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Schwarzer Komet

Drachengesang und Sternentanz - Teil 1
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Ich wünsche euch allen ein gesundes Neues Jahr!
Ich hoffe, ihr seid gut - und sicher - rein gerutscht und bereit für ein weiteres Jahr mit dem Schwarzen Kometen, denn nach meiner derzeitigen Planung wird der zweite Teil, der ja nun schon seit Kapitel 21 läuft, mit dem neuen Upload-Rhythmus wohl noch das gesamte Jahr 2018 füllen. Wenn ich bedenke, dass damit dann gerade einmal das zweite Fünftel der gesamten Story abgeschlossen sein wird... Himmel, ich muss verrückt gewesen sein, als ich diese Story geplant habe ID"

Na ja, jedenfalls habe ich fest vor, mich dieses Mal nicht zu verspäten. Wenn ich den Rhythmus schon ändern muss, soll das wenigstens auch irgendwie Vorteile für euch nach sich ziehen^^'
Und ich werde alles daran setzen, dass ich handschriftlich gut genug voran komme, um bis zum Ende dieses Arcs keine Unterbrechung zu zulassen! >_<

Dieses Kapitel hier dreht sich um die Ereignisse bei der Zuflucht. Manch einen irritiert es vielleicht, dass die Dämonen hier sterben wie die Fliegen, aber bitte berücksichtigt die teilweise schon eingeflochtenen oder auch hier im Kapitel angeführten Erklärungen.
Außerdem habe ich einfach versucht, die so mega überpowerten Dämonen von Tartaros so ein bisschen auf den Boden der Tatsachen zu holen. Immerhin versuche ich das bei den Drachenreitern genauso zu halten. Ich möchte keine Fic schreiben, in der mit einem Schwertstreich ein Komet zerteilt wird >_>

Viel Spaß beim Lesen und vielen Dank im voraus für jeden Kommentar!
LG
Yosephia Komplett anzeigen

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Der Pfad, der zu neuer Stärke führte

Der Geruch von Blut mischte sich mit dem Gestank brackigen Wassers und erfüllte seine Nase. In seinen Ohren erklang das Röcheln und Wimmern Sterbender. Obwohl er nicht die geringste Ahnung vom Heilen hatte, wusste Gajeel, dass diesen Menschen nicht mehr zu helfen war. Sie klangen genauso wie die Sterbenden damals in den Minen, wenn sie vom Aufseher wegen irgendetwas zu Tode gefoltert oder wenn sie bei einem Stolleneinbruch zerschmettert worden waren.

Der Eisenmagier verzog keine Miene. Es kümmerte ihn wenig, was mit den Wüstennomaden geschah. Sie waren ihm genauso fremd wie alle anderen Menschen in Ishgar und bedeuteten ihm nicht das Geringste.

Aber wer ihm noch fremder war, das waren die Dämonen von Tartaros. Auch wenn der Angriff in Sabertooth nicht auf ihn, Juvia oder Levy abgezielt hatte, hätte er ihnen doch beinahe das Leben gekostet. Natsu hatte Juvia das Leben gerettet und Levy Gajeel. Also war Gajeel es ihnen schuldig, wenigstens einem dieser Dämonen den Garaus zu machen. Außerdem hatte er Sting und Rogue versprochen, Yukino zu retten, was nun wohl auch die Rettung der Wüstennomaden nach sich zog.

Wenn das alles hier endlich vorbei war, könnte er endlich ruhigen Gewissens mit Juvia seiner Wege ziehen.

Das war es zumindest, was Gajeel durch den Kopf ging, während er seinen Sandschlitten in Richtung des Strudels aus Schlamm lenkte, der südlich der Zuflucht mitten im Wüstensand entstanden war. Er erkannte mehrere zerstörte Sandschlitten und Leichen – oder Sterbende – in diesem träge treibenden Strudel. Wüstennomaden.

Warum waren sie überhaupt hier, wo der Dämon sie abgefangen hatte? Hatten sie versucht zu fliehen? Gajeel runzelte die Stirn. Er konnte sich nicht vorstellen, dass Sting aus einem Volk von Feiglingen und Verrätern stammte und dann so stolz auf seine Herkunft war.

Bevor er weiter darüber nachdenken konnte, schoss aus dem Strudel eine dreckige Fontäne hervor. Sie stank brackig, richtiggehend verseucht. Kein Vergleich zu Juvias klarem, frischem Wasser, das sie mit Mühelosigkeit selbst aus solch einem Schlammstrudel ziehen könnte.

Gajeel wusste es besser, als zu versuchen, der Fontäne auszuweichen. Er sprang von seinem Sandschlitten, der herrenlos weiter fuhr, bis er kippte und im Sand stecken blieb. Als ihn das Wasser erreichte, hatte Gajeel seinen gesamten Körper bereits mit einer Haut aus Eisen umhüllt.

Es war eine unangenehme und Kraft raubende Anwendungsart seiner Magie, aber sie schützte ihn nicht nur tadellos, sondern machte ihn auch schwerer. Wirkungslos floss das eklige Wasser über ihn hinweg und versickerte hinter ihm im Wüstensand.

Zu spät erkannte er die wahre Absicht hinter diesem Angriff, als aus dem Sand der Dämon schoss, angetrieben von einer weiteren Schlammfontäne. Der wuchtige Körper traf ihn mit voller Kraft und hätte ihn von den Füßen gerissen, die Krallen womöglich nicht bloß seine stabile Lederrüstung, sondern auch seine Brust zerfetzt, wenn er nicht seinen eisernen Schutz gehabt hätte. Der Aufprall trieb ihm nur die Luft aus den Lungen und schob ihn mehrere Schrittlängen über den Sand.

Als er endlich sein Gleichgewicht wieder fand, riss er sein Bastardschwert aus der Scheide an seinem Rücken und schlug nach dem Angreifer. Der wich schnell zurück und so sah Gajeel sich schließlich einer Art Fischwesen gegenüber. Es war von menschlicher Statur, jedoch violett beschuppt. Dort, wo bei einem Menschen der Nasenrücken war, begann eine helmartige Verdickung der Schuppen, welche die kleinen, grausamen Augen überschattete. Am Scheitel hatte sie eine dicke, spitze Flosse wie die Rückenflosse eines Hais. Die Ohren erinnerten auch eher an Flossen – wenn auch dieses mal eher an die von kleineren Fischen – und das Gebiss war wie das eines Hais. Die Arme waren überproportional lang und muskulös und aus beiden Unterarmen wuchsen, beginnend etwa an den Handgelenken, wieder diese dick beschuppten Flossen, die auf Höhe der Ellenbogen in gefährlichen Spitzen endeten und zweifellos genauso tödlich wie Dolche waren.

Das war also ein Dämon.

Gajeel schnaubte verächtlich. Er hätte mehr erwartet nach all der Panik wegen dieser Tartaros-Bande.

„Du willst sterben, Mensch“, stellte der Dämon mit knirschender Stimme höhnisch fest und musterte Gajeels stählerne Haut. „Das da wird dich nicht schützen.“

Jetzt lachte Gajeel rau und hob sein Bastardschwert für eine anständige Kampfposition, wie Pantherlily es ihm eingetrichtert hatte. Juvia hatte den Kampf noch nie gemocht und sich immer davor gescheut, aber Gajeel hatte dennoch mit ihr trainiert. Er wusste, zu was Wassermagie imstande war, und er wusste, dass dieser Dämon hier schwächer als Juvia war. Denn die Wassermagierin konnte ihr Wasser reinigen und sie hätte Gajeel mit Leichtigkeit von den Füßen gerissen. Dieser Dämon war im Gegensatz zu Juvia nicht stark genug, um ausreichend Wasser aus seiner Umgebung zu ziehen und hatte sich bereits damit aufgehalten, gegenüber den Wüstennomaden seine Überlegenheit auszuspielen.

Ohne sich an einer Antwort aufzuhalten, preschte Gajeel vor, um seinen Kontrahenten mit so schnellen und so starken Angriffen zu traktieren, wie er nur konnte. In seinem Zustand konnte er nicht lange bleiben. Insbesondere nicht an einem Ort wie die Wüste, wo er bereits spürte, wie sein Körper sich ungesund erhitzte.

Die Augen des Dämons weiteten sich verblüfft und Gajeel gelang ein Überraschungstreffer an der Flanke, ehe sein Gegner sich an die neuen Begebenheiten anpasste und das einzig Sinnvolle in seiner Situation tat: Er ging auf Abstand und versuchte, Gajeel mit seiner Wassermagie im Schach zu halten.

Seine beinahe behäbig zu nennenden Bewegungen verrieten Gajeel, dass sein Gegner hier einen weitaus größeren Nachteil hatte als er selbst. Er verwendete nicht einfach nur Wassermagie, er war ein Geschöpf des Wassers. Im Wasser wäre dieser Dämon tödlich schnell und Gajeel hätte gegen ihn genauso geringe Chancen wie gegen den Leviathan vor einigen Monden. An Land jedoch konnte er seine körperlichen Stärken nicht ausspielen und hier in der Wüste war auch seine Wassermagie schwach. Die Erschaffung dieses Schlammstrudels schien ihn bereits hinreichend verausgabt zu haben, denn er unternahm keinen Versuch, ein weiteres derartiges Manöver zu unternehmen.

Wild entschlossen, diese Vorteile zu nutzen, setzte Gajeel dem Dämon nach. Zwar war er in seinem Zustand auch nicht besonders schnell, aber er war stark genug, um sein Bastardschwert gegen die Wasserangriffe zu drücken.

Er rückte immer weiter vor, schlug die kleineren Angriffe beiseite und schwang seine schwere Waffe immer wieder nach dem Dämon. Dieser wich zunehmend verzweifelt aus, seine Magie wurde schwächer, seine Bewegungen immer unvorsichtiger. Gajeel traf ihn an der Schulter, dann wieder an der Flanke, schließlich am Bein – doch keine der Wunden war auch nur annähernd verheerend genug, um das Untier zur Strecke zu bringen.

Es war ein Ringen darum, wer den längeren Atem hatte. Gajeels Muskeln protestierten immer deutlicher, führten ihre Befehle immer langsamer aus. Aber er trieb sich weiter, setzte dem Dämon immer wieder nach…

Als das Bastardschwert durch Schuppen, Muskeln und Fasern schnitt und einer der muskulösen Arme mit einem dumpfen Geräusch im Sand landete, war Gajeel fast genauso überrascht wie sein Gegner. Für einen winzigen Moment blickten sie Beide auf die abgetrennte Gliedmaße herunter, dann riss Gajeel seine Waffe wieder hoch und schmetterte sie auf die Stelle zwischen Hals und Schulter. Noch mehr Knochen brachen, noch mehr Muskeln rissen und dunkles Blut spritzte Gajeel ins Gesicht.

Mit einem erschöpften Grunzen stieß er den Dämon von sich, dessen Glieder noch einige Herzschläge lang wild zuckten, sich widernatürlich verdrehten. Mit seinen letzten Atemzügen spuckte der Dämon Blut, dann blieb er leblos liegen, der Blick leer und trüb.

Keuchend stützte Gajeel sich auf seinem Schwert ab und schloss seine Augen, um sich darauf zu konzentrieren, seinen Schutz sinken zu lassen. Ein schmerzhaftes Brennen überzog seine Haut und seine Kehle war staubtrocken. Mühsam tastete er nach der Feldflasche an seinem Gürtel und löste den Pfropfen, zögerte jedoch, als er bemerkte, wie leicht die Flasche war. Mehr als ein paar Schlucke konnten kaum drin sein.

Gajeel gestattete sich nur einen einzigen, sorgsam bemessenen Schluck, dann verschloss er die Flasche wieder, schob sein Schwert zurück in die Scheide – er brauchte mehrere Anläufe, ehe er seine erschöpft zitternde Hand ruhig genug halten konnte – und machte eine Bestandsaufnahme. Dadurch dass er schnell genug reagiert hatte, hatte er keine Verletzungen davon getragen, aber seine Glieder fühlten sich jetzt sogar noch schwerer an, obwohl sie keinen eisernen Schutz mehr zu tragen hatten. Wenn Gajeel es nur zuließe, könnte er wahrscheinlich einen ganzen Tag lang durchschlafen – und er wusste, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis die Erschöpfung ihn vollends übermannte.

Obwohl seine Ohren ihm bereits alles verrieten, was er wissen musste, ging Gajeel zum Schlammstrudel hinüber, um nach Überlebenden zu suchen – Sting zuliebe, sagte er sich und verzog mürrisch das Gesicht. Unter der sengenden Sonne war der Schlamm schon längst wieder getrocknet und zu feinem Sand zerbröselt. Die Grenzen des Strudels waren im Grunde nur noch vage daran zu erkennen, dass innerhalb des Mahlstroms Trümmer und Leichen aus dem Sand ragten. Keine Überlebenden.

Es waren alles junge Männer und Frauen, alle kräftig und wohlgenährt. Keine Kinder unter ihnen, keine Gebrechlichen. Ihr Fluchtversuch war in Wahrheit ein Ablenkungsversuch gewesen, wurde Gajeel klar. Indem sie mit ihren Sandschlitten hierher geflohen waren, hatten sie einen der Dämonen von der Zuflucht fortgelockt, wo es zweifellos ein gutes Versteck für die Kinder gab – alles andere wäre für ein Volk, das Generationen lang Kriege gegen die Golems geführt hatte, absolut blamabel. Zum Schutz der Schwachen in ihrer Gemeinschaft hatten diese Männer und Frauen hier sich geopfert. Das war nicht das, was Gajeel bisher erlebt hatte.

Selbstaufopferung…

Sein Blick glitt zur Zuflucht und er sog tief die Luft ein. Etwas störte schon wieder seinen Geruchssinn. Er wusste nicht einmal zu sagen, ob die drei Kinder bereits in der Zuflucht waren, geschweige denn ob sie noch lebten. Irgendwie hatte er ein merkwürdiges Gefühl. Als würde etwas auf ihm lasten.

Er stieß ein unwilliges Knurren aus und stapfte zu seinem Sandschlitten. Es kostete ihm alle Kraft, das Gefährt aus dem Sand zu ziehen und das Segel zu richten, aber schließlich fing er damit genug Wind ein, um zur Zuflucht fahren zu können.

Hoffentlich waren die Bälger noch am Leben!
 

Der Berserker war stärker als Romeo. Spätestens als sein Schwert anstelle von Romeos Kopf einen der Felsfinger im Inneren Kreis traf und diesen daraufhin zum Einsturz brachte, war das vollkommen klar. Ein einziger Hieb würde Romeos Glieder unrettbar zertrümmern – wenn er ihn nicht sogar sofort töten würde.

Einzig und allein ihre Patientin hielt Wendy davon ab, in blinde Panik zu verfallen und sich in den Kampf einzumischen. Sie war hierher gekommen, um den Wüstennomaden zu helfen, und das konnte sie am besten als Heilerin. Das Kämpfen musste sie Romeo überlassen, der dafür mehr als sein halbes Leben lang trainiert hatte.

Es stand schlecht um Mummy, auch wenn sie keine vergifteten Schwertwunden aufwies. Wohl um sie länger am Leben zu erhalten, hatte der Berserker seine verfluchte Klinge nicht an ihr angewandt. Stattdessen hatte er sie gefoltert. Sie hatte mehrere Knochenbrüche, furchtbare Prellungen und allem Anschein nach innere Blutungen. Auch ihr Gehirn musste Schaden genommen haben, denn ihre linke Pupille war bei der Untersuchung starr.

Aber Wendy spürte noch immer starke Lebenskräfte, hörte ein trotzig schlagendes Herz. Diese Frau, die so viel zum Schutz von Volk und Heimat auf sich genommen hatte, weigerte sich, einfach zu sterben. Diese Stärke gab Wendy einen Anker, spornte sie an, alles in ihrer Macht stehende zu tun.

Sie überließ es Aki, auf den Kampf zwischen Romeo und dem Berserker zu achten, und konzentrierte sich mit jeder Faser ihres Seins auf ihre Patientin. Vor ihrem inneren Auge sah sie das fragile Innere des menschlichen Abdomens, wie Professorin Porlyushka es ihr in den Pathologie-Seminaren gezeigt hatte, und mit ihrer Windmagie spürte sie den Schäden nach, welche der Berserker verursacht hatte.

Sie konnte nicht alles auf einmal heilen, aber sie lokalisierte die wirklich lebensgefährlichen Brandherde und konzentrierte sich auf deren Heilung. Die Winde in so engen Bahnen zu lenken, war nervenaufreibend. Der kleinste Fehler könnte wichtige Blutgefäße und Nervenbahnen zerfetzen.

Mit zusammen gepressten Lippen richtete Wendy eine gebrochene Rippe und hielt gleichzeitig das Blut in Schach, das durch das Loch zu fluten drohte, welches die Rippe in die Lunge gestochen hatte. Danach konzentrierte sie sich auf die Schäden im Gehirn, heilte in nervenaufreibend kleinschrittiger Arbeit die hauchfeinen Nervenstränge.

Als sie endlich die Hände von der Frau nahm, fühlte sie sich schlapp und zittrig und vor ihren Augen verschwamm alles.

Mühsam blinzelnd versuchte sie, zu erkennen, wie es um Romeo stand. Aki war nicht mehr neben ihr, sondern kauerte neben Romeo, der verschwitzt und zitternd am Boden kniete, in der Linken das Kurzschwert, der rechte Arm fürchterlich verdreht. Wendy fragte sich, ob Romeo geschrien hatte, aber sie konnte sich nicht erinnern.

Der Berserker stand zu Wendys Entsetzen noch, die Miene ungerührt, die gewaltige Axt geradezu entspannt gegen seine Schulter gelehnt.

Doch bei genauerem Hinsehen erkannte Wendy zahlreiche Risse und Schnitte in der Lederrüstung des Dämons, sogar Beulen in den metallenen Schulterplatten. Ob der Dämon auch verletzt war, konnte Wendy weder sehen noch riechen. Ihr Geruchssinn war überreizt, ihre Magie erschöpft.

Wieder blinzelte sie und nahm immer mehr Details bei dem Berserker wahr: Zwei Finger der linken Hand schienen gebrochen, das linke Auge zuckte immer wieder und der Knochenstiel der Axt wies mehrere tiefe Scharten auf. Die Haltung des Berserkers war gar nicht entspannt, begriff Wendy. Vielmehr wirkte es… wie die Ruhe vor dem Sturm…

Als Romeo sich schwankend wieder aufrichtete, schnellte Wendys Aufmerksamkeit zurück zu ihm. Seine Kleidung hatte weniger abbekommen als die des Berserkers. Den meisten Angriffen schien er erfolgreich ausgewichen zu sein, aber seine Erschöpfung offenbarte, wie viel ihn das abverlangt hatte. Der verdrehte und wahrscheinlich auch mehrfach gebrochene Arm musste ihm furchtbare Schmerzen bereiten, aber er biss sich auf die Unterlippe und hob das Schwert mit der Linken, während sich seine Füße in eine Kampfposition schoben. Seine Nasenflügel bebten mehrmals, ehe er tief Luft holte und dann auf einmal still stand. Den Schmerz wegatmen. Davon hatte Wendy ihren Bruder mal zu Romeo reden gehört. Weiter kämpfen zu können, wenn der Körper es eigentlich verweigerte…

„Du stirbst, Bengel“, grollte der Berserker und hob seine Axt. „Ich bin Doriate vom Reißfangclan und ich werde dich töten. Und danach töte ich den Wolf und die, die sich verstecken.“

Romeo schwieg darauf, aber Aki stieß ein weiteres tiefes Grollen aus und richtete sich zu seiner vollen, gewaltigen Größe auf.

„Aki…“ Beim Klang von Romeos Stimme erschauderte Wendy. Sie wirkte tiefer als sonst, regelrecht bedrohlich, dabei blieb sie doch eigentlich vollkommen ruhig. „Halt’ mir den Rücken frei…“

Und dann griff er den Berserker wieder an. Trotz seines verletzten Arms und trotz seiner Erschöpfung bewegte er sich mit tödlicher Präzision. Seine Füße fanden mühelos mit jedem Schritt einen sicheren Halt, der es seinem gesunden Arm ermöglichte, den Schwung zu holen, den er für seine Angriffe brauchte – jeder einzelne exakt auf kritische Punkte gezielt.

Wendy hatte Romeo schon bei vielen Übungskämpfen beobachtet. Mit Mest und Azuma, mit Gray, Lyon und Loke und mit Natsu. In all diesen Kämpfen hatte Romeo immer Freude ausgestrahlt, selbst wenn Mest und Azuma ihn in die Mangel genommen und gar verletzt hatten, er hatte den Nervenkitzel genossen, hatte seinen Körper an seine Grenzen getrieben und sich über Erfolge gefreut. In seinen Augen hatte immer dieses ehrgeizige Funkeln gelegen… Aber hier und jetzt lag etwas Anderes in seinen Zügen. Etwas, das Wendy die Luft abschnürte. Romeo wollte töten… Er wollte seinen Gegner nicht einfach nur außer Gefecht setzen, er wollte ihn wirklich und wahrhaftig töten!

Romeo hatte vorher schon getötet: Den Tatzelwurm in den Bergen und wahrscheinlich hatten einige der Sektenanhänger, auf die er in Malba geschossen hatte, nicht überlebt. Aber noch nie hatte er sich bewusst dafür entschieden, jemanden zu töten. Mehr als das: Romeo schien regelrecht besessen davon zu sein, diesen Dämon zu bezwingen.

Wendy erinnerte sich wieder an die Worte ihres Bruders während einer gemeinsamen Übung: Irgendwann wird Romeo sich ganz bewusst dafür entscheiden, jemanden zu töten, und egal, aus welchem Grund er das tun wird, es ihn verändern. Es könnte ihn sogar zerstören. Darauf kann ich ihn nicht vorbereiten. Niemand kann das. Es wird passieren, irgendwann, irgendwie. Und erst danach kann man reagieren…

Wendy spürte die Tränen auf den Wangen und der Kampf verschwamm vor ihren Augen. Nur vage erkannte sie, wie Romeo mehrere Stöße nach dem Gesicht des Berserkers ausführte, wie der Berserker die ersten Schläge noch abwehrte, bis Romeo ein Durchbruch gelang. Sein Gegner riss zu spät den Kopf zurück und das Kurzschwert grub sich mit aufwärts geführtem Schwung in den unteren Kieferknochen, schnitt den rechten Mundwinkel auf und zerfetzte den Nasenflügel.

Mit einem lauten Grunzen taumelte der Berserker zurück und griff mit der bloßen Hand nach der Klinge. Bevor Romeo sein Gleichgewicht wieder finden konnte, stieß der Dämon ihn zurück und entriss ihm die Waffe. Dass sich der stets so sorgsam gepflegte, geschärfte Stahl in seine dicken Finger schnitt, schien den Dämon nicht zu stören. Vielleicht war dieser Schmerz im Vergleich zu seiner Wunde im Gesicht auch einfach nicht bemerkenswert.

Wendy entfuhr ein heiserer Schrei, als der Dämon seine eigene Axt nach Romeo schwang. Im letzten Moment bog Romeo den Rücken durch und entging dem Schlag, doch dem darauf folgenden Tritt konnte er nicht ausweichen. Obwohl sie zu erschöpft war, um ihre Magie auf ihr Gehör zu konzentrieren, konnte Wendy das Knacken der Rippen unter dem eisernen Stiefel vernehmen. Romeos lautes Stöhnen ging ihr durch Mark und Bein und sie zwang sich unter Aufbietung all ihrer Kräfte in die Höhe.

Sie musste etwas unternehmen!

Der Berserker warf Romeos Schwert – eines von Macaos Meisterstücken – achtlos hinter sich und stapfte auf den jungen Krieger zu. Mit einem abermaligen Stöhnen zog Romeo sich an einem der Felsen in die Höhe und zog den Dolch, den Natsu ihm geschenkt hatte. Er schwankte unübersehbar und blinzelte heftig.

Zitternd holte Wendy Luft. Ihr Blick zuckte hin und her, suchte nach einer Rettung. Romeo durfte nicht sterben. Sie durfte ihn nicht verlieren!

Als Aki mit einem lauten Knurren die Aufmerksamkeit des Berserkers auf sich lenkte, ließ Romeo den Dolch herum schnellen, fasste die Spitze locker zwischen Daumen und Zeigefinger und warf die Waffe. Sie drang in das rechte Auge des Berserkers ein. Wie bei dem Tatzelwurm damals. Ein weiteres unwiderlegbares Zeugnis für Romeos rigoroses Training.

Und die entscheidende Wende im Kampf.

Der Dämon brüllte schmerzerfüllt auf und hatte nichts entgegen zu setzen, als Aki ihn ansprang. Die verfluchte Axt flog davon, die beiden Dämonen gingen zu Boden und der Wolf schlug seine Zähne in die Kehle des Anderen.

Im Vertrauen darauf, dass Aki die Sache beenden würde, taumelte Wendy zu Romeo, der mit dem Rücken am Felsen wieder zu Boden gerutscht war, das Gesicht bleich vor Schmerz.

Als er ihr Näherkommen bemerkte, versuchte Romeo sich an einem Lächeln, aber es hatte etwas Bitteres und Grimmiges. Seine Züge schienen um viele Sommer gealtert, erinnerte Wendy an ihren Bruder. Wieder schnürte es ihr vor Angst vor diesem Fremden die Luft ab. Das war nicht der junge Mann, der letzte Nacht verstohlen ihre Finger miteinander verschränkt hatte, als während der Pause keiner von den Anderen zu ihnen gesehen hatte. Dieser Mann hier war unerbittlich und hart und kampfwütig…

Doch dann flatterten Romeos Lider und sein Kopf kippte nach hinten gegen den Felsen und alle Zweifel waren wie weggeblasen. Es spielte jetzt keine Rolle, was dieser Kampf in Romeo verändert hatte und was es sowieso noch zwischen ihnen zu klären gab. Das alles konnte warten, bis Romeos Verletzungen versorgt waren!

Noch während sie neben ihrem Freund in die Knie ging, spürte Wendy eine Veränderung in der Luft. Schon im nächsten Moment hörte sie Akis Jaulen und das Rauschen des Windes, spürte den Druck, der sie an den Felsen und – ausgerechnet! – an Romeos verletzten Arm presste.

„Ihr habt es also geschafft, Doriate und Torafuzar zu töten.“

Die gehässig gackernde Stimme hallte unangenehm im magischen Wind wieder. Wendy verengte die Augen und erkannte, dass Aki zu Boden gepresst wurde. Sand wehte ihnen um die Köpfe und die Alltagsgegenstände der Wüstennomaden, die noch im Inneren Kreis herum lagen, donnerten immer wieder gegen ihre Körper.

Langsam und mit beiden Händen zum Schutz erhoben, blickte Wendy sich um. Sie kratzte ihre Energiereserven zusammen, um dem Klang der Stimme zu ihrem Ursprung zu folgen und fand ihn bei einem Mann, der aus einer Felsspalte spaziert kam. Er war größer als die meisten Menschen, aber von hagerer Statur, das Gesicht schmal und eingefallen mit großer Hakennase, manisch hervortretenden Augen und vergilbten, gebleckten Zähnen. Die Haare waren schmutzigweiß und ragten, abgesehen von einer langen Strähne vorm Gesicht, unnatürlich in die Höhe. Außer einer zerschlissenen Pluderhose trug er nichts. In den Händen hielt er einen dunklen, mannshohen Stecken, an dem eine riesige Sichel befestigt war, deren Klinge von altem und neuem Blut besudelt war.

Es waren die blauen, wirbelartigen Tätowierungen auf Brust und Schultern und die schwarzen, pfeilartigen Tätowierungen unter beiden Augen, die Wendy die Natur des Wesens verrieten. Ein Windteufel, ein Angehöriger jener schwächeren Dämonen, die nach Blut lechzend von Krieg zu Krieg zogen und dort noch mehr Unheil anrichteten. In Bosco gab es noch welche, aber Fiore war für sie uninteressant geworden und nach Edolas konnten sie es nicht wagen.

„Ich bin Erigor“, fuhr der Windteufel irre kichernd fort. „Ich werde diese Festung dem Erdboden gleich machen und danach Sabertooth und Jadestadt und jede andere Menschensiedlung in der Wüste!“

Mit seinen Worten nahm der Wind zu. Herumfliegende Scherben, Messer und sogar Nadeln schnitten Wendys Ärmel und die Haut darunter auf. Ihr Tagelmust wickelte sich ab und flog davon. Der Wind presste sie und Romeo immer stärker an den Felsen. Aki jaulte und knurrte, während er versuchte, sich gegen den Druck zu wehren. Ganz in der Nähe brach das obere Drittel eines dünnen Felsfingers ab, zerschellte am Boden und ließ unzählige Splitter in alle Richtungen schießen.

„Sterbt, ihr Würmer!“, lachte Erigor manisch. „Verreckt elendig wie das wertlose Vieh, das ihr seid!“

Neben Wendy sackte Romeo in sich zusammen, auf seinen Lippen ein atemloser Fluch, und Aki grollte laut, aber ergebnislos. Das Lachen des Windteufels schnappte über, wurde lauter und schriller, schmerzte fürchterlich in Wendys Ohren. Die Tränen wurden von Wendys Gesicht gerissen, als die Verzweiflung sie schon wieder zu überwältigen drohte.

Was war es wert, dass sie die Reiterin des Winddrachen war, wenn sie ausgerechnet gegen diesen Dämon nicht ankam? Grandine hätte ihn mit einem Flügelschlag besiegt. Jeder der anderen Drachenreiter hätte ihn besiegt. Nur Wendy nicht. Weil sie sich immer hinter Romeo versteckt hatte. Weil sie dumm und naiv war – und schwach…

Mit diesem Gedanken sammelten sich so viel Frust und Wut in ihr, dass Wendy nichts anderes mehr tun konnte, als zu schreien. Ein wortloser, urgewaltiger Schrei mit dem sich alles entlud, was sie noch an Kraft aufbringen konnte.

Die magischen Windwirbel – vielfach verflochten, geballt zu einem starken, unwiderstehlichen Strahl – brachen mühelos durch die Windmagie des Dämons. Wendy spürte und hörte eher, als dass sie es sah, wie ihr Drachengebrüll den Windteufel erreichte und gegen einen Felsen schleuderte, wie seine Knochen brachen und Organe zerdrückt wurden und wie seine Magie erstarb.

Wendys Gebrüll verklang und hinterließ einen wunden Rachen und eine Schneise im Inneren Kreis. Nach Luft schnappend sackte Wendy noch weiter zu Boden, ihre Glieder vollkommen schlapp.

Sie hörte das Röcheln des Windteufels. Selbst mit seinen letzten Atemzügen verfluchte er seine Gegner noch: „Mard Geer wird euch alle zermalmen! Er wird euch dort treffen, wo es euch am meisten schadet. Er wird all das wertlose Menschengezücht vernichten und dann-“

„Soll er’s nur versuchen.“

Wendy konnte sich nicht einmal wundern, woher Gajeel auf einmal kam. Mit schwindenden Sinnen sah sie seine massige Gestalt über dem Dämonen aufragen. Sie sah, wie er sein Bastardschwert hernieder sausen ließ, sah Blut spritzten, hörte ein Ächzen – und dann wurde um sie herum alles schwarz.



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