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It's your Song

Sadie Mao x Mizuki
von

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Ein süßer Vollidiot

30.09.2013
 

Sadie

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[Kapitel_3]
 


 

Auffrischender Wind, welcher den Geruch von gebrannten Mandeln und Zuckerwatte mit sich trug, strich durch das braune, leicht angenässte Haar und trug die heiteren Melodien der Musik der Fahrgeschäfte in Maos Ohren. Der Blick verschlossen hinter den Lidern, um den Ohren mehr Welt zu öffnen, welche zu ihm sprach, und Stimmen von fröhlichen Kindern hervorzauberte, die vor dem inneren Auge lachten und sich um den besten Platz im Riesenrad rangelten. Mütter, die ihre weinenden Babys durch die Massen schoben und an einer Losbude hielten, um mit dem Zeigen auf einem süßen Plüschtier deren Welt wieder in Ordnung zu bringen. Manch einer versuchte sich am Schießstand, beim Büchsenwerfen, beim Angeln und was es nicht alles gab. Wieder andere waren einfach nur da, um sich das alles zu besehen und sich auf andere Leute kosten zu amüsieren. Selbst als es zu regnen begann, konnte die heitere Stimmung auf dem Rummel nicht getrübt werden. Kurzerhand holte man Schirme hervor oder Regenmäntel – manch einer tat auch einfach gar nichts und störte sich nicht an den Launen der Natur.
 

Ebenso wie Mao.
 

Der Sänger saß nahezu einsam und verlassen im Schneidersitz auf der steinernen Mauer der Sakai-sujie Brücke, welche direkt über dem Nakanoshima Park führte und blickte nun hinab auf das bunte Treiben. Sowohl unter ihm, als auch hinter ihm, über die Auto- und Fußgängerbrücke hinweg, erstreckte sich der Rummel, der den Stadtteil bis weit in die Nacht hinein in ein buntes Lichtermehr tauchen würde. In ein Meer voller Spaß und Heiterkeit. In ein Meer voller Leckereien und schallendem Gelächter. Niemand ging allein auf einen Rummel, und wenn doch, dann fand Mao dies ziemlich traurig – weswegen er sich nicht ins bunte Treiben stürzte, sondern auf der Mauer sitzen blieb, eine nach der anderen rauchte und eigentlich den Eindruck eines Penners vermittelte. Ob es nun an seiner Haltung lag, oder die drei bereits leergetrunkenen Flaschen Bier neben ihm – die tatsächlich ihm gehörten - mochte dahin gestellt sein. Dem Sänger war ohnehin egal was die Leute von ihm dachten, als er sich schon die nächste Kippe hervorholte und ebenso auch sein viertes Bier, welches er eben von einem echten Penner zugeschoben bekam, mit dem Feuerzeug öffnete.
 

„Na, Jung“, wurde er mit tiefer Raucherstimme angesprochen, als sich der wesentlich ältere Mann neben ihn an die Mauer lehnte, sich mit einem Elenbogen abstützte und ebenso hinab auf die Meute blickte. Er hatte etwas von einem gestrandeten Seemann, wie Mao fand, als sein Blick gläsern zu ihm hinüberglitt, um den Schenker zu Mustern, dessen Hände viel zu erzählen hatten und richtig klumpig wirkten. Zwischen den Fingern bewegte sich ein Zigarillo hin und her. Ein weiß-grauer Schnauzer zierte die Oberlippe - ungepflegt, aber stets nach oben gespitzt an den Seiten der Lippe, welche gänzliche hinter dem Bart verschwand. Ebenso verschwanden die wenig grauen Haare die er auf dem Kopf hatte hinter einem schwarzen Matrosenmützchen, welches aus der weiten Hosentasche den Weg in die Welt fand, weil es stärker begann zu regnen, und die Zigarillo mit einem kräftigen Zug in den Mundwinkel geschoben wurde. Dabei konnte man den Dreck unter den Nägeln sehr gut erkennen, welche gerillt und gebrochen waren. Und dennoch ...
 

Dennoch widerte es Mao in jenem Augenblick kein bisschen an, dass dieser Mann neben ihm lehnte und sich jetzt wohl mit ihm unterhalten würde. Im Gegenteil, er strahlte etwas Ruhiges, aber auch sehr Lebendiges aus, was wohl dem Gemüt des Sängers in jenem Augenblick zusagte. Dieser Mann strahlte unglaublich viel Menschlichkeit aus, und das war es, was Mao lächeln ließ, dessen Hand nun die Bierflasche anhob und sie gegen den Hals der noch stehenden seines Gegenübers anstieß, um gleich darauf den ersten Schluck zu sich zu nehmen.
 

Ein tiefes Räuspern folgte, dann fuhr sich der Mann mit dem Handrücken unter der Nase entlang und gab einen amüsanten Laut von sich, ehe er seufzte und ironischerweise dazu mehrmals seicht nickte.

„Weißt du. Bevor du hier gesessen bist, war wunderschönstes Wetter“, begann er im ernsten Tonfall und nahm wieder einen tiefen Zug seines Lasters, woraufhin erneut ein ebenso tiefes Räuspern folgte.

„Siehst du den Burschen da unten am Schießstand?“

Ein Finger deutete nun auf die besagte Richtung und den genannten Jungen, welcher zum siebten Mal versuchte, unter völliger Konzentration, den weitentferntesten Punkt zu treffen.

„Der war gestern auch schon da und ist erst nach Hause, als er kein Geld mehr hatte“, erklärte der alte Mann, der dabei schon wieder an seinem Laster zog, woraufhin, wie erwartet, ein tiefes Räuspern folgte und diesmal sogar ein rauchiges Aufhusten.

„Er wird gleich wieder nach Hause gehen, weil sein Geld alle ist und genau denselben Blick aufweisen, wie du ihn hast“, sprach die rauchige Stimme weiter und brachte die Brauen des Jüngeren im selbigen Augenblick dazu sich tief und fraglich ins Gesicht zu ziehen, während das glasige Augenpaar nun beobachtete, wie konzentriert dieser Jungspund da unten versuchte, sein Ziel zu treffen.

Die Zunge zwischen die Lippen geklemmt und ein ehrgeiziger Gesichtsausdruck.

Er wollte es unbedingt, was den Sänger nur seufzen ließ mit einem milden Lächeln, ehe sein Blick wieder über das gesamte Treiben schweifte, und er sich fragte, wie langweilig einem wohl sein musste, um sich so etwas anzutun.

„Aber weißt du, was der Unterschied ist, zwischen euch beiden?“, räusperte sich der Mann erneut und richtete sich leicht auf, um abermals mit einem Fingerzeig, welcher vom Alkohol getränkten Augenpaar des Sängers nun verfolgt wurde, auf den Jungen zu deuten.

„Er wird wiederkommen, im Gegensatz zu dir.“
 

Hm?
 

Mao verstand nicht worauf der Fremde hinauswollte und konnte diesen auch nur mit einem eben solchen Blick ansehen, als dieser begann zu lachen und den Kopf schüttelte.

„Die Jugend von heute ...“, sprach er leise, atmete tief ein und wieder aus und nickte zum wiederholten Male. „Der Bursche da, der zeigt trotzt diesen Rückschlag noch den Willen, etwas bewirken zu wollen. Du allerdings …“, und dabei wurde der Blick nun direkt auf Mao gelegt, der ebenso auf den Mann hinabsah und nur fragend dreinblicken konnte. „Du allerdings hast den Blick der Kapitulation auf dir liegen. Das spürt man regelrecht. Und genau deswegen“, deutet er mehrmals auf Mao und zog an der Zigarillo. „Genau deswegen, regnet es jetzt“, wurde die Theorie abgenickt und dem Sänger damit die Augen herausgedreht vor Unverständnis und -
 

Was?

Wieso sollte er schuld daran sein, dass es regnet?
 

Nun war es also Mao der sich stillschweigend räusperte und den Blick wieder nach unten in die Menge lenkte, aber nicht einen einzig klaren Gedanken schöpfte. Zu benebelt war das Hirn von Schmerztabletten und Alkohol. Und wenn der weise Mann sagte, dass Mao den Regen herbeirufen konnte, dann würde das wohl so sein. Er war um einiges älter als der junge Sänger, wieso also, sollte der ihn anlügen?

„Sie sin … voll gebiled“, lallte Mao voller Überzeugung, als die Hand die dunkle Flasche an die Lippen führte, und der Kehle wieder ein spritziges Erlebnis verschaffte.

Der Mann allerdings lachte heißer darüber auf, nickte wieder seicht dazu und musterte den jungen Kerl neben sich, der da im Schneidersitz auf der Mauer herumlümmelte.

„Ich bin schon viel gereist und habe viel erlebt“, begann er lächelnd. „Im Laufe des Lebens entwickelt man eine Art Gespür für seine Umwelt, wenn sie einen wirklich interessiert. Und du mein Junge, strahlst unsagbar viel Traurigkeit aus. Und irgendetwas sagt mir, dass du hier gar nicht sein solltest.“
 

Hart musste der Sänger auf diese Worte schlucken, starrte aber weiterhin auf die Menge des Rummels, die sich trotz des Regens die Stimmung nicht verderben ließ.
 

„Ich schätze dich auf Ende Zwanzig, Anfang Dreißig. Meine Güte, das war meine Blütezeit. Da hatte ich keine Zeit so ein langes Gesicht zu ziehen. Damals haben wir uns über mehrere Regentage sogar gefreut, als wir als junge Soldaten in Afghanistan eingesetzt wurden. Wir hatten eigentlich nicht einmal die Zeit dazu uns zu freuen“, lachte er heißer. „Aber die haben wir uns einfach genommen. Und wenn es nur ein einziger Augenblick war, der mit dem nächsten Wimpernschlag verstrich – die Zeit, die man hat, die kommt nie wieder.“ Er lachte wieder heißer und regte Maos versoffene Gehirnzellen nun doch zum Denken an.

„Da vorn am Bahnhof“, deutete der alte Mann mit einem Fingerzeig auf das Gebäude, worüber er sprach, „Saßen gestern Jugendliche, die nichts mit sich anzufangen wussten. Zu meiner Zeit wären wir doch niemals auf die Idee gekommen uns mit einem Bier an einem öffentlichen Platz niederzulassen und die Zeit einfach sinnlos verstreichen zu lassen. Früher haben wir den kleinen Erdenbürgern beigebracht, wie man sich Älteren gegenüber benimmt, und heute? Du musst sie nicht einmal ansehen und trotzdem finden sie etwas an dir, was sie stört, um dich zu beleidigen.“

Womit der alte Mann wohl Recht hatte. So war sie, die heutige Jugend.

Ein tiefer Zug des Sängers folgte diesmal, welcher nur langsam aus der Lunge entlassen wurde und Maos Herz zum kräftigeren Schlagen brachte, während der andere weitersprach.

„Da frage ich mich schon“, seufzte der Fremde schwer. „Was die nachfolgende Generation wohl falsch machte. Doch das traurige daran ist doch eigentlich nur, dass keiner etwas daran ändert. Alle nehmen es hin, sprechen aber davon so Vieles verändern zu wollen. Wir haben damals nicht darüber gesprochen, wir machten unsere Gedanken einfach wahr, indem wir handelten“, lachte er wieder in Erinnerung schwelgend auf und fuhr sich mit dem Daumenrücken über die bereits nass geregnete Stirn.

„Hach ja“, seufzten sich die Worte über die Lippen. „Ich finde, das solltest du auch machen, anstatt hier zu sitzen und Trübsal zu blasen.“
 

Doch Mao konnte darüber nur lasch Lächeln, mit dem Wissen, dass die gesagten Worte die reinste Wahrheit waren. Und sie beide wussten das, was die Situation und die Sache an für sich nicht unbedingt leichter machten.

Im Gegenteil.

Es verdeutlichte ihn nur umso mehr, wie unerreichbar sein Ziel doch war. Und dabei war es sehr viel näher vor ihn in vielen Situationen, als jenes, welches der Junge da unten versuchte zu treffen, der so eben sein letztes Geld ausgab für diesen Tag.
 

„Ich hatte damals Frau und Kind, als ich in deinem Alter war. Stell dir doch mal vor, ich hätte so dagesessen im Katastrophengebiet. Meinst du ich hätte auch nur einen Tag überlebt?“
 

Wohl kaum.
 

„Das Einzige was ich tun konnte war, mich einmal im Monat auf Post von ihnen zu freuen. Da bekam jeder sein Päckchen aus der Heimat. Meist mit langen Briefen von den Frauen und Bildern von den heranwachsenden Kindern.“
 

Bildhafte Erinnerungen formten sich in Worte und malten auch, Dank der Emotion die dahinter steckte, vor Maos inneren Auge die Welt des alten Mannes in einen bunt bemalten Film, der ihn nur noch trauriger werden ließ, weswegen er sich erneut zu ihm drehte und ihn kurz musterte.
 

Wie alt war er wohl?

Schon in den Siebzigern?
 

„Ich habe meinen Sohn nie kennen gelernt. Kurz nach dem Krieg, als wir nach Hause kehrten, ist sie mit meinem Bruder abgehauen.“
 

Da sprach er wohl von seiner damaligen Frau, nahm der Jüngere an, der den Blick nicht abwenden konnte in jenem Moment und sich den gespitzten Oberlippenbart besah.
 

„Er gehörte einer anderen Armee an und verbrachte sehr viel mehr Zeit mit meiner Familie, als ich. Aber weißt du Jung ... solche Erlebnisse prägen dich“, nickte er schließlich entschlossen, was Mao jedoch nur wieder schlucken ließ, da der Film in seinem Kopf so realistisch ablief, dass er glaubte dabei zu sein und nun ebenso schwer seufzte.

„Sie han ja aber doch … sicher wem neus gefunn?“

Wieder lachte der Mann verraucht auf und schüttelte den Kopf amüsiert. „Nein. Nein, danach begann meine Rüpelzeit. Ziemlich spät mit fast 40, was?“ Belustigt stieß er dem Sänger in die Seite und brachte ihn damit für einen Augenblick zum schmunzeln. Aber eben nur für einen Augenblick, denn das Gesagte nahm ihn doch mehr mit, als es wahrscheinlich sollte.
 

„Das heißt dann aber, dass sie für ´ne Sache kämpfdn, die sie nachher doch velorn habn. Wieso han sie dann nich eifach füwas Neus gekämpfd?“
 

Gott, war er besoffen.
 

Der Blick des alten Mannes verengte sich, und nur langsam drehte dieser den Kopf wieder seicht nickend zu dem Sänger, als bringe er es auf dem Punkt.

Und das tat Mao unbewusst auch. Er brachte das Gespräch auf den Punkt und hatte ganz genau verstanden, worum es dem alten Mann ging, nur wusste das der Sänger noch nicht, weswegen er ihn nur irritiert ansehen konnte und die Schultern hob.

„Findest du es denn Sinnvoll für eine neue Sache zu kämpfen, wenn man in seinem Kopf ganz viele böse Bilder beherbergt, die aus schlechten Erfahrungen heraus entstehen?“

Wieder konnte der Brünette den alten Mann nur fraglich ansehen, der immer mehr begann zu grinsen und schließlich auflachte, was dann im rauchigen Husten erstickte und Mao ihm einfach unbewusst auf den Rücken klopfte, worüber der Mann erneut heißer auflachte, ehe seine Gedanken abdrifteten.
 


 

Ein Rückschlag.
 

Er kommt überraschend, könnte erahnt werden, wird jedoch mit der Hoffnung verbannt.

Schlimme Gedanken leiten die Gefühle und Handlungen dazu, Dinge zu tun und zu sagen, die gar nicht von Nöten waren, weil es ausgedachte Szenen waren, die es in der Realität gar nicht geben würde. Und dennoch schafften es die Menschen, sich derart in Dinge und Situationen hineinzuversetzen, dass sie am Ende nicht mehr unterscheiden konnten, was nun Realität, und was der pure Wahn der eigenen Sinne war.
 

Noch während die Band im Studio saß, um Rücksprache wegen dem neuem PV zu halten, beklemmten Maos Glücksgefühle die Schatten seiner dunklen Gedanken, sodass er kaum in der Lage war ihrem Manager richtig zuzuhören. Dabei lobte dieser die Jungs diesmal in hohen Tönen, und das, obwohl der Sänger anfängliche Schwierigkeiten hatte, Mizuki zu spät erschien und Kei sich ebenso gefühlte dreißigtausend Male verspielte. Doch dazu folgten keine Standpauken, es wurde nur erwähnt dass so etwas nicht wieder vorkommen solle und der Rest wurde in hohen Tönen gelobt. Eigentlich genau das, was die Band brauchte, und doch konnte Mao einfach nicht aufhören daran zu denken dass Mizuki den Abend nur mit ihm verbringen wollte, weil Naoko mit ihrer Musicalgruppe in Tokio hauste für ein paar Tage.
 

Hätte Mizuki ihn auch einfach so eingeladen?

Wenn Naoko in Osaka wäre?

Hätte er ihn eingeladen?
 

Immer und immer wieder kreisten diese Gedanken in Maos Kopf umher, als er sich nach dem Studio nochmals von allen verabschiedete und er mit dem Gitarristen ausmachte, dann nachzukommen. Kei meinte, er habe seine Schwester gefragt, was noch helfen kann bei einem schmerzenden Nacken, und somit machte sich Mao auf den Weg in die Apotheke, um eine pflanzliche Creme zu besorgen. Da er allerdings kein Geld weiter dabei hatte und seine EC Karte zu Hause lag – sich aber auch nichts leihen wollte – stürzte er nahezu nochmal los, um alles zu erledigen, als ihm eine SMS von Mizuki erreichte nachdem er die Haustür hinter sich zuzog.
 

Alles in ihm verkrampfte sich, sein Herz schlug schneller und er musste hart schlucken, nachdem allein die Betreffzeile gelesen wurde.
 

„Klappt leider nicht ...“, stand da auf dem Display und ohne die Nachricht ganz zu öffnen, wurde das Handy zurück in die Jackentasche geschoben und die Türklinke angestarrt, welche er komischerweise noch immer festhielt. Als könnte er ohne diese Klinke einfach umfallen, weil ihm so flau im Magen war und sich das beklemmende Gefühl gar gänzlich ausbreitete.
 

Wegen Naoko?

War sie doch schon wieder zurück?

Hatte er keine Lust mehr?
 

Ganz egal was es auch war, es traf den Älteren in jenem Moment ziemlich heftig. Und das nur, weil er ganz anders an die Sache heranging, als sein Gitarrist.
 

...
 

Das Lachen des alten Mannes drückte sich immer wieder durch das rauchige Husten, ehe Mao ihm erneut auf den Rücken klopfte, und dieser abermals anfing zu lachen und die Hand hob, um abzuwinken.
 

„Aaach!“, dehnte er belustigt von sich. „Du scheinst nicht verstanden zu haben, dass du längst verstanden hast, worauf ich hinaus will.“ Die Tränen, welche sich vom Lachen bildeten wurden mit den klumpigen Händen aus dem Gesicht gewischt, ehe er sich das Mützchen wieder richtete und erneut einen belustigten Laut hervorstieß.

Der Sänger wirkte irritiert und schüttelte nun leicht den Kopf.

„Hör mal“, begann der andere wieder räuspernd. „Es lohnt sich immer für Etwas zu kämpfen. Auch wenn man der Meinung ist, dass es vielleicht Quatsch ist, aber einfach alles hinzunehmen, weil die Welt sagt: „Nein“, das ist nicht richtig. Ich habe für neue Dinge gekämpft, aber nicht noch einmal für eine Familie. Und das, mein Jung, das war der größte Fehler den ich gemacht habe. Ich meine, sieh mich an. Ich habe nichts. Ich habe mir nichts mehr aufgebaut, nachdem ich vor einigen Jahren von der See kam, und soll ich dir sagen wieso? Weil es da schon viel zu spät war. Das hätte ich vorher tun sollen.“

„Siesin ´n Seemann?“, fragte Mao verwundert nach, als ginge es um genau das.

„Gewesen, ja“, nickte der andere und drückte nun den qualmenden Rest Gestopftes, mit Daumen und Zeigefinger aus dem Filter seines Zigarillos. Während der Filter in der alten Jackentasche verschwand, löschte der Regen das Überbleibsel an glühender Asche, was Mao daran erinnerte, auch mal wieder an seiner Kippe zu ziehen, die sich von alleine rauchte, und dann ebenso, nach dem letzten erzwungenen Zug, ausgedrückt wurde, ehe der Sänger aufgluckste, sich etwas zu den Fremden beugte und den Finger hob.

„Wussdich“, meinte er stolz und brachte den alten Matrosen wieder zum heißeren Lachen, der im Anschluss über seine Zeit auf See erzählte, nachdem er die Armee verließ, der Krieg vorbei war und seine Rüpelzeit dann ebenfalls hinter sich ließ.

Für Mao war der Fremde nach all den Erzählungen gefühlte 187 Jahre alt, der sein Ziel nicht verfehlte, und das Hirn des jungen Musikers zum intensiven Nachdenken anregte.
 

. . .
 

Wie lange Mao da noch saß, wusste er nicht, nachdem der Mann ihn verließ, aber die Zeit hatte er so ganz gut rumgebracht, wie er fand.

Beim Überblicken des Rummels stellte er auch fest, dass der Junge am Schießstand längst weg war und auch an den Autoscootern sammelten sich nun die älteren Kids, die ohne Mama und Papa raus durften. Wenn Mao an seine Jugend zurückdachte war er meist damit beschäftigt Musik zu machen in irgendeiner Form, und das, wenn möglich, heimlich.

War immerhin peinlich am Anfang, wenn man noch nichts konnte.
 

Aber jetzt?
 

Jetzt konnte er sich sehen und hören lassen, wie er fand, war auch ganz stolz darauf da zu sein, wo er war und-

Nein.
 

Er seufzte schwer, zog erschwert sein Handy aus der nassen Jeans und besah sich die über zwanzig abwesenden Anrufe und die unzähligen Nachrichten. Viele davon waren von Mizuki, der sich schlichtweg Sorgen machte. Es wurde bereits dunkel und vor über zwei Stunden hätte er bei ihm sein sollen – eigentlich. Immerhin hatte Mizuki, so glaubte Mao, abgesagt. Umso stutziger wurde er also, dass er ihn dann sooft anrief und aus einer Betreffzeile die Worte: „Wo bleibst du de …“ hervorstachen, als er mit dem Daumen die Nachrichten schnell durchscrollte, ob etwas Wichtiges dabei war.
 

Die Brauen zogen sich zusammen, dann hob er den Kopf, zog die Nase hoch und stieg zunächst leicht schwankend von der Mauer, als ein heftiger Schmerz im Nacken darauf aufmerksam machte, dass er eindeutig viel zu lange, viel zu unorthopädische Haltungen ausübte und es obendrein seine Muskeln hatte völlig auskühlen lassen. Die einzige Bierdose, die er getrunken hatte und noch halb voll neben ihm stand, landete beim reflexartigen heben der Hand in den Nacken auf dem Asphalt und wurde mit einem schweren Seufzen und Schulterzucken liegen gelassen.

Musste ja nicht er gewesen sein und die ganzen Bierflaschen standen immerhin noch, und waren zum Glück nicht umgefallen. Doch kaum hatten diese ihn abgelenkt und ihn dazu verleitet sie im Suff durchzuzählen – ganze fünf Flaschen – war er doch verdutzt darüber und widmete sich lieber im Stehen, erneut schwer seufzend, wieder seinem Handy, lehnte sich dabei an die Mauer, massierte sich den Nacken und ging nun Nachricht für Nachricht schnell durch. Bis er bei der aller ersten ankam, und auch erst dann alles andere, was er da zu lesen bekam einen Sinn ergab, was ihm das Blut in den Adern gefrieren ließ. Das Herz begann zu klopfen und Nervosität machte sich breit. Hilfesuchend sah er sich um, als könne ihn jemand ein besseres Gefühl geben, aber die Leute gingen zielstrebig im Regen ihren Weg und beachteten den Sänger gar nicht, dem soeben bewusst wurde, was hier passiert war.
 

***
 

„Ich weiß es nihicht!“, wurden die Worte fast schon verzweifelt in den Hörer gefaucht, als der Bassist den Sänger ebenso wenig erreichte seit dem Nachmittag und nun beim Jüngsten anrief. Bei ein bis zwei Stunden war alles noch okay, doch jetzt war Mao schon wieder über vier Stunden ohne Lebenszeichen mitten in Osaka verschollen und keiner wusste wo er war.

Da war leichte Panik und Sorge gar nicht so abwegig, passierte ihm doch in letzter Zeit immer wieder etwas. Zuletzt sein Autounfall, und das auch nur, weil er einfach nicht achtsam genug war.
 

„Sag mal Mizuki, ihr seid doch verheiratet“, gab der Bassist trocken von sich, als sich der Jüngste gegen die Küchenzeile lehnte und ungesehen die Brauen hob.

„Was zum Teufel ist los mit ihm? Redet er mit dir auch nicht, oder was?“, wollte Aki wissen, woraufhin Mizuki den Kopf schüttelte und erst dann ein „Nein“ von sich gab. „Ich hab versucht Etwas aus ihn heraus zu kitzeln, aber …“, ein schweres Seufzen trat über die Lippen. „Keine Chance.“

„Kann doch nicht wahr sein. Ich mach mir normalerweise eher weniger ´n Kopf, wenn sich jemand von euch über mehrere Stunden nicht meldet, aber bei Mao muss man ja zur Zeit mit Wattebällchen hinterherlaufen, um sie werfen zu können wenn er stürzt, dieser Idiot!“, schimpfte Aki augenscheinlich den Jüngsten von ihnen aus, der jedoch kurz durch die Nase aufgluckste, dann aber nickte.
 

Weil er Recht hatte.
 

Aki schnaubte, wandelte seine Wut in ein Seufzen und kratzte sich am Kopf. „Na, pass auf, sobald er bei dir aufkreuzt oder du irgendwie ein Lebenszeichen vernimmst, sag mir Bescheid, ja?“

„Ja. Aber was ist we-“
 

Aufgelegt.
 

Tief Luft holend klappte der Gitarrist sein Handy also zu, indem er das Gehäuse des Displays an sein Kin drückte und sich das Telefon damit schloss.

Das Augenpaar wanderte währenddessen umher, als suche es eine Lösung, die längst aufgeschrieben an der Wand versteckt hing. Man musste nur genau hinsehen und man würde sie erkennen. Vielleicht war Mao ja gar nicht verschollen, sondern steckte in einem Funkloch. In Tenma hatte man meist schlechten Empfang, wenn er also dort war, dann könnte er einfach nur mit jemanden die Zeit vertrödelt haben, und –

Nein.

Nein, es sah Mao schlichtweg nicht ähnlich, dass er so lange Zeit nicht auf sein Handy sehen sollte. Wenigstens die Uhrzeit müsste ihm doch längst gesagt haben, dass Mizukizeit war! Und weil sie in mancher Hinsicht wirklich verheiratet waren, würde Mao sofort losstürzen, wenn ihm die Uhr diesen Satz vor Augen führte. Da war sich Mizuki einfach sicher, weswegen er nun schnaubend die Arme vor der Brust verschränkte, den Kopf sinken ließ und schließlich Zeigefinger und Daumen fest an sein Nasenbein legte mit geschlossenen Augen.

Mal davon abgesehen dass Mao schon fast zwei Stunden zu spät war, machte sich der Gitarrist schlichtweg Sorgen um den anderen. Es könnte sonst was passiert sein schon wieder, so abwegig war das bei Mao tatsächlich nicht, da hatte Aki mit seiner Wattebällchentheorie schon Recht.
 

Leider.
 

Und auch wenn Mizuki noch sooft versuchte, etwas vom Älteren zu erfahren, blockte dieser ständig ab. Aber es beschäftigte ihn etwas, das sahen nun auch die anderen, die sich ebenso sorgten um Mao. Und sollte dieser doch noch hier aufkreuzen und es ginge ihm gut, würde Mizuki ihn einfach mit in seine kalt gewordenen Ramen schneiden – als Beilage. Und er hoffte so sehr, dass er das tun könnte, und nicht doch noch eine Nachricht von der Polizei oder einem Krankenhaus kam.

Vielleicht ging es ihm auch nicht gut und er hatte sich hingelegt? Dann würde er zu Hause sein und schlafen, was auch okay wäre, denn Ruhe tat Mao sicherlich gut, aber –
 

Die Klingel.
 

Mizuki erstarrte einen Moment, als es an seiner Wohnungstür klingelte und der Blick anschließend auf die Uhr huschte, dann auf sein Handy.

Nichts von Mao drauf.

Geknickt seufzte Mizuki über diese Erkenntnis, schob sich von der Küchenzeile und ließ das Handy in seiner Hosentasche verschwinden, auf dem Weg zur Tür, deren Klingel erneut gedrückt wurde, und der Gitarrist skeptisch das Gesicht verzog.

Wer war denn bitte so penetrant und konnte nicht warten?
 

Mit diesem Gedanken schritt der Großgewachsene auf die Tür zu, legte die Hand auf die Klinke und öffnete diese schließlich, als ihm auch schon die Augen beinahe aus dem Gesicht fielen.
 

„Mizuki! Mizuki, chbin … chbin su spät, chweiß … aber …“, haspelte es ihn hektisch entgegen in gebeugter Haltung, weil der Klingelbube wohl gerannt war – die schwere und hörbar abgemühte Atmung verriet es den Gitarristen, der einfach nur wie angewurzelt dastand und auf den penetranten Klingler sah.
 

Mao.

Gott sei Dank …
 

„Aber … aber ich hab gelsn, dass du absagst“, pfiff er weiter lallend aus dem letzten Loch, was die Brauen des Größeren nun erneut ins Gesicht zog, während er angestrengt den Worten lauschte. „Also … dachdich … ich dachte … dassu absagst, chhab eifach die Nachricht nich gelesn un … und außerdem dachich … chhab … Mizuki es … stu mir leid!“
 

Mao war stockbesoffen.
 

„Zuki! Bitte … bitte sei mir … nich böse … ´ch … stu mir leid … ehrlich ich- … bah, smir schlecht jetz …“

„Man scheiße verflucht, wo bleibst du denn?“, fauchte Mizuki jedoch los und fuchtelte nun auch mit den Armen wie wild umher, nachdem die Schockstarre abklang. „Ich dachte dir ist schon wieder sonst was passiert! Wieso gehst du nicht an dein verfluchtes Handy?! Ist es zu viel verlangt zu sagen, dass man später kommt? Aki hat auch versucht dich zu erreichen! Und was lallst du denn bitte davon dass ich abgesagt habe? Wann denn?“

„Hn? Na … du ha-“

„Und wieso bist du so nass?“, wetterte das Küken gleich dazwischen und ließ Mao dadurch charakterlich auf seine Körpergröße schrumpfen von Wort zu Wort. „Hattest du keinen Schirm? Man! Mao! Betrunken bist du auch, was soll das denn?“, drückte er ihn nun an sich und brachte den Sänger damit urplötzlich zum Heulen und sein eigenes Herz zum schnelleren Schlagen, weil er sich solche Sorgen machte und der andere nun auf diese Weise doch noch bei ihm aufkreuzte.
 

Betrunken!
 

Wieso Herrgott noch mal, war er betrunken?

Was beschäftigte Mao so sehr, dass er sich anscheinend betrinken musste? Was brachte ihn dazu, vor Mizuki loszuheulen, wie ein kleiner Junge? Das war absurd und befremdlich und … tat weh. Besonders dann, als Mizuki ihn von sich weisen wollte, um mit ihn reinzugehen. Mao ließ nicht los, klammerte sich stattdessen nur noch mehr an Mizuki und schüttelte den Kopf, als Zeichen dafür dass er ihn nicht loslassen sollte.
 

Das zerriss den Jüngeren nahezu das Herz.
 

„M-mao ... was ...“

Doch Mao schüttelte erneut den Kopf. Er wollte nicht reden. Nicht jetzt. Und auch sonst würde er ihn niemals sagen können, dass er es war, der ihn dazu trieb. Dass Mizuki es war, der ihn zum Heulen brachte und der ihn in die Arme des Alkohols getrieben hatte. Doch Mizukis Arme waren um einiges besser, wie Mao feststellte. Und er … er war so dumm! Er war so furchtbar dumm, er könnte sich in den Arsch treten! Hätte er die Nachricht doch gleich gelesen, dann wäre er weder besoffen, noch zu spät bei seinem Küken aufgekreuzt.

Er hasste sich so sehr in jenem Moment, denn alles was Mizuki schrieb, war lediglich eine Art Entschuldigung dafür, dass er etwas anderes auf die Speisekarte packte.
 

„Klappt leider nicht mit dem Curry, ich habs eben versaut. =_____= Ich mach Ramen, ist das auch okay? Dafür gibt’s auch mizukischen Nachtisch <3“
 

„Jetzt komm erst mal rein“, hauchte Mizuki sanft von sich, um Mao nicht noch mehr aufzuwühlen. Anhand seines Herzschlages konnte er recht gut erahnen, wie sehr er innerlich bebte und zog ihn somit in die Wohnung. War auch nicht sonderlich schwer, so wie der sich an ihn geschweißt hatte. Mizukis Klamotten wurden selbst schon ganz klamm, was ihn wieder aufmerksamer auf die nasse Kleidung reagieren ließ. „Du solltest heiß duschen gehen und dir trockene Sachen anziehen.“

„Gib‘s noch … gib‘s noch mizukischen … Nachtisch?“, schniefte Mao jedoch von sich, und brachte den Jüngeren zum Schmunzeln. „Natürlich. Ich kann auch die Ramen noch mal warm machen, wenn du magst.“

Mao nickte nur.

„Gut. Aber erst wird geduscht.“

Wieder nickte der Sänger und wischte sich nun die Tränen vom Gesicht, ehe er zu Mizuki aufblickte und ihn entschuldigend anlächelte.

Weil es ihm leid tat.

Das alles.

Er wollte nicht, dass Mizuki sich wieder Sorgen machte, es war doch nur … es war doch nur ein blödes Missverständnis, was sich Mao ganz alleine zurecht gesponnen hatte, weil er so verliebt war.

Und genau in diesem Augenblick, als Mizuki seicht zurücklächelte und ihn über die Arme strich zur Aufmunterung, wusste er auch wieder warum.
 

Mizuki war hübsch und groß. Er war lustig, aber auch genauso ernst, wenn es drauf ankam. Er folgte seinen Zielen sehr gewissenhaft und klemmte sich hinter seine Arbeit. Auch an sich selbst arbeitete er hart, um besser zu werden. Ein jedes Mal besser, als das Mal zuvor. Er war zuvorkommend und wirklich ein verdammt guter Freund. Nicht zu vergessen dass er unbeschreiblich niedlich aussah wenn er schlief und auch seine Schnute, wenn er bockte oder schmollte – und das konnte er verdammt gut – war äußerst süß. Durch ihn wurde Mao bewusst, dass Blümchenhosen durchaus sexy aussehen konnten, wenn sie am richtigen Arsch saßen – und das taten sie beim Jüngsten.
 

Und wie sie das taten …
 

Mizuki war ein reinster Würfelzucker.

Wie sollte man sich da, als schwuler Typ, nicht verlieben?

Vielleicht, wenn man sich einberief, dass der andere, ganz davon abgesehen dass sie Kollegen und damit tabu waren, ein kleiner Weiberheld war? Vielleicht sollte sich Mao einreden dass Mizuki längst mit Naoko zusammen war und-

Nein!

Nein, das konnte er beim besten Willen nicht, als er spürte, wie sich Mizuki abwendete und ihn kurzerhand Richtung Badezimmer schob, und wohl deutete, ihn gleich frische Klamotten zu bringen.
 

Heiß duschen. Ja, das sollte er wohl wirklich, sein Nacken wird’s ihm danken, der erneut einen heftigen Schmerz durch seinen Körper jagte und die Hand wieder fest zu massieren begann, als Mao seufzend einige Zeit zurückdachte, beim Betreten des Badezimmers, wo er auch gleich damit begann sich auszuziehen.
 

Noch vor kurzer Zeit, als Mizuki zu ihm zum Invalidenfrühstück kam, hieß es, sie seien noch nicht zusammen. Zwar fragte der Sänger ihn nicht tausendmal und quetschte ihn diesbezüglich auch nicht aus, aber wenn der Brünette ihm sagte, da sei noch nichts Festes, dann ging er davon aus, dass es auch einige Tage später noch der Fall war. Auch heute Vormittag hatte er ihn erst gefragt, ob es denn Sinn machen würde eine Beziehung mit Naoko einzugehen, also konnten sie einige Stunden später auch nicht zusammen sein.
 

War das dumm?

Natürlich war das dumm, aber was sollte er schon machen, wenn er sich doch eingestand in Mizuki verliebt zu sein, der schöne Augen einer Frau interessanter fand! So war es doch auch normal. Zudem war sie wirklich verdammt hübsch! Da hatte Mao doch überhaupt keine Chance!

Ach, was dachte er da nur wieder?

Eine Chance?

Wie lächerlich! Die würde er auch ohne diese Büstenhalterträgerin niemals haben!

Und gerade, als diese Frau lachend vor seinem inneren Auge auftauchte und der nasse Pulli zu Boden geworfen wurde, wurde ihm Dank des Alkohols und wohl auch hauptsächlich Dank seines schmerzenden Nackens schwindlig, sodass er sich irgendwo Halt suchen wollte und kurzerhand auf die Glastür der Dusche zustürzte. Die Duschstange dahinter schien ihn zu sich zu winken, um ihm ihre Hilfe anzubieten, doch da die Duschkabine noch geschlossen war …
 

„Mao! Mao, pass doch auf! MAO!“
 

Und wieder war es eine verschlossene Tür, die dem Sänger seine vorgehabten Taten verweigerte. Mal davon abgesehen dass es wirklich unheimlich blöd ausgesehen haben muss, hat der Zusammenstoß zu keiner Bewusstlosigkeit geführt, sodass sich der Sänger in Grund und Boden schämte, als Körper und Fliesen aufeinandertrafen und der dumpfe Knall am Hinterkopf dann wenigstens etwas Sternchen und Ameisen vor seine Augen zauberte. Bis sich aus dem ganzen Gezwitscher und Getrampel in seinem Kopf plötzlich das hübsche Gesicht seiner süßen Zahnlücke vor ihm abbildete.
 

„Mh … Zuki ... duhas ... harte Fließfn …“

Völlig neben der Spur war er, was den angesprochenen tief seufzen ließ mit tief ins Gesicht gezogenen Brauen, die sich allerdings im nächsten Moment des Schweigens und sich der Tatsache betrachtend erhoben und losgeprustet wurde.

Harte Fließen hatte er also … es war schon zu süß, als dass er sauer sein könnte, weswegen der Kopf belustigt geschüttelt wurde und sich die Hände nach dem Unfallopfer ausstreckten.

„Du bist einfach unglaublich, Mao ...“ Und mit diesen Worten half er den Trunkenen schließlich wieder auf die Beine, wobei nun auch der Schluckspecht lachen musste, der doch noch so viel Verstand besaß, dass ihm sein Unterbewusstsein mitteilte, dass er sich heftig zum Idioten machte.

Ändern konnte und wollte der Sänger daran aber nichts, ließ sich im Anschluss auch bei der Dusche helfen, weil er schlichtweg zu betrunken dafür war und die Worte „Mein Nackn … stut ech … wehwieder“, es schafften, Mizuki nun Geschichten in seinen Kopf abspielen zu lassen, wie Mao es schaffte, sich unterm Duschstrahl zu ertränken.
 

So ein süßer Vollidiot.

Der bekam nach dem Duschen zu große Blümchenklamotten angezogen und wurde sicher auf der Couch geparkt – zusätzlich wie eine Roulade in einer Decke eingewickelt, während die Ramen nochmals aufgewärmt wurden und der Nachtisch – Eis mit Himbeersoße, was Mao so sehr liebte - als Vorspeise diente, die reingewurzelt wurde, als habe der Sänger Wochenlang nichts zu beißen bekommen.

„Hassu davon no mehr?“, wollte Mao wissen, noch gar nicht aufgegessen und schon den nächsten Löffel zwischen die Kiemen geschoben, was Mizuki kurz auflachen ließ.

„Ma-chan, du kannst dir ruhig Zeit lassen, ich hab sogar noch viel zu viel da. Kannst essen bis du platzt“, schmunzelte der Gitarrist, der keinen Hunger auf den ursprünglichen Nachtisch hatte. Und eigentlich war ihm auch nicht zum Lachen zumute, denn die Tatsache dass Mao sich betrunken hatte machte ihn traurig. „Warum … redest du nicht mit mir?“, versuchten ruhige Worte nachzuforschen was los war, weswegen der Ältere kurz aufhörte zu schaufeln und stattdessen schluckte. „Ist es so schlimm, dass du mir das nicht sagen kannst? Meinst du ich bin zu Jung dafür, oder sowas? Oder … ist etwas zu Hause passiert?“

Mao schüttelte zögerlich den Kopf, senkte ihn samt Eisschale in den Händen. „Nein“, meinte er leise. „Alles oke su Hause … glaub ich …“

Er hatte schon länger nicht angerufen, wie ihm auffiel. Aber wenn etwas nicht in Ordnung sein sollte, würde man ihm wohl Bescheid geben. Seine Mama sollte er dennoch mal anrufen. Am besten gleich Morgen, auch wenn sie schimpfen wird, dass er sich wieder so lange nicht meldete.
 

„Hör mal Mao, wenn du dich das nächste Mal schlecht fühlst dann … na ja, komm doch lieber zu mir und weine von mir aus, oder geh zu Tsurugi, Kei oder Aki, aber … betrink dich nicht, okay?“

Wieder hielt Mao nur inne, holte tief Luft und nickte seicht. Wieder griff er sich dabei in den Nacken, um diesen leicht zu massieren, jedoch passierte dies recht halbherzig und unbewusst.
 

Wenn Mizuki nur wüsste.
 

Der bemerkte natürlich dass Maos Nacken schmerzte, rutschte näher an ihn heran, nahm ihm die Schüssel ab, um sie auf den Tisch zu stellen und blickte anschließend in zwei trunkene Glitzeraugen, die fragten, was er vorhatte und nahezu empört darüber waren, dass man ihm sein Lieblingseis wegnahm!

Doch Mizuki schmunzelte nur, drückte den Sänger einen Kuss auf die Stirn und lehnte sich dabei so sehr gegen ihn, dass Mao gezwungen war sich hinzulegen und den anderen mit erschrocken großen Augen ansah. Sein Herz klopfte wie verrückt.

Wie oft hatte er diese Szene in seinem Kopf, wo Mizuki sich über ihn beugt und-

„Umdrehen.“

„!“ WAS?

Ein freches Schmunzeln bekam er entgegengeworfen, dann setzte Mizuki seine Aufforderung selbst in die Tat um, drehte Mao auf den Bauch und setzte sich kurzerhand auf dessen Hintern.

„Du bist bestimmt Knochenhart“, zog der Gitarrist wissend die Decke bis über die Schulterblätter nach unten, und auch der Pulli wurde am Kragen nach unten gezogen soweit es ging, damit Maos Nacken frei lag, der unter seinem Küken lag und begann zu glühen. Das Herz schlug immer kräftiger und polterte heftig gegen die Brust, als seine Ohren die Worte aufnahmen und dadurch hitzig rot anliefen – glaubte er zumindest, bis er schnallte, wovon Mizuki eigentlich sprach.
 

Eine Nackenmassage.

Als würde er ihn urplötzlich hier auf der Couch in diesem Zustand-
 

„Ahh! Ah, aua, aua, auaaa!“, jammerte der Ältere auch sofort los, als sich die grazilen Finger an die verhärteten Muskeln legten und ganz leicht begannen zu massieren.

„Siehst du … kein Wunder“, meinte Mizuki wissend und legte die Hände flach auf die weiche Haut um den Nacken entlang bis zum Haaransatz nach oben und wieder nach unten zu streichen, um zunächst genügend Wärme auszustrahlen für die geschändeten Muskeln. Spürbar verhärtet war alles, und weil sich der andere einfach keine Ruhe gönnte, kurierte sich der Nacken seit seinem Unfall nie richtig aus.

„Weißt du Mao, manchmal bin ich davon überzeugt dass eigentlich ICH der Ältere von uns beiden bin. Unsere Körper sind nur vertauscht worden durch einen Meteoriteneinschlag oder sowas in der Art.“

„Mh … aaach.“ Er sollte nicht so einen Blödsinn reden, während Mao hier unter ihm lag, die Augen langsam zufielen wegen des Wohlgefallens und diese Berührungen genoss, welche ihm sein heimliches Herzblatt schenkte.

„Doch“, behauptete Mizuki felsenfest. „Ich bin völlig davon überzeugt.“

„Duspinns …“

„Und du bist betrunken.“

„Oh hija … aber s schön … ´chmein … wassu machs …“, wurde genuschelt.

„Gut, dann gibt’s eben eine mizukische Massage nach dem Essen“, beugte sich der Gitarrist nach unten und hauchte einen Kuss in Maos Nacken, der ihn die Lider schlagartig öffnete und eine eiskalte Gänsehaut über den Rücken wandern ließ.

Wenn er doch nur nicht solch einen Hunger hätte, dann würde er liegen bleiben und Mizuki sagen, dass er jetzt weitermachen sollte, aber … Mizuki als Nachtisch?

„Okay … aber … aber Zuki?“, wandte er den Blick nun suchend zu Mizuki, der sich noch etwas nach vorn beugte, um Mao ansehen zu können. „Kann‘ch … kann ich bei dir schlafn?“
 

Die Brauen des Jüngeren zogen sich erneut ins Gesicht, ehe sie sich erhoben und die Lippen zu lächeln begannen. „Du musst sogar bei mir schlafen. Ab 0,1 Promille ist es Gesetz, dass ein Sänger bei seinem jüngsten Gitarristen schläft“, nickte das Küken nun schmunzelnd, der prompt von Mao die flache Hand ins Gesicht gedrückt bekam, nachdem sich umständlich etwas zur Seite gedreht wurde.
 

Mizuki war so unbeschreiblich toll.
 

***
 

Liebes Tagebuch,
 

Heute bien ich estrem extrem mühde.

Zuki <3 <3 <3 <3 ´s soooo hüpsch … willl nich dasIer

Also Mizuki mein ich o.o

Will nich das er mit der Tusie (Tussie Tusih Tussi?????) geht.
 

Bin betrunken Liebe seinä Hende

Ich bin sau doof!!! Nich wegen Allkohohl

IMMER
 

Mizuki <3
 

Muss dringd unschwul werden!

Wie wird man unschwul?
 

***
 

Nachdem zu später Stunde gegessen wurde und noch ein weiteres Eis herhalten musste, ließ sich Mao nur allzu gerne von der bekannten Bett- und auch Alkoholschwere in das Polster ziehen, wo er eigentlich darauf wartete, dass die wunderschönen Hände ihre Arbeit wieder aufnahmen. Doch zunächst räumte der Gitarrist den Tisch ab und nahm anschließend einen Anruf entgegen, woraufhin er sich mehr oder weniger in die Küche verkrümelte und Mao darüber nur ungeduldig aufseufzte. Er hoffte sehr, dass dieses Telefonat nicht lange dauerte, drehte sich währenddessen schon mal auf den Bauch, schob sich ein Kissen unter den Kopf und versuchte krampfhaft seine schweren Lider offen zu halten, als ein: „Ich freue mich auch, wenn du zurück bist“ dafür sorgte, dass die Augen weit geöffnet wurden und das glasige Augenpaar die Kante des Wohnzimmertisches anstarrte.
 

Naoko!
 

Ein heftiger Stich in der Brust folgte, dann schlug das Herz viel zu schnell und viel zu hart gegen diese, machte das Gemüt unruhig und verbreitete Panik und auch das Gefühl gleich loszuheulen.

Mizuki telefonierte mit Naoko und wahrscheinlich teilte sie ihm mit, dass sie ihn vermisste - und Mizuki schien sie auch zu vermissen, umsonst freute man sich doch nicht auf einen anderen!

Waren sie etwa doch schon zusammen und Mao hatte davon nichts mitbekommen? Vielleicht wollten sie die anderen auch noch im Dunklen tappen lassen? Wollte Mizuki es ihm sagen? Und wenn ja, wie wollte er es ihm sagen? Einfach so? Nebenbei erwähnen oder …
 

Mao schluckte hart, presste die Lippen aufeinander und wollte einfach aufstehen und gehen. Wenn diese Trägheit ihn nur nicht an das Sofa genagelt hätte - schien sein Körper doch nicht seiner Meinung zu sein und bewegte sich deswegen auch keinen Zentimeter, als sich im Gedankenstrudel über Naoko, kleine Mizuki-Kinder und Mizuki als Bräutigam, die Lider unbemerkt wieder schlossen und tausende Filme liefen. Filme, die ihm zeigten, wie es werden würde, wären Naoko und Mizuki ein Paar. Bald brachten sie das erste Kind zur Welt, heirateten und dann würde Mizuki die Band verlassen. Er würde Mao auslachen, weil er immer noch Single war und ihm nachlief wie ein Trottel, weil Mao ihm vor der Hochzeit endlich gestand in ihn verliebt zu sein. Aki war furchtbar sauer deswegen, denn allein wegen Maos unreifen Verhalten ging die Band zu Bruch und am Ende saß der Sänger wieder auf seiner Mauer, trank Bier und rauchte eine nach der anderen. Er würde wieder kein Geld mehr haben, keine Zukunft und niemand würde zu ihm kommen, um ihn abends zuzudecken.
 

So, wie es Mizuki tat, als er bemerkte, dass der Ältere wohl eingeschlafen war, während er mit seiner Mutter telefonierte, die zur Zeit in Amerika war. Sie pflegten ein sehr gutes Verhältnis zueinander.

Ebenso, wie sie beide auch, als der Gitarrist die Decke über Mao legte und dessen Hand plötzlich nach ihm griff, um ihn festzuhalten.
 

„Geh nich …“, bat Mao murmelnd und gar traurig, während Mizuki auf ihn hinabsah und sich wunderte, dass der andere wohl doch noch wach war.

Irgendwie.

„Ich gehe nicht“, beruhigte er ihn schließlich sanft, strich ein paar Haarsträhnen hinter das Ohr und stieg letzten Endes über Mao hinweg, um sich hinter ihn, mit dem Rücken an die Sofalehne liegend, niederzulassen. Dabei zog er die zweite Couchdecke zu sich, die zum Glück unweit von ihnen über der Lehne hing, und schmiegte sich schließlich an seinen Suffkopf der zufrieden über die Situation aufseufzte. Etwas, was sehr normal zwischen ihnen geworden war nach all der Zeit – ohne dass sie es selbst für Voll nahmen.
 

Genauso nahm Mao die Berührungen nicht mehr voll wahr die man ihm schenkte - aber hatte man ihm doch eine Nackenmassage versprochen und die bekam er dann auch.

„Schlaf gut Mao Schatz“, flüsterte Mizuki gegen dessen Nacken und brachte Mao erneut sehr tief zum Seufzen. Unbewusst ließ es ihn gut fühlen und lullte den Sänger damit immer mehr ein, bis er schon nach kurzer Zeit zufrieden einschlief. Zufrieden darüber, dass sein Küken bei ihm war und nicht bei ihr. Dass er für ihn da war und nicht für sie. Dass er ihn berührte und nicht … sie.
 

Nur ihn – niemals Naoko.

Nie …
 

Auch wenn Mizuki kaum an etwas Anderes dachte derzeit, so war es Mao, der ihm seine Sinne in jenen Stunden raubte.
 

Weil er endlich wissen wollte, was mit ihm los war.

Weil er endlich wissen wollte, warum er sich betrunken hatte und wie er darauf kam, dass Mizuki ihm absagte. Das stand doch in keiner Weise irgendwo geschrieben, und sollte das mit Mao so weitergehen dann ... dann wusste Mizuki auch nicht mehr weiter, obwohl er doch für ihn da sein wollte. Ihn helfen wollte, ihn gar selbst brauchte!

Als Freund.

Als sehr viel mehr, als nur einen Freund.

Mao war nicht einfach nur irgendjemand, er war das Wichtigste überhaupt an Mizukis Seite geworden. So unglaublich wichtig, dass er selbst bei den Dates mit Naoko über Mao sprach.
 

Wieso nur sprach er wiederum nicht mit ihm?
 

"Ach Mao ..."

Der Jüngere konnte über all den Trubel in seinem Kopf nur seufzen und Trübsal blasen, während er dabei zusah, wie seine Finger mit dem dunkelbraunen Haar spielten, welche im Nacken hingen und eigentlich nur beiseitegeschoben werden sollten. Doch jetzt spielte er verträumt mit den Strähnchen, weil er sich zu große Sorgen machte. Auch darüber, wenn es mit Maos Nacken nicht besser wurde. Sie hatten am kommenden Wochenende ein Live. Wenn sich Mao bis dahin nicht die nötige Ruhe gönnte, dann würde es doch ein reinstes Desaster werden! Mal davon abgesehen konnte sich auch der Sänger selbst auf Dauer schädigen und das wollte Mizuki nicht.
 

Er wollte, dass Mao glücklich war.

Er wollte, dass es Mao gut ging - so wie jetzt in jenem Augenblick, als dieser tief Luft holte und in die fluffige Traumwelt eintauchte, die voller bunter Ponys war. Bunte Ponys, viel Eis mit Himbeersoße und ganz viel Blümchenhosen. Blümchenhosen an sexy Hinterteilen. Sexy Hinterteilen auf Plakatwänden in der ganzen Stadt verteilt, die Mao begann abzureißen und einzupacken - es war sein beblümter Mizuki Hintern!
 

„Zuki …“
 

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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Kao
2016-07-03T09:05:51+00:00 03.07.2016 11:05
Wie süß! Wie süüüüüüß!!!!! *~*
Bitte meeeeeehr davon!!! *_________*
Antwort von:  xManja
24.07.2016 16:12
Kommt kommt (;


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