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Es war einmal im Dezember

von

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"Hunger! Bett!"

Der nächste Morgen ließ nicht lange auf sich warten und mit ihm kamen auch die Probleme. Ich wurde geweckt durch ein lautes Wimmern. Sofort war ich wach und sah mich noch etwas verschlafen um, bestimmt war Anastasia aufgewacht. Schwerfällig erhob ich mich von meinem warmen Bett und sah in die Wiege hinein. Obwohl sie noch schlief, wimmerte sie, ihr Gesicht war verzerrt, kräftig klammerte sie sich an meinen Schal und wurde immer unruhiger. Zuerst dachte ich sie hätte einen Albtraum, doch als ich vorsichtig versuchte sie zu wecken, fiel mir auf, wie warm ihr Kopf war. Eindeutig Fieber. Sofort rief ich den Hofarzt und hob sie behutsam hoch. Verschlafen blinzelte sie mich an und fing dann an zu weinen. Beruhigend ging ich mit ihr auf und ab, wickelte sie der Wärme wegen in ihre Decke, strich ihr über den Rücken und versuchte sie zu beruhigen. „Shsh der Arzt kommt gleich. Alles wird gut." wiederholte ich und redete es mir währenddessen auch selbst ein. Natürlich hatte ich Angst, große Angst. Denn so stark ich auch war, die einzigen zwei Dinge vor denen ich meine Sonnenblume nicht beschützen konnte waren, die Zeit und Krankheiten. Meiner Meinung nach viel zu spät traf der Doktor ein, er hatte eine Ledertasche unter dem Arm und sah selbst noch sehr verschlafen aus. Ana hatte aufgehört zu schreien, aber war immer noch unruhig, wimmerte ab und zu. „Sie müssen ihr helfen, sie hat Fieber und bestimmt auch Schmerzen!" forderte ich den Mann etwas unfreundlich auf. Er gab nur ein unverständliches Brummen zurück und streckte die Arme nach Anastasia aus. Zögerlich übergab ich sie ihm, ich hasste es sie Fremden zu geben. Immerhin konnte sie fallen, außerdem hasste sie Fremde. Als sie den Mann sah, klammerte sie sich an meinen Schal und weinte erneut. Irgendwie versetzte mir das einen Stich ins Herz. „I...Ivan!" brabbelte sie verzweifelt und schien zu vermuten, dass ich sie weggab. Was ich natürlich nie tun würde, also streckte ich ihr meine Hand hin, sofort umschloss sie meinen Finger mit ihrer winzigen Hand und beruhigte sich etwas, fing an daran zu nuckeln. Ausnahmsweise durfte sie das, immerhin würde sie sonst wieder Tränen vergießen.
 

Bald schon traf auch Alexandra wieder ein, sie trug ihren roten Morgenmantel und ihre Haare waren offen, ein Anblick den man nur selten zu Gesicht bekam. Besorgt fiel ihr Blick auf ihre kleine Tochter „Was hat sie?" fragte sie. Leider konnte ich nicht mehr als nur die Schultern zucken. Doch dann legte der Arzt das Fieberthermometer und Stethoskop aus der Hand und überreichte die Kleine ihrer Mutter. „Es ist nur eine Erkältung, außerdem hat sie eine leichte Zahnfleischentzündung." erklärte er und ich atmete auf. „Ich werde ihr etwas Salbe anrühren, damit muss man dann ihren Mundraum behandeln. Außerdem wird sie Zäpfchen erhalten." Dass mit der Creme war kein Problem für mich, immerhin nuckelte sie sowieso ständig an meinen Fingern, aber Zäpfchen. Nein lieber nicht, das sollte Alexandra übernehmen. Die Zarin nickte nur etwas abwesend und wiegte das Baby hin und her. Ana hatte sich zum Glück jetzt vollständig beruhigt, ich hob meinen Schal auf und band ihn mir wieder um. „Nikolaus erwartet dich. Geh jetzt lieber." empfahl mir Alexandra. Sofort nickte ich und verließ den Raum. Sorge trübte meinen Blick, aber nicht nur um die Zarentochter, auch um mein Land. Mein Boss wollte mich immer nur sehen, wenn es Probleme gab. Außerdem fing ich jetzt schon an die Kleine zu vermissen. Es war als wenn jedes Mal, wenn ich das Zimmer der Kleinen verließ, dass was mein Herz erfüllt wieder erfror und verschwand. Irgendwie fühlte sich das sogar schmerzhaft an. Doch Anastasia brauchte jetzt Ruhe und ich hatte meine Pflichten zu erledigen. Jetzt wo sie krank war, würde es wohl noch etwas dauern, bis ich ihrer Mutter demonstrieren konnte, wie sie laufen konnte. Ein leichtes, aber ausnahmsweise ehrliches Lächeln umspielte meine Lippen, beim Gedanken daran. Obwohl sie mir viel zu schnell erwachsen wurde, war ich froh darüber, dass sie es wurde. Je älter sie werden würde, desto weniger verletzlich war sie. Natürlich würde ich sie für immer beschützen! Im Verlauf meines Lebens habe ich das schon bei vielen versucht und bin oftmals kläglich gescheitert. Wurde dafür gequält, verachtet. Die vielen Narben auf meiner Haut sind das Zeugnis dafür. Trotzdem könnte ich nicht behaupten, dass ich es nicht gern getan hatte. Damals zu versuchen meine Schwestern zu beschützen, war eines der besten Dinge, die ich in meinem Leben getan hatte. Kläglich war ich gescheitert und die Tartaren hatten mich deshalb schrecklich bestraft. Sie haben das in mir getötet, was man die Unschuld eines Kindes nennt, die Fähigkeit Freude an einfachen Dingen zu haben, haben in mir die Belustigung am Verletzten und Töten geweckt, aber auch den Hass, den ich jedes Mal verspüre nachdem ich es getan habe. Sie und viele andere haben das Monster geschaffen, als das sie mich zu Unrecht bezeichnen. Denn sie sind die Monster, waren sie schon immer gewesen. Aber Anastasia würde ihnen nie zum Opfer fallen, dafür würde ich sorgen. Ihr Leben würde, nein musste, glücklich verlaufen oder ich habe erneut versagt. Nachdem ich die endlos wirkenden Gänge entlanggelaufen war, stand ich endlich vor dem Arbeitszimmer des Zaren. Zögerlich hob ich die Hand und klopfte an, wartete auf die Erlaubnis einzutreten. „Herein." erklang seine tiefe, müde klingende Stimme. Schnell trat ich ein und schloss die Tür wieder leise hinter mir. „Ihr erwartet mich?" fragte ich nach einer kurzen Verbeugung. Der Mann hinter dem Mahagonischreibtisch nickte und blickte von seinen Dokumenten auf. Dicke, schwarze Ringe thronten unter seinen Augen, seine Haut war bleicher als sonst. Besorgnis breitete sich in meinem Gesicht aus „Ihr seht nicht gut aus. Wann habt Ihr das letzte Mal geschlafen?" fragte ich und schätzte, dass er seit mindestens zwei Tagen wach sein musste. Ein müdes Lächeln huschte über seine Züge „Kommt darauf an, welcher Tag heute ist." Sofort entfuhr mir ein Seufzen „Aber Zar, denken Sie doch mal an ihre Familie. Ihr könnt Euch hier nicht kaputt arbeiten!" ermahnte ich ihn. Ein bitteres, aber auch minder belustigtes Lachen erfüllte kurz den Raum, dann blickte er mich ernst an „Ich arbeite hier, damit das Land stabil ist, damit Anastasia es mal übernehmen kann. Apropos wie geht es ihr?" fragte er und schien doch interessiert an ihr. „Sie hat etwas Fieber und eine Erkältung, Eure Frau ist bei ihr." erklärte ich schnell und er nickte nur knapp „Hoffentlich wird sie bald wieder gesund." murmelte er und ordnete ein paar Papiere auf seinem Tisch. „Also ich habe dich herbestellt, da die Lage immer schlechter wird. Im Osten gab es wieder Aufstände, die Kälte reißt nicht ab und die Bevölkerung hungert." erklärte er sehr besorgt, die Stirn voller Sorgenfalten. „Ich weiß, ich kann es spüren." antwortete ich und sah zu Boden. „Ich werde die Steuern etwas senken, um das Volk wieder zu beschwichtigen." informierte er mich und unterschrieb den Antrag. Wortlos stimmte ich mit einem Nicken zu. Es folgten weitere Erklärungen und Auskünfte, manche wichtig, viele unbedeutend. Gegen Nachmittag fand die Reihe der Hiobsbotschaften endlich ein Ende. Total zermürbt und von Kopfschmerzen geplagt, als hätte man mir einen Eiszapfen durch den Stirnlappen gerammt, verließ ich das Zimmer.
 

Ich sah auf die Uhr, nur um festzustellen, dass Anastasia jetzt ihren Mittagsschlafen halten musste, trotzdem schlich ich mich in ihre Gemächer. Dort überprüfte ich nur, ob sie auch wirklich fest zugedeckt war, es war im Raum war und es ihr gut ging. Wie ein kleiner Engel schlief sie in ihrem Bettchen, nuckelte mal wieder herzallerliebst an ihrem Daumen. Schlagartig vergas ich meine Kopfschmerzen und die schlechten Neuigkeiten, alles was zählte was sie. Das schmerzhafte, leere Gefühl in meinem Brustkorb wurde von etwas warmen Angenehmen abgelöst. Vorsichtig strich ich ihr über die Wange und ihr dünnes Haar zurecht. Nach ein, zwei unzufriedenen Geräuschen beruhigte sie sich wieder. Da ich nichts Anderes vorhatte, ließ ich mich wieder im Sessel nieder und wartete bis sie aufwachte. Glücklicherweise hatte sich ihre Stirn kühl angefühlt, was mich ungemein beruhigte. Ungefähr eine Stunde später wachte die Kleine auf, sie weinte nicht, sondern quietschte erfreut, als würde sie wissen, dass ich da wäre. Ich stand auf und hob sie aus ihrer Wiege „Ivan!" begrüßte sie mich und zog an meinem Schal. „Da Sonnenblume, hast du gut geschlafen?" fragte ich schmunzelnd. Sie sabberte etwas und kaute auf ihrer Hand rum „Hunger!" beschwerte sie sich und verzog das Gesicht. Schnell wies ich einen Diener an, ein Fläschchen zu bringen. Währenddessen setzte ich auf sie auf den Teppich, einen ihrer Lieblingsorte. Verzückt sah ich zu, wie sie brabbelnd rumkrabbelte und versuchte sich überall hochzuziehen. Irgendwann half ich ihr, indem ich ihre beiden Händchen in meine nahm und sie vorsichtig auf die Füße hob. Verwundert sah sie zu mir hoch und lachte dann aber, hüpfte sogar etwas. Von ihrer Erkältung war zum Glück nichts mehr zu merken. Hin und weg beobachtete ich sie. Zaghaft ließ sie meine Hände los und ging ein paar Schritte allein. Wieder war ich unglaublich stolz auf sie. Endlich kam der Diener mit der Flasche und überreichte sie mir. Ich beschloss Ana etwas zu fordern und kniete mich hin „Anastasia Essen! Komm her." ermutigte ich sie und wollte, dass sie aus eigener Kraft zu mir kam. Zuerst sah sie mich hilflos an, doch als sie merkte, dass ich sie diesmal nicht hochheben und füttern würde, stand sie auf. Ein trotziges Grinsen lag auf ihren Zügen, als sie vorsichtig in meine Arme stolperte. Fest schloss ich sie in meine Arme „Ich bin so stolz auf dich!" lobte ich sie. Sie lachte und klammerte sich an meine Jacke, versuchte ihr Nachmittagsessen zu erreichen „Hunger!" jammerte sie erneut. Sofort gab ich ihr die Flasche, mittlerweile konnte sie diese schon fast selbst halten. Manchmal half ich ihr noch etwas damit. Allein ihr zu zusehen machte mich überglücklich. Während des Trinkens spielten ihre Beine nicht mehr mit und sie viel auf ihren Po. Ich lachte leise und sah ihr weiter zu. Wenn sie fertig war und mich mit großen Augen ansah, beschwerte sie sich erneut „Hunger! Ivan Hunger!" Etwas verwundert, dass sie so etwas Ähnliches wie einen Satz formulieren konnte, aber auch, da sie noch Hunger zu haben schien machte mich etwas stutzig. Dann fiel mir ein was die Zarin gesagt hatte, seit schon etwas längerer Zeit nahm die Kleine auch feste Nahrung zu sich. Wieder wies ich einen Diener an etwas zu holen. Diesmal kehrte er früher zurück. Ich nahm den Früchtebrei entgegen und lächelte, dann hob ich Ana in ihren Babystuhl. Das gefiel ihr gar nicht, sie begann zu zappeln und zu strampeln, versuchte rauszukommen. „Sonnenblume bitte halt still." bat ich sie, nach wenigen weiteren Anläufen gab sie auf. Um ihre Kleidung zu schützen, band ich ihr ein himmelblaues Lätzchen um. Natürlich konnte sie auch das nicht leiden. Aber bevor sie daran ziehen konnte, reichte ich ihr einen kleinen Holzlöffel und stellte die Schale mit Brei vor ihr ab. Alexandra hatte gemeint, sie sollte lernen Besteck zu benutzen. Die Betonung lag auf lernen. Das meiste landete in ihrem Gesicht, auf dem Tisch, ihrem Gesicht und als ich ihr helfen wollte letztendlich auf mir. „Oh Ana, bitte hör auf." bat ich sie erneut und nahm einen Löffel Essen, steuerte damit auf ihren Mund zu. Die ersten paar Male machte sie noch brav mit, doch dann schlug sie mir den Löffel immer wieder aus der Hand. Als er mir letztendlich ins Gesicht flog, hatte ich das Gefühl, dass sie satt war. Etwas angewidert wischte ich mir das Gesicht ab und dann auch sie. Leider reichte das nicht, es war eindeutig ein Bad fällig. Gesagt getan.
 

Glücklicherweise liebte Anastasia das Baden, sie hatte noch nie ein Problem damit gehabt, wenn ich sie badete. Vorsichtig wusch ich ihr Gesichtchen, während sie sich mit einem Holzschiffchen vergnügte und planschte. „Ana bitte halt still, du machst ja alles nass." ermahnte ich sie und war jetzt schon durch und durch nass. Sie lachte nur erfreut und machte fröhlich weiter. Da ich ihr den Spaß nicht verderben wollte, ließ ich sie und fing an ihre Haare vom Apfelmus zu befreien. Als ich fertig war, spritzte sie mir Wasser direkt ins Gesicht und lachte „Ivan baden!" kicherte sie und schubste das Boot etwas herum. Ich schmunzelte „Nyet, ich bade später, wenn du im Bett bist." Als ich das Wort Bett erwähnte hob sie die Hände über den Kopf, als wollte sie herausgenommen werden. Sanft hob ich sie heraus und wickelte sie in ein flauschiges, extra angewärmtes Handtuch. Während ich sie trocken rubbelte, zog sie an meinem Schal und lachte. Dann entkam ihr ein Gähnen „Bist du Müde Sonnenblume?" fragte ich und zog ihr, ihr Nachthemdchen über den Kopf. „Bett." murmelte sie und ihre Augenlieder waren merklich schwer. „Ja wir bringen dich jetzt ins Bett." antwortete ich und nahm sie hoch. Fest klammerte sie sich an mich und schlief auf dem Weg vom Bad in ihr Zimmer ein. Für sie war es ein aufregender Tag gewesen, außerdem war sie immer noch nicht ganz gesund. Behutsam legte ich sie in ihr Bettchen, betrachtete sie, wie sie da so selig schlief. Wunderschön. Lange sah ich ihr zu, bis auch ich gähnen musste. Langsam stieg ich ins Bett, um sie nicht zu wecken. Auch heute blieben mir die Albträume fern...



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