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West Coast

von

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Fragen & Fragen

Ryou’s Sicht:

Zu meiner Überraschung befand ich mich in einem Hotel*, das eines der gehobenen Klasse gewesen sein musste. Alles war sauber, geputzt und ordentlich. Auf den Gängen waren rote Teppiche ausgelegt und streckten sich sehr lange. Es hingen Bilder an den Wänden, auf denen Kriege* zu sehen waren. Soldaten kämpften an der Front. Möglicherweise war das zur Zeit des Hotelbesitzers? Ich suchte nach einer Reinigungskraft oder einer anderen Person, die hier arbeitete, damit sie mir sagen konnte, wo ich hier überhaupt bin und ob irgendwelche Kosten ausstehend waren. Ich konnte mich jedoch nicht erinnern, hier übernachtet zu haben. Andererseits musste es eine Erklärung dafür geben, weshalb ich mich hier befand. Ich fragte mich sogar, ob ich noch in der selben Region war. Würde ich Dad hier auch finden? Oder Seto?
 

Ich schlenderte den endlos langen Flur entlang und bog dann links ab. Das Gebäude war riesig und schien einer sehr reichen Person zu gehören. Die Kriege, die ich auf den ersten Bildern gesehen hatte, wiederholten sich überall und alle Türen waren geschlossen. Desorientiert und unwissend stand ich da, in der Angst, hier nicht mehr ohne Schulden rauszukommen. Vielleicht hätte ich etwas abarbeiten müssen, um den Ort verlassen zu dürfen. Meine Knie begannen leicht, zu schlottern. Es war weit und breit niemand zu sehen, das Hotel wirkte, wie ausgestorben. Ich wollte den Ausgang suchen, doch ich fand nichtmal einen Aufzug oder eine Treppe, die hinunter führte. Oder hinauf - ich wusste nicht, in welchem Stockwerk ich war.
 

“Junge, du musst hier raus!”, erklang es plötzlich panisch von einem Mann, der ungefähr in meinem Alter war. Er wirkte sehr verängstigt. “Es ist Krieg!”, fügte er hinzu und packte mich an der Hand. “Hey!”, schrie ich etwas empört und zog meine Hand zurück. Als er merkte, dass ich nicht mitkommen will, lief er davon, man hörte ihn noch hächeln. Kopfschüttelnd sah ich ihm hinterher.
 

“FEUER!”, ertönte es hinter mir und bevor ich mich versah, steckte ich in einem dicken, starken Netz*. Wie ein gefangenes Tier versuchte ich, mich daraus zu befreien und verhedderte mich immer wieder. Ich stolperte und fiel zu Boden. War hier wirklich Krieg? Herrschte hier eine angespannte Situation? Mein Puls raste und ich bekam nur noch schwer Luft. War nun alles endgültig aus? Würde ich Seto nie wieder sehen?
 

Meine Aufmerksamkeit wurde auf die beiden Männer gelenkt, die plötzlich zu streiten begannen. Der erste war groß und stark und der andere eher schwächlich und introvertiert. “Ich schaffe das alleine!”, wollte der erste klar machen. “A-a-aber vielleicht geht etwas schief und u-u-und”, der zweite war am Stottern und komplett unsicher. Die beiden Männer sahen haargenau gleich aus, es hätten Zwillinge sein können. Der starke wollte überzeugen, dass er auf sich alleine gestellt sein konnte, während der schwächlichere insistierte, zu helfen. Ich wusste nicht, worüber genau sie redeten, aber sie waren jedenfalls der Widerspruch des anderen.
 

Die Versuche, das Netz an einer Stelle aufzureißen, kosteten mich viel Kraft. Irgendwann sackte ich zusammen und gab auf. Die Männer waren immer noch am Streiten und konnten sich nicht einigen. Es wirkte so, als wären sie zwei verschiedene Persönlichkeiten*, die man aus einem Menschen herausgenommen hat. Sie waren charakteristisch so eintönig und stabil, dass man nur an diese Theorie denken konnte, wenn man ihnen zuhörte. Sie sahen aus, wie ein psychologisches Experiment.

Augenblicklich erhob sich hinter ihnen eine gewaltige Welle, die mich zu verschlucken drohte. Mit aufgerissenen Augen und stockendem Atem wachte ich in Setos Bett auf.
 

“Der Klang der Wellen hat die Flut in meinen Traum projeziert”, erzählte ich, während ich in Setos Arm lag. “Ich bin ja da”, flüsterte er mir zu und strich über mein weiches Haar. Langsam aber sicher realisierte ich, dass es keinen Grund mehr gab, panisch zu sein und mein Herzschlag regulierte sich. Der Schreck hatte nachgelassen, aber ich wollte nicht aus Setos Armen. Sie gaben mir Komfort und beruhigten meine hektischen Gedanken. Dieser Mann gab mir Sicherheit und Wärme. Er hat mich aus den monströsen Wellen gerettet und sein eigenes Leben aufs Spiel gesetzt. Für einen beinahe Fremden. Es berührte mich derart stark, jemals für jemanden so wichtig gewesen zu sein.
 

Seto hätte keinerlei Verpflichtung gehabt, sein Leben zu riskieren, nur, um sicherzugehen, dass es mir am Ende gut gehen wird. Er hätte genau so gut mit seinem Motorrad davon fahren können, er musste mir nicht helfen. Doch trotz allen Umständen streckte er immer die Hand nach mir und ließ mich nicht aus den Augen. Er stützte mich, hielt mich fest und barg mich. Der Gedanke, mir das Leben zu retten, war für ihn stärker, als die Angst um sein eigenes.
 

“Danke”, kam es wimmernd von mir. Fragend drehte Seto seinen Kopf zu mir und sah mich an. “Wie unhöflich von mir, dass ich mich erst jetzt bedanke… Seto, du hast mir mein Leben gerettet. Bitte geh’ nie wieder weg”, meine Stimme war dünn und brüchig. Etwas Angst machte sich wieder in mir breit, als ich an das wilde Wasser der Küste dachte. Nicht mehr daran denken, Ryou. Das tut dir nicht gut… Kurz darauf begann ich, zu weinen.
 

Als wäre ich Setos kostbarster Schatz, wischte er mir die Tränen weg und küsste liebevoll meine Stirn. Das Gefühl, bei jemandem in den Armen zu liegen und so liebevoll beachtet zu werden, war für mich ein komplett neues und ich hätte diese Momente gegen nichts Anderes in dieser Welt eingetauscht. Ich fühlte mich so geliebt und so wichtig. Auf keinen Fall wollte ich, dass wir jemals getrennt werden. Wollte für immer und ewig hier bei ihm bleiben und seinen Körper an meinem spüren. Wollte jeden Tag die Möglichkeit dazu haben, ihm in seine wunderschönen blauen Augen zu sehen und das Einzige sein, woran er denkt.
 

Ich fragte mich, weshalb er mir zuerst die kalte Schulter zeigte, bevor die Flut hereinbrach. Ich nahm an, dass das vielleicht einfach seine Charakterzüge waren. Wahrscheinlich wollte er beim ersten Eindruck immer unabhängig und dominant wirken. Das aber waren nur meine Annahmen.
 

“Seto, ich habe eine Frage”, begann ich, während ich meine Hand auf seiner Brust hatte. “Wieso hast du mich beim Kragen gepackt und beim Lagerfeuer so grimmig geguckt? Du hast mir Angst gemacht!”, ich blickte in seine blauen Augen, die schon etwas müde wirkten. Der Mann dachte lange nach und suchte nach Worten. Der Denkprozess hielt eine Weile an, Seto musste sich konzentrieren. Ich konnte schon verstehen, dass es möglicherweise nicht angenehm war, sein Verhalten begründen zu müssen. Jeder hatte immerhin seine eigene Geschichte.
 

“Solltest du nicht schlafen? Du musst dich ausruhen”, versuchte er abzulenken. “Aber Seto…”, kam es traurig von mir. Ich war nicht traurig, weil er nicht geantwortet hat, sondern weil ich ihn nicht mehr ansehen konnte, wenn ich erst einmal eingeschlafen war. Hätte dann nicht mehr seine Schönheit gesehen.
 

Seto verzog augenblicklich das Gesicht, als hätte etwas nicht gestimmt, als wäre etwas falsch verlaufen. Sofort zog er seinen Arm wieder zu sich und rollte sich auf die Seite. Nein, bitte nicht. “Seto, ich hab’ Angst ohne dich”, gab ich zu und war kurz davor, zu weinen. “Ich bin doch da”, sagte er freundlich, doch ich fühlte mich so nackt und die Wärme war verschwunden. Ich spürte keine Wärme ohne ihn. Er war meine Wärme. Ohne ihn könnte ich es nicht mehr durch den Tag schaffen, mir würde etwas fehlen. Immerhin machte er mich nun komplett.
 

Energisch stieß er die Decke von sich weg und stand auf, um das Fenster zuzumachen. Gleich darauf fühlte ich eine starke Hilflosigkeit, weshalb ich vom Bett hüpfte und mich von hinten an Seto klammerte. Dieser sog die Luft zu scharf ein und stotterte; “R-ryou…”. Er bewegte sich keinen Zentimeter. “Ich brauche dich”, nuschelte ich gegen seinen Rücken. Etwas unsaft zerrte er jedoch meine Hände von seinem Bauch und drehte sich anschließend zu mir, bevor er mich unerwartet ins weiche Bett stieß; “Und da bleibst du jetzt!”.
 

“Du bist so doof”, kam es gespielt traurig von mir. Gerade, als er mir antworten wollte, schmiss ich ein Kissen nach ihm. “Du bist so doof!”, wiederholte ich frech und warf noch ein Kissen. Langsam beugte sich Seto dann zu mir hinunter und blickte mir mahnend in die Augen; “Weißt du eigentlich, wie viel diese Polster gekostet haben?”. Ich schmunzelte und sah hinunter. Es tat mir Leid. Mir war klar, dass er viel Geld haben musste, das er gerne für teure Sachen ausgab, wie zum Beispiel die Einrichtung seines Hauses oder seine Kleidung. Vorallem der schöne Mantel wirkte sehr elegant bei ihm, sodass man beim ersten Blick schon den Verdacht hatte, er würde sehr dominant sein.
 

“Versuch’, weiter zu schlafen, Ryou”, er legte sich wieder zu mir ins Bett und erlaubte mir, mich wieder in seinen Arm zu legen. Da war sie wieder: die Sicherheit, die meine Seele umschmeichelte und sich niedersetzte. Mein Herz schlug langsamer, ich wurde entspannter und meine Sorgen lösten sich bald gänzlich auf. Ich dachte nicht mehr daran, ob es noch ein Morgen geben würde. In diesem Moment gab es nur noch Seto und mich. Niemand, der uns diese Ruhe wegnehmen konnte. Keiner sollte es je wagen, mir meinen Seto wegzunehmen.
 

Ich kuschelte mich ganz fest an ihn, bevor ich die richtige Position für mich gefunden hatte.
 

*Traumsymbol Hotel: Das Hotel symbolisiert im Traum eine Übergangssituation. Eine Veränderung ist zu erwarten. Die fremden Menschen, denen der Träumende im Hotel begegnet, zeigen unbewußte Seiten seines Ichs.

*Traumsymbol Krieg: Das Traumbewusstsein signalisiert mit Bildern von Krieg eine unbewußte Auseinandersetzung unterschiedlicher Seiten der Persönlichkeit des Träumenden, die untereinander im Widerspruch stehen. Mit Kriegsbildern, wie Soldaten an der Front, informiert das Traumbewusstsein über unbewältigte Erlebnisse aus der Vergangenheit.

*Traumsymbol Netz: Das Netz ist als Falle zu verstehen. Es deutet auf eine verfahrene Situation hin, in die der Träumende geraten ist und aus der er nun keinen Ausweg sieht.
 

Seto’s Sicht:

Durch die belastende Erschöpfung schlief Ryou schnell ein. Er lag von mir weggedreht auf der Seite, während ich auf dem Rücken lag. Kaum wagte ich es, mich zu ihm zu drehen; ich war immer noch so sauer. Kein Mann hat mich jemals mit seinem Erscheinungsbild so provoziert. Niemand hat jemals so einen starken Beschützerreflex in mir hervorgerufen, wie er. Niemand hat mich jemals so knapp zwischen Beherrschen und nicht beherrschen gestoßen. Niemand außer er.
 

Während dem Flutszenario nannte ich ihn in meinen Gedanken immer wieder “Kleiner” - ich machte mir Sorgen um ihn und wollte mein Leben setzen, dass er überlebt. Als wir bei mir ankamen, war ich damit beschäftigt, sicherzugehen, dass er aufgewärmt wird. Doch in der stillen Zeit, wo ich nur sein Atmen wahrnahm und ich vorübergehend keine Verpflichtungen hatte, tauchten meine eigentlichen Gefühle wieder auf: Die Wut, weil er mich so fertig machte. Ich hatte keinerlei Kontrolle mehr, ich fühlte mich abhängig.
 

Man hätte meine Empfindungen als ein Parfum darstellen können. Das Basisgefühl war also Wut, gemischt mit einem Mittelgefühl von Verlangen, gefolgt von einem Untergefühl von Faszination. Der Duft hätte “Ich hasse dich, aber werde dich jetzt gleich gegen die Wand drücken, du fliederfarbenes Honigröllchen” geheißen.
 

Es wunderte mich, dass sich Ryou nicht an mich gekuschelt hat - immerhin war er noch paralysiert und desorientiert. Er schlief in einem fremden Haus und konnte sich nicht sicher sein, wie ich zu ihm sein würde. Und das nach einer Katastrophe. Ryou musste schrecklich nervös gewesen sein.
 

Ich drehte mich zur Seite und betrachtete den Kleinen, wie er in den übergroßen Sachen schlummerte. Vorsichtig rutschte ich näher zu ihm, drückte meinen Körper an seinen und legte meine linke Hand um seine Hüfte. Dezent spürte ich an meiner Hand, wie Ryou ein- und ausatmete. Ich fragte mich, ob er einen neutralen Traum hatte, da er keinerlei Anzeichen von Angst nach außen zeigte. Seine Körperfunktionen schienen alle rythmisch und gleichmäßig zu verlaufen.
 

Behutsam glitt ich mit meinen Fingern durch das weiße Haar; seidenweich. Ich glitt mit meiner Hand sanft über seinen Rücken, bis hin zu seinem Po. Ich rechnete nicht damit, dass er aufwachte, da er sehr tief zu schlafen schien. Der Brustkorb hob und senkte sich in regelmäßigen Abständen, Ryou strahlte eine harmonische Aura aus, wenn er so friedlich schlief.
 

Ich merkte, dass mir etwas warm geworden war. Das Fenster war geschlossen, da Ryous Temperatur nicht noch mehr sinken durfte, als ich ihn hier her brachte. Da ich mir jedoch sicher war, dass er es unter der Decke warm genug hatte, stand ich auf und kippte das Fenster leicht. Kühler Wind schlich sich ins Zimmer und man hörte, wie die Wellen noch brachen. Das Wasser legte sich normalerweise spätestens nach vierundzwanzig Stunden.
 

Plötzlich hörte ich ein lautes Keuchen, worauf ich mich umdrehte und Ryous erschrockenen Gesichtsausdruck sah. Er atmete sehr schnell und ich schlüpfte sofort wieder zu ihm unter die Decke. “Alles gut, Kleiner. Alles gut”, versicherte ich mit zarter Stimme. In dieser Situation durfte ich nicht kalt klingen, sonst hätte ich Ryou kein Bisschen das Gefühl von Geborgenheit geben können. Ich nahm ihn in den Arm und drückte ihn an mich. Er vergrub seinen Kopf in meiner Brust und versuchte, sich zu beruhigen.
 

“Der Klang der Wellen hat die Flut in meinen Traum projeziert”, erzählte Ryou, als er seinen Kopf bereits auf meinen Arm gelegt hatte. “Ich bin ja da”, flüsterte ich ihm zu und strich über sein weiches Haar. Langsam aber sicher regulierte sich sein Herzschlag wieder und der Schreck hatte nachgelassen. Er dachte aber nicht daran, sich aus meinem Arm zu befreien. Ich war davon überzeugt, dass seine Abhängigkeit mir gegenüber in diesem Moment begonnen hatte. Ryou verband mich schon mit Sicherheit und Wärme. Ich wettete mein Motorrad dafür, dass er sich den Rest der Nacht nicht mehr von mit weglegen würde.
 

“Danke”, kam es wimmernd von Ryou. Fragend drehte ich meinen Kopf zu ihm und sah ihn an. “Wie unhöflich von mir, dass ich mich erst jetzt bedanke… Seto, du hast mir mein Leben gerettet. Bitte geh’ nie wieder weg”, seine Stimme war dünn und brüchig. Mit meiner Hand wischte ich ihm die Tränen weg und küsste seine Stirn. Nicht weinen, Kleiner.
 

Kurz darauf erstarrte ich vor Schreck - ich öffnete mich gerade zu sehr. Keine Küsse, Seto. Und du sollst ihm auch nicht die Tränen wegwischen. Halte ihn einfach in deinem Arm, wenn das nicht schon zu viel ist.
 

Doch ich wusste, egal, ob ich meine Zärtlichkeiten nun wieder runterschrauben würde oder nicht, es war zu spät. Ryou hatte bereits die Worte “Bitte geh’ nie wieder weg” ausgesprochen und war zu hundert Prozent psychisch an mich gebunden. Wie sollte das enden, wenn er nicht mehr von mir loskommt? Ich versuchte, mir meine Verzweiflung nicht anmerken zu lassen. Ryou war nur eine kurze Zeitspanne hier und es würde in einem kompletten Gefühlschaos enden, sobald er wieder zuhause wäre. Verdammt, wie kommt man aus sowas wieder heraus?
 

“Seto, ich habe eine Frage”, riss mich der Bleichhaarige aus meinen stressigen Gedanken. Der Kleine hatte seine Hand auf meiner Brust. “Wieso hast du mich beim Kragen gepackt und beim Lagerfeuer so grimmig geguckt? Du hast mir Angst gemacht”, Ryou blickte zu mir. Ach, so ein Mist! Wie hätte ich ihm denn die Wahrheit erzählen können? Wenn er erstmal herausgefunden hätte, dass er mich so um den Verstand brachte, hätte es keinen Ausweg mehr gegeben. Doch eine traumatisierte Person anzulügen war auch nicht das Wahre…
 

“Solltest du nicht schlafen? Du musst dich ausruhen”, machte ich ihn aufmerksam und wollte ablenken. “Aber Seto…”, kam es traurig von ihm. Das war nun das dritte Mal, dass er meinen Namen nannte, seitdem er wach war. Wenn man jemanden beim Sprechen immer beim Vornamen nannte, obwohl es sowieso klar war, zu wem man spricht, war das das Verlangen, jemanden nur für sich haben zu wollen. Alle Puzzleteile passten.
 

Ich verzog augenblicklich panisch das Gesicht, als ich spürte, wie sich in meiner Hose etwas regte. Nein, bitte nicht - das hat mir noch gefehlt. Sofort zog ich meinen Arm wieder zu mir und rollte mich auf die Seite. “Seto, ich hab’ Angst ohne dich”, gab Ryou zu. “Ich bin doch da”, sagte ich freundlich, während ich ein schlechtes Gewissen bekam. Angst war nun wirklich das Letzte, das er gebraucht hätte.
 

Energisch stieß ich die Decke von mir weg und stand auf, um das Fenster zuzumachen. Gleich darauf hüpfte Ryou aus dem Bett und klammerte sich von hinten an mich. Ich sog die Luft mit einem schnellen Zug ein und errötete leicht an den Wangen. “R-ryou…”, ich bewegte mich keinen Zentimeter. “Ich brauche dich”, nuschelte er in meinen Rücken. Etwas unsanft zerrte ich seine Hände von meinem Bauch und drehte mich anschließend zu ihm, bevor ich ihn ins weiche Bett stieß; “Und da bleibst du jetzt!”.
 

“Du bist doof”, kam es gespielt traurig von ihm. Gerade, als ich ihm sagen wollte, dass er nicht so frech sein solle, flog mir ein Kissen entgegen. “Du bist so doof!”, wiederholte Ryou und schmiss lachend noch ein Kissen. Augenblicklich beugte ich mich zu ihm hinunter und blickte ihm mahnend in die Augen; “Weißt du eigentlich, wie viel diese Polster geostet haben?”. Er schmunzelte und sah hinunter.
 

“Versuch’, weiter zu schlafen, Ryou”, ich legte mich ins Bett und nahm ihn in den Arm. Er kuschelte sich ganz fest an mich, bevor er eine passende Position für sich gefunden hatte. Ein paar Minuten später folgte wieder diese Harmonie, die ihn umgab, wenn er so ruhig vor sich hinatmete. Ich konnte sein weiches Haar an meinem Arm spüren, das etwas kitzelte, wenn er sich im Halbschlaf noch enger an mich kuscheln wollte.
 

Es machte mich nervös und unruhig, zu merken, dass ich Gefühle für den Kleinen entwickelte. Ich hatte das Bedürfnis, ihn zu küssen und ihn die ganze Nacht zu berühren. Ich wollte ihn nur für mich alleine haben und mit niemanden teilen. Ich wollte, dass er nie mehr weg geht, genau so, wie er es nicht bei mir wollte. Wir wollten beide bei einander bleiben und uns haben.
 

Wenn Ryou nicht in meinen Armen gelegen wäre, hätte ich mich die ganze Zeit ratlos herumgewälzt. Es machte mich fertig, mich nicht an ihn binden zu dürfen. Obwohl Gebundenheit der Grund war, weshalb ich Beziehungen satt hatte, gab mir Ryou die Hoffnung darauf, dass es so etwas wie glückliche Beziehungen doch gab. Zwar kannte ich ihn nicht wirklich, aber er löste alles von Wut bis Faszination in mir aus und ich hatte keine Möglichkeit, diese Gefühle zu unterdrücken. Verstecken konnte ich sie, aber nicht unterdrücken. Ich fühlte, was ich fühlte, und es machte mich verrückt.
 

Wenn ich nachgebe und mich einfach fallen lasse, würde ich dann glücklich werden? Wenn ich mich einfach gehen lassen würde, würde ich dann trotzdem in Splittern enden? Würde ich mich danach komplett verschließen, falls das überhaupt möglich war? Oder würde ich eine Chance ergreifen, die mir sonst nie wieder geboten wird? Wäre Ryou die Person, die mein Leben verändern würde?
 

Ach, komm nicht auf dumme Gedanken, Seto. Ryou ist sensibel, er ist ein verlorenes Lämmchen. Und du bist ein Löwe, der sich nicht davor scheut, seine Zähne zu zeigen. Doch beschützen Raubtiere nicht das, was sie lieben?


Nachwort zu diesem Kapitel:
Was meint ihr; Sollte Seto die Chance ergreifen, oder würden sich ihre Charakter nur gegenseitig beißen? (: Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Veri
2015-11-16T06:37:27+00:00 16.11.2015 07:37
Ach Setoooooo~ du machst alles immer komplizierter als nötig :3

Antwort von:  Veri
16.11.2015 07:38
Er sollte die Chance definitiv ergreifen ! (:


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