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Bloody Eternity

von

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Unerwünscht

In den folgenden Tagen tat Aiden genau das, was Jane ihm geraden hatte; dort bleiben, wo er hergekommen war, nämlich in der Nacht und vorrangig in dunklen Seitengassen. Er jagte, einfach, um etwas zu tun zu haben und um nicht aus Gewohnheit vor dem Haus der McCollins herumzulungern. Dieses, sowie die Universität mied er beharrlich und er tat alles, um nicht an ein gewisses nervtötendes kleines Mädchen zu denken, aber sie schaffte es immer wieder, sich in seine Gedanken zu schleichen.

Glaubte sie wirklich, sie habe das Recht, derart auf seinen Gefühlen herum zu trampeln? Was wusste sie bitte davon, was seine Jane durchgemacht hatte? Was er durchgemacht hatte? Sie verstand ihn nicht, machte sich nicht mal die Mühe es zu versuchen. Wie das Kind, das sie war, beharrte sie auf ihrer sogenannten ´Meinung`, die ausschließlich aus Hass und Vorurteilen beruhte, und dennoch hielt sie sich für das Zentrum der Welt.

Die Tage verbrachte Aiden eingesperrt in seinem Zimmer, das inzwischen eher wie ein Bücherflohmarkt aussah. Das erregte schon die Sorge der Besitzerin, die ihn eines Abends, als er gerade im Gehen begriffen war, ansprach und fragte, ob alles in Ordnung sei. Er lächelte nur und verließ das Hostel, aus dem er vielleicht bald ausziehen würde. In den letzten Tagen hatte er überlegt, wohin er als nächstes gehen sollte. Irgendetwas Warmes…

Südkorea vielleicht, aus purer Neugierde.

Auch in dieser Nacht kehrte er sehr spät zurück, und auch heute hatte er wieder nicht getötet. Es ärgerte ihn selbst, aber er hielt sich daran, was er Jane versprochen hatte. In der ersten Nacht hatte er aus reiner Wut jagen wollen, aber als die dunkelhaarige junge Frau dann vor ihm gelegen hatte, hatte er daran gedacht, dass sie eine Familie hatte, die sie vermissen würde, und es nicht über sich gebracht. Obwohl es seine Natur war. Obwohl er nie Gewissensbisse deswegen gehabt hatte. Obwohl er keinem der Mädchen irgendetwas schuldig war. Und er hatte Jane verflucht, aber seine Beute am Leben gelassen.

So war es jede Nacht gewesen seither, entsprechend frustriert war er, als er leise durch das Hostel ging und sein Zimmer aufsperrte - Wobei er feststellte, dass der Türrahmen zerbrochen war. Irritiert blinzelnd blieb er stehen, dann witterte er, aber die Fährte war alt, niemand war in dem Raum. Trotzdem war er vorsichtig, als er eintrat, und er blieb schlagartig wieder stehen, als er die Verwüstung sah. Das Bett war zerfetzt, die Kleider aus dem Schrank gerissen, ja, sogar im Bad herrschte absolutes Chaos. Misstrauisch sah er sich um, bevor er sich auf die Suche nach seinem Handy machte, um die Polizei zu informieren; etwas anderes würde ihm ja nicht übrig bleiben. Menschen fänden es seltsam, die Gesetzeshüter nicht einzuschalten. Der Vampir dagegen empfand es als seltsam, dass so etwas überhaupt passiert war. Was sollten Einbrecher in so einem günstigen Hotel suchen?

Es dauerte eine Weile, bis Aiden eingestehen musste, dass sein Telefon nirgends zu finden war, was ihn irritierte, denn sein Geldbeutel war noch da. Schließlich ging er, um das Telefon an der Rezeption zu benutzen, und eine halbe Stunde später waren ein paar übermüdete Polizisten vor Ort, die vermutlich dachten, dass er das in einem Wutanfall selbst angerichtet hatte. In den anderen Zimmern des Hauses war nämlich scheinbar alles in Ordnung und der Tresor hinter der Rezeption war nicht angerührt worden.

Als die Polizisten schließlich wieder gingen, war die Sonne bereits aufgegangen und Aiden hatte keine Minute geschlafen. Zwar hatte er keine Angst, aber es zog ihn auch nicht in das Zimmer, er wollte sich bewegen, darüber nachdenken, wieso das passiert war. Also ging er in den frühen Morgen, wich möglichst jedem Menschen aus, den er wahrnahm, und ließ sich von seinen Füßen einfach tragen. Nicht mal der Rezeptionist hatte den Eindringling bemerkt, aber es war spät gewesen, überlegte der Vampir unterwegs, vielleicht war er eingeschlafen. Jedenfalls konnte er sich keinen Reim auf diesen Einbruch machen.

Nach einer gefühlten Ewigkeit hielt er an, hob den Blick und musste fast lachen, als er sah, wo er gelandet war. Na, wundervoll, das hatte ihm gerade noch gefehlt…

Das Haus der McCollins sah friedlich aus im Regen des Morgens und es brannten schon Lichter, also waren die Damen wohl bereits wach. Er hielt sich bedeckt, als erst Mrs McCollin, später Jane das Haus verließ, denn er wusste nicht, was genau ihn hierher getrieben hatte. Seine ehemalige Partnerin wollte ihn sicher nicht sehen, nach dem, was er ihr an den Kopf geworfen hatte. Inzwischen bereute Aiden seine Worte; Gott, er war so ein Arschloch gewesen, und das, obwohl sie kurz davor einen Zusammenbruch gehabt hatte. Trotzdem wusste er nicht, wo er hin sollte, also blieb er und wartete am Rand des Anwesens. Hier konnte er genauso gut nachdenken wie sonst wo.

Er war in Gedanken versunken, sah aber einmal kurz auf, als er sich beobachtet fühlte. Stirnrunzelnd blickte er die Straße runter, aber da war nichts zu sehen. Wahrscheinlich hatten ihm seine Nerven einen Streich gespielt, also schüttelte er den Kopf und überließ sich wieder seinen Überlegungen, bis die Tochter des Hauses ein paar Stunden später zurückkehrte.

Er stieß sich von der Wand ab und ging vorsichtig auf sie zu. "Hallo", sagte er und biss sich auf die Unterlippe.

Den ganzen Vormittag lang hatte er überlegt, was er sagen sollte, wenn sie vor ihm stand, aber ihm war nichts eingefallen, das sein Verhalten wieder gutmachen würde. Immerhin hatte er ganz genau gewusst, wie schlecht es Jane zu diesem Zeitpunkt gegangen war, und er hätte sich nicht so von ihrem Kommentar über Jane Grey reizen lassen sollen. Normalerweise war das überhaupt nicht seine Art, aber das Abbild seiner Geliebten sagen zu hören, ihr Tod sei ´irrelevant`, weil er schon so lange her und sowieso nicht mehr zu ändern sei, war hart für ihn gewesen. Mit dieser Aussage hatte sie seine gesamte Existenz als Vampir in Frage gestellt, denn er hatte sein unendliches Leben der Reue gegenüber der Neuntage Königin verschrieben. Jetzt von ´ihr selbst` gesagt zu bekommen, das sei falsch gewesen, war schwer zu verdauen.

Und es hatte Aiden vor Augen geführt, wie sehr er die beiden Frauen geistig nach wie vor vermischte, obwohl er der modernen Jane etwas anderes gesagt hatte. Ihr Ausraster hatte insofern etwas Gutes, dass er dem Vampir tatsächlich geholfen hatte, sie emotional weiter voneinander zu trennen.

Diese Erkenntnis war ihm natürlich nicht sofort zugeflogen, er hatte lange darüber nachgedacht. Er brauchte nicht so viel Schlaf wie ein Mensch, aber sich die ganze Nacht um die Ohren zu hauen hinterließ dann doch seine Spuren, außerdem hatte ihn die ganze Geschichte mitgenommen und noch dazu war er nass, weil er den halben Tag im Regen gestanden hatte.

Janes eigentlich entspannter Gesichtsausdruck verdüsterte sich sofort, wurde hart. Dabei interessierte es die Vampirjägerin offensichtlich nicht im Geringsten, weshalb er so fertig und grässlich aussah. Anstatt auf seine Begrüßung einzugehen, verengte die junge Frau die Augen und gab lediglich ein genervtes: „Was willst du hier?“, von sich.

"Es tut mir leid. Was ich gesagt hab und auch, dass ich jetzt hier bin, aber… Ich wusste nicht, wo ich hin sollte und ich bin irgendwie einfach hier gelandet."

"Du kannst dir deine Entschuldigung sonst wohin stecken oder jemandem sagen, den es interessiert. Ich muss das nicht hören. Ich will lediglich, dass du dich verziehst und nicht mehr bei mir blicken lässt. Also tu mir den Gefallen und hau ab", entgegnete sie eiskalt und wandte sich wieder der Haustür zu.

Ihre Reaktion auf ihn war haargenau, wie Aiden sie sich ausgemalt hatte, vielleicht eher noch etwas sanfter. Wahrscheinlich hätte er gar nicht erst kommen sollen, aber es hatte ihn ganz natürlich zu ihr gezogen, und nachdem er sie gesehen hatte, hatte er nicht mehr gehen können. Jetzt wünschte er, er hätte es getan, denn ihre Wut war scheinbar kein Stück geringer geworden.

"Ich weiß nicht, wohin", sagte er, als sie sich schon abgewandt hatte. Das war nicht ihr Problem, das würde sie ihm sicher gleich an den Kopf knallen, aber irgendwie wollte er es ihr doch sagen. "Es tut mir leid, aber bei mir wurde eingebrochen und ich kann nicht zurück, bis sie ein anderes Zimmer frei haben."

Er fuhr sich durch das nasse Haar und seufzte leise. Nach allem hier aufzutauchen und dann auch noch auszusehen wie ein Penner war eine ziemliche Frechheit, und er hatte ihr nicht mal etwas als Entschuldigung mitgebracht. Wahrscheinlich hätte sie ihm alles, was er ihr gegeben hätte, postwendend an den Kopf geschmissen, aber der Versuch wäre wenigstens höflich gewesen.

"Du hast Recht, ich hätte dich nicht belästigen dürfen. Bitte entschuldige", wiederholte er mit einer angedeuteten Verbeugung, dann drehte er sich um und ging. Jane achtete nicht weiter auf den durchnässten Vampir hinter sich, schloss das Anwesen auf und trat hinein ohne sich nochmal umzusehen.

Auf dem Gehweg vor dem Haus hatte er schon wieder dieses merkwürdige Gefühl, nicht alleine zu sein, aber als er sich umsah, war die Straße verlassen. Misstrauisch blieb er noch eine Weile, doch dann zog er sich mit einem letzten Blick auf das Haus der McCollins zurück.
 

Er schickte Jane direkt am nächsten Morgen einen Strauß Rosen, auf deren Etikett schlicht: "Es tut mir leid", stand. Nachdem seine eigene Wut verraucht war, kam sie ihm albern und übertrieben vor. Zumal Jane irgendwo Recht hatte; Jane Grey war tot… Nur bedeutete das für Aiden nicht, dass er sie vergessen konnte oder nicht mehr in ihrer Schuld stand.

Allerdings trieb er sich wieder öfter in der Nähe ihres Anwesens herum, und während er darauf achtete, den Bewohnerinnen nicht über den Weg zu laufen, bemerkte er immer wieder, dass er nicht der einzige Vampir war, der sich in der Nähe aufhielt.

Vier Tage später ging er über eine Straße, als ihn dieses Gefühl, beobachtet zu werden, wieder überkam - und diesmal sah er sogar den Schatten einer Person davon huschen. Blitzschnell lief er ihr nach, wobei er gar nicht auf die Richtung achtete. Die Gestalt war immer einen Block voraus, wodurch Aiden stets nur einen Fuß oder Fingerspitzen hinter einer Häuserecke verschwinden sah. Er bog soeben um eine solche, da musste er abrupt abbremsen, als er - wie sollte es anders sein? - fast mit Jane zusammengestoßen wäre, die wohl gerade spazieren gegangen oder einkaufen gewesen war.

"Ich... Also...", stammelte er, indem er einen Schritt zurück wich. "E-es ist nicht so, wie es aussieht..."

Er kniff die Augen zu. Was war das denn für ein Schwachsinn? Außerdem hatte er gerade besseres zu tun, als sich vor Jane zu rechtfertigen. Er blickte an ihr vorbei, aber die mysteriöse Gestalt war bereits verschwunden.

Etwas irritiert blinzelte die junge Frau, ehe sie auf seine aufgelöste Art hin nur leicht die Stirn runzeln konnte. Dabei fiel ihr natürlich sein Blick auf, der an ihr vorbeiging und instinktiv drehte sich Jane um, um hinter sich etwas ausmachen zu können - jedoch entdeckte sie nichts Ungewöhnliches. Von daher wandte sie sich wieder Aiden zu.

„Was ist los?", wollte die Vampirjägerin wissen.

"Ich… Bin mir nicht sicher", antwortete er ausweichend und fuhr sich durch die Haare, dann gab er langsam die Abwehrhaltung auf. Er hätte erwartet, sie würde ihn wieder anschnauzen, dass er hier nichts zu suchen hatte - Was ja stimmte. Doch Jane sah nicht mehr aus, als würde sie gleich auf ihn losgehen, also wagte er es, sich ein wenig zu entspannen. Was sie allerdings zu dieser Besänftigung gebracht hatte, war ihm nicht ganz klar. War sie krank? Er suchte nach Anzeichen dafür, aber sie wirkte in Ordnung, jedenfalls wesentlich gesünder als vor knapp drei Wochen, als sie zuletzt richtig gesprochen hatten.

Von seiner Vermutung bezüglich eines anderen Beobachters wollte er noch nicht wirklich erzählen, denn er war sich einfach zu unsicher. Es war normal, dass hier mal ein Vampir oder sonstiges Wesen vorbei spazierte. Und Jane hatte klar gemacht, dass ihr Schutz ihn nichts anging. Wenn er jetzt mit derartigen Hirngespinsten anfing, würde ihre Ruhe wahrscheinlich nicht mehr vorhalten. Und trotzdem kam es ihm spanisch vor, ständig einen anderen Blutsauger in der Umgebung zu wittern, vor allem, weil bisher noch keinem der Anwohner etwas passiert war.

"Was meinst du mit 'ich bin mir nicht sicher'? Das heißt, es gibt wohl einen Grund, weshalb du so aufgelöst hier rumlungerst", verlangte die Brünette zu wissen. "Also? Was geht hier vor sich?"

"´So etwas wie ein Grund` trifft es ganz gut", stimmte er ihrer etwas seltsamen Formulierung zu. "Als ich letzte Woche gegangen bin, hatte ich das Gefühl, beobachtet zu werden. Ich dachte erst, ich hätte es mir nur eingebildet, aber als ich wiederkam, um das zu überprüfen…" - Sie konnte das jetzt glauben oder meinen, er habe sie wieder gestalkt, das war ihm egal - "Hatte ich dasselbe Gefühl noch mal. Es war derselbe Geruch wie zuvor. Ich war die letzten Tage über immer mal wieder hier, aber ich habe nie etwas gesehen, deswegen…"

Unschlüssig zuckte er die Schultern. Das war kein Beweis für irgendwas und er würde verstehen, wenn sie das für eine Ausrede seinerseits hielt, um in ihrer Nähe zu sein, aber das war es nicht. "Ich hatte schon erwartet, dass hier ein Überfall passieren würde, aber bisher habe ich noch nichts davon gehört, und eigentlich wäre das auch recht ungewöhnlich. Die Gegend ist zu gut überwacht."

"Verstehe", kam es leise und etwas angespannt über Janes Lippen, nachdem sie sich seine Worte durch den Kopf hatte gehen lassen.

"Ich bin nicht hergekommen, um dich zu sehen", erwiderte Aiden, weil ihr der Gedanke einfach an der Nasenspitze abzulesen war. Er war fast versucht, ihr zu sagen, dass er seine Abreise plante. Aber nachdem er überfallen worden war und diese merkwürdige Präsenz ständig hier wahrgenommen hatte, hatte er diese Pläne vorerst aufgeschoben. Außerdem wollte er nicht sehen, dass sie sich darüber freute, ihn loszuwerden. Das zu wissen, schmerzte schon genug, egal, was sie zuletzt zu ihm gesagt hatte.

Doch Jane ging nicht auf seine Versicherung ein, ihre Gedanken waren inzwischen weit weg. Verständlich, wenn man bedachte, wie versessen sie auf den Schutz ihrer Mutter war; sie hatte diese ja praktisch vor Aiden versteckt, selbst als sie zusammengearbeitet hatten.

Er nickte zu ihren Tüten. "Darf ich dich nach Hause begleiten, oder soll ich dir den Gefallen tun und gehen, woher ich gekommen bin?", fragte er. Es waren zwar nur noch zwei Straßen, aber es wäre ihm lieber, wenn sie nicht alleine herum streifte. Das auszusprechen würde er sich jedoch hüten, sonst würde sie ihm die schwer aussehende Tüte noch ins Gesicht knallen, statt sie ihn tragen zu lassen.

"Ich schaffe das alleine, danke. Du brauchst Nichts zu tun", fügte die Vampirjägerin ziemlich monoton hinzu. "Ich... sollte jetzt gehen. Wir sehen uns."

Eigentlich hatte er nicht damit gerechnet, dass Jane ihm glauben würde, deshalb war er ziemlich überrascht, als sie jetzt postwendend an ihm vorbei rauschte und in Richtung ihres Hauses abzog. Aus reiner Gewohnheit folgte er ihr, zuerst jedoch ohne das Anwesen zu betreten.

Inzwischen kannte er das Grundstück ziemlich gut und er wusste, wo die Überwachungskameras angebracht waren. Bei einem so großen Haus war das nichts Ungewöhnliches, aber dank dem Beruf der Tochter hatten diese Kontrolle wohl beide Damen nötig. Nicht, dass ein Eindringling mit vampirischen Kräften sich um so eine Lappalie geschert hätte, den meisten wäre es wohl einfach den Aufwand nicht wert, nach dem Trinken die Filme zu vernichten. Nein, man bräuchte schon einen guten Grund, um in dieses Haus einzudringen.

Und trotzdem war da vorhin ein anderer Vampir gewesen, so schnell hätte sich kein Mensch vor ihm verbergen können und die Fährte ließ keinen Zweifel daran.

Er sah zu dem Zimmer, in dem Jane lebte, biss sich kurz auf die Lippe und schlich sich doch auf das Anwesen, nur, um sicher zu gehen. Sie selbst war inzwischen in der Villa verschwunden. Und er wurde nicht enttäuscht; ganz deutlich nahm er den Geruch eines anderen Vampirs wahr, aber es gab auch ältere Spuren. Also war er nicht übervorsichtig gewesen, ein Artgenosse war hier gewesen.

Sein Hochgefühl verflog so schnell, wie es gekommen war, immerhin bedeutete das, dass Jane vielleicht in Gefahr war. Normalerweise hätte er sie angerufen, aber er hatte sich noch nicht dazu durchringen können, sich ein neues Handy zuzulegen. Jedenfalls blieb ihm jetzt nichts anderes übrig, als zum ersten Mal an der Haustür der McCollins zu klingeln und zu warten, bis Jane aufmachte. Hätte er nicht gewusst, dass sie alleine war, hätte er das nicht getan, immerhin wollte sie nicht, dass ihre Mutter ihn zu Gesicht bekam.

"Es war wirklich jemand auf eurem Grundstück - erst vor kurzem", erklärte er ohne Begrüßung, als die junge Frau wieder vor ihm stand. Gott, sie roch so gut... Er schüttelte leicht den Kopf, um diesen Gedanken loszuwerden. "Hast du irgendwas aus dem Zirkel gehört, was das angeht? Könnte es sein, dass dich jemand sucht?", bot Aiden Erklärungen an, die er sich selbst zurechtgelegt hatte. So, wie Jane scheinbar kurzen Prozess mit ihrer Beute machte, war das zwar unwahrscheinlich, aber es müsste doch einen Grund geben, aus dem sich ein Vampir dem Risiko aussetzte, hier zu jagen.

„Und du bist dir sicher?", wollte Jane wissen, bevor sie einen Schritt zurücktrat und ihm non-verbal die unglaubliche Erlaubnis gab, ins Haus einzutreten.

Unglaublich war diese Entwicklung wirklich, so sehr sogar, dass Aiden einen Moment brauchte, bis er überhaupt verstand, dass Jane ihn ins Haus lassen wollte. Er zögerte noch kurz und mit skeptischem Blick, dann trat er vorsichtig an ihr vorbei in die stilvolle Diele, die sie zum Wohnzimmer hin durchquerten. Die Damen hatten offensichtlich nicht nur Geld, sondern auch Geschmack, eine angenehme, aber seltene Mischung. Er hätte sich gewünscht, unter anderen Umständen hierher eingeladen zu werden, aber im Moment gab es Wichtigeres, als Träumereien nachzuhängen.

Da sie Jane keinen Platz angeboten hatte, blieb der Vampir mit verschränkten Armen stehen während seine Gastgeberin sich auf einem Sessel niederließ. "Ja, ich bin mir sicher“, setzte er das Gespräch von der Tür fort. „Ich war gerade in eurem Garten... Nur, weil ich vorhin, als wir uns begegnet sind, jemanden verfolgt habe, und sichergehen wollte", fügte er mit einem schlechten Gewissen hinzu. Er sollte hier genauso wenig herumlungern wie andere Vampire. "Jedenfalls ist die Fährte noch frisch, höchstens ein paar Stunden alt."

Nach seinen Worten stand Jane sofort wieder auf und blickte ihn mit gerunzelter Stirn an. "Ich habe nichts Ungewöhnliches vom Zirkel gehört... Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass mich jemand sucht. In letzter Zeit habe ich mich mit Aufträgen zurückgehalten und so sauber, wie ich normalerweise arbeite, wäre es ziemlich ungewöhnlich... Außerdem hätte Eldric mich sofort informiert, wenn etwas im Gange wäre", murmelte die junge Frau leise und knirschte anschließend frustriert mit den Zähnen.

Während sie antwortete sah Aiden sich ein wenig. Das Wohnzimmer war groß mit bodentiefen Fenstern. Im rückwärtigen Teil schloss eine offene, ausladende Küche an, die nur durch eine weiße Arbeitsfläche vom Wohnraum getrennt wurde. Das Mobiliar war weiß und grau gehalten, die Dekoration schlicht und immer wieder von Familienfotos aufgelockert. Der überraschende Hausgast studierte gerade ein Bild, das eine lachende Jane im Kindsalter zeigte, die von einem Mann, dessen dunkles Haar sie offensichtlich geerbt hatte, auf einer Schaukel angeschupst wurde, als er hörte, wie sich die Haustür öffnete. Leise Schritte, die seine Gastgeberin nicht hörte, näherten sich und die schöne Frau mittleren Alters, die Aiden schon öfter gesehen hatte, betrat den Raum. Ihr hellbraun gefärbtes Haar reichte bis zu den Ohren, sie trug dezentes Make-Up an den strahlend grünen Augen und ihre ganze Erscheinung wirkte gepflegt. Sie roch nicht wie Jane, also kam deren Blut wohl vonseiten ihres Vaters.

"Oh, ich wusste nicht, dass wir Besuch haben, Liebes", sprach die Dame etwas überrascht, bevor sie zum Gast trat und ihn freundlich anlächelte. Sie wollte gerade ihre Hand zur Begrüßung hinstrecken, als ihr auffiel, dass Aiden alles andere als 'menschlich' war.

Er wollte ihr eben die Hand reichen, als sie zurück zuckte. Natürlich, sie konnte seine Spezies wohl genauso wenig leiden wie ihre Tochter... Ein wenig betroffen setzte er zum Rückzug an, denn er wollte sich ihr nicht aufdrängen.

Schwer seufzend gesellte Jane sich zu den Beiden, als sie die irritierte Reaktion ihrer Mutter bemerkte. "Aiden, das ist meine Mutter, Elizabeth McCollins. Mom, das ist Aiden Hunt", stellte die Vampirjägerin die beiden einander vor. "Er ist... ein Vampir, den ich auf einem meiner Aufträge getroffen habe. Er hat mir vor einigen Wochen bei einem Auftrag geholfen und aufgrund gewisser Umstände müssen wir ein paar Dinge besprechen.“

Zu Aidens Überraschung kehrte das zarte Lächeln auf Mrs McCollins Lippen zurück. Sie ergriff sogar von sich aus seine Hand, und er schüttelte sie, was den Vampir mehr als alles andere verblüffte. War das wirklich Janes Mutter?

"Es freut mich sehr, dich kennenzulernen, Aiden", begrüßte sie den ungewöhnlichen Besuch freundlich.

"Die Freude ist auf meiner Seite, Mrs McCollins. Ich verkehre nicht oft in so schönen Häusern wie Ihrem", erwiderte er, als er sein Lächeln zurückgefunden hatte. Ähnlich wie ihre Haarfarbe musste Miss McCollins ihren Hass gegen Vampire wohl von ihrem Vater haben...

„Das ist aber nett von dir… Dann werde ich euch mal nicht weiter stören.“ Elizabeth war schon im Gehen begriffen und Aiden hatte sich halb ihrer Tochter zugewandt, um weiter zu diskutieren, als die Hausherrin nochmal innehielt. "Oh, bevor ich es vergesse. Eine Frau kam heute bei mir vorbei und hat dieses Handy abgegeben. Ich habe ihr gesagt, dass es nicht meins ist, aber sie beharrte, dass wir es verloren hätten... Weißt du etwas darüber, Liebling?"

Neugierig sah Aiden zu Elizabeth und erstarrte in der Bewegung. Das Handy in ihrer Hand war seines, aber wie kam irgendeine Frau daran, nachdem es aus seinem verwüsteten Zimmer gestohlen worden war?

"Es gehört mir, Madam", sagte er tonlos und ließ es sich von Mrs McCollins, die sehr verwirrt aussah, aushändigen. "Das kann nicht sein... Das Telefon war das einzige, das bei dem Überfall aus meinem Zimmer gestohlen wurde", meinte er an Jane gewandt. Aber es handelte sich eindeutig um sein Telefon, wie er herausfand, als er es anschaltete. Das Teil war so alt, dass es sogar nach mehreren Tagen noch Akku hatte. Es sah nicht zerkratzter aus als vorher schon. "Aber darin ist nichts Interessantes. Wahrscheinlich sind die meisten Kontakte schon veraltet. Das einzig Aktuelle darauf bist... Du", fiel es ihm nach einem Stocken wie Schuppen von den Augen.

Bevor Elizabeth überhaupt eine Frage stellen konnte, trat die jüngere McCollins-Dame an sie heran und packte sie direkt an den Armen. Ihr Gesichtsausdruck sprach dabei Bände und zeigte nur zu deutlich, welche Panik und Sorge sie verspürte.

"Mom! Kannst du dich noch erinnern, wie sie aussah? War irgendetwas komisch an ihr?", verlangte die Brünette bestürzt zu wissen, worauf die Ärztin kurz zusammenzuckte. Sie blinzelte ein paar Mal, dachte dann jedoch nach und nickte sofort.

"Komisch würde ich nicht sagen. Sie war sehr hübsch, hatte blondes, fast schulterlanges Haar und grünbraune Augen. Sie war ein bisschen kleiner als ich", erklärte die Mutter schließlich möglichst ausführlich.

"Hast du eine Ahnung, wer das sein könnte?", wollte die Brünette daraufhin von ihrem ehemaligen Jagdpartner wissen. Sie wirkte seltsam erleichtert dafür, dass scheinbar ein Vampir Jagd auf sie machte, aber das lag wohl daran, dass sich herausgestellt hatte, das nicht Elizabeth das Ziel war.

Aiden überlegte, um wen es sich handeln könnte, aber die Beschreibung stimmte mit niemandem überein, den er kannte. Scheinbar kannte diese Vampirin aber ihn, denn wie sonst hätte sie auf diesen hauchdünnen Zusammenhang zwischen ihm und der Jägerin kommen sollen? Noch dazu in einer Zeit, in der sie sich gar nicht gesehen hatten? Nein, diese Frau wusste genau, was sie tat und sie drohte ihnen ganz bewusst auf diese indirekte Art.

"Nein. Ich hatte darauf gehofft, dass du etwas darüber weißt, immerhin hat sie es scheinbar auf dich abgesehen", erwiderte er mit besorgt gerunzelter Stirn. Er trommelte auf seinem Oberarm, den Blick nach draußen gerichtet. Obwohl er viel Zeit in der Nähe verbracht hatte, hatte die Unbekannte es geschafft, ins Anwesen der McCollins einzudringen, das beunruhigte ihn über alle Maßen. Was, wenn er nicht da gewesen wäre? Wäre sie dann bereits im Haus selbst gewesen? Hätte sie Jane dann angegriffen? Unruhig spannte er die Schultern an, ließ den Blick kurz zu den Frauen schweifen. Sie alleine zu lassen, kam ihm fahrlässig vor, aber es war wie ein Wunder, dass seine Ex-Partnerin mit ihm sprach, geschweige denn, dass sie ihn in ihr Haus gebeten hatte. Das zeigte wohl, wie nervös sie selbst war, wenn auch wahrscheinlich eher wegen ihrer Mutter als wegen sich selbst.

Die Brünette fluchte leise und fuhr sich genervt durch die Haare. "Wenn man es auf mich direkt abgesehen hätte, dann hätte man wahrscheinlich nicht den Umweg über dich genommen", meinte die jüngere Dame des Hauses, die aussah, als wolle sie direkt mit den Recherchen loslegen, doch hielt sie inne, als sie plötzlich die Hand ihrer Mutter an ihrem Handgelenk spürte.

"Jane, Liebes... Ich bitte dich. Tu nichts Unüberlegtes. Du weißt, dass deine Sicherheit höchste Priorität hat", bat Elizabeth ihre geliebte Tochter inständig und blickte sie eindringlich an. "Ich bitte dich."

"Ich weiß, Mom. Mach dir bitte keine zu großen Sorgen. Ich werde das schon irgendwie klären. Mir wird Nichts passieren", versuchte die Angesprochene ihre Mutter schwach lächelnd zu beruhigen. Jedoch klappte dies nicht wirklich, da die ältere der Beiden die Jüngere weiterhin besorgt ansah.

Aidens Blick blieb an der beunruhigten Mutter hängen, und unwillkürlich hatte er Mitleid mit ihr. Obwohl Jane sie offensichtlich sehr liebte, machte ihre Tochter es Elizabeth nicht leicht. Nun, immerhin war er nicht der einzige, dachte Aiden mit einem Anflug von Galgenhumor.

"Jane wird nichts passieren, Mrs McCollins. Ich werde auf sie aufpassen", versprach er mit einem ermutigenden Lächeln, das kurz flackerte, als sein Blick zu Jane wanderte. Aber sie konnte sich aufregen, wie sie wollte, er würde sie nicht alleine lassen, wenn ein Vampir es auf sie abgesehen hatte.

"Du kannst nicht immer hier sein, und sie ist schon ein Mal in eure Nähe gekommen. Lass mich dir helfen. Bitte." An die jüngere McCollins wandte er sich bedeutend weniger zuversichtlich, sondern vielmehr unterwürfig. Er wollte sie nicht zwingen, ihn hier zu akzeptieren, aber er würde es tun, wenn sie stur blieb.

"Ich weiß, dass ich nicht immer hier bin", entgegnete die Wirtschaftsstudentin schwer seufzend und knirschte mit den Zähnen, nachdem sie sich wieder an Aiden gewandt hatte und ihn angespannt ansah. Nach einem kurzen Zögern zischte die Brünette leise. "Fein!", kam es widerwillig über ihre Lippen. "Und wie gedenkst du, mir zu helfen?"

Unwillkürlich trat ein überraschtes Lächeln auf seine Lippen, die er gerade zu einer Antwort öffnen wollte, als Elizabeth einen Vorschlag machte. "Wie wäre es, wenn du für eine Weile bei uns einziehst? Wir haben ohnehin ein paar Gästezimmer frei und wenn diese Unbekannte sich schon seit längerem hier rumtreibt, dann wäre das doch die sicherste Lösung."

Ungläubig blickte die Wirtschaftsstudentin die ältere Dame des Hauses an. Schockiert über diesen Vorschlag, konnte Jane nur ein entsetztes 'Mom!' von sich geben.

Aiden sah die Ärztin nicht minder verblüfft an als ihre Tochter. Hier einziehen…? Sie kannte ihn gerade mal fünf Minuten und hatte drei Sätze mit ihm gewechselt und bot ihm allen Ernstes an, hier in ihrem Haus zu wohnen? Wäre er nicht so überrascht, er hätte über Janes wiederwilligen Ausruf gelacht. Sie klang wie ein störrischer Teenager, dessen Eltern nicht taten, was er wollte. In diesem Fall schloss er sich aber der Tochter an, er war nicht sicher, ob das so eine gute Idee war.

"Das ist… Ein sehr großzügiges Angebot und eine Idee, aber… Sind Sie sich sicher? Ich möchte nicht derart in Ihr häusliches Umfeld eingreifen", erklärte er behutsam, immerhin wollte er sie nicht beleidigen.

Andererseits könnte er so auch nachts hier sein und müsste dafür nicht mal ein Lager unter einem Baum oder dergleichen beziehen. Ja, der Vorschlag erschien verlockend, und trotzdem sah er fragend zu Jane. Das musste ihr wahnsinnig gegen den Strich gehen. Es schien unglaublich, dass sie einfach so zustimmen würde, doch dann sah er zu ihrer Mutter und verstand, warum sie nicht wütender wurde; sie würde alles tun, um die Ärztin zu schützen. In gewisser Weise war die junge Jägerin wohl genauso protektiv wie er.

Während Jane noch immer über den Vorschlag entsetzt war, legte sich ein kleines Lächeln auf die Lippen der älteren Dame, ehe sie nickte. "Ich bin mir sicher", sprach Elizabeth entschieden, worauf ihre Tochter genervt aufstöhnte und sich die Hand ins Gesicht legte.

Wenn Jane lächelte - In den seltenen Fällen, in denen er sie das hatte tun sehen - Sah sie ihrer Mutter doch ziemlich ähnlich. Deshalb war sein eigenes Lächeln sehr weich, als er Elizabeth zunickte. "Danke. Ich weiß das Angebot zu schätzen." Unter anderen Umständen hätte er zwar nie angenommen, denn derart in das Familienleben der Frauen einzugreifen erschien ihm äußerst indiskret, aber solange die beiden in so direkter Gefahr waren, war das wohl tatsächlich die einfachste Lösung.

"Was meinst du?", fragte er Jane jetzt direkt und mit hochgezogenen Augenbrauen. "Kommst du damit zurecht?" Immerhin wäre sie ihm fast an die Gurgel gegangen, als sie mal mehr als ein paar Stunden am Stück miteinander verbracht hatten, und das wäre jetzt doch deutlich intimer. Er wusste, dass er an ihrer Wut von diesem Tag mit Schuld hatte, außerdem war sie labil gewesen, aber was jetzt auf sie zukommen würde, würde genauso großen Stress für die junge Frau bedeuten.

"Habe ich eine andere Wahl? Ich muss damit zurechtkommen", entgegnete die Brünette auf Aidens Frage und fuhr sich schwer seufzend durch die Haare.

Er legte leicht den Kopf schief. "Natürlich hast du eine Wahl. Du könntest mich auch weg schicken", erklärte er Jane sanft. Sie dürfte ja wissen, dass er dann in der Nähe des Hauses Stellung beziehen würde.

Jane musterte ihn wiederwillig, und der Vampir erwiderte den Blick abwartend, bis sich so etwas wie Erleichterung auf ihrem Gesicht zeigte und sie es abwandte. "Meine Mutter hat Recht. Es erspart ein gewisses Maß an Arbeit und trägt zur Sicherheit bei", fügte die junge Frau leise murmelnd hinzu, bevor sie auch schon zur Treppe ging und ihrem neuen Mitbewohner mit einer kleinen Handbewegung andeutete, ihr zu folgen.

Jedoch hielt sie kurz inne, um Elizabeth zu fragen: „Welches Zimmer schwebt dir vor?“

„Das große Gästezimmer wäre angebracht“, erwiderte die Ärztin ohne lange Nachzudenken, woraufhin ihre Tochter mürrisch aufstöhnte, sich jedoch dem sanft tadelnden Blick der Mutter fügte. Als dies geklärt war, stapfte Jane widerwillig nach oben und öffnete die hinterste Tür zu ihrer rechten. Aiden konnte riechen, dass ihr eigenes Zimmer genau gegenüber lag und sehen, dass ihr das nicht passte.

"Du kannst das Zimmer und alles, was drin steht, frei benutzen. Das Gästebadezimmer ist gleich die zweite Tür links von der Treppe, wenn du hoch kommst. Mein Zimmer ist gleich gegenüber und das meiner Mutter ist zwei Türen weiter vorne auf der gleichen Seite wie meines", erklärte die junge Frau und verschränkte die Arme vor der Brust, bevor sie sich direkt an Aiden wandte. "Nur damit das klar ist: kein lautloses Herumschleichen und kein Betreten meines Zimmers ohne Klopfen und ohne meine Erlaubnis."

Wegen ihrer Ermahnung zog er die Augenbrauen hoch. "Ich würde es nicht wagen, dein Zimmer zu betreten. Das gehört sich nicht", sagte er ernst. Als würde er sich hier in irgendeinem Zimmer herumdrücken, in das er nicht ausdrücklich gebeten worden war… Geschweige denn in den Räumen der Hausdamen! Was dachte sie bitte von ihm? "Was das Rumschleichen betrifft, werde ich mein Bestes tun, um laut genug zu sein", fügte er dann, diesmal grinsend, hinzu. Er konnte ja nichts dafür, dass er leiser war als der Durchschnitts-Mensch.

Jane verengte mürrisch die Augen, nickte dann aber nur. "Gut. Ich habe nämlich keine Lust, meine Munition an dich zu verschwenden, wenn ich mich erschrecke und denke, dass ein fremder Vampir im Haus herumschleicht“, entgegnete die Wirtschaftsstudentin und verschränkte die Arme vor der Brust. „Deine Sachen kannst du ja morgen holen, wenn du möchtest… Konntest du eigentlich wieder in dein Zimmer ziehen?“

Die Frage überraschte sie ihn, denn in der letzten Woche war sie so wütend gewesen, dass er nicht mal sicher war, ob sie ihn überhaupt gehört hatte, geschweige denn, dass sie es sich merken würde. "Mir wurde ein anderes zur Verfügung gestellt. Die Einrichtung des ersten war… Ziemlich demoliert. Sie müssen wohl das gesamte Mobiliar ersetzen." Und er seine Garderobe und persönlichen Gegenstände, was die Frage, wann er seine Besitztümer holen würde erübrigte. Aber darüber würde er vor ihr sicher nicht jammern.

Sie nickte, zögerte kurz und murmelte für menschliche Ohren kaum hörbar: „Übrigens… Danke für die Rosen…“

Er lächelte, vermutlich zum ersten Mal seit dem Überfall, wirklich glücklich. "Ich hoffe, sie haben dir gefallen." Er war sich nicht sicher gewesen, ob ihr das nicht zu kitschig war, aber die meisten Frauen mochten ja Blumen.

"Sie waren wunderschön", erwiderte die junge Frag, wobei sie wirkte, als würde sie ihre Freude diesbezüglich nicht ganz so offen zeigen wollen. "Brauchst du noch etwas?", wollte Jane dann wissen, wie um das Thema zu wechseln.

Sie wollte offensichtlich gehen, was Aiden schade fand, außerdem fühlte er sich hier ziemlich fehl am Platze. "Nein… Das heißt, doch", korrigierte er sich, als ihm tatsächlich etwas einfiel, über das er noch mit ihr sprechen wollte. "Ich wollte mich nochmals für unseren Streit entschuldigen. Was ich gesagt habe, stand mir keinster Weise zu und es tut mir leid, dass ich derartig die Fassung verloren habe. Ich hätte mehr Rücksicht auf deinen Zustand nehmen müssen, aber ich stand wohl selbst noch neben mir… Das ist keine Rechtfertigung, natürlich, aber es würde mir viel bedeuten, wenn du mir verzeihen könntest."

Sie hatte wohl nicht erwartet, dass er sich noch einmal – nach den Rosen - entschuldigen würde, denn sie sah ihn mit großen Augen an, aber nachdem sie ihn das letzte Mal so brüsk weggeschickt hatte, war das Thema für Aiden einfach noch nicht beendet. Bis vor einer Minute hatte er ja nicht gewusst, ob sie seine Blumen angenommen hatte, und selbst wenn er das gesehen hätte, hätte er die Sache wieder aufgegriffen. Sie konnte ihn sowieso schon nicht leiden, da sollte dieser Streit nicht noch auf der Liste stehen, außerdem hatte er wirklich ein schlechtes Gewissen deswegen

"Hör zu...", begann die Vampirjägerin leise, als sie ihren Blick ein kleines bisschen senkte und zu Boden blickte. "Du hast dich schon entschuldigt und mir dazu auch noch Rosen geschickt. Du musst es nicht erneut tun. Es reicht und ist angekommen."

Sie hielt kurz inne, strich sich die Haare hinters Ohr und verlagerte ihr Gewicht von einem Bein auf das Andere. Man merkte, dass sie ein wenig mit sich haderte.

"Ich kann nicht für mein Unterbewusstsein reden, aber ich denke, dass es mittlerweile... irgendwie in Ordnung ist. Außerdem hätte ich meine Worte vielleicht etwas bedachter wählen sollen - trotz der Umstände", kam es zögerlich und sehr leise über ihre Lippen.

Mit ´Irgendwie in Ordnung` konnte er leben, das war wohl der Zustand, den sie vor ihrer Auseinandersetzung gehabt hatten, deshalb lächelte Aiden. Mit so etwas wie einem Einlenken hätte er gar nicht gerechnet, sie war sonst so stur, außerdem hatte sie ja Recht. Er hing in der Vergangenheit fest - aber im Moment wollte er sich davon auch nicht lösen, vielleicht aus Gewohnheit, vielleicht, weil er so einen Lebensinhalt hatte.

„Dann freut es mich, dass das geklärt ist“, erwiderte er schlicht und erwartete, dass sie sich jetzt zurückziehen würde, doch das tat Jane nicht, sondern betrat sein Gästezimmer.

Dieses betrachtete Aiden jetzt zum ersten Mal genauer. Es handelte sich um einen langgezogenen Raum, dessen breite, mit Vorhängen verzierte Fensterfront auf die Straße blickte. Das Zentrum bildete ein opulentes Bett aus weißem Holz mit zwei ebenfalls weißen Nachtkästchen an jeder Seite. Am Fußende der Schlafgelegenheit stand ein Diwan aus Metall, dessen helle Kissen zur Einrichtung genauso gut passten wie der weiße, riesige Schrank mit einer Spiegeltür. Aiden blinzelte ein wenig überwältigt. Dieses Zimmer war sehr eindeutig von Frauen eingerichtet worden.

„Ich würde dir gern ein paar Fragen stellen", meinte die Brünette und ließ sich auf dem Diwan nieder, der am Fußende des Bettes stand. "Als du mir vorhin so plötzlich über den Weg gelaufen bist, warst du dabei, jemandem zu folgen, oder? Hast du irgendetwas bezüglich des Aussehens ausmachen können?“

Er schlenderte zum Fenster und blickte mit verschränkten Armen auf den Garten, während sie sprach. "Ich habe vermutlich die Person gesehen, die bei deiner Mutter war, aber sicher kann ich es dir nicht sagen", antwortete er und folgte mit den Augen ungefähr den Fährten, die er vorhin entdeckt hatte. Die Vampirin hatte sich hier umgesehen, die Frage war nur, was sie wollte. "Ich habe sie nur kurz aus dem Augenwinkel gesehen und konnte keine Details erkennen."

„Und dir fällt wirklich kein persönlicher Zusammenhang mit dem beschriebenen Vampir ein?", wollte Jane wissen.

Er drehte sich um, lehnte sich an den Fenstersims und schüttelte langsam den Kopf. "Ich glaube nicht, dass der Vampir mich jagt, Jane", erwiderte er ernst, weil sie anscheinend glauben wollte, dass es seine Schuld war, dass ihre Mutter in Gefahr war. "Ich habe keinen Kontakt mit deiner Mutter und der Eindringling wollte doch wohl Angst damit machen, sich ausgerechnet an sie zu wenden. Versteh mich nicht falsch, ich möchte natürlich nicht, dass deiner Mutter etwas passiert, aber wenn jemand Druck auf mich ausüben wollen würde, hätte er dich dazu benutzen müssen. Nein, diese Drohung war an dich gerichtet."

Interessant war und blieb allerdings, wieso man ausgerechnet sein Handy dafür verwendet hatte. Es war ein Recht eindeutiges Indiz dafür, dass Jane mit Vampiren zu tun hatte, aber dafür hätte man auch einfach ihr Waffenarsenal aufbrechen können - Elizabeth hätte den Einbrecher sicher nicht aufhalten können. Irgendetwas musste das ganze also wohl auch mit ihm zu tun haben, aber was?

"Im Moment wissen drei Vampire, dass ich Kontakt mit dir Pflege; Eldric, ein Freund und ein Bekannter, aber einer davon ist selbst im Zirkel und der andere ist praktisch noch ein Kind, der würde nie auf so eine Idee kommen", überlegte er weiter, wobei er die Finger auf den Fenstersims trommeln ließ. "Und du wüsstest wirklich niemanden, den du gejagt hättest und der entkommen ist? Oder auch nur jemandem, den du die Jagd versaut hast oder so?"

„Nein. Es gibt keinen Vampir, der mir entkommen ist. Bisher habe ich alle umgebracht, die ich umbringen wollte... mit Ausnahme von dir", sprach Jane und blickte nach dem kurzen Zögern auf, um Aidens Blick zu erwidern.

Für einen Moment hatte er auf den Boden geblickt, doch als sie meinte, er sei der einzige, der sie überlebt habe, hob er den Kopf und lächelte schmal. "Nun, dabei wollen wir es belassen, nicht wahr?", meinte er leicht amüsiert. Er wusste ja, dass sie ihn hatte töten wollen, aber es so ausgesprochen zu hören, war irgendwie noch mal etwas anderes. "Nicht, dass du jetzt gleich deine Waffen zückst oder so", fügte er mit einer undeutlichen Geste in ihre Richtung hinzu und lachte das unangenehme Gefühl einfach weg.

"Solange du dich benimmst, hast du Nichts zu befürchten", erwiderte die Brünette sofort ernst auf seinen Kompensationshumor.

"Da bin ich aber froh", antwortete er mit sarkastischen Unterton. Er hielt sich mit derartigen Kommentaren zwar zurück, zum einen wegen ihrer momentanen Situation, zum anderen, weil sie sich gerade erst gestritten hatten, aber so ganz konnte er es eben doch nicht unterdrücken. Immerhin sollte sie ihn eigentlich inzwischen lang genug kenne, um zu wissen, dass derartige Ermahnungen unnötig waren, noch dazu in ihrem Haus. Natürlich hatte er vor, sich ganz den Frauen anzupassen, solange er sich in ihrem Haus aufhielt, immerhin wollte er nicht stören.

Erneut seufzte die Brünette, ehe sie ihre Ellbogen auf den Oberschenkeln abstützte und ihr Gesicht in die Hände legte. Sofort bereute Aiden seine blöden Sprüche. Sie war schon erschöpft genug, was kein Wunder war angesichts der neuen Entwicklungen. Am liebsten hätte er ihr beruhigend über das Haar gestrichen, doch dafür hätte sie ihm nur die Hand abgerissen.

"Und dieser Vampir hat in deinem verwüsteten Zimmer keine einzige Spur hinterlassen?", wollte die junge Frau wissen, als sie wieder aufsah.

Er schüttelte den Kopf. "Zumindest hat die Polizei keine Spuren gefunden… Allerdings waren sie wohl nicht besonders gründlich. Ich schätze, sie dachten, ich war das selbst." Er seufzte und sah über die Schulter aus dem Fenster. Fast wünschte er, die Vampirin würde gerade über den Rasen aufs Haus zu spazieren… "Wenn du möchtest, können wir uns dort noch mal umsehen, aber inzwischen sind sicher einige Leute durchgelaufen."

"Nein. Wenn man den Zeitpunkt betrachtet, der seit dem Einbruch bis jetzt verstrichen ist, sind alle relevanten Spuren wohl schon weg. Vor allem, wenn man bedenkt, dass das Personal bereits aufgeräumt und somit alle Hinweise beseitigt hat", meinte Jane nachdenklich und bettete ihr Kinn auf ihre zusammengefalteten Hände.

Natürlich hatte sie Recht. Nachdem die Polizei dort fertig war, hatte er die paar Habseligkeiten, die noch zu gebrauchen gewesen waren, rausgeholt und in seine neue Bleibe gebracht. Anschließend war das Zimmer gesperrt worden. Er selbst würde ja sowieso dorthin müssen um seine Sachen zu holen… Und dann würde er wohl oder übel mal einkaufen müssen. Bei dem Gedanken seufzte er. Er hatte jetzt eigentlich wirklich anderes im Kopf als Klamotten, aber mit den zwei Shirts, die nicht zerfetzt worden waren, kam man eben auf Dauer nicht weit.

Er hatte gerade an etwas anderes gedacht und sah überrascht auf, als Jane plötzlich aufstand. "Komm mit", verlangte sie von ihrem neuen Mitbewohner und deutete mit einer kurzen Kopfbewegung Richtung Tür, ehe sie das Gästezimmer verließ und direkt in das gegenüberliegende, also ihr Zimmer, begab, wo Aiden jedoch an der Schwelle stehen blieb. Der Raum, in den Jane so natürlich ging, roch überwältigend nach ihr und irgendwie kam es ihm unschicklich vor, in ihr Zimmer einzudringen. Als sie ihn aber ungeduldig anschaute und die Tür hinter ihm schließen wollte, machte er den kurzen Schritt vorwärts und sah sich um. Die Einrichtung hier wirkte schlichter als in seiner Unterbringung, sah aber gepflegt und stilvoll aus. An einer Wand stand ein großes Bett, dem gegenüber eine graue Regalwand mitsamt Fernseher und Computer aufgebaut worden war. Um in den Raum zu gelangen, musste man durch eine Art kleinen Flur, der von einer in den Raum gezogenen Wand begrenzt wurde. Aiden dachte schon, hinter der Tür befände sich ein begehbarer Kleiderschrank, doch dann sah er das Sicherheitsschloss und erkannte Janes Waffenkammer.

Nicht ganz sicher, was er jetzt mit sich anfangen sollte, sah er zu, wie Jane ein paar Ordner aus ihrem Schrank zog und ihm diesen gleich in die Hand drückte. "Da ich es nicht alleine schaffe, mir alle Fälle anzusehen - und das momentan der einzige Weg ist, weiterzukommen - wirst du mir helfen müssen."

Er seufzte und setzte sich mit den Dokumenten neben ihr Bett, an das er sich lehnte, bevor er den Ordner aufschlug. "Nach was genau suchen wir?", erkundigte er sich, während er die Blätter nacheinander durchging. Vielleicht war die Nähe des Bettes doch nicht der beste Sitzplatz gewesen, denn die Bezüge rochen besonders intensiv nach seiner unfreiwilligen Gastgeberin, aber irgendwie kam es ihm doof vor, sich wo anders hin zu begeben. Außerdem war es ja nicht unangenehm, eher ablenkend.

"Bei einigen stehen familiäre und sonstige, soziale Kontakte drin. Möglicherweise hat das Umfeld eines getöteten Vampirs etwas damit zu tun", erwiderte die junge Frau auf seine Frage hin. "Außerdem sollten wir Richards Akte erneut durchgehen, um jede Möglichkeit abzudecken. Er ist immerhin der Einzige, den wir gemeinsam umgelegt haben... und wenn wir schon dabei sind, könntest du dir gleich einmal die Aufnahmen der Vampire ansehen. Möglicherweise erkennst du ja trotzdem die eine oder andere ... Person."

Als er nickte, schnappte Jane sich ihr iPad und ihren Laptop, ehe sie letzteren in weiser Voraussicht Aiden überreichte. Sie hatte seine mangelnden Technik-Kenntnisse ja bereits gesehen, und alleine sein Handy sprach Bände. Ein paar Mal bat er Jane trotzdem um Hilfe, aber nach einer Weile fand er sich notdürftig zurecht. Irgendwann musste er mal so einen Computer-Kurs für Senioren besuchen...

In den Daten des Zirkels fand er durchaus einige bekannte Gesichter, allerdings keines, das mit dem Zwischenfall zu tun haben könnte. Die meisten befanden sich im Ausland und wie er bereits gesagt hatte, wussten die wenigsten, dass Jane überhaupt existierte. Es wäre einfach dumm gewesen, einen solchen Schwachpunkt an die große Glocke zu hängen, eine Vorsichtsmaßnahme, die sich jetzt als begründet herausstellte.

Natürlich kam Aiden auf den Gedanken, dass sein Erschaffer für all das verantwortlich war, aber diese Überlegung verwarf er recht schnell. Elizabeth hatte von einer Frau geredet, und wenn er wüsste, wo Aiden war, würde Vincent ihn direkt aufsuchen, da war er sicher.

Eine Ewigkeit später räumte Jane ihre Unterlagen wieder zusammen und tat ihren Unmut kund, denn sie hatte genauso wenig Erfolg gehabt wie Aiden. "Nichts! Einfach Nichts! Wie kann das sein?!", zischte die junge Frau ziemlich genervt, ehe sie sich erhob, um die Papiere wieder im richtigen Regal zu verstauen. „Was, wenn der Vampir gar nicht wirklich mit uns in Verbindung steht und das aus Langeweile oder sogar aus Spaß oder sonstigen unerklärlichen Gründen macht?", meinte die Vampirjägerin, als sie die Arme vor der Brust verschränkte.

Es gab keinen offensichtlichen Zusammenhang, aber sie mussten irgendetwas übersehen, alles andere würde keinen Sinn machen. Es sei denn, die Tat war wirklich reiner Spaß für die betreffende Vampirin. Irgendwie glaubte Aiden das aber nicht, sodass es die Stirn runzelte.

"Das könnte sein, aber ich halte es für unwahrscheinlich. Sie hat gesehen, dass ich öfter hier bin und hätte sich für sowas doch wohl eher ein anderes Ziel ausgesucht. Ich meine, sich nur zum Spaß mit jemanden anlegen können sich die wenigsten leisten." Und die, die es könnten, sahen den Spaß darin dann meist nicht. Möglich war es natürlich trotzdem und sie sollten es im Auge behalten.

"Vielleicht sollten wir versuchen, eine Falle aufzustellen?", schlug Jane vor.

Nach dem langen Sitzen knackten seine Gelenke, als der Vampir aufstand und sich streckte. "Wenn dir eine Falle einfällt, die nicht deinen Märtyrertod beinhaltet, können wir das gerne tun", stimmte er trocken zu. Sie würde sich nicht als Lockvogel anbieten, solange er hier war, das hatte er ihrer Mutter versprochen.

"Dann können wir das mit der Falle wohl vergessen. Jedoch verstehe ich nicht, weshalb ich nicht den Lockvogel spielen sollte, wenn du ohnehin in der Nähe sein würdest. Schlimmstenfalls könnten wir noch einige Jäger engagieren", antwortete die junge Frau gereizt.

Jane hatte wohl vergessen, dass sie bei der Jagd auf Richard trotz seiner Anwesenheit bereits in Gefahr geraten war, aber daran erinnerte er sie lieber nicht. Zudem würde die besagte Vampirin vermuten, dass sie sie irgendwie aus ihrer Deckung locken wollten und entsprechend vorsichtig sein. Im Moment hatte sie alle Karten in der Hand, aber sobald die beiden herausfanden, um wen es ging - Und wieso - Würde sich das Blatt wenden, denn dann waren es zwei gegen einen. Vermutlich zumindest, denn er hatte bisher keine zweite Person wahrgenommen.

Schwer seufzend stieß sich die junge Frau von der Wand ab, begab sich ans Fenster und blickte auf die Straßenseite, ehe sich ihre Augen schlagartig weiteten. Wie auf Knopfdruck hatte sie das Fenster aufgerissen und wollte offensichtlich hinaus springen.

Ohne einen bewussten Gedanken zu fassen, sprang Aiden vom Bett auf, hechtete zu ihr, streckte den Arm aus und schlang ihr diesen um den Bauch, sodass sie für einen Moment nur durch seine Kraft gehalten in der Luft baumelte.

"Bist du verrückt geworden?", fragte er ungehalten, während er sie nach drinnen zog. "Was sollte das?"

Erst jetzt kam ihm die Idee, dass sie nicht nur so zum Spaß gesprungen war, und er sah ebenfalls hinaus auf die dunkler werdende Straße, aber da war niemand mehr.

"Ich bin nicht verrückt! Ich bin mir sicher, dass diese Vampirin gerade auf der gegenüberliegenden Straßenseite zu sehen war!", entgegnete Jane prompt und wollte offensichtlich erneut einen Sprung nach draußen wagen, weshalb der Vampir seinen Griff um ihre Körpermitte verstärkte, bis sie den Wiederstand aufgab.

"Kann ich dich loslassen oder springst du wieder?", fragte er streng und zog langsam den Arm zurück, bereit, sie sofort wieder zu fangen. Missmutig sah er zu ihr runter. "Du kannst nicht wegen jedes Passanten aus dem Fenster springen, Jane. Ich weiß, du bist angespannt, aber versuch, dich zu beruhigen, ok? Wir finden sie. Versprochen", wiederholte er eindringlich.

"Es war nicht wegen ´jedes Passanten`. Die Schnelligkeit, mit der diese Gestalt verschwunden ist, war nicht menschlich!", kam es direkt über ihre Lippen, bevor sie erneut zu der Stelle blickte.

Noch immer sichtlich angespannt und gestresst, begab sich die Vampirjägerin zu ihrem Bett, wo sie sich schwer seufzend niederließ und mit den Fingern ihre Schläfen massierte. So, wie sie sich aufführte und wieder aus dem Fenster starrte, hätte Aiden am liebsten den Arm um sie gelegt gelassen. Er konnte nicht fassen, dass sie diese sinnlose Aktion wirklich völlig gedankenlos gestartet hatte. Sie konnte doch nicht jede Logik abschalten! Etwas mehr Professionalität hätte er schon von ihr erwartet, aber er beschränkte sich mit seiner Kritik auf einen missbilligenden Blick. Sie neigte unter Stress wohl zu kopflosem Aktionismus.

"Kann schon sein, dass sie da war, aber nicht mal ich konnte sie einholen", entgegnete er resigniert. Die Fremde war schnell und wusste sich gut zu tarnen, außerdem kannte sie sich in der Gegend aus, nachdem sie hier wohl schon lange herum lungerte. Nein, es wäre vollkommen sinnlos gewesen, sie zu verfolgen, wenn sie so weit entfernt waren.

Mit verschränkten Armen trat er ans Fenster und ließ den Blick den gegenüberliegenden Gehsteig entlang wandern. "Außerdem können auch Vampire einfach nur Passanten sein", fügte er gelassen hinzu. Natürlich wusste er, was sie meinte, aber es brachte nichts, sie in ihrer Unruhe noch weiter anzustacheln, fand er.

„Ich weiß!“, entfuhr es Jane, die die Hände zu Fäusten geballt hatte und mit den Zähnen knirschte.

Dieser kleine Wutausbruch ließ den Vampir die Brauen hochziehen, woraufhin sie nur eine wegwerfende Geste machte und das Gesicht abwandte. Aiden verstand, wie sehr sie das alles mitnahm, deshalb sah er von weiteren Belehrungen ab. Ihm war bewusst, dass ihr nicht gefallen würde, was er als nächstes sagte, aber er sah im Moment keine andere Möglichkeit, also seufzte er und wandte sich der jungen Frau zu, die erschöpft auf dem Bett saß.

"Ich weiß, dass dir das nicht passen wird - mir auch nicht. Aber gerade bleibt uns wohl nichts anders übrig, als abzuwarten und auf der Hut zu sein. Wir werden uns weiter umhören und überlegen, wie wir an sie rankommen können. Vielleicht können die Leute aus dem Zirkel uns ja helfen? Aber bis dahin darfst du nichts Unbedachtes tun. Du hast es deiner Mutter versprochen", erinnerte er sie sanft, weil das doch großen Einfluss auf sie zu haben schien.

Jane fuhr ruckartig auf und öffnete leicht den Mund, um etwas zu erwidern, hielt jedoch sofort inne und schloss geradewegs nach dem Öffnen den Mund. Sie blickte Aiden mit geweiteten Augen an, nur um direkt danach etwas missmutig zu stöhnen und sich von ihm abzuwenden. Ohne jegliche Vorwarnung trat die junge Frau mit der Fußsohle gegen die Wand, um wenigsten einen Teil ihrer Frustration rauszulassen.

"Einholen hätten wir sie vielleicht nicht können, aber wir hätten vielleicht eine Spur finden können. Du zumindest hättest womöglich den Geruch wahrnehmen und so ihre Fährte aufnehmen können", beharrte die Brünette zähneknirschend.

"Das habe ich während der letzten vier Tage versucht und nicht geschafft und ich glaube nicht, dass es mir jetzt gelungen wäre. Vielleicht läuft sie in der Kleidung von Menschen herum, um ihren Geruch zu überdecken, jedenfalls ist ihre Fährte ziemlich schwer auszumachen“, erklärte er, leicht amüsiert von dem Gewaltakt gegen die unschuldige Wand, aber doch konzentriert auf ihr eigentliches Thema.

Er hatte sich schon einige Gedanke um die ganze Angelegenheit gemacht, womit er das typisch-territoriale Verhalten seiner Rasse zeigte; das hier war sein Revier (auch, wenn Jane das anders sehen mochte und auch, wenn er hier nie jagen würde) und er duldete keinen anderen Vampir in der Gegend. Hätte er die Frau erwischt, hätte er sie längst beseitigt.

Schnaubend, aber doch ein Stück ruhiger, zückte Jane ihr Smartphone, um eine Nummer zu wählen. Aiden konnte sich denken, wen sie kontaktierte, wenn es um Vampir-Probleme ging, und er schwieg während des kurzen Telefonats. Währenddessen schloss er umsichtig das Fenster, nicht, dass sie doch noch auf dumme Ideen kam.

"Ich bin´s. Wir müssen reden", sprach sie schlicht während sie sich die Haare hinters Ohr strich und auf die Antwort ihres Gesprächspartners wartete. "Gut. Wir kommen morgen vorbei. Ja, mit 'wir' meine ich Aiden und mich. Nein, ich habe mich nicht für eine längerfristige Partnerschaft entschieden, Eldric. Wir sehen uns morgen."

Sie legte auf und wandte sich ihrem Gast zu, dem sie erklärte, dass er mit ihr kommen würde. Man hätte ja meinen können, dass es an seinem Stolz kratzte, so bei Fuß zitiert zu werden, aber so war er nicht. Er war einfach froh, dass Jane ihm erlaubte, auf sie und ihre Mutter aufzupassen und dass sie überhaupt wieder mit ihm redete. Dafür würde er sich sogar wieder in diese grässliche windlose Stadt begeben, wenn es sein musste. Auch an einem Wiedersehen mit Eldric war Aiden tendenziell eher weniger interessiert, doch schicksalsergeben wie immer fügte er sich in den Willen der Jägerin, versprach, sie zu begleiten und verließ das Zimmer, als sie ihn dazu aufforderte.



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