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Schwarzer Komet

Drachengesang und Sternentanz - Teil 1
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Uff! Dieses Kapitel war so extrem grottig in der handschriftlichen Variante. Viel zu viele Charaktere auf einem Haufen! Viel zu viel Vorstellungsbedarf. Wie gut, dass ich ersteres schon in den nächsten Kapitel ein bisschen eindämmen kann, während ich mich an zweiterem mehr oder minder vorbei mogel^^'
*hüstel*
Na ja, ich denke mal, ich habe die Schwächen der Rohfassung so halbwegs ausgebügelt >_>

Damit sind auch die Fäden endlich zusammen gelaufen und von nun an geht es in der großen Gruppe weiter - und im Grunde fängt die ganze Story jetzt erst so richtig an :D

Viel Spaß beim Lesen und vielen Dank im voraus für jeden Kommentar!
LG
Yosephia Komplett anzeigen

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Die Nacht, in der sie geopfert werden sollte

Für Gray gab es nur wenige Sonnenmenschen, denen er vorbehaltlos vertraute. Solange er auch schon unter ihnen gelebt hatte, sie waren in seinen Gedankengängen noch immer zuallererst Sonnenmenschen. Menschen, die ihm immer etwas fremd waren und denen er auch immer fremd blieb. Aber es gab einige wenige, auf die das nicht zutraf – die ihm so nahe wie Familie waren.

Und einer von ihnen war genau die Frau, die dort auf dem Podest kniete, während ihr dieser aufgeblasene Sektenführer einen Dolch an die Kehle hielt. Als designierte Fürstin von Heartfilia war Lucy auch bei offiziellen Anlässen am Kaiserlichen Hof zugegen gewesen, genauso wie Gray und Lyon als Repräsentanten der Eismenschen. Wie genau er damals vor sechs Jahren mit Lucy ins Gespräch gekommen war, wusste Gray nicht einmal mehr, aber dem war eine Freundschaft gefolgt, die er nicht missen wollte. Diese Freundschaft war genau das, wovon sein Vater damals gesprochen hatte, als er ihn und Lyon nach Crocus zurück geschickt hatte. Ein weiterer Grund, warum seine Mission so wichtig war…

Grays Blick zuckte quer über den Platz zu einem Vordach, auf welchem Lyon Stellung bezogen hatte, um die Zeremonie zu beobachten. Genau wie Gray trug er einen zerschlissenen Reiseumhang, unter dessen Kapuze nur einige weiße Haarsträhnen hervor lugten, aber dank der vorherigen Absprache fand Gray ihn sofort. Der Blick seines Bruders war von demselben Horror erfüllt, der auch Gray beinahe zittern ließ.

Und sie waren sich einig: Sie konnten ihre gemeinsame Freundin nicht sterben lassen. Was auch immer es sie kosten mochte, um keinen Preis in der Welt konnten sie tatenlos zusehen, wie Lucy geopfert wurde.

Gray eilte zu der Leiter, mit der er und die anderen Schaulustigen auf das Dach gelangt waren. Mehrere Männer, die keinen Platz mehr auf dem Dach gefunden hatten, standen auf den Sprossen. Seitlich hangelte Gray sich die Leiter hinab, was die Leiter bedenklich schwanken und die Leute darauf laut protestieren ließ. Eine Mannslänge über dem Boden ließ Gray sich einfach fallen und landete sicher mit den Knien federnd am Boden. Noch während er sich aufrichtete, löste er die Klammer seines Reiseumhangs, der ihm hier nur hinderlich sein würde, und stürmte los.

Obwohl er die Gläubigen oft grob beiseite stoßen musste, nahmen sie kaum Notiz von ihm, so ekstatisch waren sie angesichts der Ereignisse auf dem Podest, die Gray nur noch vage erkennen konnte, weil ihm so viele Leute im Weg waren.

Der Priester zog Lucys Kopf an den Haaren in den Nacken, während er ein Gebet an den Schwarzen Kometen intonierte. „Oh, du ewig Wachender! Nimm dieses Opfer an und reinige das Land von der Verderbnis…“

Panik stieg in Gray auf und er versuchte, schneller voran zu kommen, aber je näher er dem Podest kam, desto dichter standen die Gaffer. Er hatte nicht einmal genug Raum, um die Leute mit seinem Schwert zu vertreiben. Auf Lyons Seite konnte es kaum anders aussehen.

Blieb ihnen denn noch eine Wahl? Wenn sie ihre Freundin retten wollten, mussten sie Magie gebrauchen, egal was das bei einem magiefeindlichen Pulk wie diesem hier für Folgen haben mochte…

Fieberhaft konzentrierte Gray sich auf seine Magie, als über ihm ein markerschütterndes Gebrüll erklang. Mit weit aufgerissenen Augen starrte Gray zum Torhaus der Alten Festung, auf dem sich ein leibhaftiger Drache niederließ, ein Koloss aus roten und gelben Schuppen mit einem narbigen Gesicht und Klauen so lang wie Grays Unterarme. Die riesigen Flügel Ehrfurcht gebietend ausgebreitet, warf er den Kopf in den Nacken und spie eine Feuerlanze in den Himmel, deren Hitze allen Anwesenden auf dem Platz den Schweiß aus den Poren trieb.

Neben ihm landete ein zweiter Drache auf den bröckeligen Mauern – ein wenig kleiner, mit weicheren Konturen und von reinweißer Farbe – und als Gray in den Himmel blickte, sah er dort drei weitere Drachen kreisen, einer ebenfalls weiß, einer schwarz, der letzte grau.

Dann senkte der erste Drache einen seiner Flügel bis zum Boden vor dem Torhaus und Gray erkannte zwei Männer – einen mit pinkfarbenen Haaren und einem mit kupferfarbenen, der ihm irgendwie bekannt vorkam –, die auf diesem Flügel mit gezogenen Waffen zu Boden rutschten. Sie landeten mitten in der in Panik versetzten Menge.

„Lasst die Frau sofort frei oder wir garantieren für nichts“, grollte der rote Drache und droben am Himmel brüllte einer der anderen Drachen und eine Lanze aus Licht erhellte für einen Moment die Nacht.

Mindestens die Hälfte der Anwesenden gab sofort Fersengeld und Gray musste nun gegen den Strom der Flüchtenden ankämpfen, die ihn in ihrer Hast, sich vor den Drachen in Sicherheit zu bringen, mehr als einmal beinahe von den Füßen rissen. Als sich der Platz endlich leerte, erkannte Gray, dass ein wild entschlossener Trupp einen Ring um das Podest gebildet hatte. Auch der Priester war noch da und deutete dramatisch auf die Drachen.

„Da seht ihr die Scheusale!“, spie er aus. „Sie verwüsten unser Land und wollen uns unterdrücken! Kämpft gegen sie! Der Schwarze Komet wird euch bald beistehen!“ Und dann holte er mit dem Dolch aus und zog Lucys Kopf weiter in den Nacken. Gray blieb vor Angst das Herz stehen…

Im nächsten Moment wurde der Priester zurück geworfen. Ein Pfeil ragte aus seiner Schulter hervor. Gray folgte dem mutmaßlichen Kurs und riss wieder weit die Augen auf, als er auf einer halb zerfallenen Burgzinne neben dem weißen Drachen niemand anderen als Romeo erkannte, der bereits einen neuen Pfeil angelegt hatte und auf das Podest zielte.

„Tötet sie!“, keifte der Priester, dessen Robe sich langsam rot färbte. „Schlachtet die alle ab!“

Einer seiner Akolythen griff nach Lucy, um sie als lebenden Schild zu missbrauchen, doch noch ehe er ihr nahe kommen konnte, hatte er einen Pfeil im Auge stecken.

Endlich riss Gray sich aus seiner Starre. Romeo war ein grandioser Bogenschütze, aber der Schutz, den er Lucy gewährleisten konnte, hatte seine Grenzen, zumal der Vorrat seiner Pfeile endlich war.

Schwert schwingend und brüllend kämpfte Gray sich durch die vor Hass geifernden Gläubigen. Die meisten waren kaum mehr als wilde Tiere, aber einige stellten sich ihm mit teils improvisierten und teils richtigen Waffen. Mühelos wich Gray ihren zumeist stümperhaften Angriffen aus und teilte bedenkenlos Schläge aus. Er hörte das Knacken von Knochen, spürte das Reißen von Haut, sah Blut sprudeln, sah panische Augen, hörte Stöhnen und Schreie, erhielt Stöße, wenn er sich durch das Gedränge schlug. Es kam ihm so vor, als wüssten die Leute nicht, in welche Richtung sie fliehen sollten. Anscheinend gab es an mehreren Stellen auf dem Platz weitere Unruhen, auch wenn er keine Ahnung hatte, worin diese ihren Ursprung hatten.

Endlich erreichte er das Podest, umringt von Akolythen. Darauf standen weitere Akolythen. Sie hatten Lucy die Arme auf den Rücken gedreht. Ein Blutrinnsal an ihrer linken Schläfe verriet, wie heftig Lucy sich gewehrt haben musste. Gegen diese zahlenmäßige Übermacht konnte Romeo mit Pfeil und Bogen nichts ausrichten.

„Ergebt euch, Ketzer!“, schrie der Priester, der zu Grays Leidwesen immer noch lebte, auch wenn er sich schwer auf einen Akolythen stützte.

Gray konnte nicht hoffen, unbemerkt an Lucy heran zu kommen, also trat er offen vor das Podest, sein Breitschwert fest in der Hand.

„Ich bin Gray Fullbuster, Magier der Kaiserlichen Armee. Lasst die Fürstin Heartfilia sofort frei oder ihr werdet es bereuen!“

Von links kam ein Söldner von massiger Gestalt mit einer gewaltigen Doppelaxt auf ihn zu. Ehe er ihn jedoch erreichen konnte, wuchs zwischen ihnen eine Eiswand hervor. Gray drehte sich zur Seite und erkannte seinen Bruder, der eine Hand noch für die Bündelung des Miasmas erhoben hatte und in der anderen sein eigenes Breitschwert hielt.

Der Platz war nun beinahe leer, nur das Podest war übervoll. Mehrere Akolythen stürmten auf Gray und Lyon zu, doch sie wurden von einer Art Lichtlanze fortgeschleudert und ein Mann in Grays Alter mit strohblonden Haaren und sonnengebräunter Haut sprang mit gezogenem Säbel zwischen die Brüder.

„Sting Eucliffe, Rechte Klaue der Wüstenlöwin“, bellte er und hob eine Hand, in der sich eine Lichtkugel manifestierte. Seine Lippen umspielte ein herausforderndes Grinsen. „Basilisken-Reiter der Wüstennomaden, Reiter von Weißlogia, dem Lichtdrachen.“

„Abschaum!“, schrie Arlock wie von Sinnen. „Widerwärtiges Gesindel! Schandflecke der Natur!“

Dann löste sich die Formation am Podest auf. Die Akolythen gerieten in Panik, als mitten unter ihnen zwei Kämpfer um sich schlugen. Gray konnte die Beiden nicht erkennen, aber er entschied, dass ihm das im Moment egal war. Wichtig war jetzt nur, Lucy zu retten.

Gemeinsam mit Lyon und dem Wüstennomaden kämpfte er sich durch die Reihen der Gläubigen. Er beobachtete wie sein Verbündeter sich mit einer Dunkelhäutigen maß, die einen Giftsäbel führte, aber erkannte die Überlegenheit des Blonden und strebte weiter…
 

Um Lucy herum herrschte Chaos. Priester Arlock keifte unablässig, aber es war unmöglich, auch nur die Andeutung einer Schlachtordnung zu erkennen. Lucy wurde herum geschubst, keiner fühlte sich mehr für sie zuständig. Alle wollten sich mit den Magiern messen, die mitten unter ihnen aufgetaucht waren.

Lucy sah einen großen, wuchtigen Mann mit wilden, schwarzen Haaren, der ein Bastardschwert gegen seine Gegner schwang, als sei es nur ein dünner Stock. Hinter ihm vermeinte sie für einen wahnwitzigen Moment Levy zu erkennen.

Da waren Eis und Licht und schließlich auch Flammen. Pfeile trafen die Männer um Lucy herum. Gebrüll, Schmerzensschreie, Flüche. Und das Gebrüll der Drachen und der Puls der Sterne.

Schnell und hektisch schlug er, als wüsste er genau, was hier vor sich ging. Er war nun so stark, dass Lucas Herz davon zusammen gepresst wurde.

Zitternd suchte Lucy nach einem Ausweg aus dem Getümmel, als sie von einem brutalen Tritt in den Rücken zu Boden geschickt wurde. An den Haaren wurde sie nach oben gezogen, bis sie auf Augenhöhe mit einem sehr kleinen Mann mit geschminktem Gesicht war, der sie aus kalten Augen durchdringend anstarrte.

„Nicht doch, Fürstin, dies ist Euer großer Abend“, sagte er höhnisch. Gemächlich zog er einen seiner Dolche.

Lucy war es so Leid. Diese Fanatiker mit ihren krankhaften Vorstellungen hatten ihre Freunde angegriffen und Lucy in den letzten Tagen die Hölle auf Erden bereitet. Nie hatte Lucy sich richtig zur Wehr setzen können und jetzt führte dieser Mistkerl sich auf, als sei sie nur ein Spielzeug!

Mit einem wütenden Aufschrei warf Lucy ihr gesamtes Körpergewicht gegen den Mann, der überrascht zurückstolperte. Als Lucy nach seinem Dolch greifen wollte, hatte er sich schon wieder gefangen, wich aus und wollte mit der Waffe ausholen, aber dann war da auf einmal eine Hand, die ihn an der Schulter packte und von Lucy fort schleuderte.

Lucy erkannte einen breiten Rücken, der nur mit einer Weste bekleidet war und sich schützend vor sie schob, als der kleine Mann wieder angriff. Mit dem Langschwert wehrte er die schnellen Schläge und Stiche mit einer Gewandtheit ab, wie Lucy es bisher nur selten mit dieser langen, schweren Waffe gesehen hatte. Selbst im hier herrschenden Getümmel bewegte er sich beinahe frei mit seinem Schwert und hielt den schnellen Dolchkämpfer anscheinend mühelos auf Abstand.

Und dann trat er blitzschnell vor, zog mit der Linken einen Dolch aus einem Holster am Gürtel und fuhr damit über die Kehle des kleinen Mannes. Voller Entsetzen sah Lucy, wie das Leben aus den kleinen, kalten Augen wich und der Körper in sich zusammen sackte. Sie hatte diesem Mann nicht einmal ansatzweise Sympathie entgegen gebracht, aber bis vor ein paar Tagen war ihr der Anblick von Toten durch einen Kampf immer erspart geblieben. Zu sehen, wie schnell ein Leben enden konnte, war… verstörend…

Lucys Retter drehte sich zu ihr herum. Erst jetzt erkannte sie die pinken Haare, die verwegen vom Kopf abstanden, und die weißen, nun besudelten Pluderhosen nach Art der Wüstenbewohner. Doch die dunklen Augen wirkten nun ganz anders, als Lucy sie in Erinnerung hatte. Sie flackerten vor Wut und vor… Angst?

„Natsu?“, krächzte Lucy und machte einen Schritt auf den jungen Mann zu.

In dem Moment sprang Priester Arlock von der Seite auf sie zu, martialisch schreiend und mit dem Ritualdolch fuchtelnd. Ehe er Lucy und Natsu jedoch nahe kommen konnte, wurde von hinten mit derartiger Wucht ein Breitschwert in seinen Nacken geschlagen, dass sein Genick mit einem gut hörbaren Knacken brach. Zu Füßen des kampfbereiten Natsu fiel der Priester zu Boden, der Kopf seltsam verdreht, die Augen starr auf Lucys Füße gerichtet.

Benommen hob Lucy den Blick, um ihren zweiten Retter zu identifizieren. Sie konnte ihn nur verschwommen erkennen, was sich auch nicht besserte, als sie heftig blinzelte. Erst jetzt bemerkte sie wieder ihren schmerzhaft pochenden Kopf und ihre schlotternden Knie.

„Gray…“, wisperte sie unendlich schwach.

Die Beine gaben unter ihrem Körper nach. Natsus starke Arme fingen sie auf und hoben sie hoch. Über sich erkannte Lucy Gesichter und Stimmen drangen an ihr Ohr. Mehrere Leute schienen sie zu rufen und irgendwie hatte sie das Gefühl, als würde sie diese Stimmen kennen, aber sie konnte nichts davon noch richtig zuordnen.

Das Einzige, was sie mit völliger Klarheit sehen konnte, ehe alles schwarz wurde, war das Sternbild des Drachen…
 

Mit einer Gewandtheit, die viele einem so großen Wesen niemals zutrauen würden, sprang Grandine auf den nun leeren Platz vor der Alten Festung und Romeo und Wendy glitten von ihrem Rücken und eilten zum Podest, während Igneel sehr ausgiebig das Torhaus der Festung zertrampelte. Auf dem stand Natsu mit Lucy in den Armen, ihm gegenüber Gray, der offensichtlich nicht wusste, ob er dem Drachenreiter trauen konnte. Auch die Tatsache, dass Loke sich neben Natsu stellte, schien das Misstrauen des Eismenschen nicht zu lindern.

Von den Sektenanhängern stand keiner mehr. Gut drei Dutzend von ihnen lagen am Boden, einige atmeten noch, doch die meisten waren der Wut ihrer Angreifer zum Opfer gefallen. Allein Romeo wusste von mindestens drei tödlichen Treffern, die ihm trotz der erschwerten Bedingungen gelungen waren.

Nun näherten sich dem Podest zu Romeos Verblüffung immer mehr bekannte Gestalten. Lyon trat neben seinen Bruder, ebenso angespannt, aber bis auf ein paar Kratzern genauso unversehrt. Zu Natsu gesellte sich Sting dazu, der in einer Hand seinen eigenen Säbel und in der anderen einen Giftsäbel hielt. Von den Häusern kamen Rogue und Juvia heran, an Rogues Schultern klammerten sich zwei junge Exceed, die sich verschreckt umsahen, und zu Romeos besonderer Überraschung tauchte auf einmal Levy neben Natsu auf und versuchte, mit fürchterlich zitternden Händen ihre beste Freundin zu untersuchen, hinter ihr ein grimmiger Gajeel, der sein Bastardschwert mit der Robe eines toten Akolythen abwischte.

Romeo wurde bewusst, dass er und Wendy die Einzigen waren, die alle Anwesenden bereits kannten. Während seine Freundin Natsu dazu brachte, Lucy zu Boden zu legen – erstaunlicherweise besaß Natsu so viel Feingefühl, eine saubere Robe ausbreiten zu lassen, ehe er Lucy darauf ablegte –, stellte Romeo sich demonstrativ in die Mitte des Geschehens.

„Romeo, wer sind diese Leute?“, fragte Gray Zähne knirschend.

„Drachenreiter. Ihr könnt ihnen vertrauen.“

Die beiden Eismenschen wirkten alles andere als überzeugt. Irgendwie verhielten sie sich seltsam. In ihren Augen erkannte Romeo eine Härte, die früher nicht da gewesen war. Sie erinnerte ihn an Mest und Azuma, ohne dass er den Grund dafür richtig erklären könnte.

„Wir können uns einander später richtig vorstellen, aber jetzt sollten wir Deckung suchen“, schlug Loke mit steinerner Miene vor, während er sich neben die bewusstlose Lucy kniete. In den Sachen, die Natsu ihm geliehen hatte – Romeo fragte sich immer noch, wie Loke seine eigene Kleidung eigentlich eingebüßt hatte –, sah er sehr merkwürdig aus. Dank Wendy war er wieder auf den Beinen, aber ihm war die Erschöpfung der letzten Tage noch deutlich anzusehen. „Wendy, wie geht es ihr?“

„Es scheint vor allem Erschöpfung zu sein“, erklärte die Drachenreiterin ruhig. „Diese Verletzungen sind alle nicht weiter gefährlich.“

„Er hat Recht“, meldete sich Rogue zu Wort. „Einige der Sektenanhänger werden sich wahrscheinlich zusammenrotten und bewaffnen und dann hierher zurückkehren.“

Juvia hatte sich inzwischen neben Wendy gesellt und stellte dieser reines Wasser mit ihrer Magie zur Verfügung, welches für die Reinigung des Gesichts diente, während ihr Blick immer wieder fasziniert zu Gray huschte. Levy hockte zitternd daneben und hielt sich an Lucys Hand fest.

Sting blickte sich um und sah dann zur Festung. „Was ist mit unserer Mission, Rogue? Wir wissen noch nicht, ob sie hinter den Ereignissen in der Stillen Wüste stecken.“

Als Romeo eine weitere Person bemerkte, die langsam von der Festung her zu ihnen kam, seufzte er frustriert. Die ganze Angelegenheit wurde immer komplizierter!

Langsam kam Meredy zu ihnen. Sie trug schwarze, eng anliegende Lederhosen und ein ebensolche Bluse aus Leinen, die sie an den Unterarmen mit ebenfalls schwarzen Lederstreifen umwickelt hatte, und hielt die auffälligen Haare unter einem Kopftuch verborgen. Obwohl offensichtlich improvisiert, war es die Ausrüstung einer Assassine. Als Rogue sie sah, wandte er sich an seinen Partner: „Anscheinend müssen wir die Festung nicht mehr auf den Kopf stellen, sondern nur die richtige Person fragen.“

„Raios Cheney“, grüßte Meredy ruhig und nickte dem Schattenmagier zu.

„Er heißt Rogue“, widersprach Frosch eifrig.

Meredy nahm die Korrektur mit einem schlichten Nicken zur Kenntnis, ehe sie zu den Fullbuster-Brüdern blickte und mit dem Kopf schüttelte. Die Beiden wirkten gleich noch angespannter.

Rogue, dem dieser wortlose Austausch zweifellos auch nicht entgangen war, überging das und kam auf die eigene Frage zurück. „Ihr ward in der Festung von Avatar. Habt Ihr Hinweise darauf gefunden, dass sie eine Verbindung in den Süden haben?“

„Nicht nach Sabertooth oder Jadestadt“, erwiderte Meredy langsam und ging zu der Gruppe um Lucy. Aus einer Gürteltasche holte sie eine Kette und gab sie Loke. „Wir müssen so schnell wie möglich aufbrechen. Ich habe im Arbeitszimmer des Priesters einen Plan für einen Angriff auf Heartfilia gefunden.“

Loke erbleichte und Levy und Juvia zuckten zusammen.

„Dann sollten wir aufbrechen, sobald Lucy wach ist“, entschied Natsu und die Anderen nickten reihum.

Loke stand auf. „Natsu, Romeo, bringt Lucy aus der Stadt raus. Mir ist es lieber, wenn sie hiervon nichts mehr sieht.“ Er deutete auf die vielen Leichen. „Ich sorge dafür, dass Levy die nächste Postkutsche nach Crocus kriegt, dann folge ich euch.“

„Nein“, widersprach Levy ungewöhnlich scharf. „Ich komme mit euch mit nach Heartfilia.“

Loke runzelte die Stirn. „Lucy würde nicht wollen, dass du in Kämpfe verwickelt wirst.“

„Wie ich das sehe, seid ihr schlagkräftig genug, dass ich mir darum keine Sorgen machen muss. Und wenn es Lu wieder besser geht, muss ich weiter nach Jadestadt.“

„Jadestadt ist bis auf Weiteres nicht erreichbar“, mischte Rogue sich ein.

Levy machte eine fahrige Handbewegung. Es war offensichtlich, dass so viele Krieger auf einem Haufen sie einschüchterten, aber sie versuchte dennoch, standhaft zu bleiben.

„Juvia findet, dass Levy ein Recht darauf hat, bei ihrer Freundin zu bleiben.“

„Das ist zu riskant“, erwiderte Gray ernst. „Wir wissen nicht, was uns in Heartfilia erwartet, und Levy hat keinerlei Kampferfahrung.“

„Dann müssen wir halt auf sie aufpassen“, brummte Gajeel und zuckte mit den breiten Schultern.

Ausnahmslos alle Anwesenden starrten den Eisenmagier verblüfft an.

Seufzend blickte Loke auf die Blauhaarige hinunter. „Lucy wird das nicht gutheißen.“

„Muss sie auch nicht, das ist meine Entscheidung.“

„Können wir dann?“, brummte Natsu und kniete sich neben Wendy. „Können wir sie transportieren?“

„Ich denke ja, aber behalt’ sie gut im Auge und versuche, sie möglichst ruhig zu halten.“

Natsu nickte ernst und schob vorsichtig seine Arme unter Lucys Körper, um sie hoch zu heben. Mit seiner Last kletterte er vorsichtig auf den Rücken seines Drachen, der neben Grandine gelandet war. Loke folgte ihm mit angespannter Miene.

Als Gray ebenfalls folgen wollte, winkte Romeo ihn zu sich. „Du und Levy reitet mit Sting auf Weißlogias Rücken. Das Gewicht ist den Drachen egal, aber es ist nicht viel Platz auf ihren Rücken.“

Gray warf einen Blick nach oben zu den dort noch immer kreisenden Drachen, ehe er sich an Romeo wandte. Um seine Lippen spielte ein erstauntes Lächeln, auch wenn es eine gewisse Bitterkeit enthielt. „Wer hätte gedacht, dass du ein Drachenreiter bist?“

„Bin ich nicht. Wendy ist die Reiterin. Ich bin-“

„Wendys Leibwächter“, lachte Sting und schlug Romeo im Vorbeilaufen so hart auf die Schulter, dass dieser beinahe Bekanntschaft mit dem Boden gemacht hätte. „Ihr Zwei haltet euch an Rogue und Skiadrum“, erklärte er Lyon und Meredy und deutete auf seinen Partner.

„Wohl eher ihr Wachhund“, schnaubte Gajeel, während er auf seinen Drachen zu stapfte, der bereits gelandet war.

„Gajeel, du musst den Beiden Zeit lassen“, mahnte Juvia streng und schenkte Romeo und Wendy ein enthusiastisches Lächeln.

Skeptisch blickte Levy von einem zum nächsten. „Wissen die denn nicht-“

„Nein, müssen sie auch nicht!“, sagte Romeo hastig. Seine Wangen brannten vor Verlegenheit. „Jetzt lasst uns endlich aufbrechen.“

Levy kicherte verhalten und sogar Gray gluckste leise, wenn auch nur kurz und irgendwie abgehackt. Während Romeo mit Wendy zu Grandine ging, fragte er sich, wieso Gray, Lyon und Meredy eigentlich nach Malba gekommen waren, aber er hatte so ein Gefühl, dass er darauf keine vernünftige Antwort von ihnen erhalten würde.

Überhaupt hatte diese Nacht viel zu viele komplizierte Fragen aufgeworfen…



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von: Arianrhod-
2017-03-19T20:09:19+00:00 19.03.2017 21:09
Wenn es wirklich so grottig war, hast du es noch komplett rumgerissen. Ich fand das Ergebnis nämlich sehr klasse! :)

Die Freundschaft zwischen Gray und Lucy ist doch was Tolles! Und hier ist das nochmal betont dadurch, dass Gray gegenüber den Sonnenmenschen ja doch sehr, sehr misstrauisch ist und sie am liebsten auf Abstand hält. Dass Lucy es doch geschafft hat, diese Abwehrhaltung zu durchbrechen, sagt genug. Natürlich macht das die Situation für die Brüder nur noch schlimmer. >.<

Ich finde, die Atmosphäre auf dem Platz hast du richtig gut beschrieben. Das ist so aufgeheizt und diese Leute sind absolut bereit, jeden in Stücke zu reißen, der das Ritual stört. Aber das ganze Ritual hast du auch gut dargestellt, mir ist ein Schauer über den Rücken gelaufen. >.< So ein Menschenopfer ist echt widerlich. >___>

Zum Glück sind die Drachen aufgetaucht! Das ist natürlich äußerst effektiv und ich stelle mir das großartig und beeindrucken vor. Und es ist nicht nur einer, was ja vollkommen ausgereicht hätte, sondern gleich fünf. Ich weiß gar nicht, was Arlock erwartet, als er seine Jünger auf die Feinde schickt. Dass sie irgendwie extreme Kräfte entwickeln um die Drachen - Drachen, Arlock! *headdesk* - zu töten?
Und Romeo! Yay für Romeo! :D Dass danach dann auch alle anderen auftauchen, ist natürlich klar. >////< Da haben diese Sektierer echt keine Chance mehr, kein Wunder, dass sie alle die Flucht ergreifen. XP Geschieht ihnen recht.

Für Lucy ist das alles natürlich ein wenig viel. Erst wird sie als Opfer missbraucht und dann sowas. Aber eine Kämpfernatur wie sie gibt natürlich nicht so schnell auf. Und dann ist Natsu da! >:) Da hat der Knirps natürlich keine Chance mehr. Kein Wunder, dass Natsu sich nicht zurückhält. Lucys Zusammenbruch ist magischer Natur, richtig?

*lol* Romeos Erstaunen, plötzlich alle möglichen Freunde zu sehen, wundert mich gar nicht. Auch wenn es natürlich ein sehr großer Zufall ist, dass sie alle so auftauchen. ^^" Von daher fand ich es eine echt gute Wahl, ihn als PoV-Charakter zu nehmen, da er sie alle mit Namen nennen konnte. Ansonsten hätte das kompliziert werden können. Froschs kleiner Auftritt fand ich ja süß. ^^
Und dann kommt die schlechte Nachricht...
Ja, Levy, sag's ihnen! >.< Du bist eine erwachsene Frau, die haben kein Recht, dich einfach nach Hause zu schicken wie ein kleines Kind, ganz egal, wie viel Kampferfahrung du hast oder nicht. Wendy hat die auch nicht und ist sogar jünger, aber niemand spricht ihr das Recht ab, mitzukommen. Dass ausgerechnet Gajeel ihr beispringt, spricht natürlich Bände. XD

Also, irgendwie find ich es immer noch unfair, dass Romeo und Wendy ihre Freunde darüber im Unklaren lassen, dass sie ein Paar sind. Das ist doch eine recht große Sache. :/ Klar, ein paar Neckereien müssten sie über sich ergehen lassen, aber es ist ja nicht so, als ob die anderen davon verschont bleiben würden.

Ich freu mich natürlich auf das nächste Kapitel, auch wenn ich bis nächste Woche darauf warten 'muss'. ^^~
Gruß
Arian


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