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Nur mit dir, für dich

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Kommandant

Man hatte sie befördert? Ihr Vater hatte das mitgeteilt, während sie sich mit André im Fechten geübt hatte. Das war das erste Anliegen der Königin, über ihre Beförderung mit seiner Majestät zu sprechen, hatte der General noch hinzugefügt und strahlte dabei übers ganze Gesicht.

 

Oscar konnte das auch später, als man die neue Uniform am Abend für sie geschickt hatte und sie diese nun anprobierte, nicht so richtig glauben: Sie war jetzt ein Kommandant! Die rote Uniform saß ihr wie angegossen und zusammen mit der weißen Hose und schwarzen Stiefeln, sah sie eigentlich gar nicht so schlecht aus. Und das alles hatte sie also der Königin zu verdanken.

 

Oscar war schon heute bei ihr gewesen, um sich für Beförderung zu bedanken, erinnerte sie sich beim Umziehen an das kurze Gespräch vor wenigen Stunden mit Ihrer Majestät: Marie Antoinette war sehr großzügig zu ihr und wollte sogar ihren Sold verdoppeln, aber Oscar hatte abgelehnt und die Möglichkeit ergriffen, der Königin die Augen zu öffnen. Sie dachte dabei an das, was sie gestern in Paris erlebt hatte. „Majestät...“, versuchte Oscar ihr vornehm zu erklären: „...Frankreich ist derzeit nicht sehr wohlhabend. Viele Menschen hungern. Deshalb bitte ich Euch, mein Sold so zu belassen wie er ist, sonst sehe ich mich außerstande den Posten anzunehmen.“

 

Das hatte die Königin vorerst verwundert, aber sie hatte dann doch ein Einsehen und Oscar freundlich zugestimmt. „Aber wenn Ihr einen Wunsch habt, sagt mir sofort Bescheid. Ich bin jetzt Königin von Frankreich! Ich kann alles für Euch tun!“

 

Ja, das konnte sie... Nur wollte Oscar das gar nicht haben. Das hatte sie Ihrer Majestät deutlich zu Verstehen gegeben, als sie ihr die Geschenke zurück schickte, die Marie Antoinette zu Beförderung zustellen ließ. Dann aber kamen ihr die Zweifel. Hatte die Königin sie überhaupt richtig verstanden?

Anscheinend nicht, entschied sie und Oscar hatte nun eine Sorge, was das einfache Volk nun über Ihre Majestät dachte.

 

Im Gegensatz zu ihr verlor Marie Antoinette keinen Gedanken an ihr Volk. Der einzige Mensch, der ihr nicht aus dem Kopf und Herzen ging, war Graf Hans Axel von Fersen. Sie begann daher die Audienzen abzusagen und als von Fersen nach einer längerer Zeit doch noch nach Versailles zu Besuch kam, empfing ihn die Königin immer als ersten und schenkte ihm mehr Aufmerksamkeit als ihren eigenen Untertanen.

 

Oscar suchte den Grafen deshalb eines Tages auf. Sie beabsichtigte doch sowieso mit ihm zu reden. Seine noble Unterkunft, die er während seiner Studienzeit bewohnte, befand sich am Rande von Paris. Von Versailles bis zu ihn musste Oscar fast die ganze Großstadt durchqueren.

 

Der Graf war von ihrem Besuch äußerst überrascht, aber ließ sie dennoch herzlich hereintreten. „Ich kann mir schon denken, weshalb Ihr hier seid“, sagte er nach der formellen Begrüßung und lud sie ein, am Tisch Platz zu nehmen: „Bitte setzt Euch. Es geht bestimmt um Marie Antoinette, nicht wahr?“

 

„Ja, das stimmt.“ Oscar nahm die Einladung an und nahm Platz auf einem der Stühle. Ihre Hände legte sie aufeinander auf der Tischkante ab. „Und da Ihr wisst, weshalb ich hier bin, macht es die Sache einfacher. Aber zuvor möchte ich wissen, wie Ihr zu Marie Antoinette steht.“

 

Der Graf stand am Fenster, seine Hände verschränkte er hinter dem Rücken und schaute dabei Oscar pikiert an. Wieso fragte sie ihn nach den Gefühlen zu der Königin? „Ich gebe es zu, ich fühle mich zu Marie Antoinette hingezogen. Ich kann nichts dafür. Und sie scheint auch an mir interessiert zu sein.“

 

„Dann kann ich Euch zwei Ratschläge geben: Entweder verlasst Ihr Frankreich oder sorgt dafür, dass Marie Antoinette ihren Pflichten als Königin wieder nachgeht.“ Das war eine zu direkte Äußerung ihrerseits, aber sie war eben ein Mensch, der nicht gerne um den heißen Brei herum redete.

 

„Was auf das Gleiche hinausführt.“ Von Fersen fühlte sich innerlich wie vor den Kopf gestoßen. Diese kühle Gelassenheit von Oscar verursachte ihm Unbehagen. „Ist etwa schon so viel Gerede über sie im Gange, dass auch Ihr darauf herein fallt?“

 

Oscar bewahrte weiterhin einen kühlen Kopf, wobei ihr irgendwie mulmig wurde. Einerseits wollte sie Marie Antoinette vor falschem Gerede und bösen Zungen schützen, aber andererseits die Sympathie nicht zerstören, die den Grafen und die Königin miteinander verband. „Versteht mich bitte nicht falsch, Graf von Fersen, aber ich will nur das Beste für das Wohl Ihrer Majestät und für das Wohl Frankreichs.“ Oscar war sich nicht sicher, ob sie die richtige Worte wählte, aber sie waren nun gesagt und konnten nicht mehr rückgängig gemacht werden.

 

Von Fersen setzte sich auf den Stuhl ihr gegenüber und wirkte auf einmal bedrückt. „Nun gut“, entschied er sich schweren Herzens: „Ich werde noch heute Nacht Frankreich verlassen und in meine Heimatland Schweden zurückkehren, bis man mich hier am Hofe vergessen hat.“

 

„Ich wünsche Euch eine gute Reise.“ Oscar stand auf. Sie wollte nur fort von hier. Ein schlechtes Gewissen breitete sich in ihr aus. Sie hatte gerade den Beginn einer Liebe zerstört. Einer verbotenen Liebe, wie jene zwischen ihr und André. Jedoch hatte sie keine andere Wahl. Das war zum Wohle Frankreichs und Ihrer Majestät, wie sie schon bereits gesagt hatte. „Bitte vergebt mir, Graf...“, dachte sie verbittert, während sie in Richtung Tür ging.

 

„Wartet noch einen Augenblick, Oscar“, hörte sie die Stimme des Grafen nicht weit hinter sich. Sie hielt an, aber drehte sich nicht um. Was wollte er noch von ihr? Er sollte sie gehen lassen! Sie hatte es schon schwer genug mit sich selbst!

 

„Fühlt Ihr Euch nicht manchmal einsam?“, sprach der Graf zum Glück weiter: „Obwohl Ihr Männerkleider tragt, seid Ihr doch eine Frau.“

 

„Ich habe mich nie unwohl oder einsam gefühlt. Solange ich denken kann, wurde ich wie ein Mann erzogen, um die Nachfolge meines Vaters anzutreten“, erwiderte Oscar aufrecht, wobei ihr Herz sich zusammenzog. „Lebt wohl, Graf von Fersen.“

 

„Lebt wohl, Oscar. Ich komme aber irgendwann wieder“, versprach ihr von Fersen mit glasigen Augen, die sie nicht mehr sah.

 

Draußen im Gang und den Weg bis zu Kutsche rannte Oscar beinahe überstürzt. André hielt ihr die Tür auf, was sie kaum wahrnahm und sie stieg genauso eilig in die Kutsche, wie sie zuvor gerannt war. „Ist alles in Ordnung?“, fragte ihr Freund und Geliebter, als auch er einstieg und sich die Kutsche in Bewegung setzte.

 

Oscar schüttelte verneinend den Kopf. „Ich habe von Fersen dazu bewogen, Frankreich zu verlassen.“

 

„So wird es für Marie Antoinette und ihren Ruf besser sein.“ André sprach nur aus einer einfachen Logik heraus. Er konnte sich schon denken, weshalb seine Oscar aufgebracht wirkte und wollte sie daher nur milde zustimmen. „Mach dir keine Gedanken mehr darüber, Oscar. Es wird alles gut.“

 

„Ach, André.“ Oscar seufzte tief. Sie hätte sich gerne an ihn gelehnt und in seiner Umarmung nach Trost gesucht, aber am hellen Tag und wo sie noch dazu mitten durch Paris fuhren, war das vollkommen unmöglich. Wenn sie erst zuhause und ganz unter sich sein würden, würde sie es gerne nachholen.

 

Die Kutsche erreichte einen großen Marktplatz. Viele Menschen standen dort in einem Kreis versammelt und hinderten sie somit an der Weiterfahrt. Die Kutsche musste anhalten. „Was ist hier los?“, fragte André den nächst stehenden Bürger aus dem Fenster.

 

„Ein kleiner Junge hat Herzog de Germain Geld gestohlen“, erklärte dieser und zeigte auf die freie Mitte des Platzes, um die sich viele Bürger von Paris versammelt hatten. In der Tat stand da ein kleiner Junge vor dem besagten Herzog und rieb sich weinend die Augen mit seinen mageren Fäusten. Ein junges Mädchen lief herbei und flehte den Herzog an, Gnade walten zu lassen und es stellte sich heraus, dass der Junge gestohlen hatte, weil er seit zwei Tage kaum etwas zu Essen bekommen hatte.

 

Oscar und André erkannten in dem Mädchen Rosalie, die sich vor kurzem an Oscar verkaufen wollte. Zuerst zeigte der Herzog Milde: „Ich will mal nicht so sein“, sagte er mit verschlagenen Blick: „Ihr könnt von mir aus verschwinden!“

 

Der Junge rannte überglücklich zu seiner Mutter und da zog der Herzog seine Pistole. Ohne zu zögern drückte er ab und traf den Jungen mitten in den Rücken. Mit schadenfrohen Gelächter stieg er anschließend in seine Kutsche und fuhr weg. Der Junge war sofort tot. Seine Mutter hielt ihn in ihren Armen, rief nach seinem Namen, drückte seinen leblosen Körper an sich und weinte bitter. Das Entsetzen stand in allen Gesichtern der Herumstehenden geschrieben.

 

„Dieses Untier!“ Oscar raste vor Wut. „Das kann doch nicht wahr sein!“ Sie wollte den Herzog sofort zu Rechenschaft ziehen, aber André hielt sie gerade noch rechtzeitig davon ab. „Niemand kann ihn zu Rechenschaft ziehen! Nicht einmal der König!“ Er musste seine ganze Kraft aufbringen, um die herum wütende Oscar fest zu halten. Nicht gerade sanft schob er sie in die Kutsche zurück. „Fahre los!“, rief er dem Kutscher zu, als er das geschafft hatte.

 

 

 

Zuhause wütete Oscar dennoch weiter, kaum dass sie ihre Gemächer betreten hatte. „Warum ist diesem feigen Aristokraten alles erlaubt?!“ Tränen standen in ihren Augen, die sie kaum merkte. Heftig schlug sie mit ihrer Faust gegen die Wand. Auch den körperlichen Schmerz ignorierte sie.

 

André wusste nicht, was er tun sollte. So wütend und verbittert, hatte er seine Oscar bisher noch nicht erlebt. Und dass sie ihre Gefühle offen zeigte, kannte er von ihr auch nicht – bis auf die wenige Momente, wenn sie unter sich waren. Er hielt es in seiner Ecke nicht mehr aus, wo er bisher stillschweigend ausgeharrt hatte. Die Türen zu ihrem Zimmer waren ohnehin geschlossen. „Oscar, bitte...“ Mit zwei großen Schritten war er schon bei ihr und so sanft wie möglich, drehte er sie zu sich um.

 

„Warum?“ Oscar sah ihn mit tränennassen Augen geradewegs ins Gesicht.

 

„Ich weiß es nicht“, murmelte André und zog seine Geliebte an sich.

 

Oscar sträubte sich nicht. Sie wollte doch sowieso in seinen Armen getröstet werden. Nach und nach beruhigte sie sich, die Tränen versiegten und ihr hitziges Gemüt kühlte sich ab. Aber der unermesslicher Zorn auf diesen hinterhältigen Herzog blieb dennoch weiter, tief in ihr verborgen, bestehen.

 

 

 

Endlose Tage schritten voran, bis Oscar den Herzog wieder begegnete. Und nicht nur das. Sie brachte ihn dazu, sie herauszufordern. Es war ihr sehr ernst damit. Das Duell fand am nächsten Morgen statt. Der Herzog schoss daneben. Oscar dagegen traf ihn absichtlich in die Hand, mit der er den Jungen erschossen hatte. „Das war Betrug! Das war eindeutig Betrug!“, brüllte er wie am Spieß, um Oscar unter falschen Verdacht zu stellen.

 

Da rollte unverhofft eine königliche Kutsche herbei und daraus stieg Marie Antoinette höchstpersönlich. Sie hatte nichts von dem Duell gewusst und erst vor wenigen Stunden davon erfahren. Das gefiel ihr ganz und gar nicht. Um Oscar von den intriganten Höflingen zu schützen, verhängte sie ihr einen dreimonatigen Hausarrest. Herzog de Germain kam nur glimpflich davon. Er zählte doch zu einem der mächtigsten Adelshäuser und nicht einmal die königliche Familie konnte ihm etwas anhaben.

 

Oscar beließ es aber nicht beim Hausarrest. Tagein, tagaus untätig zuhause die Zeit zu verbringen und das auch noch drei Monate, war ihr unerträglich. Sie beschloss nach Arras, einer ihrer Familiensitze, zu reisen. Ihre alte Kinderfrau war darüber empört. Sie war gerade dabei, ihren Enkel mit einem Schöpflöffel zu vermöbeln, weil dieser zuließ, dass Oscar sich mit dem Herzog duelliert hatte. „...Euer Vater ist in militärischen Sachen unterwegs! Was ist, wenn jemand von Eurer Abreise erfährt?!“

 

„Dann sag, dass ich vor lauter Traurigkeit krank geworden bin!“, meinte Oscar schnippisch.

 

„Das kann ich nicht!“, protestierte Sophie ungläubig.

 

„Doch, das kannst du. Pack bitte noch heute meine Sachen.“ Oscar lächelte vor sich hin. Sie wandte sich sogleich zum gehen, als ihr noch etwas einfiel. Sie blickte kurz über die Schulter. „André. Wir werden sehr früh aufstehen. Unser Ziel liegt sehr weit weg und ich möchte es noch morgen Abend erreichen.“

 

André sah ihr erstaunt nach, bis er ein entrüstetes Aufstöhnen hörte. Seine Großmutter fasste sich ans Herz, ihre alte Beine gaben nach und ihr kleines Figürchen kippte zur Seite. André fing sie besorgt auf und geleitete sie auf einen der Stühle, damit sie sich etwas erholen konnte. „Geht es wieder, Großmutter?“

 

„Ach, diese Kinder...“, murmelte sie vor sich hin: „Du wirst mir auf sie achtgeben, André! Hörst du? Sonst bekommst du es mit mir zu tun!“

 

„Aber natürlich gebe ich auf sie acht, Großmutter!“, versicherte André ihr wahrheitsgemäß. Insgeheim überlegte er, was Oscar mit dieser Ausreise bezweckte. In letzter Zeit machte sie sich häufig Sorgen, wie das einfacher Volk über die Königin dachte. Vielleicht wollte sie deshalb den alten Familiensitz in Arras besuchen? Oder wollte sie mehr Zeit mit ihm verbringen? Nur sie beide, ganz alleine? Das wäre doch sehr zu schön! Später, beim Packen seiner Sachen, konnte er den morgigen Tag kaum abwarten.

 

Bei Morgengrauen hatte André die Pferde schon gesattelt, die Satteltaschen mit Proviant gefüllt und alles mögliche herbeigeschafft, was sie beide auf der Reise brauchen würden können: Wolldecken, Wechselkleider und länger haltende Essbarkeiten.

 

„Du hast aber an alles gedacht!“, meinte Oscar mit gewisser Anerkennung, als sie nach dem kurzen Frühstück mit ihm die gesattelte und bepackte Pferde aus dem Stall führte.

 

„Du sagtest doch selbst, dass unser Ziel weit weg liegt! Also müssen wir auf alles vorbereitet sein! Oder etwa nicht?“, André grinste breit.

 

„Du bist unmöglich!“ Oscar schüttelte den Kopf und stieg galant auf ihren Schimmel.

 

André gluckste vor sich hin, schob seinen Fuß in den Steigbügel und stieg auf seinen Braunen. Gemeinsam ritten sie in leichtem Galopp, um ihre Pferde nicht gleich zu Beginn ihrer Reise zu überanstrengen. Oscar sah in ihren Zivilkleider genauso gut aus, wie in ihrer Uniform. André trug seine schlichte Kleidung, wie es seinem Stand angemessen war, aber schlecht sah er darin auch nicht aus. Bei dem guten Wetter und fröhlicher Unterhaltung erreichten sie am Abend ihr Ziel.



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  MilchMaedchen
2016-10-28T19:12:37+00:00 28.10.2016 21:12
Ich habe so das Gefühl, dass es im nächsten Kapitel heiß her geht ... :-)
Antwort von:  Saph_ira
28.10.2016 21:21
Nicht ganz aber fast bzw. nicht im nächsten Kapitel ;-)
Antwort von:  MilchMaedchen
28.10.2016 22:06
Na dann bin ich mal gespannt und erwarte sehnsüchtig die nächsten Kapitel ...
Von:  YngvartheViking86
2016-10-28T18:03:00+00:00 28.10.2016 20:03
Ein schönes und trauriges Kapitel (wegen dem Jungen)
Bin gespannt was in Arras so alles passiert :)
LG Chris
Antwort von:  Saph_ira
28.10.2016 20:07
Dankeschön. :-)
Ja, mit dem Jungen tut es mir auch leid, aber ich wollte nicht viel in der Handlung von Anime ändern.
Liebe Grüße,
Ira


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