Zum Inhalt der Seite

Revolution

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Zwei Männer und ein Lagerfeuer bei Nacht.

Das Feuer zeichnet einen Lichtkreis auf den Sand rund um die Mulde herum, die sie gegraben und mit Unkraut ausgelegt haben, um es entzünden zu können. Mit jedem Flackern und Aufblühen der Flammen bläst Jaxon ein Schwall warmer Luft entgegen. Die Wüstenkälte in seinem Rücken, die dort draußen in der Dunkelheit lauert, kann sie jedoch nicht vertreiben.

Gähnend zieht Jaxon die gefütterte Jacke enger um seine Schultern. Er streckt ein angewinkeltes Bein aus, näher zum Feuer hinüber, bis die Sohle seines Stiefels in einem Häufchen Asche von bereits verbranntem Unkraut sinkt.

Seine Augen brennen, einerseits aufgrund der Müdigkeit und andererseits wegen des grellen Feuerscheins. Es stellt die einzige Lichtquelle für Meilen dar. Jaxon kann nicht einmal die Konstellation des Orion über ihnen am Firmament ausmachen, denn seine Sinne sind zu sehr auf den Feuerschein konzentriert. Auf den Feuerschein und auf dem Mann, der auf der anderen Seite der Mulde mit dem brennenden Unkraut sitzt. Auch ihre Pferde und das einzige Zelt in ihrem Besitz sind nur groteske Umrisse in der vorherrschenden Finsternis.

Jaxons Blick kehrt zu dem jüngeren Mann mit den gepiercten Ohren und dem lächerlichen Namen zurück, zu dem Buch, dass er selbst jetzt noch bei diesen schlechten Lichtverhältnissen liest. „Man sollte meinen, dass selbst dir irgendwann mal die Augen zufallen müssten“, murmelt Jaxon, doch sein Gegenüber rührt sich nicht. Sein Gesicht bleibt unbewegt, während wirre Schatten von den flackernden Flammen auf seiner von der Sonne gebräunten Haut tanzen.

„Rosen“, sagt Jaxon, lauter diesmal.

Der Blick wird gehoben, starr und kalkulierend. Jaxon kennt diesen Ausdruck, denn auch der letzte Mann, dem er gefolgt ist, hat ihn getragen. „Was ist?“, fragt Rosen.

Jaxon verdreht die Augen. „Nichts.“

Ein Schnauben ertönt, gefolgt von dem Zuklappen des dicken Wälzers, der daraufhin im Sand landet. „Wenn nichts wäre, würdest du wohl kaum so oft rüberschauen.“

Sein Mund öffnet sich, doch eine Erklärung hat Jaxon nicht parat. Keine, die wasserdicht genug ist, um nicht von Rosen binnen weniger Sekunden in seine Einzelteile zerlegt zu werden. Seine Hände ballen sich zu Fäusten und er knirscht mit den Zähnen.

„Du bist ein Idiot, Jaxon“, sagt Rosen, dessen vollkommene Aufmerksamkeit er nun hat, denn Rosen ist ein Raubtier, das zu unschuldig aussieht. Die trainierten Muskeln versteckt er unter zu weiten Pullovern und Jacken und seine Instinkte hinter komplizierten Buchtiteln, die Jaxon nichts sagen. Er ist der Sohn seines Soldatenpapas, der die Narben eines Veteranen auf der Seele trägt, aber die Bildung der Bewohner der berüchtigten Städte eingetrichtert bekommen hat. Er ist besser als Jaxon und Jaxon hasst ihn.

„Weißt du, was das Problem dieser Welt ist?“, fragt Rosen, als ob die Beleidigung nicht gerade seine spröden Lippen verlassen hat. Er wartet nicht ab, denn Rosen hat es noch nie interessiert, was andere Leute denken oder zu sagen haben. „Das Problem ist die Klasseneinteilung. Schon zu den Zeiten von Karl Marx hat es sie gegeben. Die Aristokraten, die denken, dass ihnen alles gehört, dass sie etwas besseres sind. Besser als jeder Arbeiter, der die Masse bildet. Besser als wir. Als alle, die in den Kolonien leben. Deswegen sind sie auch so zimperlich.“

„Und wollen uns nicht in ihren kostbaren Städten“, fügt Jaxon hinzu, denn von den Ungerechtigkeiten des Lebens versteht er etwas. „Sie verstecken sich hinter ihren Mauern und pachten die restlichen Pfützen, welche die Meere zurückgelassen haben, während wir...“ Was eigentlich? Während sie in den Niemandsländern und den winzigen Kolonien, die hier draußen wacker gegen die Einöde kämpfen, zu überleben versuchen? Während sie dahinvegetieren.

„All das wird sich ändern“, antwortet Rosen und seine Augen ruhen auf Jaxon, als wartet er nur darauf, dass er seine Worte anzweifelt. Etwas Herausforderndes liegt in seinem Blick, ein Funke Wahnsinn, den schon Mitchell Bright gehabt hat. Mitchell Bright, der Mann, dem Jaxon eine Kugel in den Kopf gejagt hat, weil irgendjemand es tun musste und Jaxon noch nie ein Problem damit gehabt hat, sich dreckig zu machen.

Hier draußen in dieser endlosen Wüste gibt es nur Dreck, nur Sand, der Häuser und ehemalige Straßen unter sich begräbt, und vertrocknetes oder manchmal noch feuchtes Blut, das in der Dunkelheit mehr schwarz als rot wirkt.

„Eine Revolution beginnt mit einer Idee. Einer simplen Idee“, sagt Rosen und Jaxon hängt an seinen Lippen, weil er nur ein Schaf ist, das einen Führer braucht. Jaxon ist zu vertraut mit der Einsamkeit. Sie versteckt sich hinter jedem Busch und jedem Kaktus, zwischen den hohen Dünen, die jeden Tag anders aussehen und Reisende in die Irre führen, bis sie dem Durst erliegen und langsam vom Sand verschlungen werden.

Sie alle werden unter dem Sand enden. Alle, außer die Stadtbewohner, die ihn mit Mauern auszusperren versuchen und Handel betreiben, die Familien haben und ihre Kinder in die Schulen schicken. Das Leben ist zweigespalten, die Menschheit in zwei Klassen sortiert – und vor ihm sitzt ein Mann, der eine Idee hat.

„Ich bin vielleicht ein Idiot, aber du hast den Verstand verloren“, sagt Jaxon und greift nach dem gesammelten Unkraut, das an seiner Seite liegt. Er füttert das Feuer damit, das knistert und zischt und doch nur halb so gefährlich ist wie Rosen. „Und einen beschissenen Namen hast du auch“, fügt er hinzu.

Ein heiseres Lachen folgt, das Jaxon die Nackenhaare aufstellt. „Ich weiß. Meine Mutter... sagen wir einfach, sie hatte einen eigenartigen Geschmack.“ Daraufhin folgt ein Schweigen, dass schwer wie Blei auf Jaxons Schultern liegt. „Aber ich meine es ernst. Es wird sich etwas ändern. Sie können sich nicht ewig vor uns hinter Gestein verstecken. Wir sind in der Überzahl. Wir haben mehr Waffen.“

„Wer sind ‚wir’?“, fragt Jaxon.

Ihre Blicke treffen sich. „Ich glaube, das weißt du ganz genau, Jaxon.“ Rosens Worte sind ein Versprechen und Jaxon wird sich dem Gewicht seiner Beretta bewusst, die bedeutungsschwer in seinem Gürtel klemmt und gegen seine Hüfte drückt. Rosen ist ein Mann mit einer simplen Idee und Jaxon trägt Blut an seinen Händen, das schwarz schimmert.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück