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Zwischen zwei Welten

von

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Vor 12 Jahren...

"Minah, beeil dich doch ein bisschen!"

Das Gesicht meiner Mutter verzerrte sich immer weiter, je länger ich zögerte. Es war meine Pflicht, dieses Schicksal anzunehmen, doch schlichtweg wollte ich es nicht. Um zu sagen, ich hasste es. Das Gefühl, wie ein Vogel im Käfig zu sitzen, niemals sein wahres Gesicht zeigen zu können, niemals ein richtiges Leben zu führen, stets behutsam sich in die Etikette einordnen, all dies wird zu meinem Alltag, wenn ich Folgendes tue. Plötzlich würde eine Person in mein Leben eingreifen, kaum älter als ich, jedoch mächtiger und reicher. Ich würde deren Marionette werden, nichts Weiteres als ein Spielzeug, das man nach Belieben benutzen kann, wie man will. Nun stehe ich hier, stur und sträubend, meinen Willen an so eine Person zu verlieren. Wer weiss, ob er mich später als Gebärmaschine nutzen wird? Oder als Putzfrau, die jedes Sandkorn von seinen Schuhen entfernen musste?

Widerwillig machte ich einen Schritt nach vorn. Das Grinsen meiner Mutter wurde breiter.

"So ist es gut, mein Schatz, komm nur her. Er freut sich, dich kennenzulernen."

Kennenlernen? Konnte man diesem Wort überhaupt Beachtung schenken? Nein, ich muss nur einen Vertrag unterzeichnen, dabei ist steckt hinter dem "nur" viel mehr. Es wird mein ganzes Leben schlagartig verändern. Durch dieses Stück Papier werde ich an einen Menschen gebunden, den ich weder liebte, noch lieben werde. Vor der Presse, dem Fernsehen, ja vor der ganzen Welt werden wir in 12 Jahren als glückliches Pärchen vorgestellt, doch das Glück wird nicht unseres gelten. Nur unsere Familien profitieren von unserem ewigen Bund. Wenn die Delton Group und die Shinwha Company eins werden, wird es ganz Südkorea revolutionieren. Unsere unternehmen werden die Stärksten auf dem ganzen Kontinent sein. Von dem träumen nur meine Eltern, nur ich nicht. Ich will nicht einem Menschen angehören, den ich nicht liebte. Ich möchte später den Mann meines Lebens finden, ihn heiraten, eine Familie gründen und mit ihm Hand in Hand ins Jenseits schreiten, doch diese Zukunft wurde mir verwehrt. Ich bin dazu verdammt, einen Sohn der Shinwha Company zu heiraten, der mich im späteren Leben ausnutzen wird und mich schliesslich mit einem hämischen Grinsen ins Grab stosst.

Wieso? Wieso ich?
 

Mittlerweile packte mich meine Mutter erzürnt am Arm und zerrte mich durch die gigantischen Eingangstore. Es war wie ein Palast, der später meiner sein soll. Torbögen aus edelstem Eichenholz aus den tiefsten Wäldern Japans zierten die Eingangshalle, der Boden war aus weissem Mamor, der aus den weissen Bergen in der Toskana abgebaut wird. Überall hangen Orchideen, von zartblau bis ins kräftige Violett von den Balkonen herunter, ein Erkennungszeichen der Shinwha Company.

Ich hörte auf, wie eine Verrückte mich zu wehren, stillschweigend schritt ich an den prächtigen Vasen aus Athen vorbei. Ein Butler öffnete eine weitere Türe vor uns und gleißendes Licht stach mir in die Augen. Ich musste einen Moment lang blinzeln, bis ich mich an die plötzliche Helligkeit gewöhnte. Hinter der Türe erstreckte sich ein prachtvoller Ballsaal, wie man es aus dem Viktorianischem Zeitalter kannte. Hohe Fenster mit feingezierten Vorhängen, glänzender Boden und vergoldete Figuren über unseren Köpfen, die fast mitfühlend auf mich herabsahen.

In der Mitte des Raumes stand ein aus Glas bestehender Tisch, hinter ihm befand sich ein Mann und ein kleiner Junge, ungefähr zehn Jahre alt. Instinktiv versteckte ich mich hinter den Rücken meiner Mutter. Dies wird mein Peiniger sein, mein Herr, der Jäger, der nach meinem Fell dürstet. Diese Gedanken hakten sich so sehr in meinem Kopf fest, so dass ich es nicht einmal wagte, den Jungen ein zweites mal anzusehen. Auf den ersten Blick fiel mir seine symmetrischen Gesichtszüge auf, die schwarzen Knopfaugen und der schicke Anzug mit Fliege. Er sah harmlos und nett aus, doch ich wusste bereits, dass dies nur ein Trugbild war. Sein wahres Gesicht wird er erst nach unserer Vermählung offenbaren, wenn ich fest an ihn gebunden bin wie ein Schosshündchen.

"Minah, nun komm doch schon vor, sie werden dich nicht beissen", flüsterte meine Mutter und fing kurzerhand darauf ein ekelhaft künstliches lachen aus ihrem Mund hervorzubringen. Ohne dass unsere Gegenüber es bemerken konnten, schnappte sie nach meiner Schulter und riss mich nach vorn. Bevor ich auf nur ein leises Quieken hervorbringen konnte, stand ich schon vor ihm. Er musterte mich neugierig wie ein Wolf, der vor seiner Beute kauerte, bereit jeden Moment zuzuschlagen. Der Junge blieb allerdings anständig vorerst und verbeugte sich tief vor mir, wie es in der Etikette beschrieben war.

"Es freut mich sehr, Sie kennenlernen zu dürfen, Miss Choi. Mein Name lautet Kim Joonmyun, erster Sohn des Kim Joonhan und zukünftiger Führer der Shinwha Company."

Dies war zu absurd. Kinder, die im normalen Umfeld miteinander frei spielen würden, eine informelle Sprache sprechen, frei von allen Sorgen sein sollten, standen hier Auge in Auge, fest an Moral und Sitten gebunden, in sauberer, feinen Kleidung und sprachen in höchster Sprache. Ich zögerte einen Herzschlag lang. War dies wirklich mein vorbestimmtes Leben? War dies die Zukunft, die mir vorhergesehen wurde? Ist dies das Schicksal meiner und des Jungen?

Meine Mutter stupste mich als Warnung an, dass ich seinen Worten eine Antwort schenken sollte. Gegen meinen eigenen Willen, da mir nichts anderes übrig blieb, knickste ich leichte und hob meine Stimme weich an:

"Die Freude ist ganz meinerseits, Mr. Kim. Mein Name ist Choi Minah, Tochter von Choi Taehyun, Leiter der Delton Group." Meiner Mutter setzte ein etwas zufriedeneres Lächeln auf. Der Mann, der neben Joonmyun stand, sprach mit einem bedrückten Unterton:

"Miss Choi, ich bedaure schwer den Tod Ihres Mannes, welch ein Verlust für unser Land." Meine Mutter gab ein theatralisches Seufzen von sich. In Sachen Schauspielern war sie Weltmeisterin. Dabei war ihr der Tod meines Vaters gleichgültig, denn nun hatte sie die Chance, mich mit dem Nachfolger des grössten Unternehmens Koreas zu vermählen.

"Es kommen harte Zeiten auf mich und meine Tochter zu," log meine Mutter, "doch diese untrüglichen Schmerzen werden mit diesem einen Bund zwischen Ihrem Sohn und meiner Tochter geschlichtet." Der Mann, der sich als Kim Joonhan herausstellte, nickte verständnisvoll und nahm ein Blatt Papier vom Tisch auf.

"Auf diesem Stück Pergament steht die Vereinbarung, dass Choi Minah und Kim Joonmyun als zukünftiges Ehepaar gelten. Mit Ihrer Unterzeichnung und die Ihrer Tochter, wird der Vertrag als gültig angesehen und endet mit der Hochzeit unserer Kinder in 12 Jahren, wenn Ihre Tochter das 21. Lebensjahr erreicht." Der Butler von vorhin überbrachte eine strahlend weisse Schwanenfeder, die in dunkler Tinte getaucht war. Zuerst trat meine Mutter vor, die ihre Zustimmung niederschrieb, ohne den Text des Vertrages eines Blickes zu würdigen. Nach einer kurzen Weile tat sie einen Schritt zurück, um mir die Feder zu überreichen.

"Und diesmal beeilst du dich", zischte sie mir so leise zu, dass unsere Gegenüber es nicht hören konnten. Ich nahm widerwillig das Schreibzeug in meine Hände, als wäre es vergiftet worden. Behutsam lief ich nach vorne zu Tisch, wo sich das Beweisstück meines Schicksals befand. Ich wagte einen letzten Blick in Joonmyuns Augen, die etwas Unklares widerspiegelten. Mitleid, Angst, Unbehagen? Er sah nicht sonderlich zufrieden aus.Wenigstens dachte er gleich, ging es mir durch den Kopf. Ich setzte die Feder an und fing an, die Hanja-Schriftzeichen meines Namens zu malen. Meine Augen füllten sich mit Tränen. Das wars mit der Freiheit. Nun war ich an Joonmyuns Leben gebunden, wie ich an seines. Als ich den letzten Strich tat, rollte mir eine Träne über die Wange. Ich wischte sie, so schnell ich konnte, weg. Niemand sollte meine Verzweiflung erkennen, vor allem nicht mein Zukünftiger. Joonmyuns Vater nahm das Pergament zu sich und steckte es in die Höhe.

"Mit diesem Vertrag erkläre ich, Kim Joonmyun, Nachfolger der Shinwha Company und Choi Minah, Nachfolgerin der Delton Group zu Verlobter und Verlobte. Auf das ihr in den 12 Jahren zu grossartigen Unternehmerführern heranwachst."



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