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Primrose ~ Blooming Doubts

von

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Versteckte Gefühle

Ihr leiser gleichmäßiger Atem machte ihn erst darauf aufmerksam, dass sie schlief. Obwohl ihr Kopf auf seiner Schulter auch Hinweis genug sein könnte. Der zweite Film – ein Mystery Thriller – bot deutlich mehr Unterhaltung als sein Vorgänger. Und doch sind da jemandem die Lider zu schwer geworden. Vorsichtig, um sie ja nicht zu wecken, bettete Takeru seine Besucherin längs auf die Couch und legte ihr eine Wolldecke über. Gegen Abend sanken die Temperaturen schnell auf einen unangenehmen Wert herab und er wollte ja nicht schuldig sein, wenn sie sich erkältete.
 

„War wohl so aufregend, dass du nicht mehr hinsehen konntest“, flüsterte er und strich ihr eine Haarsträhne von der Stirn. Warum er das tat, wusste er in dem Moment auch nicht so wirklich. Normalerweise war es gar nicht seine Art, sie laufend zu berühren. Und heute war das schon mehr als einmal vorgekommen.

Nachdenklich lehnte er sich zurück, den Blick keine Sekunde von der schlafenden Schönheit abgewandt. Egal wie spannend das Abendprogramm in der Glotze sein mochte, so war seine Freundin einfach viel interessanter für ihn.

Ihr vorangegangenes Gespräch miteinander ließ ihn nicht mehr los. Hikari so verletzt zu sehen, zerriss auch ihm das Herz. Umso besser, dass er sie schnell aufheitern konnte. Nur ihr letzter Satz wollte ihm einfach nicht mehr aus dem Kopf gehen.
 

> Du bist mein allerbester Freund <
 

Takeru stöhnte leise und fuhr sich durch seine blonde Mähne. Langsam aber sicher brachte die Verdrängungstaktik nichts mehr. Je vertrauter sie wurden, desto deutlicher spürte er, wie sich etwas zwischen ihnen veränderte. Bevor er es überhaupt realisierte, bekam er in ihrer Gegenwart dieses komische Gefühl. Es war nichts Unangenehmes. Eher fühlte er sich… heimisch in ihrer Nähe.

In einer ruhigen Minute hatte er sich Gedanken darüber gemacht, was das bedeutete. Warum er plötzlich so empfand und wie er damit umgehen sollte.

Die erste Frage ließ sich ziemlich schnell beantworten. Er hatte sich einfach in seine beste Freundin verliebt. Das Mädchen, das er schon so lange kannte und in jeder noch so auswegslosen Situation mit seinem Leben beschützte. Im Gegenzug war sie immer bei ihm und schenkte ihm dieses wunderschöne Lächeln, was er so an ihr liebte.
 

Aber nicht nur das. Denn die Zeit war nicht spurlos an ihr vorbeigegangen. Aus der kleinen, schüchternen Kari wurde im Laufe der Jahre eine attraktive junge Frau. Ihre Haare ließ sie seit einigen Monaten wachsen, bis sie grobe Schulterlänge hatten und band sie sich meistens zu einem Zopf. Ein paar Köpfe größer war sie auch geworden, würde Takeru aber mit Sicherheit nicht mehr überholen in diesem Leben. Ab und an trug sie nun gerne Kleider, obwohl sie eher der praktische Typ war. Trotzdem freute er sich sehr darüber, denn die schicken Einteiler betonten immer wieder ihre grandiose Figur und ihre zwar schmale, aber vollkommen zu ihr passende Brust. An Hikari stimmte einfach alles. Sowohl ihr verspielter Charakter, als auch das Aussehen. Grund genug, sie anziehend zu finden.
 

Schleichend meldete sich sein schlechtes Gewissen zu Wort und zwang ihn, wieder zum Display zu schauen. Werbepause. Und er hatte nicht das geringste Bisschen mitgekriegt. Immer wenn er so über Kari dachte, sie nicht als Freundin, sondern als Frau wahrnahm, grätschte ihm sein gesunder Menschenverstand dazwischen. Liebe hin oder her, er konnte unmöglich ein so hohes Risiko eingehen und ihr davon erzählen. Zu groß wog die Angst, damit alles zu zerstören, was ihm so viel bedeutete. Aus irgendeinem Grund sah der Schüler es nämlich als total absurd an, sie könnte genauso empfinden wie er. Auch wenn ihm die Vorstellung schon irgendwie schmeichelte. Er und Hikari als Paar… Nein. Das ging nicht gut, da war er sich sicher.

Falls sie wirklich diesen Schritt wagten und es sich eines Tages als großer Fehler herausstellte, kämen sie nie wieder an den Punkt, an dem sie heute standen. Ihre innige Beziehung zueinander wäre unwiederbringlich zerstört.
 

Bestes Beispiel waren ja seine Eltern, die es ihm seit frühester Kindheit vormachten. Natsuko und Hiroaki konnten nicht mehr im selben Raum sitzen, ohne von der grauenvollen Atmosphäre verschlungen zu werden. Sogar der Augenkontakt fiel ihnen schwer. Bevor er riskierte, dasselbe mit seiner Kindheitsfreundin zu erleben, versiegelte er seine Lippen und hütete Geheimnis.

Takeru wurde sich seiner Gefühle nun durchaus bewusst und umso mehr der Tatsache, dass es das Beste war, sie einfach runterzuschlucken. Damit tat er das einzig Richtige, auch wenn es ihn verletzte. Irgendwann würde es ihm sicher leichter fallen, das Chaos in seinem Inneren zu verdrängen. Hauptsache, es änderte nichts an ihrem Zusammenhalt.
 

Ganz ohne Vorwarnung fiel die Wohnungstür ins Schloss. Natsuko war wieder da. Ein flüchtiger Blick auf die Uhr verriet dem Jungen, dass es bereits kurz nach Mitternacht war. Schon etwas ungewöhnlich, da sich seine Mutter stets bemühte, noch vor Beginn seiner Nachtruhe heimzukommen.

Überrascht streckte sie den Kopf durch die offen stehende Tür und musterte ihren Sohn. Dass jetzt noch Licht brannte, erlebte sie auch relativ selten. Normalerweise verschlug es ihren Jüngsten durch den stressigen Schulalltag früh ins Bett. Da fielen ihr die Ferien wieder ein. Natürlich war er da noch auf und gönnte sich ein paar Stunden mehr.
 

„Tut mir leid, T.K. Ist etwas später geworden als geplant. Mein Chef hatte ständig was an dem Artikel auszusetzen und-…“

Sie stoppte, als der Blondschopf den Finger an die Lippen legte und auf seine Freundin neben sich deutete.

„Ach, Hikari übernachtet heute hier? Dann will ich selbstverständlich nicht stören.“

„Schon okay“, erwiderte Takeru und erhob sich von seinem Platz, „Der Film ist sowieso gerade vorbei.“

Flink machte er das Gerät aus und wandte sich Hikari zu, die er ganz im Brautstil auf seine Arme hievte.

„Ich bringe sie noch schnell ins Bett und lege mich dann auch schlafen. Du hast das Wohnzimmer also ganz für dich, Mama.“

„Gut… wie du meinst…“
 

Irritiert schaute sie ihm hinterher, als er an ihr vorbeiging und kurz darauf in seinem Zimmer verschwand. Bildete sie sich das ein oder war er irgendwie niedergeschlagen? Ob etwas zwischen ihm und Hikari vorgefallen war? Die Blondine entschied sich dafür, die Dinge auf sich beruhen zu lassen und löcherte ihn nicht weiter, nachdem er kurz in die Wohnstube zurückkehrte und die schlummernden Digimon einsammelte. Wenn er schon von allein das Weite suchte, würde das sicher einen Grund haben.
 

Sachte schloss der Digiritter die Zimmertür hinter sich und platzierte die wie Stofftiere aussehenden Wesen am Fußende seines Bettes, in dem seine Herzensdame lag.

„Keru?“, ertönte ihre leise schlaftrunkene Stimme. Dösig blinzelte sie ihn an, versuchte in der Dunkelheit sein Gesicht zu erkennen.

Er lächelte ihr nur zu und tätschelte ihr sanft den Kopf. „Schlaf ruhig weiter. War nur ein kurzer Szenenwechsel rüber ins Bett. Auf dem Sofa schläft es sich nicht halb so gut wie hier.“

Eigentlich wäre ihr nun mindestens eine Entschuldigung für die durch sie entstandenen Umstände über die Lippen gekommen, aufgrund ihrer Müdigkeit aber nickte sie nur und gehorchte ihm, mummelte sich wieder in die Decke und widmete sich ihrem Schlaf.

Ein liebesvolles „Gute Nacht“ richtete Takeru noch an sie, wonach er sich dann an den Aufbau seines Nachtlagers auf dem Boden machte.
 

~
 

Schwungvoll stießen die Gläser aneinander und verursachten einen klirrenden Ton.

„Herzlichen Glückwunsch, Yolei. Das freut mich wirklich für dich!“

Der verträumte Ausdruck der Älteren machte Hikari selbst ganz fröhlich. Nachdem der Film sie gestern halb zu Tode interessierte, hatte sie die folgenden Benachrichtigungen von Miyako völlig verpasst. Ihr Gespräch mit Ken war ein voller Erfolg, woraus letztendlich wirklich eine Partnerschaft der beiden resultierte.

„Danke. Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie peinlich mir das war… Und dann hab ich einfach losgeplappert. Kennst mich ja. Wenn ich nervös werde, kann ich einfach meine Klappe nicht halten!“, berichtete sie mit hochroten Wangen und schlürfte einen großen Schluck aus ihrer Cola.
 

Die Freundinnen hatten sich gleich für den Nachmittag in ihrem Stammlokal verabredet, um wild darüber zu diskutieren.

Hikari grinste bei diesem Anblick und spielte an ihrem Strohhalm herum. „Siehst du? Ich hab’s dir doch gesagt. Ken und du, ihr passt schließlich zusammen wie…“

Grüblerisch legte die Brünette ihre Hand ans Kinn und zupfte ihren nicht vorhandenen Bart. „Wie Eis im Sommer?“, half ihr Gegenüber ihr auf die Sprünge.

„Zum Beispiel!“
 

Ein Lachen konnten sich die beiden nicht verkneifen. Ja, auch für Hikari sah die Welt heute schon wieder ganz anders aus. Als sie vorhin nach Hause kam, hatte Taichi bereits auf ihrem Bett geparkt und bestand darauf, nicht eher dort wegzugehen, bis sie sich richtig aussprachen. Gesagt, getan. Im Anschluss wusste sie nun, dass ihr Bruder sie nicht aus der Ruhe bringen wollte. Es stand wohl tagelang nicht fest, ob er einen Zuschlag für die gewünschte Wohnung bekam oder nicht. Deshalb wollte er nicht die Hühner scheu machen. Typisch Tai eben, stokelig und durcheinander nahm er jedes Fettnäpfchen mit, was sich ihm in den Weg stellte. Kein Wunder, dass es da zu Missverständnissen kam. Jedenfalls freute Kari sich riesig über die Versöhnung mit ihm und selbstredend auch für Miyakos Erfolg.
 

„Und, wann wollt ihr es den anderen sagen?“, fragte sie nach einer Weile der Plauderei schließlich. „Jetzt gleich.“

„Jetzt gleich?“

Damit rechnete die Japanerin nun nicht unbedingt. Das war eigentlich nur ein Treffen zwischen ihnen beiden. „Das heißt…“

„Ja, die anderen kommen gleich dazu. Hab allen bis auf Cody eine Nachricht geschrieben. Den müssen wir wohl vor vollendete Tatsachen stellen, wenn er wieder in heimischen Gefilden ist“, schwatzte die Lilahaarige ohne Punkt und Komma drauf los, „Davis ist Kens bester Freund. Wenn er davon Wind kriegt, weiß es sowieso jeder. Und ich würde das gern selbst verbreiten, bevor diese Quatschtüte es tut!“

Etwas Ärgerliches schlich sich auf die Züge der Brillenträgerin. Kari konnte die Überlegung gut nachvollziehen. Solche wichtigen Angelegenheiten sollten nicht über den Klatsch und Tratsch die Runde machen.
 

„Kommen wir aber mal zu dir, liebste Kari…“

Die Angesprochene schluckte. Wenn Miyako diesen Ton anschlug, würde es wieder um ein leidiges Thema gehen.

„Schon irgendwelche neuen Erkenntnisse bezüglich T.K.?“

„Ich hab gestern bei ihm übernachtet.“ „Ach ja? Erzähl!“

„Na ja… Wir haben Nudelauflauf gegessen.“ „Ja?“ „Danach haben wir uns einen Film angesehen.“ „Jaa?“ „Dann haben wir geredet.“ „Jaaa?“

Kari wurde das Gefühl nicht los, dass die gute Yolei mit jedem Detail erwartungsvoller wurde. Verkraftete sie die schockierende Wahrheit überhaupt?

„Und dann bin ich auf dem Sofa eingeschlafen.“

„…“

„…“

„Das war jetzt nicht unbedingt das, was ich von dir hören wollte“, entgegnete sie und rückte das Gestell auf ihrer Nase zurecht.
 

„Ja, schon klar. Aber was soll ich denn machen? Ich bin selbst ganz verwirrt… Hab dir doch neulich von der Sache mit Tai erzählt.“

Ihre Freundin war die Erste, die um den Konflikt mit Taichi Bescheid wusste. Noch bevor sie sich Takeru oder sonst jemandem anvertraute, wandte Hikari sich an sie. Hatte sich so ergeben.

„Das hat mich gestern echt runtergezogen, deshalb bin ich auch mit zu T.K. gegangen, als wir fertig waren mit lernen. Ich hab angefangen zu weinen und dann hat er mich getröstet, bis es mir wieder besser ging.“

„Typisch“, zischte Yolei, „Den spannendsten Teil enthältst du mir vor!“ Ihre Bestürzung in Cola ertränkend, wurde sie aber schnell ruhiger und zog ihre mütterliche Seite der verwirrten Kari gegenüber vor. „Was denkst du darüber?“
 

Die Yagami-Tochter verschränkte die Arme ineinander und legte den Kopf schief. Da gab es nicht viel zu sagen. Nach wie vor war ihr nicht klar, was sie anhand ihrer Gefühle aus dem gestrigen Abend ableiten sollte.

„Ich weiß nicht. Auf jeden Fall bin ich heilfroh, dass er da war und mir zugehört hat. Das hab ich in dem Moment gebraucht. Deshalb bin ich mir nicht sicher, ob ich mich jetzt nach seiner Nähe oder lediglich einer Schulter zum Anlehnen gesehnt habe“, gestand die Oberschülerin ganz offen und tippte auf der Zitronenscheibe herum, die auf dem Rand ihres Glases steckte.
 

„Ich wünschte, das wäre so einfach wie bei dir.“

Ob das nun das passende Adjektiv war, um den Zinnober vom Vortag zu beschreiben, sei mal dahingestellt. Miyako blieb lieber bei der Sache. „Dann wäre es das Beste, du lässt dir Zeit, um das zu ergründen. Ich weiß, mit meiner Fragerei setze ich dich sicher unter Druck, aber lass dich davon nur nicht beeindrucken, Kari. Lieber lässt du mich ein wenig nerven als dass du die falsche Entscheidung durch die ganze Hektik triffst.“
 

Gerade wollte Hikari etwas auf den lieb gemeinten Rat ihrer Gefährtin erwidern, als diese durch das leise Piepsen geweckt, ihr Digiterminal zur Hand nahm. „Oh, eine Mail von T.K.“ „Was schreibt er?“

Aus Miyakos Blick las sie gleichermaßen Überraschung wie auch Enttäuschung ab. „Er hat abgesagt. Meinte, ihm wäre was dazwischengekommen und er würde es nicht mehr zum Treffen schaffen. So was aber auch…“

Verdutzt ließ die Jüngere von ihrem Getränk ab und schaute auf.
 

„Seltsam… Dabei meinte er vorhin noch zu mir, er hätte den ganzen Tag nichts zu tun.“ „Tja, dann müssen wir das wohl nur Davis erstmal erklären, ohne viel Aufsehen zu erregen. T.K. wird damit ja sicherlich erwachsen und vernünftig umgehen.“

„Ja, bestimmt…“ Eher abwesend kamen diese Worte aus Karis Mund, während sie aus dem Fenster neben sich schaute. Irgendwie beschlich sie ein ungutes Gefühl. Es war gar nicht seine Art, seine Freunde zu versetzen.
 

~
 

Nur ein paar Meter von dem Lokal entfernt, stand der Blondschopf und umklammerte Patamon, das in seinen Armen lag. „Takeru? Warum hast du denn abgesagt? Wir sind doch fast da!“, bemerkte das Digimon und hielt inne, als sein Partner zu zittern anfing. Dabei war es doch so warm heute…

Der Blick des Jungen lag konstant auf der gegenüberliegenden Straßenseite auf zwei bestimmten Personen, die er um diese Tageszeit nie hier vermutet hätte. In ihm kroch ein widerliches Gefühl hoch, das er am liebsten schnellstens wieder losgeworden wäre. Doch das, was er da gerade beobachtete, brannte sich in sein Bewusstsein wie eine schmerzhafte Stichflamme.

„Mir ist die Lust aufs Quatschen vergangen…“, presste er wütend heraus und drehte sich mit Schwung um. Er musste weg von hier, ganz dringend.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Kaninchensklave
2016-03-30T16:48:11+00:00 30.03.2016 18:48
kommt mit immer noch bekannt vor leigt wohl daran das iches schon mal gelesen habe


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