Das erste Sprengen der Ketten
Jede Reise, jede Wanderschaft ist ein Aufbruch zu neuen Ufern, ein Sprengen der Ketten, die uns an den Felsen des Alltäglichen und Gewohnten schmieden.
Dr. Carl Peter Fröhling
*.: 。✿*゚‘゚・✿.。.:*Hikari*.:。✿*゚’゚・✿.。.:*
Hikari Yagami konnte ihr Glück immer noch nicht fassen. Nicht nur, dass sie mit ihren Freunden in New York war, in einer der tollsten Städte der Welt, wenn nicht sogar die Tollste. Nein, sie durften in einem der renommiertesten Luxushotel nächtigen und mussten noch nicht mal einen Cent dafür bezahlen. Nun erhielten sie auch noch die Nachricht, dass sie und ihre Freunde in dem Luxuriösen Hotel das Wellnessprogramm in ihrer kompletten Bandbreite ausschöpften durften. Es fühlte sich fast so an, als hätten sie an einem Gewinnspiel teilgenommen und das wäre der Hauptpreis gewesen. Schnell machte sich die junge Yagami frisch für den Tag und blickte noch etwas verschlafen aber vollkommen zufrieden zu ihrem Freund, als sie sah wie er sich eine kleine Tasche mit Badesachen packte, musste sie unwillkürlich Lächeln.
Der Blonde bemerke ihre Anwesenheit und lächelte sie ebenso an. „Wir haben schon wieder Post bekommen.“, verriet der Blonde seiner Freundin, wühlte etwas in seiner Tasche herum und zog eine Karte heraus. Grinsend ging Takeru auf seine Freundin zu und wedelte ungeduldig mit der Karte vor ihrer Nase herum. Mühsam versuchte die Braunhaarige ihrem Freund die Karte aus der Hand zu reißen, doch er war größer als sie und so gab sie schließlich enttäuscht auf. „Dann behalt sie doch…“, erwiderte sie schnippisch und wollte gerade an dem Blonden vorbei spazieren, als der Blonde seine Freundin am Ärmel zurückzog und sie so zwang bei ihm zu bleiben. Nicht, dass die Brünette sich da wehren würde, aber so hatte es fast etwas Dramatisches, was der Jüngeren irgendwie gefiel. Takeru reichte seiner Freundin die Karte, gab ihr dabei einen ausgiebigen Kuss, ehe er sich grinsend von ihr loseiste, um selbst das Badezimmer aufzusuchen. Neugierig laß die junge Yagami was auf dieser stand, mit pinker Schrift und Mimis Handschrift versehen, auf der Karte geschrieben, dass sie sich pünktlich und vollzählig um vier Uhr am Nachmittag vor dem Eingang des Hotels eintreffen sollten und alles Weitere dann erfahren würden. Die Braunhaarige schüttelte nur fassungslos den Kopf „Was hat sich Mimi-chan denn nun wieder ausgedacht?“, erklang ihre helle Stimme, durch das geräumige Hotelzimmer, der Blonde verließ unterdessen das Badezimmer wieder und legte noch ein paar Badezimmerutensilien in seine Tasche. „Ich weiß es nicht, aber so wie ich Mimi-chan einschätze, wird sie uns wieder umhauen“, erwiderte der junge Mann.
Betrübt blickte die Braunhaarige zu ihrem Freund. „Keru, was wenn der Koffer deines Bruders nicht rechtzeitig auftaucht und wir ohne Geschenk dastehen? Ich meine, sie beschenkt uns die ganze Zeit, obwohl sie das Geburtstagskind ist und zur Feier des Tages, haben wir leider kein Geschenk. Das können wir doch nicht bringen“, klagte die junge Yagami. Takeru hörte auf seine Tasche zu packen und blickte in die besorgten Augen seiner Freundin. „Ich bin mir sicher, dass der Koffer schon rechtzeitig hier sein wird, wir müssen einfach positiv denken“, erklärte der Träger der Hoffnung, ging erneut zu seiner Freundin, um ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht zu nehmen, legte ihr diese hinters Ohr und stieß dabei sanft seine Stirn gegen ihre. „Außerdem glaube ich, das Mimi-chan noch nicht mal besonders böse mit uns wäre, wenn wir ihr das Geschenk erst später zukommen lassen würden“, fuhr der Blonde fort. „Wieso glaubst du das?“, fragte die Braunhaarige verwundert.
„Weil sie genug Geld hat, um sich alles zu kaufen, was sie haben möchte. Es geht ihr nicht darum ihren Geburtstag zu feiern, um möglichst viele Geschenke abzusahnen. Sie wird sich freuen, dass wir hier sind, dass wir alle zusammen sind, dass wir nach so vielen Jahren mal wieder alle beisammen sind um mit ihr gemeinsam ihren Geburtstag zu feiern“, erklärte der Blonde seiner Freundin seine Theorie. „Aber es wäre natürlich trotzdem schöner, wenn wir nicht mit leeren Hände dastehen würden“, musste der junge Takaishi seiner Freundin recht geben.
Wieder durchfuhr der jungen Yagami eine wohltuende Gänsehaut. Sie konnte es sich selber nicht erklären, aber mit dem Blonden an ihrer Seite, fühlte sie sich einfach besser. Immer wenn die junge Frau das Gefühl hatte das sie nicht mehr weiterkam oder drohte zu fallen, war es als ergriff sie eine unsichtbare Hand von Takeru, die ihr wieder aufhalf und sie wie ein Leuchtfeuer durch die Nacht trug. Mit ihm an ihrer Seite konnte sie alles schaffen, da war sich die Braunhaarige sicher.
Nach einem ausgelassenen und nahrhaften Frühstück, bei dem keiner zu kurz kam und selbst eine Yuri sich über die Qualität und Vielfalt der Lebensmittel nicht beschweren konnte, machten sich die Freunde gemeinsam auf den Weg zu dem Wellness-Separee des Hotels. Sprachlos von der Architektur des Hotels musterte die Braunhaarige die warmen und sanften Farbtöne dieser Wohlfühloase, die angenehmen Gerüche die ihr dabei in die Nase steigen, ließ sie die Luft einmal mehr tief ein- und ausatmen, wenn sie jemals so etwas wie einen Jetlag hatte, war dieser spätestens beim Betreten des Separees verpufft. Mit den Mädchen der Gruppe teilte sich die Braunhaarige eine geräumige Umkleidekabine. „Ich glaube, ich habe noch nie in einem so bequemen Bett geschlafen“, strahlte die Rothaarige und schnürte sich dabei ihr Bikinioberteil im Nacken zu. „Ich auch nicht, die Zimmer sind sooo schön. Ich will hier gar nicht mehr weg“, stimmte Miyako ihrer rothaarigen Freundin begeistert zu und streifte sich dabei die Träger ihres Badeanzuges über ihre Schultern.
Yuri hatte weder einen Bikini, noch einen Badeanzug an. Sie zog sich einen rosanen Einteiler über, den die junge Yagami alles andere als schön fand. „Ist der nicht schön und praktisch?“, hakte die blonde Frau bei Hikari nach, als sie bemerkte wie diese sie beobachtete. „Also dir steht er wirklich ausgezeichnet, Yuri-chan, aber ich trag da schon lieber Bikini“, beschwichtigte die junge Yagami. Sie wollte sie nicht verletzten, aber sie wollte auch nicht, dass sie bei nächster Gelegenheit so ein Teil von ihr geschenkt bekam.
„Oh, du hast aber einen schönen Bikini an“, lobte Mira die Braunhaarige. Hikari war gerade damit beschäftigt gewesen, ihre grüne Bikinihose überzuziehen. „Danke, deiner ist aber auch sehr schön. Daisuke-Kun wird ihn sicher auch gefallen“, grinste das Mädchen die Cousine von Mimi vielsagend an. Mit rotem Kopf versehen, drehte sich das Mädchen von der jungen Yagami weg „Ist mir doch egal, ob es ihm gefällt.“, nuschelte sie, während sie ihre rotbraunen Haare in einen Dutt zusammenrollte und an ihrem Hinterkopf befestigte, einige Haarsträhnen lösten sich und fielen ihr locker ins Gesicht. Die Mädchen kicherten „Ach man kann doch sehen, wie sehr du ihn liebst, also lass ihn dir ja nicht, von einem anderen Mädchen wegnehmen.“, erwähnte die Trägerin der Liebe und blickte Mira durch den Spiegel in die Augen, um ihr ein gewinnendes Lächeln zu schenken. Mit immer noch roten Wangen senkte sie ihren Blick, erwiderte aber nichts mehr und verließ gemeinsam mit Yuri die Umkleidekabine.
Hikari, Miyako und Sora folgten zwei Minuten später, fanden die anderen beiden Mädchen aber nicht mehr. Miyako fand unterdessen ein Angebot einer Ganzkörpermassage und zog die Rothaarige, sowie ihren Freund und Cody einfach mit sich. Hikari ging zu ihrem Freund, der am Eingang des Schwimmbereichs auf seine Freundin gewartet hatte „Und was machen wir als erstes?“, fragte diese bei ihrem Freund nach „Lass uns in den Whirlpool gehen.“, schlug der Blonde vor „Gute Idee“, erwiderte Hikari strahlend und verliebt machten sie sich auf den Weg in die warme Nasszelle.
Zu zweit saß das junge Pärchen in dem Whirlpool und genossen die Zweisamkeit, als sie gerade dabei waren innige Küsse auszutauschen wurden sie von einer ordentlichen Portion Wasser angegriffen. Erschrocken ließ das Pärchen voneinander ab und sahen in den lachenden Gesichtern ihrer dämlichen Brüder. „Nehmt euch ein Zimmer!“, grinste Taichi und sah sie tadelnd an. „Boah Taichi, lass das gefälligst. Du nervst!“, zickte die jüngere der Yagami-Geschwister und fuhr ihren Bruder gleich an.
„Jaja, junge Liebe, was kann es schöneres geben“, kam es sarkastisch von dem Musiker und ließ sich ebenso in das warme Wasser gleiten. „Hast du was von deinem Koffer gehört?“, hakte der jüngere Blonde bei seinem Bruder nach. „Zumindest ist er gefunden wurden, allerdings in Los Angeles, die schicken ihn jetzt nach. Keine Ahnung wie der da hingekommen ist“, klärte Yamato das Pärchen auf.
„Vielleicht hättest du nicht die ganze Zeit mit der Flugzeugangestellten flirten sollen, dann hätte sie wenigstens ihren Job richtigmachen können“, grinste der Braunhaarige seinen besten Freund an. „Sie war ein Fan von mir – verständlich. Ich war nur nett.“, wehrte sich der junge Ishida gleich und hob seine Hände in die Luft, um seine Unschuld zu beteuern. „Du kannst doch gar nicht nett sein“, feuerte Taichi darauf zurück. „Klar, kann ich das und nur, weil du dein Mädchen nicht kriegst, musst du nicht gleich so fies werden“, stellte er grinsend klar und schloss triumphierend seine Augen. Augenblicklich schoss der Braunhaarige aus dem Whirlpool „Halt doch einfach deine Klappe!!!“, kam es ungehalten aus dem jungen Mann und verließ wütend die Vierer-Gruppe. „Das musste doch jetzt wirklich nicht sein…“, ermahnte nun auch die jüngere der Yagami-Geschwister den Älteren. „Man, der weiß doch wie ich das meine. Ich kann ja nicht ahnen, dass der gleich so empfindlich ist“, wehrte sich dieser und steig ebenfalls aus, um seinen besten Freund hinterherzueilen.
„Oh weia, das kann ja noch was werden…“, murmelte der Blonde und zog seine Freundin in seine Arme. In Gedanken versunken, lehnte sich das Mädchen an die Brust ihres Freundes an und sah betrübt ihrem Bruder hinterher. Sie wusste, was ihr Bruder für Mimi einst empfunden hatte. Damals – vor vielen Jahren, sprach er von nichts anderem. Hikari konnte das schon fast nicht mehr hören. Immer wieder erzählte er, dass keine so schön war, wie sie. Sie verbrachten so viel Zeit zusammen und beide strahlten, wenn sie Zeit miteinander verbracht hatten. Hikari war geschockt und überrascht, als sie erfuhr das Mimi mit Koushiro zusammengekommen war – ebenso wie Taichi. In so einem Zustand hatte die Braunhaarige ihren Bruder noch nie gesehen - dies blieb bis heute so. Nie konnte die Braunhaarige verstehen wie es dazu gekommen war. Sie mochte Koushiro keine Frage, er war ein lieber und gewissenhafter junger Mann. Ihr gegenüber stets eine guter und loyaler Freund, aber Taichi und Mimi waren sich so nah zu dieser Zeit gewesen, dass es schien als würden sie jeden Moment zusammenkommen und Hikari war sich sicher, dass auch Mimi für ihren Bruder tiefe Gefühle hatte. Taichi konnte den Anblick des Paares damals kaum ertragen und steuerte auf einen One-Night-Stand in den nächsten zu. Hauptsache der Kopf hörte auf zu reden oder viel mehr sein Herz. Kein Mädchen ließ er dabei näher an sich ran. Keine von den jungen Frauen ließ er in sein Herz oder seine Seele blicken, er ließ sie lediglich in sein Bett. Egal welches Mädchen er kennenlernte – für mehr als ein Abenteuer reichte es nie. Und noch nach all den Jahren war die Braunhaarige sich nicht sicher, ob er diese Gefühle nicht immer noch hatte. Er versuchte zwar verzweifelt sie aus seinen Gedanken zu verdrängen, aber vergessen konnte er sie nie.
Pünktlich und geschlossen standen die Freunde vor dem Eingang und waren ganz gespannt, was Mimi sich für ihre Freunde überlegt hatte. Hikari war etwas überrascht gewesen, als sie sah wie Taichi und Yamato wieder lachend und scherzend nebeneinander herliefen. Aber so war das bei den Beiden eben. In einem Moment hassten sie sich, im nächsten liebten sie sich wieder. Verstehen konnte es keiner, wahrscheinlich sie selbst nicht mal. Sie beschloss sich nicht weiter Gedanken über ihren Bruder zu machen. Es brachte ja doch nichts, zu versuchen aus ihm schlau zu werden und außerdem wusste Taichi, dass er immer zu ihr kommen konnte, wenn ihn irgendetwas bedrückte. Jetzt freute sie sich nur darauf Mimi nach all der Zeit wiederzusehen. Wie oft hatten Hikari und ihre Freundinnen einfach die Sehnsucht verspürt, sie zu sehen. Mit ihr zu reden, über dumme Sachen, die sonst kein anderer Verstand. So viele Jahre waren vergangen. Aus Wochen wurde Monate und aus Monate schließlich Jahre. So ganz schafften sie es nie sich alle zu treffen. Irgendwie fehlte immer irgendwer. Ein Puzzleteil blieb immer aus, doch heute würde sie endlich wieder all zusammen kommen...
*.: 。✿*゚‘゚・✿.。.:*Mimi*.:。✿*゚’゚・✿.。.:*
„Schon wieder eine Nacht durchgemacht, was?“ Erschrocken fuhr die Angesprochene zusammen, als die mahnende Stimme an ihr Ohr drang und sie aus ihrem friedlichen Schlaf weckte. Sofort erhob sich die junge Frau und blickte in die grünen Augen ihres Gegenübers. Verschlafen rieb sie sich die müden Augen, während sie ihn verwirrt ansah. Erst jetzt fiel ihr auf, dass sie über ihren Unterlagen eingeschlafen war. Auf ihrem Schreibtisch tummelten sich die Anmeldeformulare für ihre zukünftigen Planungen sowie die Exmatrikulationsbescheinigung ihres aktuellen Studiengangs. Mit dieser Erkenntnis fuhr sie noch einmal zusammen, kurz bevor sie die Unterlagen notdürftig zusammenschob, damit Michael keinen Einblick auf diese bekam. Da dieser seine Aufmerksamkeit sowieso auf ihr Dekolleté gerichtet hatte, fiel ihm das Chaos auf ihrem Schreibtisch nicht einmal auf.
„Was machst du hier?“, fragte Mimi müde, während sie sich noch immer den Schlaf aus den Augen rieb. „Deine Eltern haben mich reingelassen. Du sollst dich nochmal mit dem Hotel auseinandersetzen und nochmal über die Speisekarte schauen. Außerdem sind deine Freunde gestern angekommen…“, erklärte er nüchtern. Mimi wusste, dass ihre Freunde gestern angekommen waren, doch sie hatte es nicht geschafft, diese auch zu empfangen. Im Namen ihres Vaters hatte sie mit einer Spedition verhandeln und die eingetroffene Ware überprüfen müssen. Zudem waren auch noch organisatorische Belange hinzugekommen, so dass es erst spät wurde, bis sie zuhause angelangt war. Ihr Vater war mal wieder auf Geschäftsreise und hatte sie mit allem alleine gelassen. Denn auf seine inkompetenten Vertreter war nun wirklich kein Verlass.
Wie sehr sie es doch hasste, dieses Studium zu machen und später diesen Job ausüben zu müssen. Das alles hasste sie. Aber ihrem Vater zur Liebe hatte sie das Studium begonnen. Mittlerweile bereute sie diese Entscheidung übers Maß hinaus und plagte sich damit nur noch rum. Sie kam kaum mehr raus, wurde immer mehr als alle anderen mit eingespannt und bekam jedes Mal die eifrigen Planungen mit, sie als Nachfolgerin für das erfolgreiche Unternehmen einzusetzen. Doch Mimi wollte das alles überhaupt nicht. Dieser Geburtstag würde weitaus mehr in ihre Leben verändern, als es jemand anderes für sie plante.
„Das erklärt noch immer nicht, was du hier machst? Ich wollte mich sowieso heute ins Hotel begeben…“, murrte die Tachikawa genervt. Warum musste ihre Mutter dem Blonden auch immer reinlassen, ohne dass sie ihre Tochter zuvor fragte. Manchmal wollte sie Michael einfach nicht sehen. Denn meist verfolgte er nur eine Intension, wenn er sie persönlich aufsuchte. „Und könntest du es mal lassen, mir so offensichtlich in den Ausschnitt zu starren?!“, kam es genervt über die Lippen der jungen Frau. Doch ehe sie sich versah, hatte Michael schon ihr Gesicht gepackt und seine Lippen auf ihre gedrückt. In ihrem Stuhl sitzend, drehte er sie so um, dass sie besser küssen und packen konnte. So griff er mit seinen Händen unter ihren Hintern und setzte sie auf den Schreibtisch, nur um ihr wenige Sekunden später unter ihren Rocken zu fahren. Mimi erwiderte seinen Kuss erst gar nicht. Stattdessen legte sie ihre Hände an ihre Brust und drückte den Blonden von sich. Wütend und schwer atmend sah sie ihn an. „Was soll der Scheiß?“, fragte sie ihn aufgebracht. „Was meinst du?“ „Seh ich so aus, als hätte ich darauf gerade Lust?“ Michael zuckte unbekümmert die Schultern. „Du hast in letzter Zeit nie Lust…“, erwiderte Michael murrend. „Ich hab halt viel zu tun…“, erwiderte Mimi nur mit zusammengebissenen Zähnen. Sie sah Michael fast schon unsicher an. In letzter Zeit verlor er ziemlich häufig die Fassung. „Ist das deine Ausrede dafür, mich wie ein Fisch zappeln lassen? Was hast du denn so viel zu tun?“, schrie er sie nun an. Ehe die Tachikawa überhaupt antworten konnte, hatte Michael sie von ihrem Schreibtisch geschubst und sah ganz direkt in ihre Unterlagen. Es war für Mimi zu spät, dagegen zu agieren, denn bereits im nächsten Moment weiteten sich die Augen des Blonden, nur um sie einen Moment später in einen wütenden Ausdruck zu verwandeln.
„Was. Ist. Das.???“, fragte er bissig und fixierte Mimi wütend. Diese wich einen Schritt zurück. „Exmatrikulationsbescheinigungen?! Was hat das zu bedeuten?!“, schrie er weiter. „Und warum liegen hier Anmelde-Dokumente von der Mode Gakuen rum?! Willst du mich verarschen?! Die Schule ist in Japan!“ Noch immer schrie er die Brünette an, diesmal jedoch, wollte sie sich von ihm nicht einschüchtern lassen. „Wow… das hast du aber gut gelesen…“, erwiderte sie sarkastisch. Michael war Feuer und Flamme, als er sie brutal am Handgelenk packte und eindringlich ansah. „Du willst zurück nach Japan?“ „Ja!!!“, erwiderte sie wütend. „Lass mich los, Michael!!“, wurde nun auch sie lauter und versuchte sich aus seinem Griff zu befreien. „Was ist mit uns?“, fragte der Blonde, ohne Anstalten zu machen, sie loszulassen.
„Es gibt schon lange kein uns mehr!!! Die gesamte Zeit geht es nur um dich!!“
Nun hatte es Mimi geschafft, sich aus dem Griff ihres Freundes zu befreien und rieb sich ihr schmerzendes Handgelenk. Michael sah sie mit einem schockierten Ausdruck in den Augen an. „Was willst du damit sagen?“, fragte er erschüttert. Mimi richtete den Blick zum Boden und sah traurig zur Seite. Doch als sie auf das Bild blickte, welches sie damals mit den anderen Digirittern gemacht hatte, fasste sie einmal mehr neuen Mut.
„Ich glaube, es ist besser, wenn wir uns trennen…“
„Das ist jetzt nicht dein ernst, oder?“ Anstatt getroffen oder verletzt zu wirken, schien es Michael viel mehr wütend zu machen, dass sich Mimi gegen ihn auflehnte. Doch sie hatte nichts mehr zu verlieren. Schon seit mehreren Monaten haderte sie mit ihrem Gewissen, ob die Beziehung überhaupt noch Sinn machte. Mimi liebte Michael nicht. Dass hatte sie noch nie getan. Er war der Sohn eines hoch angesehenen Geschäftspartners ihres Vaters und ebenso wie sie einer der Digiritter. Als dieser verkörperte er normalerweise bestimmte Tugenden und Charaktereigenschaften, aber in den Jahren hatte er sich in ein Arschloch verwandelt, dem sein eigenes Wohl am Wichtigsten war. Damals hatte sie ihn unabhängig von ihrem Vater kennengelernt und er war in Amerika stets für sie dagewesen. Besonders nach der Trennung mit Koushiro war er ihr eine kostbare Stütze gewesen. Sie waren schneller zusammengekommen, als dass sie hatte bis drei zählen können. Seither hatte Michael eine 180°-Wendung gemacht. Nichts war von dem freundlichen, aufopferungsbereiten jungen Mann übriggeblieben. Stattdessen verfolgte er hartnäckig und ehrgeizig sein Studium und arbeitete engagiert in der Firma seines Vaters mit. Zumal er ihre Eltern gehörig dabei unterstützte, sie von Tag zu Tag mehr unter Druck zu setzen.
„Seh ich aus, als würde ich Witze machen?!“, entfuhr es der Kleineren. „Das alles hat doch eh keinen Sinn. Ich werde nicht in Amerika bleiben. Das alles ist nicht das, was ich mir vom Leben vorstelle!“ „Wissen deine Eltern schon von deinen Plänen?“ Mimi schüttelte nur schweigend den Kopf. „Dein Vater wird begeistert sein. Schließlich freut er sich darauf, dass du seine Firma irgendwann übernimmst.“ Schweigend sah Mimi noch immer zu Boden, traute sich nicht, etwas auf die zynischen Worte ihres Gegenübers zu erwidern. Wie recht er doch hatte. Mit den getroffenen Entscheidungen würde sie ihre Familie nicht glücklich machen. Deshalb hatte sie das alles noch gar nicht angesprochen. Aber sie würde so nicht glücklich werden. Mit jedem Schritt, den sie ging, bewegte sie sich immer mehr den Abgrund entgegen. Doch wenn sie unterging, dann wenigstens mit erhobenen Haupt und mit etwas, auf das sie zurückblicken und stolz drauf sein konnte.
„Tzz…du wirst deine Meinung schon ändern.“, murrte Michael und streckte seine Hände in die Hosentaschen. „Als ob du einfach so gegen deine Familie agieren würdest. Zumal ich weiß, wie sehr du mich brauchst!“ Ein fieses Grinsen schlich sich auf die Lippen von Michael, der Mimi entgegen schritt und ihr Kinn zwischen Daumen und Zeigefinger nahm. Er zwang die Jüngere dazu, ihn in die grünen Augen zu sehen. „Ich bin geduldig. Ich weiß, dass du dir das alles noch Anderes überlegen wirst!“, flüsterte er.
Danach ließ er von der Brünetten ab und ging an ihr vorbei. An ihrer Zimmertüre hielt er einen Moment und lehnte sich an den Türrahmen. „Ich werde deinen Eltern noch nichts von deinen Plänen verraten… Wir sehen uns morgen. Hoffentlich bist du bis dahin zur Besinnung gekommen.“, erklang seine Stimme noch kurz, bevor sie nur noch die Töne seiner Schritte vernahm.
Noch immer zitterten die Knie der Tachikawa, während ihr Blick auf den Schreibtisch fiel. Sie überwand die zwei Meter zu diesem und beugte sich über den Papierkram. Mit einem Lächeln sah sie sich ihre Unterlagen an. „Wie immer nimmt er mich nicht für voll…“, sprach sie zu sich selbst, als sie aus ihrer Schublade das Flugticket zog. „Dabei ist es mir diesmal vollkommen ernst…!“, flüsterte Mimi weiter.
„Ich werde zurück nach Hause gehen…“
Daraufhin verschwand Mimi im Badezimmer, wo sie sich ihrer Kleider entledigte und sich einer ausgiebigen Dusche hingab. Nach einer solch durchzechten Nacht, kam ihr das Wasser an ihrem Körper gerade recht. Es dauerte gut zwei Stunde, bis sich Mimi wirklich dazu bereit fühlte, sich auf den Weg zu machen. Bereits zuvor hatte sie den heutigen Tag geplant. Diesmal jedoch hatte sie sich freigenommen und verzichtete auf die Verpflichtungen ihres Berufes, der schon bald sein Ende finden würde. Oh Gott. Es stand wirklich viel für sie auf dem Spiel. Sie wusste, dass sie mit ihren Entscheidungen einen Bruch in die Beziehung zu ihren Eltern brechen würde, doch sie konnte nicht anderes. Mimi war einfach nicht mehr glücklich. Sie war am Ende ihrer Kräfte angelangt.
Glücklich würde sie nur gemeinsam mit ihren Freunden werden. Diese lebten jedoch nicht hier. Nicht in ihrer Nähe. Nicht einmal ansatzweise. Per Mail wollte sie mit ihnen nicht über ihre Probleme redete. Doch sie brauchte ihre Freunde wie ein Lebewesen den Sauerstoff.
Mimi hatte veranlasst, dass die anderen Digiritter den heutigen Tag über das Verwöhn-Programm des Hotels voll nutzen konnten. Zwischenzeitlich war auch Mimi im Hotel zu Gegen, allerdings nur, um noch einmal über die Speisen des morgigen Tages zu sprechen und einige organisatorische Angelegenheiten zu klären. Sie vermied es dabei, auf ihre Freunde zu treffen. Denn das heutige Treffen hatte sie bereits zur Perfektion erprobt und geplant. Daher machte sie sich nach gut einer halben Stunde auf dem Weg zum Rockefeller Center, um dort ihren Wagen zu parken und in das Gebäude zu gehen.
Ein Blick auf ihre Uhr verriet der modebewussten Dame, dass ihre Freunde wohl gerade abgeholt wurden und in schätzungsweise zwanzig Minuten hier ankommen würde. Mimi konnte ihre Aufregung kaum verbergen. Mit guter Laune schritt sie durch den Eingangsbereich des General Electric Building, dem sowohl höchsten als auch das bekannteste Gebäude des Rockefeller Centers. Da die Firma ihres Vaters einige Büros in dem Gebäude aufzuweisen hatte, war es für Mimi keinerlei Problem, das Gebäude zu betreten. Mit einem Lächeln wurde sie von dem Portier erwartet, der sie zum Fahrstuhl führte, nur damit sie die siebzig Stockwerke nach oben überwinden konnte. Oben angekommen erreichte sie die sagenumwogene Aussichtplattform, die bereits einen gedeckten Tisch und stimmungsvolle Musik vorzuweisen hatte. Ihre letzten Tage nutzte Mimi, um sie in Amerika auch wirklich genießen zu können.
Immer wieder beeindruckt betrachtete sie das unglaubliche Panorama, welches sich vor ihr erstreckte. Von hier aus würden sie später einen wundervollen Sonnenuntergang beobachten können und die Skyline von New York anschauen. Verträumt schritt sie auf die Dachterrasse. Sie war froh, dass sie die Möglichkeiten hatte, ihren Freunden diese Aussicht zu ermöglichen und sie zudem zu einem leckeren Essen einzuladen. Wobei anzumerken war, dass Mimi natürlich gängige Speisen wählte und keinen überkandidelten Fraß. Ihr selbst hingen die amerikanischen Speisen zum Hals heraus und von den typischen 5-Gänge-Menüs ihres Elternhauses wollte sie gar nicht erst anfangen.
Gedankenversunken sah sie gen Himmel und lehnte sich an das Geländer. Sie hatten Glück, dass sie sich mitten im Sommer befanden, es abends lange hell blieb und die angenehmen Temperaturen genüsslich auf ihrer Haut prickelten. So würden sie einen absolut schönen Abend miteinander genießen können. Gemütlich aber schön, einfach, um ihr Wiedersehen zu feiern.
Viel zu Lange hatte sie nach den Wünschen ihres Vaters gelebt. Natürlich war sie stolz auf ihn und ihre Mutter. Aus dem Nichts hatten sie ein wahres Imperium gestampft und hatten expandiert. Aber das alles war nicht die Welt von Mimi. Sie hasste dieses Leben. Schön. In manchen Momenten war der Luxus wirklich Gold wert. Aber er machte nicht glücklich. Zumindest nicht auf Dauer und schon gar nicht, wenn man ihn sich nicht selbst leisen konnte, sondern auf Kosten anderer lebte. Nein. Sie wollte sich selbst was aufbauen und mit Stolz darauf zurückblicken können.
„Miss Tachikawa? Ihre Freunde sind soeben eingetroffen!“, riss sie die Stimme des freundlichen Angestellten aus den Gedanken. In diesem Moment erklang auch das „Piepen“ des Fahrstuhles, welches andeutete, dass ihre Freunde den 70. Stock erreicht hatten. Ohje, sie hoffte nur, dass keiner von ihnen unter Höhenangst litt. Denn dann würde das hier zu einer Qual werden.
Schon ganz aufgeregt sah die junge Frau zur Türe, kurz bevor sie die Plattform verließ und in den Vorraum schritt, der von einer Glaswand umgeben war. Als erstes erblickte sie Koushiro. „Leute!!!“, quiekte die junge Frau glücklich auf und hielt auch wirklich nicht mehr an sich. Mit einer stürmige Umarmung schloss sie als erstes ihren geliebten Computer-Nerd in die Arme. Dieser wirkte gar ein wenig überfordert, doch schnell verwandelte sich diese Überforderung in Erleichterung und Freude. „Es freut mich, dich endlich wieder in die Arme schließen zu können!“, klang die Stimme des Rothaarigen an ihr Ohr. Mimi schaffte es nicht mehr, ihre Freudentränen zurück zu halten. Sie nickte nur. „Ne…ich bin auch froh!“, flüsterte sie schniefend.
Nach gut zwei bis drei Minuten löste sich die Tachikawa von Koushiro, sah ihn noch einmal liebevoll an und wand sich dann auch ihren anderen Freunden zu. Miyako sprang der Tachikawa förmlich in die Arme und weinte einen Sturzbach an Tränen, ihr großes Idol endlich wieder zu sehen. Soras Begrüßung fiel etwas verhaltener, dafür aber genauso innig aus. Ebenso wie die herzliche Umarmung, die sie mit Joe teilte. Freundlich begrüßte Mimi auch dessen Freundin, welche sie argwöhnisch begutachtete. Im ersten Moment dachte sich die Tachikawa nichts dabei.
„Mein Lieblingspärchen! Endlich erlebe ich euch mal live!“, kicherte Mimi glücklich und schloss Takeru und Hikari fast gleichzeitig in die Arme, die über den Kommentar von ihr nur verhalten lächelten. Auch Daisuke und Ken sowie Cody schloss sie in eine innige Umarmung. Daraufhin begrüßte sie auch ihr liebste und einzige Cousine mit einer ausgiebigen Knuddelattacke.
„Mensch, du hast dich ja richtiggemacht!“, erklang dann auch die flirtende Stimme von Yamato an ihr Ohr, der sich zu ihr gesellt hatte und neckisch angrinste. Mimi hob nur unbeeindruckt die Augen, bevor auch sie ihn lieb umarmte. Dass nach dem Lösen sein Blick über ihren Körper glitt, entging nicht nur ihr. „Genug gestarrt, du Perversling!“, erklang die mahnende und streng wirkende Stimme von Taichi, der das Schlusslicht der Gruppe gebildet hatte. Seinen Freund hatte er an seiner Jacke einige Meter zurückgezogen und sah diesen dementsprechend an. Yamato grinste nur knapp. „Ist ja schon gut!“, lachte dieser und entfernte sich einige Meter, kurz bevor haselnussbraune Augen das dunkle Braun von Taichi erblickten.
„Gut schaust du aus!“, grinste der Wuschelkopf. Mimis Herz flatterte aufgeregt, kurz bevor er sie in eine Umarmung zog und dadurch sogar veranlasste, dass sie leicht vom Boden abhob. Sie selbst legte ihren Kopf gegen seine Schulter, während sich ihre zierlichen Finger in seinem Nacken festhielten. Es war ihr vollkommen egal, was die anderen davon hielten. Sie wollte dieses Gefühl nicht einfach enden lassen. „Ich habe dich vermisst…“, flüsterte sie so leise, dass es nur Taichi hören konnte. Seine Hand drückte ihren Kopf gar ein bisschen fester gegen seine Brust.
„Ich dich auch, Prinzessin…“