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For the World Is Hollow and I Have Touched the Sky

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Nachdem ich gestern Abend noch ewig an einer anderen FF gearbeitet habe, habe ich die Zeit etwas aus dem Auge verloren, darum verschiebt sich der Upload auf heute. Ich hoffe, das Kapitel gleicht das Warten etwas aus. ;) Komplett anzeigen

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Solas

Im Rundturm herrschte Stille.

Nur hin und wieder wurde sie von dem leisen Husten eines Bibliotheksbesuchers oder dem Krächzen der Raben unterbrochen, das von den steinernen Wänden widerhallte.

Solas stand auf der hölzernen Plattform und malte, wie er es immer tat, wenn ihn etwas beschäftigte.

Er hätte es nie so weit kommen lassen dürfen.

Von Anfang an hatte er gewusst, dass es eine schlechte Idee war, die Inquisitorin so nah an sich heranzulassen. Doch er war so lange allein gewesen und hatte sich so nach Nähe gesehnt, dass er schwach geworden war.

Jetzt fragte er sich, ob sie überhaupt jemals eine Wahl gehabt hatten, und früher oder später nicht immer an diesen Punkt gekommen wären.

Denn Solas hatte keine hohe Meinung von Seelennamen. Nach seinem Erwachen war er entsetzt gewesen, als er gesehen hatte, wie sehr sich die Welt durch sein Tun verändert hatte: wie tief sein Volk gefallen war und wie sehr Seelennamen die Gesellschaft geprägt hatte, wie sehr sie das Verständnis von Zuneigung und Nähe geprägt hatten.

Wie hoffnungslos und ermüdend es doch sein musste, entweder keine Wahl zu haben oder sein Leben lang gegen das Band zu seinem Partner ankämpfen zu müssen, um sich die Freiheit zu bewahren, wählen zu können... Solas mochte es sich nicht einmal vorstellen.

Er fragte sich, ob Lavellan ähnliche Dinge durch den Kopf gegangen waren, als sie sich zum ersten Mal begegnet waren, und wie es sich für sie angefühlt haben musste, als er ihren Namen gehört hatte, ohne sie zu erkennen. Er erinnerte sich an ihre Zurückhaltung am Anfang, wann immer sie miteinander gesprochen hatten, und er begriff jetzt, dass sie gedacht haben musste, er hätte sie abgewiesen. Er hatte damals geglaubt, dass sie sich von ihm distanziert hatte, weil sie ihm nicht traute, doch er verstand nun, dass sie lediglich versucht hatte, mit seiner Ablehnung klarzukommen und sich um eine rein professionelle Beziehung bemüht hatte.

All die Monate, die er mit ihr verbracht hatte, ohne auch nur zu ahnen, was sie für ihn empfand... Solas fragte sich, wie sie es ertragen hatte, und wie viel Kraft es sie gekostet haben musste, sich nebenbei auch noch auf das Wesentliche zu konzentrieren und die Inquisition anzuführen.

Er hatte immer geglaubt, er wüsste, wie stark sie war – doch er erkannte erst jetzt, wie sehr er sie unterschätzt hatte.

Solas ließ den Pinsel sinken und betrachtete für einen Moment kritisch sein Werk, bevor er zu einer anderen Farbe griff und seine Arbeit fortsetzte.

Er fragte sich, ob Lavellan die einzige war – oder die erste. Ob es vor ihr schon andere mit seinem Namen gegeben hatte, die ihr Leben lang ohne Erfolg nach ihm gesucht hatten, während in seinem langen Schlaf ganze Zeitalter an ihm vorübergegangen waren. Und ob nach ihr weitere kommen würden, deren Lebenslichter nur wenige Jahrzehnte später wieder verlöschen würden, wie Kerzenflammen im Wind, immer und immer wieder, bis auch er selbst schließlich alt und gebeugt war... wie viele Jahrtausende es auch dauern mochte.

Zum ersten Mal erschien Solas ihre Sterblichkeit nicht länger wie ein Fluch.

Nur jemand ohne Herz konnte einen solchen Zustand auf Dauer ertragen. Doch er...?

Solas hatte schon immer viel zu viel gefühlt.

 

Lavellan saß am Schreibtisch und war in einen Bericht vertieft, als er in ihr Zimmer trat.

Er sah, wie sich ihre Schultern kurz anspannten, als sie ihn näherkommen hörte, doch sie sah nicht von ihrer Lektüre auf. Er konnte es ihr nicht verdenken.

„Du bist tatsächlich gekommen“, sagte sie leise. „Ich muss gestehen, ich habe nicht damit gerechnet.“

Solas wollte etwas erwidern, doch dann wurde ihm bewusst, dass es kein Vorwurf gewesen war, sondern lediglich eine Feststellung.

„Ich bin hier, wenn du reden willst“, entgegnete er ebenso leise und setzte sich dann in einen der Sessel am Kamin.

Und wartete.

Die Minuten vergingen, ohne dass Lavellan ihm auch nur einen Blick zuwarf. Er fragte sich, ob sie ihn bestrafen wollte... oder ob sie schlichtweg die Zeit brauchte, um sich innerlich auf das Gespräch vorzubereiten. Doch was es auch war, er würde warten. Er hatte ihr Antworten versprochen, und wie auch immer dieser Abend ausging, er würde sein Versprechen einhalten.

Nachdem eine halbe Stunde vergangen war, schob Lavellan schließlich die Berichte beiseite und stand auf. Sie zögerte kurz, dann nahm sie eine Flasche und zwei Kelche aus dem Regal.

„Wein?“, fragte sie.

Solas neigte den Kopf zur Seite. „Ich bin kein großer Freund von Alkohol“, meinte er.

„Ich weiß.“ Ein zaghaftes Lächeln legte sich auf ihre Lippen.

Er sah die Erschöpfung auf ihrem Gesicht und er verstand plötzlich.

„In Ordnung“, entgegnete er und erwiderte das Lächeln vorsichtig.

Lavellan entkorkte die Flasche und goss ihnen Wein ein, bevor sie zu ihm trat und ihm einen der Kelche reichte. Dann ließ sie sich in den Sessel neben ihm sinken und nahm einen Schluck vom Wein, während sie in die tanzenden Flammen des Kaminfeuers starrte.

Solas tat es ihr gleich und bald breitete sich eine angenehme Wärme in seinem Inneren aus.

Für eine Weile saßen sie schweigend so da, jeder in seine eigenen Gedanken vertieft, doch schließlich hob Lavellan wieder den Blick und stellte ihren Kelch beiseite.

„Du hast mir Antworten versprochen“, sagte sie leise.

Er sah sie nicht an. „Das habe ich.“

Er stellte seinen Kelch neben den ihren, dann streckte er ihr seine Hand entgegen.

„Ich denke, wir sollten hiermit anfangen.“

Lavellan starrte auf den schlichten, blauen Stoff herab, der sein Handgelenk verhüllte.

Seine Direktheit schien sie zu überraschen.

Doch ihre Unsicherheit hielt nicht lange an. Sie nahm seine Hand und löste vorsichtig die Knoten der dünnen Kordel, die den Stoff fixierte.

Als sie ihn schließlich entfernt hatte, weiteten sich ihre Augen.

„Ich hatte gedacht...“ Ihre Stimme zitterte leicht, während sie mit den Fingern über die blasse Haut fuhr. „Nach dem, was du heute Morgen gesagt hast, hatte ich angenommen, dass du es nicht wörtlich gemeint hast.“

Sie hob den Blick. „Ich habe mich geirrt. Du hattest tatsächlich nie einen Namen.“

Der sanfte Ausdruck in ihren Augen irritierte ihn. Er hatte mit allem gerechnet, aber nicht mit Mitgefühl... als würde sie es bedauern, dass ihm diese eine Sache fehlte, und dass er nie wissen würde, wie es sich anfühlte, mit jemandem auf diese Weise verbunden zu sein.

„Nein“, entgegnete er.

„Warum?“, fragte sie.

Es war die Frage, über deren Antwort er sich am längsten den Kopf zerbrochen hatte. Er hatte sich tausend verschiedenen Erklärungen zurechtgelegt, doch keine davon hatte überzeugend geklungen, bis er schließlich beschlossen hatte, ihr einfach die Wahrheit zu sagen... oder wenigstens einen Teil davon.

„Als ich geboren wurde, gab es noch keine Seelennamen“, sagte er.

Sie hob überrascht die Augenbrauen.

„Es gab schon immer Seelennamen“, erwiderte sie voller Überzeugung.

Er lächelte nur.

„... oder nicht?“, fragte sie, verunsichert von seiner Reaktion.

„Lange bevor die Zeitrechnung der Kirche begann, damals, als die Kultur unseres Volkes ihren Höhepunkt erreicht hatte“, entgegnete er, „gab es eine Zeit, in der niemand Seelennamen trug.“

Doch sie hatten andere Namen auf ihrer Haut getragen, verschlungene Muster, die ihre Loyalität zu einem der selbsternannten elfischen Götter erkennen ließen. Auf gewisse Weise war dies noch schlimmer gewesen als Seelennamen, denn die Konsequenz für diejenigen, die ihrem Gott keine Treue hielten, war in der Regel der Tod gewesen. Und das war noch bevor die Evanuris ihre Vorliebe für Opferungen entdeckt hatten...

„Bevor die Zeitrechnung der Kirche begann...“, wiederholte sie leise und sah auf ihre Hand herab, die noch immer die seine hielt. Dann verschränkte sie ihre Finger mit den seinen. Solas konnte sein erleichtertes Seufzen nicht verbergen. Ob sie den Kontakt seinetwegen suchte oder für sich selbst – es zeigte, dass sie nicht vorhatte, sich von ihm zu distanzieren.

„Wie alt bist du?“, fragte sie dann und hob den Blick. „Jahrhunderte? Jahrtausende?“

„Ich...“ Er zögerte. „Ich weiß es nicht genau.“

„Hast du schon gelebt, als Andraste auf dem Scheiterhaufen brannte?“, fuhr sie fort. „Als Corypheus geboren wurde? Wie viele Königreiche hast du schon fallen sehen...?“

„Zu viele“, sagte er und schloss die Augen.

Sie fragte nicht weiter und für eine Weile herrschte Schweigen zwischen ihnen.

„All die Male“, sprach sie dann, „all die Momente, in denen du mir von den Dingen erzählt hast, die verloren wurden... du warst dabei. Du hast sie mit eigenen Augen untergehen sehen.“

Sie lachte auf, kurz und voller Bitterkeit.

„Und hier sind wir und führen die gleichen, sich ewig wiederholenden Kriege“, murmelte sie. „Wir müssen dir wir Kinder erscheinen, dazu verdammt, für immer dieselben Konflikte auszutragen.“

„Ihr seid keine Kinder“, sagte er sanft. „Und ich nehme diesen Krieg sehr, sehr ernst. Es mag stimmen, dass sich das Antlitz des Krieges niemals ändert, aber die Gründe dafür sind immer andere. Und dieses Mal steht eine Menge auf dem Spiel.“

Er zog ihre Hand an seine Lippen und presste einen Kuss auf ihre Fingerknöchel.

„Ich habe damals... Dinge getan, auf die ich nicht stolz bin“, fuhr er dann leise fort, „doch die ich tun musste, um Schlimmeres zu verhindern. Sie haben mich viel Kraft gekostet, und ich beschloss mich zurückzuziehen und zu schlafen, in der Hoffnung, in einer besseren Zeit zu erwachen. Womit ich nicht gerechnet hatte, war, dass ich so lange schlafen würde... und dass ich in einer Zeit aufwachen würde, in der der Himmel aufreißt und plötzlich jeder einen Seelennamen trägt.“

Lavellan musterte ihn wortlos, dann lächelte sie schwach.

„So habe ich es noch nicht betrachtet“, meinte sie. „Bei all den Veränderungen erscheint es mir fast wie ein Wunder, dass du dich nicht sofort wieder schlafen gelegt hast.“

Solas erwiderte ihr Lächeln. „Der Drang war zweifellos da... aber ich konnte nicht länger schlafen. Ich musste mich um das Loch im Himmel kümmern.“

„Deshalb bist du damals zu uns gekommen“, sagte Lavellan und nickte. „Es erschien mir immer wie ein seltsamer Zufall, dass jemand mit so großem, magischem Wissen genau zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort war und wusste, dass das Mal an meiner Hand die Risse schließen würde...“

„Ich wusste es nicht mit absoluter Sicherheit“, entgegnete Solas. „Ich habe es nur vermutet... und lag zum Glück richtig.“

„Was wäre passiert, wenn du dich geirrt hättest?“, fragte Lavellan und hob eine Augenbraue.

Solas zuckte mit den Schultern. „Dann wären wir an jenem Tag alle gestorben.“

„Wie beruhigend“, schnaubte sie.

Sie sahen sich einen Moment lang an, dann mussten sie plötzlich beide lachen. Die Spannung zwischen ihnen war endgültig verschwunden und Solas atmete auf. Auch wenn Lavellan ihm weitere Fragen stellen würde, das Grundvertrauen war noch immer da. Und das war das wichtigste.

 

„Ist Solas überhaupt dein richtiger Name?“, fragte sie, nachdem sie ihnen beiden Wein nachgeschenkt hatte.

Solas nippte an seinem Kelch.

„Ob ‚Solas‘ der Name ist, den meine Eltern mir bei meiner Geburt gaben?“, entgegnete er dann und schüttelte den Kopf. „Nein.“

Sie nickte, als würde es sie nicht überraschen, das zu hören.

„Ich habe mir schon gedacht, dass ein Name wie dieser nur selbstgewählt sein kann“, meinte sie. Ihre Augen verengten sich plötzlich und sie fügte hinzu: „Was bedeutet, dass du damals nicht irgendwer gewesen sein konntest.“

Solas sah sie überrascht an. Einmal mehr hatte er ihren Scharfsinn unterschätzt.

Und er wappnete sich innerlich gegen die Frage, die zweifellos als nächstes folgen würde.

„Wer bist du wirklich?“

Auch über seine Antwort auf diese Frage hatte er lange Zeit nachgedacht.

„Ich hatte gehofft, der Wolf würde dir Hinweis genug sein“, sagte er ausweichend.

Lavellan starrte ihn ungläubig an.

„Willst du damit sagen, du hast dem Schreckenswolf gedient?“, fragte sie.

„Fen'Harel hatte keine Diener“, seufzte Solas. Es war ein Satz, den er damals so oft gesagt hatte, dass er beinahe automatisch kam. War die Tatsache, dass wenigstens eine der elfischen Gottheiten ohne Sklaven auskam, denn so unvorstellbar...?

„Was warst du dann?“, fragte sie. „Sein Berater? Sein Heerführer...?“

Solas erhob sich und Lavellan stieß einen überraschten Ruf aus, als seine Augen für einen Moment aufleuchteten.

„Ich hatte keinen Heerführer“, entgegnete er und begann im Zimmer auf- und abzulaufen, wie immer, wenn er aufgebracht war, „geschweige denn ein Heer. Sondern treue Freunde, die aus freien Stücken an meiner Seite gegen die Tyrannei der Evanuris kämpften.“

Und endlich begriff sie.

„Du bist er“, stieß sie hervor. „Du bist Fen'Harel...!“

Er blieb stehen.

„Der bin ich“, sagte er schlicht.

Sie starrte ihn an, zu überwältigt von dieser Offenbarung, um Worte hervorzubringen.

„Hast du Angst vor mir?“, fragte er sanft.

Sie sah ihn weiterhin wortlos an, doch schließlich schüttelte sie langsam den Kopf.

„Gut“, sagte er.

Plötzlich brach ein Lachen aus ihr hervor, dessen hysterischer Unterton nicht zu überhören war, und das Geräusch schien sie so zu erschrecken, dass sie sich die Hand vor den Mund hielt, um es zu ersticken.

Solas wagte es nicht, sich ihr zu nähern, aus Sorge, dass er es nur schlimmer machen würde, und wartete geduldig, bis sie sich wieder beruhigt hatte.

Schließlich ließ sie die Hand wieder sinken.

„Ich habe mit dir geschlafen“, wisperte sie.

Er wusste nicht, was er darauf erwidern sollte.

Ellana schloss die Finger um ihren Kelch, als würde er ihr Halt geben, während sie nach den richtigen Worten suchte.

„Kann ich dir trauen?“, fragte sie dann.

Es war eine schlichte Frage, doch sie wussten beide, dass mehr dahintersteckte.

„Du kannst darauf vertrauen, dass ich tun werde, was nötig ist, um Corypheus zu besiegen“, entgegnete er leise. „Ob du mir hingegen trauen kannst... das ist eine Frage, die ich dir nicht beantworten kann. Doch du hast es bis hierher getan.“

Sie nickte.

„Ich verstehe“, sagte sie.

Sie hob den Kopf und sah ihn ruhig an.

„Dann habe ich vorerst keine weiteren Fragen.“



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