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Primrose ~ Blooming Doubts

von

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Falscher Frieden

An diesem Morgen wachte Takeru mit Bauchschmerzen auf. Sein Gespräch mit Yamato vor ein paar Tagen lief alles andere als gut – Sie waren sogar im Streit auseinander gegangen. Daran knabberte er schon ein Weilchen, da seitdem Funkstille zwischen ihnen herrschte. Dieser Umstand lag ihm schwer im Magen. Nicht einmal für seine Lieblingssorte Cornflakes konnte er sich begeistern. Lustlos stocherte er in der Schüssel herum und dachte scharf nach.

Sollte er sich für seinen Wutausbruch entschuldigen? Schließlich war Yamato eine der wenigen Personen, mit denen er sich so gut wie nie zoffte. Eben ein richtiger großer Bruder, der einem stets mit Rat und Tat zur Seite stand. Nur nicht bei einem gewissen Thema, was Takeru nun mal das Herz so schwer machte. Das schien die einzige Ausnahme zu sein. Die elende Scheißegal-Haltung machte den Jungen rasend. Es war nicht scheißegal. Nicht für ihn.

Nein, auf eine Entschuldigung konnte er lange warten. Seine Bestürzung war mehr als berechtigt.
 

„Alles in Ordnung, T.K? Du siehst irgendwie missgelaunt aus.“

Natsuko stand direkt vor ihm am Tisch. Dass sie jetzt noch in der Wohnung herumwuselte, obwohl sie zu der Zeit längst auf der Arbeit sein müsste, verdankte sie dem Wochenendjob, der ihr zugeteilt wurde. Den Artikel konnte sie auch daheim schreiben, dafür musste sie nicht im Büro hocken und die wechselhaften Launen ihres Chefs ertragen. Wohl aber die ihres Sohnes, der sie gar nicht bemerkt hatte bis eben.

„Oh, äh… Ich hab schlecht geschlafen, nichts weiter“, log er sie ziemlich schlecht an und wich ihren bohrenden Blicken aus. Sie war die Letzte, der er von den Streitigkeiten erzählen wollte. Nicht, wenn ihn immer dieses beißende Gefühl überkam, wenn er mit ihr sprach.
 

Der mütterlichen Wahrnehmung konnte sich der Teenager aber nicht entziehen. Dass „nichts weiter“ bei ihm meistens mehr bedeutete, als er zugab, kannte sie aus der Vergangenheit bereits zu gut. Ihr Jüngster hasste es, über seine Probleme und Sorgen zu reden und machte diese weitestgehend mit sich selbst im Stillen aus. Für diesen Umstand machte Natsuko oft ihre Scheidung verantwortlich. Ihr kleiner Takeru, damals in seinem zarten Alter – noch nicht verstehend, was das für seine Familie bedeutete – tröstete sie immer, wenn sie dem Druck nicht mehr standhielt und in Tränen ausbrach. Er kam zu ihr, nahm sie bei der Hand und lächelte ihr aufmunternd zu.

„Wein doch nicht, Mama. Ich bin doch bei dir.“

So sehr bauten diese einfachen Worte sie auf und schenkten ihr Kraft. Sie musste stark sein für ihr Kind, immerhin war das für alle kein leichtes Unterfangen. Leider bemerkte sie dadurch erst viel zu spät die Distanz, die zwischen ihr und T.K. entstand. Sein heimlicher Rückzug von ihr, indem er an ihrer Stelle den Starken spielte und seine Angst stets hinter einem Lächeln versteckte.

Er war so ein guter Junge…

Je mehr sie sich das vor Augen führte, desto weniger traute sie sich, ihn darauf anzusprechen. Würde er sich dann noch mehr vor ihr verschließen? Aber gleichzeitig gab sie keine besonders gute Mutter ab, wenn sie ihn wohl wissend mit seinem Kummer allein ließ.
 

„Hör mal…“, begann sie zaghaft, „Ich weiß, dass ich in letzter Zeit viel gearbeitet habe und selten zu Hause war.“

War das gerade die Steilvorlage für eine Entschuldigung? Trotz ihrer Arbeit fühlte Natsuko sich manchmal wie eine absolute Anfängerin im Umgang mit Sprache. Bei wachsender Nervosität fand sie einfach nicht die richtigen Worte.

„Das tut mir leid.“ Also doch eine Entschuldigung. „Es kommt mir vor, als würdest du dich seit kurzem nicht wohl fühlen. Kann ich… Kann ich etwas für dich tun, T.K?“

Er hielt in seiner Bewegung inne und traute sich zum ersten Mal seit Beginn dieser Unterhaltung Augenkontakt herzustellen.

„Soll ich mir den Nachmittag vielleicht frei nehmen? Dann könnten wir was unternehmen, wenn du Lust hast. Wir haben schon lange nicht mehr-…“

Der Stuhl knarrte laut. Mitten im Satz erhob er sich und nahm die Schüssel an sich, die immer noch halb voll war, um sie im Abwasch zu versenken.
 

„Entschuldige. Hab vergessen, es dir zu erzählen. Ich bin heute mit Hika unterwegs, wir machen einen Ausflug“, erwähnte er und brachte sein Geschirr weg.

Seine Mutter wollte ihm erst hinterher, blieb dann aber wie angewurzelt stehen. Konnte sie ja nicht ahnen, dass er bereits Pläne hatte. Aber wieso fühlte es sich wie eine direkte Zurückweisung an?

Im Vorbeigehen stoppte der Blondschopf noch kurz, trug wieder dieses gutmütige Lächeln auf den Lippen. „Ich komm schon zurecht, mach dir keine Sorgen. Kümmer du dich lieber um den Artikel, das ist wichtig.“

Wie lange wollte er diese Farce weiter durchziehen und gute Miene zum bösen Spiel machen? Er wusste es nicht.

„Takeru.“

So nannte sie ihn schon lange nicht mehr. Wenn sein richtiger Name dran war und nicht der beliebte Kürzel, wurde es ernst.

„Nichts und niemand ist mir wichtiger als du, vergiss das bitte nicht. Wenn es dir schlecht geht und du jemanden brauchst, bin ich immer für dich da. Ob ich den Artikel fertig bekomme, spielt dabei keine Rolle.“
 

> Ich bin immer für dich da <
 

Dasselbe was Hikari ihm gesagt hatte. Nur trug diese Phrase bei seiner Mutter einen so bitteren Nachgeschmack, dass es ihm ganz schlecht wurde.

Es fühlte sich wie eine eiskalte Lüge an.

„Das weiß ich doch, Mama.“

Langsam schob er sich an ihr vorbei, legte ihr nebenher kurz eine Hand auf die Schulter. „Ich muss langsam meine Sachen packen, bin schon spät dran. Warte mit dem Essen nicht auf mich, ich bin erst spät heute Abend wieder zurück.“

Dann verschwand er in seinem Zimmer.

Warum nur verlor Natsuko mehr und mehr den Draht zu ihrem Kleinen? Ob er… etwas ahnte?
 

~
 

„Willst du’s mir nicht langsam mal verraten?“

Schon das dritte Mal hakte Hikari nach und setzte immer wieder ihren Hundeblick auf. Seit knapp einer Stunde saßen sie schon im Zug, unterhielten sich über alles Mögliche. Aber dieses Thema hatte es ihr besonders angetan. Zu groß wurde die Neugierde, dabei erfuhr sie es ja eh bald. Trotzdem blieb Takeru hart und schüttelte nur mit dem Kopf.

„Nein. Da wirst du dich wohl oder übel noch gedulden müssen, kleiner Quälgeist.“

Beleidigt blies sie die Wangen auf. „Gemein“, murrte sie und wandte sich gespielt ernst ab.

„Ich will dir nur nicht die Überraschung verderben. Du wirst aber gleich erlöst, keine Sorge“, versicherte er und stupste ihr in die Seite.
 

Bevor er heute früh das Haus verließ, war Takeru wirklich angespannt. Die Unterhaltung mit seiner Mutter hatte ihn noch weiter runtergezogen und das musste er nun den ganzen Tag vor seiner Freundin und den Digimon verbergen. Mit dieser Reise wollte er ja die Wogen etwas glätten und ihr Misstrauen entkräften. Da machte sich schlechte Laune alles andere als gut.

Zum Glück fiel ihm die Aufrechterhaltung dieser Maskerade nicht sonderlich schwer in ihrer Anwesenheit. So fröhlich wie Hikari war, steckte ihn das prompt an und verleitete ihn dazu, ständig kleine Witze zu reißen. Die beiden amüsierten sich köstlich, allein schon während der Fahrt.

Patamon und Gatomon zogen dabei leider den Kürzeren. Stumm saßen sie auf den Schößen ihrer Partner und rührten sich nicht. Stofftier-Modus. Und das, obwohl sie mindestens genauso gespannt waren wie Kari. Keiner außer T.K. kannte das Ziel, das sie ansteuerten.
 

„Und, hat Taichi sich schon in seiner neuen Bleibe eingelebt?“

Nach der etwas unkoordinierten Renovierung folgte schon bald der Einzug des Paares. Ursprünglich strunzte Tai groß herum, er würde eine Einweihungsparty veranstalten, kam aber noch nicht dazu. Erst wenn alles an Ort und Stelle stand. Bei seiner nicht vorhandenen Ordnung trat dieser Fall wohl erst in ferner Zukunft ein. Auf das fertige Werk konnte der Schüler zumindest noch keinen Blick erhaschen.

„Er sagt, es wäre sehr ungewohnt. Mimi hat wohl die Hosen an in der Beziehung und diskutiert seit dem Umzug mit ihm, was für ein Haustier sie sich anschaffen. Tai meint, er dürfte eines bestimmen, da er wegen ihrer Arbeit größtenteils für die Pflege zuständig ist. Sie argumentiert aber dagegen, weil Frauen ein besseres Händchen dafür haben, meint sie.“

„Ein besseres Händchen?“

Takeru war sich nicht ganz sicher, was das eine mit dem anderen zu tun hatte.

„Jedenfalls besteht Tai auf einen Hund und Mimi will Kaninchen. Die findet er aber wiederum langweilig und sie denkt, ein Hund würde nicht mit Agumon und Palmon zurechtkommen. Nach jedem Gespräch darüber verbleiben sie dabei, es erstmal bei den Digimon zu belassen.“
 

Ihr Zugabteil lag in kompletter Dunkelheit, passierten sie doch gerade einen langen Tunnel. Nur ab und zu spendete eine kleine Lampe von draußen Licht.

„Als könnte man euch mit einem Haustier vergleichen…“

Schmunzelnd streichelte T.K. Patamon, das sich in seine Hand kuschelte. Bei der knappen Beleuchtung hier würde es niemandem auffallen, wenn sich die Kleinen kurz regten.

„Ich frage mich die ganze Zeit, ob es mir später auch mal so geht, wenn ich mit jemandem zusammenziehe. Kann ich mir irgendwie noch gar nicht vorstellen…“, murmelte Kari gedankenverloren.

„Du musst ja auch nichts übers Knie brechen. Taichi hatte noch den Druck, seine Beziehung durch die Wohnsituation zu belasten. Aber du bist jung und dir stehen alle Türen offen.“

Langsam wurde es heller. Der Ausgang kam näher.

„Du hast sicher recht. Mach ich mir am besten später Sorgen darüber. Jetzt gibt es Wichtigeres.“ Nach einer gekünstelten Pause drehte sie sich erneut zu ihrem Sitznachbarn um. „Glaubst du, Davis wird eifersüchtig, wenn er das rausbekommt? Ich hab Yolei erzählt, dass wir zwei zusammen unterwegs sind.“

Vielsagend deutete er auf das Fenster neben sich.

„Wenn er hört, wo wir uns rumtreiben, dann sicher ja.“

Im selben Moment schossen sie aus dem Tunnel heraus, der die Sicht auf die große Überraschung freigab, mit der er bis jetzt nicht herausrückte. Karis Augen weiteten sich vor Faszination. Sofort war ihr eins klar: Diesen Tag würde sie nicht so schnell wieder vergessen. Nicht bei dem, was dort in greifbarer Ferne auf sie wartete.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Kaninchensklave
2016-04-06T20:12:11+00:00 06.04.2016 22:12
Ein tolles Kap

Nun Hikari macht sich umsonst Sorgen denn nicht sie
bereitet Takeru Kopfzerbrechen sondern seine
Gefühle welche er für seine beste Freundin hat

Taichi darf sich glücklich schätzen das es Blutrot ist
so fällt es nicht auf wenn Mimi ihn mal mit dem Kopf
gegen die Wand knallt xD

GVLG


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