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Bloody Eternity

von

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Träume sind Schäume

Als Jane in ihr Zimmer wankte, sorgte sie zuerst dafür, die nassen Klamotten gegen einen gemütlichen Schlafanzug zu tauschen. Während sie sich umzog, dachte sie über die Geschehnisse und den Angreifer auf dem Balkon nach, dessen Identität sie nicht kannten. Mal wieder wurden sie aus dem Hinterhalt angegriffen und mal wieder wussten sie nicht, weshalb. Allerdings machte ihr nicht der Angriff selber Sorgen, sondern vielmehr die Tatsache, dass man sie auf einer Veranstaltung der Universität angegriffen hatte. War es womöglich nur Zufall und sie nur zusammenhangsloses Opfer gewesen? Vielleicht war der Fremde vom Geruch der vielen jungen Menschen angezogen worden, und hatte sich Jane und ihrem Partner nur genähert, weil er in Aiden einen Konkurrenten um seine Beute gesehen hatte?

Während die Brünette so darüber nachdachte, merkte sie, dass sie nicht vorwärts kam, was wohl an der wachsenden Müdigkeit lag. Noch dazu war ihr unerklärlicher Weise wahnsinnig heiß; ihre Decke hatte sie gar nicht erst über sich gelegt, und jetzt streifte sie ihre Schlafanzughose von den Beinen. Wahrscheinlich würde es ihr Nichts bringen, weiter zu grübeln und sich darüber den Kopf zu zerbrechen. In ihrem Zustand war es das Beste, wenn sie sich hinlegte und ausruhte, um so bald wie möglich wieder zu Kräften zu kommen. Es war schon beunruhigend genug, dass sie sich nicht daran erinnern konnte, wie sie mit ihrem Hausgast unter der Dusche gelandet war. Der Blutverlust musste ihr mehr zugesetzt haben als erwartet.

Dementsprechend wollte die Vampirjägerin das Licht ausmachen, als ihr einfiel, dass sie ihren Freunden gar nicht Bescheid gesagt hatte, dass sie mittlerweile wieder Zuhause war. Sie griff nach ihrem Smartphone und konnte auf dem Display sehen, dass sie siebzehn ungelesene Nachrichten und elf verpasste Anrufe hatte. Oh je. Daran hätte sie definitiv früher denken müssen.

Schnell tippte Jane eine Nachricht in den Gruppenchat, in dem sie erklärte, dass sie aus gesundheitlichen Gründen kurzfristig von Aiden nach Hause gebracht worden war und dass ansonsten alles in Ordnung war. Nachdem sie das erledigt hatte, zögerte sie keine weitere Minute und schloss die Augen, um sich den wohlverdienten Schlaf zu holen...
 

In ihrem Traum brandete an einem wunderschönen Sommertag das Meer gegen die Klippen tief unter dem Turm, in dem sie sich befand. Jane blickte aus dem kleinen Fenster des Flurs hinunter zum langgezogenen Strand, wo sie einige Kinder immer wieder in die Brandung tollen sah. Bei ihnen waren ein oder zwei Gouvernanten. Ab und zu trug der Wind ihr Lachen bis zu ihr hinauf.

Rasch wandte die junge Frau sich ab und lief weiter die verwaiste Dienstbotentreppe hinunter. Mägde und Zofen waren in der Küche, um das große Festmahl vorzubereiten, und die meisten Männer waren mit den Jägern in den Wald geritten

Bei dem Gedanken beschleunigte ihr Herzschlag sich merklich; er liebte die Jagd so – was, wenn er doch mit seinen Freunden aufgebrochen war? Doch nein, er hatte versprochen, sie zu treffen, und das würde er auch. Jane lief weiter, in traumwandlerischer Sicherheit vorbei an den Frauen in der Küche, über einen kleinen Innenhof und zum Stall. Die Luft darin war warm von den Pferden, nach der es roch, doch nur wenige Tiere waren zurückgeblieben. Janes Herzschlag beschleunigte sich, während sie an den Boxen vorbei ging und sie zuckte zusammen, als sie ein Geräusch hinter sich hörte, doch es war nur eine kleine, getigerte Katze, die im Stroh geschlafen hatte.

„Na, habe ich dich geweckt?“, fragte die junge Frau und kniete sich hin, um den Stubentiger zu streicheln, der schnurrend auf sie zukam.

„Als könnte ich schlafen, wenn ich auf Euch warte, Mylade“, sagte eine Stimme hinter ihr. Sie klang sanft, trotzdem fauchte die Katze und sprang mit gesträubtem Schweif davon.

Auch Jane war herumgefahren, doch ihre Angst legte sich sofort, als sie das Gesicht des Mannes sah, der auf sie zukam. Er war wirklich hier – ihretwegen. Als er ihre Hand nahm und sie küsste, zog sich ein Kribbeln von ihren Fingern bis tief in ihre Brust, wo es ihren Atem beschleunigte und dafür sorgte, dass ihre Wangen sich röteten.

Verlegen sah sie zu Boden, wobei sie ihm jedoch nicht ihre Hand entzog. „Ich dachte… Ihr wäret vielleicht mit den anderen Mannen losgezogen, wo ihr die Jagd so liebt“, gestand sie, worüber er leise lachte.

„Aber das schönste Geschöpf auf Gottes Erde ist doch in diesen Mauern. Was soll ich jagen, wenn ein Engel mich zu sich ruft?“

Jane lächelte und das junge Paar ging Hand in Hand tiefer in den Halbschatten des verlassenen Stalles. Eine morsche Leiter führte auf den Heustober, die die junge Frau zuerst nicht hinaufklettern wollte, doch mithilfe ihres Liebsten schaffte sie es nach oben. Durch Löcher im Dach fiel goldenes Licht herein und ließ den Staub tanzen. Er ließ sich ins Stroh fallen, sodass noch mehr Bewegung in die Luft kam, der Jane fasziniert zusah, bis ihr Blick wieder auf ihnfiel. Wie er sie so musterte, die Augen im Halbdunkel leuchtend vor Bewunderung und Zärtlichkeit, wurde Jane die Brust eng und eine unerklärliche Hitze stieg in ihrer Magengegend auf. Sie wollte ihn berühren, und es ängstigte sie, war sie doch eine gottesfürchtige Frau.

Beunruhigt wich sie ein wenig zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. „Was habt Ihr jetzt mit mir vor, Sir?“, fragte sie und linste aus dem Augenwinkel zu ihm, doch er war nicht mehr auf dem Heu.

„Ich weiß nicht“, sagte seine Stimme von überall und nirgends, und plötzlich klang sie spielerisch, wie das Schnurren des Kätzchens von vorhin. „Vielleicht jage ich Euch…“

„Ihr… Das ist unerhört…“, haspelte sie, während sich die Hitze gleichzeitig in ihr ausbreitete und jeden klaren Gedanken zu verschlingen schien. Sie wollte nur, dass er zurückkam... „Ihr könnt nicht…“

Als hätte er ihre Wünsche gehört, tauchte er hinter ihr auf und schlang einen Arm um ihre Taille, um ihren Leib an seinen zu pressen. Dabei spürte sie seine harte Männlichkeit an ihrem Rücken und erschauderte leicht, wenn auch nicht aus Angst, wie sie gesollt hätte. Halbherzig wehrte sie sich gegen seine Berührung, gab jedoch rasch auf, als er ihren Hals küsste und damit ihren Herzschlag nur noch beschleunigte. Etwas Hartes kratzte über ihre Haut, als seine Lippen sie berührten, und sie spürte ein, zwei dicke Blutstropfen über ihr Schlüsselbein rinnen.

„Nein… Nein…!“, hauchte sie, als seine Hände über ihren Körper wanderten, bis sie sich um ihre Brüste unter dem viel zu engen Mieder schlossen. Sie war froh, keines ihrer teuren, einengenden Kleider zu tragen, denn in einem Korsett wäre sie sicher erstickt, so sehr raste ihr Herz gerade. „Ihr dürft nicht… Ihr seid nicht mein Mann…“

„Dann werde meine Frau, Jane“, flüsterte er eindringlich zurück, während er sie in Richtung des Heus führte. „Lass mich dich zu meiner Frau machen.“

Vorwitzige Hände fanden ihren Weg unter Janes Kleid, und sie vergaß, wo sie war und vielleicht sogar, wer sie war, denn nach einem atemlosen: „Ja“, kam ihr nur noch sein Name über die Lippen. Immer wieder er, der sie zur Frau machte und sich zu ihrem Mann. Sein Name. Sein Name…
 

„Lo… an…“, murmelte Jane, während sie blinzelnd aufwachte. Völlig kraftlos rollte ihr Kopf von einer Seite zur anderen, ehe sie es schaffte, ihn anzuheben und sich verwirrt umzusehen. Irgendwie hatte sie das Gefühl, gerade sehr weit gereist zu sein, obwohl sie in ihrem Zimmer lag, wie es sein sollte.

Stöhnend ließ sie den schweren Kopf zurück ins Kissen sinken und versuchte, sich an den Traum zu erinnern, doch dieser verblasste bereits, und sie konnte sich nur noch an goldenes Sonnenlicht, das Rauschen des Meeres und eine unerklärliche Hitze erinnern…

Sie beschloss, dass Träume Schäume waren, mit denen sie sich nicht weiter befassen wollte. Deutlich ausgeruhter, doch wegen des Blutverlustes schwächer als normal, begab sich Jane gegen Vormittag nach unten und frühstückte. Zu ihrem Vorteil hatte sie nicht allzu viel Alkohol getrunken, so dass sie wenigstens nicht verkatert war. Nicht auszudenken, in welch kaputtem Zustand sie wohl gewesen wäre, wenn das noch hinzugekommen wäre.

"Morgen", begrüßte die Brünette den 500-jährigen Vampir, als dieser sich ebenfalls zu ihr gesellte und sie durch die Zeitung blätterte, um nach ungewöhnlichen Vorfällen Ausschau halten zu können. Dabei fiel ihr ein, dass sie schon seit längerer Zeit nicht mehr aktiv im Zirkel trainiert hatte - was wohl daran lag, dass die Universität und gewisse andere Umstände dafür gesorgt hatten, dass sie körperlich viel hatte leisten müssen. Schon seit einer Weile wollte sie mal wieder in die unterirdische Stadt gehen und ihren Körper ein wenig auf Vordermann bringen. Apropos Körper... Ihr Blick schweifte zu ihrem Mitbewohner, den sie kurz musterte. Wie es aussah, hatte die Wunde keine bleibenden Schäden hinterlassen.

"Morgen. Geht es dir besser? Kann ich was für dich tun? Rotebeetesaft Mixen oder so?"

Die Fragen, mit denen ihr Mitbewohner sie löcherte, ließen die Brünette die Augen verdrehen. Herrje. Es war ja nicht so, dass sie irgendwie schwerverletzt oder völlig krank im Bett lag.

"Ja, es geht mir besser und nein, du kannst nichts für mich tun", entgegnete sie schlicht und trank einen Schluck Orangensaft, da sie auf den morgendlichen Kaffee verzichtete. Möglicherweise war das der Grund, weshalb sie nur schleppend richtig wach wurde. Auf alle Fälle fühlte sie sich noch ziemlich müde und möglicherweise würde sie eine kalte Dusche benötigen. Moment. Eine kalte Dusche...

Vor ihrem inneren Auge liefen noch einmal die Ereignisse vom Vorabend ab, und nicht zum ersten Mal fragte sie sich, wie sie beide klitschnass im Badezimmer gelandet waren. Sie erinnerte sich noch an ihre Verzweiflung, weil der sture, alte Vampir einfach nicht trinken wollte, die Erleichterung und den kurz darauf folgenden Schreck, als er es doch getan hatte, und wie ihr schließlich die Sinne geschwunden waren. Danach war das nächste, an das sie sich erinnerte, Aidens von nassem Haar gerahmtes Gesicht, das irgendwie verbittert auf sie herabgeschaut hatte. Alles, was dazwischen geschehen war, fehlte ihr, und am letzten Abend war sie zu erschöpft gewesen, um nachzubohren. Wahrscheinlich hatte der Vampir sie einfach auf etwas unorthodoxe Weise aus ihrer Ohnmacht erwecken wollen, reimte Jane sich selbst zusammen.

"Was meinst du, was der Typ von uns wollte?“, unterbrach Aiden ihre Überlegungen „Hast du vielleicht eine Idee?"

"Nein. Ich kann mir nicht vorstellen, wieso man uns angegriffen hat. Es wäre nicht überraschend, wenn es dem Fall von vor ungefähr drei Wochen ähnelt. Was ich aber erstaunt, ist die Tatsache, dass er uns mitten auf dem Campus und während einer gut besuchten Party angegriffen hat", erwiderte die Vampirjägerin nachdenklich, während sie die Zeitung zur Seite legte und von ihrem Toast abbiss. Es konnte natürlich purer Zufall gewesen sein. Immerhin wurden seit Wochen Flyer zu dieser Veranstaltung verteilt und zu diesem Zeitpunkt waren sie alleine auf dem Balkon gewesen, sodass der Unbekannte seine Chance gewittert hatte. Allerdings sprach Aidens Anwesenheit gegen diese Theorie. Der fremde Vampir hatte seinen Artgenossen doch sicher gewittert und sich denken können, dass Aiden seine vermeintliche Beute nicht kampflos aufgeben würde. Ob es nun Zufall oder geplant war spielte keine Rolle. Sie mussten wachsamer und auf der Hut sein.

"Vielleicht wollte er einfach ein betrunkenes Mädchen abschleppen. Davon gab es ja sicher genug, die alleine in der Nähe des Campus herumgelaufen sind. Aber dass er dann dich angegriffen hat, obwohl du bei mir warst, ist komisch."

"Das war auch meine Überlegung. Dass er dich mit einem normalen Mensch verwechselt hätte, erscheint mir unlogisch", erklärte Jane und ließ das Geschehene noch einmal durch den Kopf gehen, um vielleicht irgendwie etwas Auffälliges an der Sache zu finden. Allerdings blieb die Erkenntnis aus.

„Ich glaube nicht, dass er mich für einen Menschen gehalten hat. Der Geruch ist zu anders. Außerdem hat er sich ja bewusst von hinten an dich angeschlichen und uns nicht offen angegriffen."

"Und du konntest keine Eigenschaften vom Angreifer ausmachen? Aussehen, Geruch oder sonstige, prägende Merkmale?", wollte die Brünette wissen, als sie ihr Geschirr zusammenstellte und begann, den Tisch abzuräumen.

„Nun, es war ein Mann. Und ich denke, wenn er vor mir stünde, könnte ich seinen Geruch erkennen. Aber durch die Maske war sonst nichts zu erkennen. Ich bin mir nur nicht sicher, ob das ein Kostüm war oder ob er geplant hat, jemanden unerkannt anzugreifen."

Na toll, das konnte ja noch heiter werden. Sie konnte nur hoffen, dass es nicht wieder so ausarten würde, wie vor wenigen Wochen. Dennoch würde sie wohl oder übel vorsichtiger sein und demnächst auf alkoholische Getränke verzichten, um die Reaktion ihrer Sinne nicht einzuschränken.

"Kam dir der Geruch irgendwie bekannt vor oder konntest du irgendetwas Spezielles herausriechen?", wollte sie weiter wissen. Es konnte immerhin es gut sein, dass gewisse Auffälligkeiten vorhanden waren, die zu einer möglichen Spur führen konnten.

"Bekannt kam er mir nicht vor, aber ehrlich gesagt habe ich darauf nicht wirklich geachtet. Ich könnte noch mal zur Universität gehen und mich dort umsehen. Vielleicht findet sich ja ein Hinweis darauf, wohin er verschwunden ist", schlug Aiden vor.

"Wir könnten am Montag nach den Vorlesungen dorthin gehen und uns umsehen. Wenn es dir aber möglich ist, wäre es bestimmt nicht schlecht, wenn du heute noch vorbeisehen könntest", meinte sie auf seinen Vorschlag hin. Schließlich konnte es gut sein, dass der Großteil der Spuren bis Montag verschwunden waren - auch wenn die Brünette bezweifelte, dass der Vampir irgendetwas Auffälliges hinterlassen hatte, sodass sie wohl oder übel weiter im Dunkeln tappen würden. Natürlich bestand die Möglichkeit, wieder Eldric zu informieren und um Recherchen zu bitten, doch wollte sie dies bis auf weiteres vermeiden. Immerhin war das mit größeren Nachteilen verbunden und brachte Restriktionen mit sich, auf die Jane liebend gerne verzichten wollte. Solange der Vampir keine Gefahr für ihre Mutter darstellte, würde sie sich zurückhalten und versuchen, das Ganze möglichst auf eigene Faust zu lösen. Die entsprechenden Mittel hatte die Vampirjägerin ja und ihr Mitbewohner machte sich nicht unbedingt schlecht als Spürhund.

Während sie so darüber nachdachte, spülte sie das Geschirr. Als sie das Wasser laufen ließ und das kühle Nass an ihrer Haut spürte, musste sie ein Mal mehr an die eigenartige Dusche denken, zu der ihr Mitbewohner sie gestern gezwungen hatte.

"Sag mal, was hatte ich gestern eigentlich bekleidet unter der Dusche zu suchen?", fragte Jane unverblümt, da sie die Sache doch nicht auf sich beruhen lassen konnte.

Aiden fuhr sich verlegen durch die Haare und fand im Garten vor dem Fenster scheinbar plötzlich etwas sehr interessant, denn er vermied es, sie bei seiner Antwort anzusehen. "Du weißt doch sicher, dass Vampirgift eine... Betörende Wirkung auf Menschen hat, oder?" Er sah sie eine Sekunde an, nahm die Zeitung, die sie zuvor weggelegt hatte und strich sie übermäßig umsichtig glatt. "Du warst dem ein wenig verfallen und ich wollte dich mit der Dusche einfach aufwecken. Entschuldige, mir ist nichts Besseres eingefallen."

Beinahe wäre ihr ein Teller aus der Hand gefallen. Jedoch schaffte sie es rechtzeitig, diesen festzuhalten. Stimmt. Daran hatte sie gar nicht gedacht, als sie ihn dazu gebracht hatte, sie zu beißen. "Was meinst du mit ich war dem ´ein wenig verfallen`?", verlangte die Brünette zu wissen und blickte von der Küche zu ihm rüber. Die Vampirjägerin hoffte sehr, dass sie unter dem Einfluss des Gifts keine Peinlichkeiten angestellt hatte.

"Na ja, du hast versucht, mich zu küssen…", antwortete er ganz leise und Jane wäre am liebsten im Erdboden versunken.

Hätte sie in dem Moment eine Schaufel zur Hand gehabt, dann hätte sie wahrscheinlich eigenhändig ein Loch gegraben, sich selbst verbuddelt und darauf gewartet, dass Gras über die Sache gewachsen war. Da dies allerdings nicht der Fall war, legte sich die junge Frau nur schwer seufzend die Hand ins Gesicht und ließ das Ganze erst einmal sacken. Dabei fixierte sich Jane ganz bewusst auf das Wort ´versucht`. Solange es nur beim Versuch geblieben war, wäre es akzeptabel, und da er eben gesagt hatte, dass sie es nur probiert hatte, glaubte sie ihm das. Natürlich hätte die junge Frau nachhaken können, doch irgendwie fürchtete sie sich vor weiteren Antworten...

"Verstehe. Tschuldige dafür", murmelte sie dementsprechend leise und begab sich rasch zur Treppe. Mit den Worten, dass sie unter die Dusche springen und sich anziehen würde, verschwand die schwerreiche Wirtschaftsstudentin im oberen Stock des Anwesens und flüchtete vor der unangenehmen Erkenntnis, die Aiden ihr scheinbar hatte ersparen wollen. Warum hatte sie auch weiter nachhaken müssen? Hätte sie die Fähigkeit oder die Macht dazu gehabt, dann hätte sie am liebsten die Zeit zurückgedreht und das ungeschehen gemacht. Da dies jedoch nicht möglich war, versuchte sie, das einfach zu vergessen. Wie gut, dass die junge Frau keinerlei Erinnerungen an den gestrigen Abend besaß. So würde es ihr leichter fallen, die ganze Sache aus ihrem Gedächtnis zu streichen...

Unter der Dusche kam ihr das Meeresrauschen aus ihrem Traum wieder in den Sinn, wobei sie das Wasser eiskalt stellen musste, um ihren Körper zu beruhigen. Beunruhigt stieg sie später aus der Dusche und holte ein Fieberthermometer aus dem Arbeitszimmer ihrer Mutter, doch dieses zeigte normale Werte, also war sie vermutlich nicht krank. Trotzdem fühlte sie sich danach, einfach ins Bett zu gehen und den Tag auch dort zu verbringen.

Am Ende landete sie auf der Couch, wo sie fast durchgehend vor dem Fernseher schlief. Dabei verfolgten sie anfangs weiterhin Träume, an die sie sich beim Aufwachen nicht erinnern konnte. Nachmittags wurde sie wach, als jemand sich zu ihr auf die Couch setzte und ihr durchs Haar strich. Blinzelnd sah Jane zu ihrer Mutter auf, die sie besorgt musterte.

„Aiden hat mir erzählt, was passiert ist“, berichtete die Ärztin. „Wie geht es dir?“

Jane wäre am liebsten im Erdboden versunken, weil ausgerechnet ihre Mutter sie an das Intermezzo mit dem Blutsauger erinnerte. Die Ältere schien allerdings so ruhig, dass die Vamirjägerin zu hoffen wagte, dass ihr Untermieter nichts von ihren, nun, Zudringlichkeiten erzählt hatte. „Mir geht´s gut, Mom, ehrlich. Ich bin nur schlapp…“

„Das kann ich mir vorstellen, du musst einiges an Blut verloren haben.“ Die braunen Augen der Ärztin waren dunkel vor Sorge, und Jane verfluchte innerlich Aiden, der ihr von der ganzen Sache überhaupt erzählt hatte. Natürlich machte sie sich wahnsinnige Sorgen, nachdem sie ihren Mann an einen Vampir verloren hatte.

„Das wird schon wieder…“

„Ich brauche keine Beschwichtigungen. Ich bin nicht sauer, sondern besorgt, Jane“, erwiderte Elizabeth, die ihrer Tochter liebevoll durch die Haare strich. „Du bist mir das Wichtigste auf der Welt, und ich will dich auf keinen Fall verlieren. Nur… Habe ich das Gefühl, du bist in letzter Zeit ein wenig unvorsichtig mit deiner Gesundheit.“

„Ich kann doch nichts dafür, dass ich aus heiterem Himmel überfallen wurde“, seufzte Jane, die ihre Mutter ja verstand, nur hatten sie dieses Gespräch schon gefühlte 1000 Mal geführt. Jedes Mal, wenn die Vampirjägerin sich verletzte, um genau zu sein.

„Nein… Vermutlich nicht“, lenkte Elizabeth ein, ehe sie aufstand. „Eine Sekunde, ich hole Verbandsmaterial.“

Während die Hausherrin davon wuselte, um alles zu holen, setzte ihre Tochter sich auf. Dabei zuckte sie zusammen, denn sie belastete ihren Arm falsch. Missmutig betrachtete sie den Schnitt, den wohl Aiden gestern vorsorglich behandelt hatte. Sie hatte sich geschnitten – wegen ihm. Wann war es so weit gekommen, dass sie für einen Vampir dazu bereit war, sich selbst zu verletzen? Vor allem, wo sie wusste, wie heftig dieser spezielle Vampir auf ihr Blut reagierte. Fakt war allerdings, dass sie in dem Moment gar nicht darüber nachgedacht hatte, ob sie selbst in Gefahr war. Es stand einfach außer Frage, dass jemand bei dem Versuch, sie zu beschützen, draufgehen sollte. Und das wäre er, da machte Jane sich keine Illusionen. Wie er da an die Brüstung gelehnt gelegen hatte und es kaum schaffte, die Augen offen zu halten, sich aber trotzdem weigerte, ihr Blut zu trinken…

Ihre Mutter kehrte zurück und machte sich daran, die Wunde zu desinfizieren und neu zu verbinden. Da der Schnitt nicht sofort genäht worden war, würde eine Narbe zurückbleiben, doch das störte Jane wenig. Es war nicht die erste. Schwieriger wäre es, den Verband vor ihren Freunden zu verstecken, bevor alles verheilt war. Oder sollte sie einfach erzählen, sie habe sich geschnitten? Allerdings hatte sie vor kurzem erst eine Schiene und einen Verband an der Schulter getragen, das könnte auffallen.

Es war nicht so, als verheimlichte Jane gerne etwas vor ihren Freunden, oder belog diese ohne schlechtes Gewissen. Nur hatte sie in ihrer Ausbildung gelernt, dass es besser für Außenstehende war, nichts über den Zirkel zu wissen. Zu groß war die Gefahr, dass jemand Eingeweihte als Druckmittel gegen Jäger einsetzte oder ihnen Informationen entlockte. Außerdem hätten Logan, Cynthia, Benjamin und Kate wohl kaum geglaubt, hätte Jane ihnen plötzlich eröffnet, dass sie nachts Untote jagte und tötete. Vermutlich hätten sie sie einliefern lassen.

Die einzige aus Janes Bekanntenkreis außerhalb des Zirkels, die von ihrem Job wusste, war ihre Mutter. Elizabeth musste also alleine mit der Sorge um ihre Tochter leben und konnte sich damit nicht mal jemandem anvertrauen. Sie konnte nur hoffen, dass Jane immer wieder nach Hause zurückkehrte – selbst, wenn es so lädiert war, wie sie sich jetzt präsentierte.

„So, fertig… Oh?“, machte die Ärztin überrascht, als ihre Tochter sie plötzlich in den Arm nahm. Sie strich ihr über den Rücken und fragte besorgt: „Alles in Ordnung, mein Schatz?“

„Ja, ich… Es tut mir leid, dass du dir immer so große Sorgen um mich machst. Aber ich verspreche, dass ich immer wieder zurückkommen werde. Egal, was passiert.“

Kurz drückte Elizabeth Jane fester, dann löste sie sich und strich ihr mit einem zärtlichem Lächeln über die Wangen. „Mein Liebes… Du bist deinem Vater manchmal so ähnlich, nicht nur äußerlich.“ Sie beugte sich vor und hauchte der jungen Frau einen Kuss auf die Stirn. „Deswegen weiß ich, dass du sicher sein wirst. Du wirst alles schaffen, was du dir vorgenommen hast. Aber… Übertreib es nicht, in Ordnung?“

Jane schluckte einen Kloß im Hals runter, ehe sie nickte. „Natürlich.“

„Und ab und zu könntest du Hilfe annehmen“, merkte sie an, wobei Jane natürlich genau wusste, dass sie auf Aiden anspielte.

Es stimmte schon; er war ein zusätzlicher Sicherheitsgarant, während sie jagte. Und da es ihre Mutter scheinbar so sehr beruhigte, war es vermutlich wirklich an der Zeit, sich endlich ernsthaft Gedanken über einen Pakt mit ihrem Stalker zu machen, ob es ihr nun passte oder nicht.
 

Jane ertappte sich im Folgenden dabei, wie sie Aiden im alltäglichen Leben beobachtete und kam nicht umhin, zu bemerken, wie gut er sich inzwischen mit ihrer Mutter verstand. Dabei stellte sie ebenfalls fest, dass sie dieses gute Verhältnis nicht sonderlich störte; sie machte sich nicht mal Sorgen um Elizabeth. Immerhin machte der Vampir keine Anstalten, der Ärztin gefährlich zu werden, und schon bald nahm sie es nicht mal mehr als etwas Besonderes oder Ungewöhnliches wahr. Auch in ihren Freundeskreis hatte Aiden sich nach ein paar Startschwierigkeiten integriert und lernte jetzt, trotz seines nach wie vor latenten Desinteresses, gemeinsam mit der Gruppe für das Studium. Seinen (Jane unverständlichen) Groll gegen Logan hatte er wohl begraben, denn obwohl sie die beiden Männer nicht als Freunde bezeichnet hätte, konnten sie inzwischen normal miteinander reden.

Jane hatte es sich noch vor knapp drei Monaten nicht im Traum vorstellen können, doch Aiden hatte es tatsächlich geschafft, sich in ihr Leben zu integrieren. Zu Beginn hatte sie geschauspielert, um ihn für den Auftrag zu gewinnen, doch jetzt akzeptierte sie den Blutsauger ohne größere Wutausbrüche oder allzu viele böse Kommentare.

So kam es auch, dass er anwesend war, als ihre Clique auf Janes nahenden Geburtstag zu sprechen kam. Natürlich war es Kate, die die Organisation in die Hand nehmen wollte – Sie liebte es, Feiern zu organisieren, obwohl sie wusste, dass Jane kein sonderliches ´Partygirl` war.

„Ich würde sagen, wir gehen essen und danach noch feiern“, schlug die Hobby-Partyplanerin vor, als die Gruppe in einer gemeinsamen Freistunde in einer der Sitzecken an der Universität platzgenommen hatte. Logan saß neben Jane und machte sich Notizen zu einem Buch, in dem er las, sah aber auf, als er das Thema hörte. Er und die anderen stimmten dem Vorschlag der Freundin zu. Jane selbst gefiel die Idee, denn ihre Mutter könnte im Restaurant dabei sein und sich später zurückziehen.

Schon diskutierten die Studenten, wohin es denn gehen sollte, als die Vampirjägerin Aidens Blick auf sich spürte. Er saß zwischen Cynthia und Kate, als wäre es nie anders gewesen. Stirnrunzelnd sah sie ihn an, woraufhin er lächelte. „Wann hast du eigentlich Geburtstag?“

Verblüfft blinzelte die Brünette. Bisher hatte er alles über ihr Leben selbst herausgefunden, deshalb war sie einfach davon ausgegangen, dass er auch dieses Datum herausgefunden hatte. Zudem – obwohl ihr diese Erkenntnis nicht gefiel – war Aiden inzwischen für sie so selbstverständlich, dass sie gar nicht mit einer derartigen Frage gerechnet hatte.

„Am siebten November“, erklärte sie, als sie sich ein wenig gefangen hatte.

Das war nur zwei Tage später, aber der Vampir ließ sich nicht anmerken, ob er beleidigt war, so spät informiert worden zu sein. „Verstehe… Ich habe leider etwas vor“, unterbrach er Kate, die bereits den Plan für den Abend erstellte.

„Hm? Wirklich?“ Deutlich irritiert sah die kurzhaarige Studentin zwischen ihm und Jane hin und her (Wieso eigentlich?), doch dann nickte sie. „Na ja, da kann man nichts machen. Aber du verpasst was!“

„Da bin ich mir sicher“, erwiderte er gutmütig und lehnte sich zurück, damit die Gruppe weiter diskutieren konnte.

Jane selbst war überrascht. Sonst ließ er sich doch keine Gelegenheit entgehen, privat etwas mit ihr zu unternehmen, ´Teil an ihrem Leben zu haben`, wie er das Anfangs so schön genannt hatte. Inzwischen hatte sie sogar das Gefühl, er habe keinerlei andere Hobbys, als sie und die Jagd. Er sprach zwar davon, gerne Sport zu machen, doch er war nicht in einem Verein und bisher hatte er sich auch noch nie verabschiedet, um alleine etwas zu unternehmen. Diese Abhängigkeit beunruhigte Jane, doch sie zog es vor, nicht zu genau darüber nachzudenken. Sicher bildete sie es sich sowieso nur ein.

Am Ende verabredeten sich alle – außer dem Vampir – für Janes Geburtstag in ihrem Lieblingsrestaurant, natürlich einem Italiener. Zufällig fiel ihr Jahrestag auf einen Freitag, sodass nichts die Gruppe daran hinderte, später noch in einen Club zu gehen. Jane selbst hätte kein großes Aufheben darum gemacht, doch sie wusste, wie gerne Kate plante, und sie freute sich auf die Zeit mit ihren Freunden.

Besagter siebter November rückte schnell heran, und er begann mit einem gemeinsamen Frühstück im Hause McCollins. Als Jane aufstand und in die Küche kam, stand in dieser bereits ein üppiges Frühstück mit Rührei, Speck, Bohnen und Toast, und ihre Mutter drückte sie strahlend an sich.

„Alles Gute, Liebes“, sagte sie und drückte Jane einen Kuss auf die Wange und ein kleines Päckchen in die Hand.

Aiden, der ebenfalls am Tisch saß und sie anlächelte, beobachtete neugierig, wie die junge Frau sich bedankte und das Geschenk auspackte. Darin fand sie einen Gutschein für einen Tag im Spa.

„Du hattest in letzter Zeit so viel Stress, da dachte ich, das könnte dir gut tun“, erklärte Elizabeth. Kurz darauf fand sie sich in einer neuerlichen Umarmung wieder und lachte leise. „Schön, dass es dir gefällt, mein Schatz.“

„Danke, Mom. Wirklich.“ Jane drückte ihre Mutter nochmal und lächelte sie liebevoll an. Die beiden Frauen plauderten darüber, was alles in dem Wellness-Tempel angeboten wurde und dass Elizabeth diese Einrichtung sehr mochte, während sie sich an den Tisch setzten und sich von dem Frühstück nahmen.

Erst in einer kurzen Redepause räusperte Aiden sich, sodass Jane ihn fragend ansah. Überrascht weitete sie die Augen, als er ihr etwas über den Tisch schob; zwei Karten für den Thrope Park, einem beliebten Londoner Freizeitpark.

„Ich wusste nicht, ob du solche Parks magst, aber auf die Schnelle ist mir nichts besseres eingefallen“, erklärte er, sichtlich verlegen.

Jane selbst war einfach nur verblüfft, dass er ihr überhaupt etwas schenkte. Zum einen wusste sie nicht, ob Vampire das taten – Geburtstage feiern oder eben Geschenke zu diesem Tag machen. Was schenkte man sich auch zum hundertsten oder zweihundertsten Geburtstag? Und zum anderen hatte er immerhin erst vor zwei Tagen erfahren, dass sie heute ein Jahr älter wurde. Dass Aiden ihr dann noch so etwas teures schenkte, setzte dem Ganzen die Krone auf.

„Nein, ich… Danke. Das ist sehr… Nett von dir“, brachte sie verblüfft hervor. Kurz blinzelte sie, dann brachte sie sogar ein Lächeln zustande.

„Warum geht ihr nicht gleich am Sonntag hin?“, schlug Elizabeth munter vor. Sie schien nicht überrascht, was darauf schließen ließ, dass der Vampir sie bezüglich seiner Geschenkidee konsultiert hatte. Die Ärztin biss von ihrem Toast ab und sah zwischen ihren beiden Mitbewohnern hin und her. „Da soll schönes Wetter sein, was vermutlich zum letzten Mal dieses Jahr der Fall ist.“

Bevor Jane überhaupt etwas dazu sagen konnte, hob Aiden abwehrend die Hände und wiedersprach: „Du musst dich nicht gezwungen fühlen, mit mir dort hinzugehen. Die zweite Karte ist nur…“ Er verstummte, wusste scheinbar selbst nicht, für was die zweite Karte war.

Allerdings wäre Jane nie auf die Idee gekommen, jemand anderen einzuladen, wo er ihr doch die Karten geschenkt hatte. Dabei fiel ihr mal wieder auf, wie natürlich der private Umgang mit dem Vampir inzwischen für sie war, und sie runzelte kurz die Stirn. Jetzt wollte jedoch nicht darüber nachdenken, sodass sie nur die Schultern zuckte.

„Sonntag klingt gut für mich. Wenn du Zeit hast?“, fügte sie hinzu, immerhin war er heute verplant, das konnte ja auch für den Rest des Wochenendes zutreffen.

Aiden sah sie stumm an, während sich ein übermäßig sanftes Lächeln auf seine Lippen legte, dann nickte er. „Sonntag wäre perfekt.“

„Also abgemacht.“ Die Vampirjägerin warf einen Blick auf die Uhr, stand auf und räumte ihre Tasse weg, denn Geburtstag hin oder her, sie mussten zur Uni. Die Studenten verabschiedeten sich von der Hausherrin und machten sich auf den Weg. Unterwegs linste Jane immer wieder zu ihrem Beifahrer, bis sie nicht mehr anders konnte, als zu fragen: „Wie bist du auf diese Idee gekommen?“

„Hm? Oh, das.“ Aiden lächelte und fuhr sich durch die Haare. „Als wir einkaufen waren hat uns doch so ein Mädchen einen Flyer für den Thrope Park gegeben. Den hatte ich zufällig in der Wäsche gefunden und Liz gefragt, ob dir so etwas gefallen könnte.“

Hatte sie doch gewusst, dass ihre Mutter da die Finger im Spiel hatte. Allerdings hatte sie nichts dagegen, Zeit mit dem Vampir zu verbringen, wie es noch vor ein paar Wochen der Fall gewesen wäre. Nach allem, was er in ihrer kurzen Bekanntschaft für sie getan hatte, verließ Jane sich auf ihn, und ja – sie dachte über eine längerfristige Partnerschaft nach. Im Moment sträubte sich ihr Innerstes noch gegen die Entscheidung, doch inzwischen sah sie immer öfter die positiven Effekte, die ein Zusammenschluss auf ihre persönliche Arbeit haben könnte.

"Warst du schon mal in diesem Park?", erkundigte Aiden sich, während Jane auf dem Campusgelände parkte.

"Ja, aber das war vor über zehn Jahren. Seitdem war ich nicht mehr dort", erklärte die Vampirjägerin, die das letzte Mal im zarten Alter von sieben oder acht Jahren dort gewesen war, als ihr Vater noch gelebt hatte. Zwar konnte sie sich nicht mehr genau an den Familienausflug erinnern, doch verband sie damit nur glückliche Erinnerungen - was die Fotos bezeugten, die im Familienalbum zu finden waren.

"Hm… Wahrscheinlich hattest du seitdem nicht mehr wirklich Zeit für so etwas?", fragte er auf dem Weg zum Lehrsaal weiter.

Jane zuckte nur die Schultern. Es war nicht so, dass sie keine Zeit dafür gehabt hatte. Sie hatte einfach keine Notwendigkeit darin gesehen und ihre Prioritäten in den letzten Jahren auf ihre Ausbildung und die Jagd gelegt.

Wenig später gelangten sie zu einer Lehrveranstaltung, die aus Janes Freundeskreis nur sie beide belegten, sodass niemand in überschwängliche Glückwünsche ausbrach. Die folgten dann im nächsten Seminar, in dem sie auf Cynthia und Logan trafen, und nochmal am Nachmittag bei Kate und Benjamin. Geduldig ließ die Brünette sich gratulieren, umarmen und – in Logans Fall – sogar in Küsschen auf die Wange hauchen. Sie war etwas überrascht (Gaben sie sich Küsschen? Seit wann das?), doch es störte sie nicht, und sie lächelte ihren Kommilitonen an.

Die fünf jungen und der eine alte Student betraten den Seminarraum und suchten sich Plätze. Bevor der Professor hereinkam, erzählte Kate aufgeregt von der Party, die sie nach dem Abendessen besuchen würden.

„Das ist ein Color-Splash“, erzählte sie, und führte auf Aidens fragenden Blick aus: „Ernsthaft, du kennst das nicht? Da wird mit Neonfarben herumgeschossen, man kann sich das Gesicht bemalen lassen und so. Ihr müsst euch alle was Weißes anziehen, ok?“

„Ich weiß nicht, ob ich etwas weißes habe, das dreckig werden soll“, warf Benjamin ein, der meist Hemden trug und niemand war, der sich mit Farbe beschmieren ließ.

„Dann besorg dir eben was. So ein weißes Shirt ist doch nicht teuer“, beharrte Kate.

„Wir können ja später zusammen in einen Laden gehen“, schlug Cynthia ihrem Schwarm vor, der kurz überlegte, auf Kates Protest dann aber zustimmte.

Jane hätte sie eigentlich begleiten können; sie war sich ebenfalls nicht sicher, wie es mit weißer Garderobe aussah. Allerdings wollte sie die beiden in ihrer Zweisamkeit nicht stören, sodass sie sich alleine darum kümmern würde.

Der Professor betrat den Raum, woraufhin das Gespräch verstummte. Nach der Lektion trennten die Studenten sich vorerst, um sich auf das spätere Abendprogramm vorzubereiten. Wie meistens fuhr Aiden bei Jane mit, die sich eine Frage doch nicht verkneifen konnte.

„Und? Was hast du heute Abend so wichtiges vor?“

Es war nicht so, dass sie ihn unbedingt dabei haben wollte, viel mehr so, dass sie es nicht gewohnt war, dass ihr Vampir sie nicht begleitete. Dass er das freiwillig tat, kam ihr uncharakteristisch vor.

Doch Aiden strafte ihr Misstrauen mit einem Lächeln lügen. „Ich kann schlecht zu einer Verabredung in ein Restaurant gehen und behaupten, ich hätte schon gegessen. Das wäre seltsam, oder?“, erinnerte er sie. „Und was den Besuch in der Disco anbelangt… Nun, ich habe bei unserem letzten Ausflug festgestellt, dass das nicht wirklich meine Art von Spaß ist.“

Das konnte Jane nachvollziehen, sodass sie nickte und sich wieder auf die Straße konzentrierte.

„Aber du solltest heute Abend gut auf dich aufpassen“, fuhr Aiden fort, woraufhin die Fahrerin die Augen verdrehte.

Sie bog in ihre Straße ein und parkte vor dem Haus, ehe sie ausstieg. „Es wird schon nicht in jedem Club in London irgendein Vampir sein Unwesen treiben.“

„Wahrscheinlich nicht“, gab Aiden ihr Recht, der ihr ins Haus folgte und ihr die Jacke abnahm, bevor er seine eigene aufhängte. „Doch du scheinst eine sehr anziehende Wirkung auf meinesgleichen zu haben.“

„So?“ Jane wandte sich mit hochgezogenen Brauen und verschränkten Armen zu ihrem Hausgast. „Schließt du da nicht von dir auf andere?“

Aiden lachte und schüttelte den Kopf. „Kann sein… Jedenfalls wünsche ich dir viel Spaß.“

„Hm… Danke“, erwiderte Jane leicht mürrisch, dann zog sie sich in ihr Zimmer zurück, um sich vorzubereiten, denn viel Zeit blieb ihr nicht mehr, bevor sie los mussten. Die junge Frau checkte gerade ein letztes Mal ihr Make-Up im Spiegel, als auch schon ihre Mutter von unten nach ihr rief.

Elizabeth ließ sich gerade von Aiden in einen perlgrauen Mantel helfen, als Jane nach unten kam. Unter der Jacke trug die Ärztin ein hübsches, lilanes Wickelkleid und, zusätzlich zu ihrem Ehering, dezenten Schmuck. Ihre leicht geschminkten Augen sahen den Hausvampir unschlüssig an, als sie fragte: „Und du möchtest wirklich nicht mitkommen?“

„Mach dir keine Gedanken.“ Der Vampir lächelte sie an, doch sein Blick huschte immer wieder zu Jane, die gerade in ihre Schuhe schlüpfte. Da es auf eine Party gehen sollte, auf der mit Neonfarbe geschossen würde, trug sie billige weiße Jeans und ein weißes Tanktop. Für das Restaurant schlüpfte sie in einen grauen Blazer und silberne Pumps, zudem hatte sie passenden Schmuck angelegt. All das würde sie später ihrer Mutter mit nach Hause geben und gegen einfache Sneaker tauschen. Ihr Haar hatte sie geglättet und zu einem hohen Pferdeschwanz gebunden. „Ich finde schon eine Beschäftigung.“

„Hm… Ich werde ja nicht zu lange weg sein. Aber du könntest später mit den Kindern in die Disco gehen – dabei würde ja niemand sehen, dass du nicht isst.“

Bevor Aiden, der gerade nach Janes Jacke griff, um ihr in diese zu helfen, noch etwas sagen konnte, unterbrach die Vampirjägerin: „Lass ihn doch, Mom. Er wusste sich auch zu beschäftigen, bevor er uns kannte.“

„Stimmt wohl… Entschuldige bitte, Aiden, ich wollte dich nicht bedrängen.“

„Nicht doch.“ Ihr Hausgast sah völlig zufrieden aus, als Jane ihm erlaubte, ihr in den Mantel zu helfen. „Es ist schmeichelhaft, wenn zwei so bezaubernde Damen sich um mich sorgen… Ihr seht hinreißend aus“, fügte er hinzu und deutete eine Verbeugung an.

Elizabeth bedankte sich geschmeichelt, während ihre Tochter nur einen prüfenden Blick auf die Uhr in ihrem Handy warf und feststellte, dass sie langsam aufbrechen sollten. Sie überhörte Komplimente vonseiten des Vampirs nach wie vor geflissentlich. Nicht, weil sie Aiden noch immer ignorieren wollte oder dergleichen. Vielmehr hielt sie derartiges Lob für Teil seiner übertriebenen Höflichkeit. Hinzu kam ihr Blick auf die ‚Männlichkeit‘ des Vampirs. Anfangs hatte sie ihn überhaupt nicht als Mann, sondern ausschließlich als Blutsauger wahrgenommen. Inzwischen sah sie ihren Partner eher so, wie sie Lucas – den älteren Vampirjäger, den sie und Aiden ab und zu im Zirkel getroffen hatten – als Mann wahrnahm; sein Geschlecht war ihr bewusst, doch es beeinflusste sie bei Kommunikation und Interaktion nicht.

Die Damen des Hauses verabschiedeten sich bei ihrem Mitbewohner und stiegen ins Auto. Da die jungen Leute noch in einen Club wollten, fuhr Elizabeth die Strecke zum Restaurant.

„Und du meinst, Aiden wird sich nicht langweilen?“, fragte Elizabeth, kaum waren sie auf der Straße.

Ihre Tochter seufzte. „Bestimmt nicht. Wahrscheinlich geht er jagen oder so“, überlegte sie vage, da Jane wirklich nicht wusste, was die Freizeitbeschäftigungen des Vampirs waren, wenn dieser ihr gerade nicht an den Fersen heftete. Es interessierte sie einfach nicht sonderlich – im Gegensatz zu ihrer Mutter, der sie einen neugierigen Blick zuwarf. „Du machst dir ziemlich viele Gedanken um ihn.“

„Natürlich“, erwiderte Elizabeth gelassen, während sie in eine Straße einbog. „Er hat dir immerhin mehrfach das Leben gerettet.“

Jane macht ein unwilliges Geräusch und sah wieder aus dem Fenster. Daran musste man sie wirklich nicht erinnern, obwohl sie es Aiden höher anrechnete, dass er ihre Mutter gerettet hatte. Jane selbst wäre schon irgendwie aus der Situation mit der Vampir-Mutter herausgekommen, aber gleichzeitig Elizabeth zu beschützen oder aus der Gefahrenzone zu bringen, wäre ihr ohne ihren Partner nicht so einfach möglich gewesen. Und das war nur eine der Gelegenheiten, zu der sich die Zusammenarbeit als nützlich erwiesen hatte. Sicher würde sie ihr auch in Zukunft helfen…

Die Richtung, in die ihre Gedanken abdrifteten, gefiel der jungen Frau nicht, sodass sie ganz froh war, als ihre Mutter fortfuhr: „Außerdem ging es Aiden doch eine Weile nicht so gut und ich glaube nicht, dass es zuträglich ist, wenn er sich mit seinen Problemen verkriecht.“

„Es geht ihm gut, Mom“, antwortete Jane, die keine Lust hatte, auf Drängen ihrer Mutter ein weiteres Gespräch mit dem Vampir über dessen Gefühlswelt zu führen. Er würde ja doch nur Lächeln und behaupten, alles sei bestens.

„Na, wenn du das sagst.“ Die Ärztin klang wenig überzeugt, konzentrierte sich aber gerade auf die Parkplatzsuche.

Wenig später erreichten die Frauen das Restaurant, in dem kurz nach ihnen Janes Freunde eintrafen. Die Gruppe verbrachte ein paar schöne Stunden bei gutem Essen, es wurde viel gelacht und natürlich vor allem alte Geschichten über das Geburtstagskind ausgepackt.

„Ich weiß noch, wie wir uns kennengelernt haben…“, berichtete Cynthia, und obwohl alle Anwesenden die Geschichte kannten, unterbrach sie niemand. Diese Erzählung war das Zuhören immer wieder wert. „Das war im ersten Semester, bei einem Referat von Jane. Meine Sitznachbarin hatte etwas zu mir gesagt, und ich sagte deswegen: ‚Schwachsinn‘, was Jane natürlich sofort auf ihren Vortrag bezog. Vor dem ganzen Kurs hat sie mich angeschnauzt, ob ich ein Problem hätte. Das konnte ich natürlich nicht auf mir sitzen lassen.“

„Ich glaube, der Professor dachte, ihr springt euch gleich an die Gurgel“, warf Logan amüsiert ein, der an besagtem Morgen ebenfalls anwesend gewesen war.

„Das hätte leicht passieren können“, lachte Jane, ehe sie einen Schluck von ihrer Weinschorle nahm. Danach waren die beiden jungen Frauen sich eine Weile lang spinnefeind gewesen, bis sie auf einer Exkursion ein klärendes Gespräch geführt hatten. Seither waren sie Freundinnen, wahrscheinlich gerade, weil sie beide so hitzköpfig sein konnten.

Cynthia hielt dem Geburtstagskind das Glas hin und grinste sie an. „Na dann: darauf, dass wir uns nicht an die Gurgel gegangen sind und jetzt deinen Geburtstag feiern können.“

Die Gruppe stieß an, dann trudelte der Nachtisch ein und eine halbe Stunde später fanden sich alle in Elizabeth’s Wagen wieder, die die jungen Leute zur nächsten Station ihres Abends brachte. In der Nähe des Clubs ließ die Ärztin Jane und ihre Freunde raus, wobei das Geburtstagskind ihr einen Kuss auf die Wange hauchte und alle anderen sich für den Taxiservice bedankten.

„Soll ich euch nicht wieder abholen?“, fragte Elizabeth, die das zuvor schon angeboten hatte.

„Danke, Mom, aber es gehen ja Subways und zur Not nehmen wir ein Taxi. Mach dir keine Sorgen.“

„Na gut. Dann viel Spaß euch, und bis morgen.“

„Bis morgen“, verabschiedete Jane sich und warf die Autotür zu, um sich zu ihren wartenden Freunden zu gesellen.

Der Club, in den Kate sie brachte, war in zwei Haupt-Areas aufgeteilt und hatte eine Galerie mit einer Bar. Es war halb zwölf, als sie eintrafen, und die meisten Anwesenden hatten bereits bunte Farbe im Gesicht oder auf Masken, die an den Bars gekauft werden konnten. Ein Großteil der Gäste hatte sich tatsächlich an den Dresscode – weiß – gehalten und leuchte bläulich im Licht der Scheinwerfer. Eine Weile später waren alle mit Drinks und Gesichtsfarbe versorgt – Jane hatte einen Geburtstagskuchen auf die Backe gemalt bekommen – und fanden sich auf der Tanzfläche wieder. Auf einer Bühne standen ein Mann oben ohne und zwei leichtbekleidete Frauen, die ab und zu mit Wasserpistolen Neonfarbe in die Menge schossen, was dazu führte, das weiter vorne Stehende schon bald von Kopf bis Fuß leuchteten. Die Gruppe um die Vampirjägerin beschloss, sich dieses Spektakel eher von weiter hinten anzuschauen, doch gegen drei Uhr morgens war sogar der Boden klebrig vor verschütteter Farbe.

Jane fühlte sich angenehm leicht durch den Alkohol und hatte so viel Spaß wie schon lange nicht mehr mit ihren Freunden. Sie war erleichtert, dass nach all dem Stress der letzten Monate endlich eine ruhigere Zeit angebrochen zu sein schien – trotz ihres ungewöhnlichen Mitbewohners. Eigentlich war er gar nicht so übel, gestand sie sich in ihrem leicht betrunkenen Zustand ein. Vielleicht sollte sie wirklich mit Eldric über einen dauerhaften Pakt reden…

Ihre Überlegungen wurden unterbrochen, als Logan mit zwei neuen Gläsern auf sie zustapfte und ihre eines davon hinhielt. „Für dich.“

„Ich glaube, ich brauche nichts mehr“, lachte Jane, nahm aber trotzdem den Cocktail und bedankte sich bei ihrem Freund. Dieser trug eine Maske, auf die Kate Blümchen und Schmetterlinge gemalt hatte. Plötzlich störte es die Brünette, ihm nicht in die Augen sehen zu können, sodass sie sich auf die Zehenspitzen stellte und die Maske in seine Haare schob.

Etwas verblüfft sah Logan sie an, dann lächelte er. „Besser?“

„Mhm… Aber ich glaube echt, ich bin betrunken“, gestand sie und lehnte sich für einen Moment an seine Brust.

Er lachte nur und legte die Hand stützend in ihren Rücken. „Das ist doch ok, immerhin feiern wir deinen Geburtstag. Ich glaube sogar, Kate und Cyn wären enttäuscht, wenn du es nicht wärest.“

Auch Jane musste lachen, und wie schon an Halloween fingen sie ganz natürlich an, sich gemeinsam im Takt der Musik zu bewegen. „Und? Wie viele Typen haben dich wegen des Geburtstagskuchens auf deiner Wange angequatscht?“, wollte Logan wissen.

„Vermutlich so viele, wie dich wegen der Blümchen.“

„So viele?“

Sie grinsten sich an, dann nahm Jane einen Schluck von ihrem neuen Cocktail und stellte fest: „Das ist jedenfalls eine der besseren Partys, auf die Kate uns geschleift hat.“

„Definitiv“, stimmte Logan zu, der die Hand wieder von ihrem Rücken genommen hatte, obwohl Jane nichts dagegen gehabt hätte, wäre sie dort geblieben. „Weißt du noch dieser Musikvideo-Dreh?“

„Bei dem du und Benjamin gar nicht in den Club gekommen seid? Aber glaub mir, ihr habt nichts verpasst; die Mädchen, die am wenigsten anhatten ‚durften‘ sich auf den Schößen der Musiker rekeln und die anderen saßen daneben und haben zugeschaut.“

„Klingt wirklich, als hätten Ben und ich da mehr Spaß gehabt.“

„Mein Favorit ist aber der Abend mit den Tabledancern gewesen“, berichtete Jane, die inzwischen nur noch locker zur Musik hin und her wippte. Um sich mit ihm zu unterhalten, beugte Logan sich weit zu ihr und sie streckte sich ihm entgegen, die freie Hand lag auf seiner Brust.

„Stimmt, der war gut.“

„Nur die Tänzerinnen waren es leider nicht“, erwiderte Jane, worüber ihr Kommilitone lachte.

„Sei doch nicht so“, verteidigte er in seiner üblichen, freundlichen Art, die die Brünette so schätzte. „Sie haben sich sehr bemüht.“

Die beiden unterhielten sich noch ein wenig über die ausgefallenen Abende, die ihre Gruppe schon in Clubs verbracht hatte, bis Cynthia zu ihnen trat. „Hey, ihr zwei, wir würden langsam gehen. Wie sieht es bei euch aus?“

Jane warf einen Blick auf ihre Handy-Uhr und war erstaunt, dass es bereits fast vier war. Wo war die letzte Stunde geblieben? Sie beschlossen einstimmig, aufzubrechen, und kurze Zeit später waren sie bereits auf dem Weg zur Garderobe. Dabei ließ Cynthia sich von Benjamin durch den braunen Batz ziehen, der von der Leuchtfarbe auf dem Boden zurückgeblieben war. Die beiden lachten ausgelassen, und Kate verlangte von Logan, sie nach draußen zu tragen, was dieser, gutmütig, wie er war, tat. In dieser Stimmung machte die Gruppe sich auf den Weg zur Underground, wo sich ihre Wege von Cynthia und Benjamin trennten.

„Ich will gar nicht wissen, wo ich diese Farbe überall habe!“, seufzte die deutlich mehr als nur angetrunkene Kate, als sie sich auf einen Sitz im Zug fallen ließ.

Jane war ebenfalls froh um die Sitzgelegenheit und lächelte Logan an, der, ganz der Gentleman, stehengeblieben war, damit die Damen sich niederlassen konnten. „Ich dusche zu Hause auch erstmal…“

„Ach was, so schlimm siehst du doch gar nicht aus“, erwiderte der Hahn im Korb.

„Weißt du…“, meinte Kate mit einem nachdenklichen Blick auf ihren Kommilitonen, ehe sie sich leicht aufrichtete, um ihm in die Wange zu kneifen. „Manchmal bist du echt ein Goldstück, weißt du das?“

„Uhm… Danke, schätze ich?“, erwiderte Logan und warf Jane einen verwirrten, amüsierten Blick zu.

Diese grinste in sich rein und lehnte sich zurück. Langsam machte sich die späte Stunde bemerkbar, sie war müde. Zum Glück war erst Samstag. Die drei alberten herum, bis sie an Kates Haltestellte ankamen. Sie verabschiedete sich wortreich und beschwerte sich, wie wackelig der Zug sei, während sie nach draußen torkelte.

„Hoffentlich kommt sie zurecht“, meinte Logan, der sich neben Jane niederließ.

Diese lehnte sich erschöpft an seine Schulter. „Sie wohnt nicht weit vom Bahnhof entfernt… Aber ich rufe sie nachher lieber mal an.“

„Mhm…“

Müde öffnete Jane die Augen, wobei ihr Blick auf ihre Nägel fiel, unter denen noch immer Farbreste klebten. Leicht angewidert versuchte sie, diese zu entfernen. „Oh man, die bekomme ich nie wieder los.“

„Du kannst bei mir duschen“, schlug er vor, scheinbar ohne nachzudenken, denn als seine Freundin ihn verdutzt ansah, lächelte er verlegen. „Ähm, das ist nicht so ein weiter Weg, und dann würde es nicht mehr so sehr eintrocknen…“

„Klingt nach einem guten Plan“, stimmte die betrunkene Vampirjägerin zu, die wenig später mit ihrem Kommilitonen ausstieg und mit ihm in Richtung seiner Wohnung wankte.

Es brauchte etwas, bis er das Schlüsselloch traf, wobei nicht half, dass Jane ihn wegen seiner Versuche auslachte. Schließlich betraten sie jedoch die schön geschnittene Zweizimmerwohnung, welche Jane von ihrer Zusammenarbeit an der Seminararbeit gut kannte.

„Ich geh zuerst duschen“, verkündete sie und ging in Richtung Bad, wobei sie schon unterwegs ihre Hose aufknöpfte.

Erst unter dem warmen Wasser wurde ihr etwas bewusster, wie albern sie sich eigentlich verhielt – und, dass sie splitternackt in der Wohnung eines Mannes stand. Allerdings war Logan ihr Freund, das dürfte kein Problem sein…

„Jane?“, rief er von draußen und sie zuckte zusammen.

„Ja?“

„Ich hab dir einen Bademantel und frische Handtücher vor die Tür gelegt, dann musst du nicht in die dreckigen Klamotten.“

Sie lächelte unwillkürlich. „Danke, Logan.“

„Kein Ding… Lass dir Zeit.“

„Muss ich wohl – diese Farbe ist echt hartnäckig!“

Sie hörte ihn lachen und entspannte sich wie von selbst wieder. Später trocknete sie sich mit einem grauen, flauschigen Handtuch ab und wickelte sich in Logans viel zu großen Frotteebademantel, bevor sie durch den Flur in sein Wohnzimmer tapste. Ihr Kommilitone saß auf der braunen Couch und hatte den Fernseher angeschaltet, sah aber auf, als sein Gast hereinkam.

„Das Bad ist frei.“

„Ok.“ Er stand auf und kam näher, wobei ein nicht zu definierender Ausdruck in seinen braunen Augen lag. Doch als er vor ihr stand, strich er nur kurz über Janes Wange und lächelte. „Auf dem Tisch stehen Wasser und Aspirin. Bedien dich einfach. Ich bin gleich wieder da.“

Und damit verschwand er im Badezimmer. Wenig später hörte Jane nicht nur die Dusche, sondern auch die Waschmaschine laufen, woraus sie schloss, dass er ihre Kleidung säuberte. Die Brünette trank das große Glas Wasser, verzichtete auf das Aspirin, bediente sich aber an den Süßigkeiten, die Logan als „Katerfrühstück“ hingestellt hatte. Als ihr Gastgeber später aus dem Bad kam, war die junge Frau bereits auf der Couch eingenickt. Sie wachte kurz auf, weil Logan sich neben sie setzte und eine Decke über sie beide ausbreitete, lehnte sich aber nur an seine Schulter, ehe sie weiterschlief.



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