küsste sie. Die Blondine hielt ihre Augenlider für einen Herzschlag demütig gesenkt. “... eine alte Bekannte des Bräutigams.” Hiaschi schien nach einer Regung in Tentens Gesicht Ausschau zu halten, doch sie gab ihm keine. Mit etwas Verzögerung hielt sie ihre Hand aus, um sich vorzustellen, vergaß, dass das nicht ihre Aufgabe war und änderte in allerletzter Sekunde den Kurs.

“Verzeih, aber dein Kleid ist so wunderschön, ich muss einfach wissen wer es entworfen hat!” Mit der ausgestreckten Hand deutete sie auf die Spitze, die sich um die schlanken Arme schlang.

“Vielen Dank. Es ist von Gucci”, sagte sie freundlich, noch immer mit gesenkten Lidern.

Neji schritt ein und stellte sie einander vor.

“Eloise, dies ist Tenten, meine Frau. Tenten, dies ist Eloise. Wir hatten vor ein paar Jahren viel Verkehr.”

Die Damen plauderten eine Weile über Belanglosigkeiten. Eloise erkundigte sich auch nach dem weniger aufreizenden Kleid das Tenten trug. Dann tauschten sie Gedanken über die Hors d'œuvre aus. Aber alles woran Tenten denken konnte war, dass Hiaschi ein altes Schlitzohr war. Ihr ging auf, dass Eloise eine Art Ex-Freundin Nejis sein musste. Sie war nicht allzu besorgt, dass Neji sich plötzlich wieder in den Fängen einer alten Liebschaft zurückgezogen fühlen könnte und ihr Arrangement aufgeben und somit Tenten im Stich lassen würde. Aber das lag nur daran, dass sie ihn gut kannte. Wenn sie sein betrunkenes Gemurmel richtig interpretiert hatte, war er noch nie mit einer Frau intim gewesen. Er war auch nicht besonders gefühlsbetont. ‘Romantiker’ stand ihm sicher nicht auf der Stirn geschrieben. Wie könnte diese Eloise also eine Gefahr für sie darstellen?

Unauffällig ließ Tenten den Blick über den Körper der anderen Frau fahren. Ihr goldenes Haar war lang, aber auf der linken Seite hochgesteckt. Wie reifer Weizen fiel es in eleganten Kurven auf ihre zierlichen, spitzenbesetzten Schultern. Das Rot ihres enganliegenden Kleides schmeichelte dem Lippenstift den sie gewählt hatte. Ihre ozeanblauen Augen waren so einnehmend, dass man darin versinken wollte. Plötzlich wusste Tenten die Antwort, denn sie fühlte sich mausgrau. Was keine Anzahl an diamantbesetzten Verwandten geschafft hatten war von dieser einen kleinen Frau und ihrem roten Kleid vollbracht worden.

“Du siehst auch sehr gut aus”, wandte Eloise plötzlich das Wort an Neji. Dieser bedankte sich so knapp wie möglich.

“Wisst ihr noch was für einen herrlichen Anzug er zu deinem ersten Konzert getragen hat?”, fragte Hiaschi seufzend.

“Ein hervorragender Schneider”, stimmte Eloise zu. Doch Neji sah kurz von einem zum anderen und sagte dann deutlich: “Nein.”

Tenten musste sich ein Lachen verkneifen und lehnte ihre Wange kurz sanft an seinen Arm.
 

***
 

Das mit Eloise hatte offenbar nicht funktioniert. Hiaschi saß mit einem guten Port weit über seinen Schreibtisch gebeugt und grübelte. Wie sollte er bloß diese impertinente Schmeißfliege von einer Gattin von seinem Neffen loswerden? Da fiel sein Blick auf eines der vielen Diplomen, die bei ihm an der Wand hingen. Er griff nach seinem kleinen schwarzen Buch und dem Telefonhörer.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück