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Nur mit dir, für dich

von

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Daheim

Auf dem Anwesen der de Jarjayes wartete schon ihr Vater auf Oscar. Der General bestellte seine Tochter sofort auf sein Arbeitszimmer, kaum dass er von der Rückkehr unterrichtet wurde. Oscar war auf alles gefasst, als sie über die Türschwelle trat. „Ich bin zurück, Vater.“

 

Reynier steuerte verärgert auf sie zu und verpasste ihr eine schallende Ohrfeige. „Wie konntest du das Haus verlassen?! Der Mann, mit dem du duelliert hast, ist ein Herzog! Anstelle so einer milden Strafe hättest du für immer verbannt werden können! Ich begreife nicht, wie man die Gutherzigkeit der Königin so schamlos ausnutzen kann!“

 

„Ich war auf dem Land, um zu sehen, wie unsere Bauern leben, Vater!“ Oscar unterdrückte krampfhaft den Impuls, an der brennenden Wange zu reiben. Stattdessen ballte sie ihre Hände zu Fäusten. „Stellt Euch vor, die Bauern leben von Kartoffelschalen, obwohl sie die Kartoffeln ernten! Während wir Adligen nicht wissen, wohin mit dem Geld, bekommen sie ihre Kinder nicht mehr satt! Warum muss es so sein? Haben die Adligen etwa kein Herz?“

 

„Das hat dich nicht zu interessieren!“ Der General ließ sie nicht zu Ende sprechen. Wie immer streng und hochmütig, zeigte er auf sie mit seinem Finger. „Du bist eine Adlige, merk dir das! Solche Leute passen nicht zu dir! Und wenn du nicht ausgelastet bist, dann verbessere lieber deine Fechtkunst!“ Es klang beinahe wie eine Mahnung. Reynier senkte seinen Arm und marschierte mit festen Schritten aus seinem Arbeitszimmer.

 

„Eine Adlige...“, knurrte Oscar abfällig. Zorn brodelte in ihr, den sie kaum zügeln konnte.

 

André lief in dem Moment zufälligerweise an dem Arbeitszimmer vorbei. Er hatte die Pferde versorgt und war nun auf der Suche nach seiner Oscar. Er fand sie und was er sah, gefiel ihm nicht. André fühlte mit ihr. Er konnte sie verstehen, ihre Gefühle nachempfinden und hätte sie am liebsten in seinen Armen getröstet. Jedoch nicht an diesem Ort, wo jeder vorbeilaufender Mensch sie sehen könnte. „Ist ja gut, Oscar“, sagte er deshalb zu ihr von der Türschwelle.

 

Oscar hörte seine Stimme, verstand dass jegliche Ausbrüche nichts nützen würden und schluckte ihren Zorn wie eine bittere Medizin herunter. Sie warf dabei ihrem André einen Blick zu. Wenn ihr Vater nur wüsste, was sie noch auf ihrem Heimweg von Arras erlebt hatte! Dann wäre die Verbannung ein mildes Wort im Gegensatz zu dem, was ihr wirklich blühen würde! Und André würde bestimmt sein Kopf verlieren! Er war aber ihr Leben und es würde besser sein, wenn sie zusammen mit ihm sterben würde! Sie hatte doch die Schande über die Familie gebracht und ihre Ehre verloren! Aber solange es noch keiner wusste, war alles in Ordnung. André und sie wiegten sich in Sicherheit, solange sie ihre Liebe niemandem anmerken ließen und eine geordnete Distanz zueinander wahrten.

 

Im Nachhinein beruhigte sich Oscar auf ihrem Zimmer und spielte auf ihrem Klavier. André half derzeit seiner Großmutter im Haushalt, nachdem er vorerst eine ordentliche Standpauke von ihr bekommen hatte. Das war für ihn aber halb so schlimm. Mit den Gedanken an Oscar verbrachte er den ganzen Tag bei seiner Großmutter und griff ihr hilfsbereit unter die Armen.

 

Spät am Abend kam unerwartet ein Bote aus Versailles auf das Anwesen angeritten. Er überbrachte eine Botschaft, dass Madame de Jarjayes im Palast zusammengebrochen war. André eilte unverzüglich in Oscars Salon, berichtete ihr atemlos über das Geschehene und sie brach kurz darauf unverzüglich in der Kutsche nach Versailles auf.

 

Während André am königlichen Hofe Oscars Mutter aus dem Schlossgewölbe holte, begegnete Oscar Ihrer Majestät, die gerade auf dem Weg zu einem Ball war. Oscar machte eine knappe Verbeugung vor ihr. „Verzeiht mir, Euer Majestät, dass ich hier bin. Ich weiß, dass ich noch Hausarrest habe, aber...“

 

„Gut, dass Ihr da seid, Lady Oscar!“, unterbrach die Königin sie sorgenvoll: „Euer Mutter ist zusammengebrochen. Ihr müsst Euch um sie kümmern. Sie soll sich eine Weile zuhause ausruhen und wir sehen uns dann morgen.“

 

„Ich verstehe nicht...“ Oscar sah verdattert zu Marie Antoinette hinauf. Sie hatte doch drei Monate Hausarrest bekommen und es war nicht einmal vier Wochen vergangen!

 

Die Königin zwinkerte ihr daraufhin lächelnd zu. „Ich hatte Euch vor einem Monat einen Hausarrest auferlegt, Lady Oscar. Und nach meinem königlichen Kalender ist diese Frist abgelaufen.“

 

„Ich danke Euch, Eure Majestät.“ Mehr konnte Oscar nichts dazu sagen. Sie war gerührt und erstaunt. Die Königin wollte sie anscheinend wieder bei Hofe haben und deshalb hatte sie ihr die Strafe gekürzt.

 

 

 

 

 

- - -

 

 

 

 

 

„...zuhause ist es immer am Besten, nicht wahr mein Liebling?“, sprach Emilie de Jarjayes zu Ende aus. Mutter und Tochter fuhren bereits eine Weile in Richtung Heim mit der Kutsche.

 

„Ja, Mutter“, bestätigte ihr Oscar mit einem erwidertem Lächeln.

 

Auf dem Hof des Anwesens half Oscar ihrer Mutter beim Aussteigen. „Vorsichtig, Mutter.“

 

„Danke, mein Kind.“ Emilie stützte sich auf ihre Tochter und kaum sie in das Haus reingehen beabsichtigte, erscholl hinter ihr ein wildes Geschrei: „Ihr habt meine Mutter auf dem Gewissen! Dafür werdet Ihr sterben!“

 

Oscar und Emilie de Jarjayes wirbelten entsetzt herum. Ein junges, ärmlich gekleidetes Mädchen stürmte mit gezückten Messer auf Oscars Mutter zu. Oscar reagierte sofort. Gerade rechtzeitig verdeckte sie ihre Mutter und schlug dem Mädchen das Messer aus der Hand. Ungläubig stellte sie fest, dass es Rosalie war. „Aber warum? Aus welchem Grund?!“

 

Madame de Jarjayes stellte sich neben ihrer Tochter und bei dem genauen Anblick auf sie, warf sich Rosalie verzweifelt auf Knie. Es stellte sich heraus, dass sie Madame de Jarjayes mit der Mörderin ihrer Mutter verwechselt hatte. „...und das Schlimmste ist, ich konnte nichts tun!“, beichtete Rosalie unter den Tränen erstickend: „Meine Mutter wurde auf der Straße einfach so von einer Kutsche überfahren!“

 

Oscar hatte großes Mitleid mit Rosalie. Zusätzlich erfuhr sie, dass die besagte Mörderin eine Adlige war und in Versailles lebte. Oscar versprach Rosalie entschlossen, bei der Suche nach der Mörderin behilflich zu sein. Deswegen nahm sie sich auch vor, Rosalie höchstpersönlich im Fechten, Reiten und der Hofetikette zu unterrichten. Es sollte doch niemanden am Hofe auffallen, dass Rosalie aus einfachen Verhältnissen stamme und unter den adligen Damen auf der Suche nach der Mörderin ihrer Mutter war. Rosalie selbst war von Oscars Güte und Herzlichkeit noch mehr überwältigt, als bei der ersten Begegnung in Paris vor etlicher Zeit.

 

Irgendwann vertraute Rosalie Oscar an, dass ihre verstorbene Mutter nicht ihre Liebliche Mutter war. Die Frau, die sie auf die Welt gebracht hatte, stammte vom Adel und hieß Martine Gabrielle.

 

„Dann können wir ganz anders vorgehen, da wir jetzt wissen, dass du adliger Herkunft bist!“, freute sich Oscar, nachdem sie ihre Fassung zurückgefunden hatte. Das war eine überraschende und gleichzeitig eine gute Erkenntnis.

 

Noch am gleichen Abend beschaffte André ein großen Stapel von Büchern, wo allerlei Namen der Adligen standen und brachte sie in Rosalies Zimmer. Zu dritt saßen sie kurz darauf an einem Tisch und durchforsteten die Bücher, auf der Suche nach dem Namen Martin Gabrielle. André war der erster, bei dem schon bald die Augenlider schwerer wurden. Er versuchte weiterzulesen, aber die Müdigkeit gewann mehr und mehr die Oberhand. Die brennende Kerzen in einem fünffachen Kerzenleuchter auf dem Tisch trugen ihr übriges noch dazu bei. Das schwache Licht lockte geradezu ins Land der Träume einzutreten - was André auch tat. Kaum dass er sich versah, legte er schon seine Arme auf das offene Buch, bettete darauf seinen Kopf und schlief ein. Rosalie machte es ihm eine halbe Stunde später nach.

 

Oscar dagegen verspürte keine Müdigkeit und las gemütlich die Bücher die ganze Nacht durch. Sie wollte weder Rosalie noch André wecken. Die zwei sollten ruhig schlafen. Sie würde das schon alleine schaffen.

 

„Ach, Oscar...“ Leises Gemurmel von Gegenüber drang in Oscars Gehör. Sie hob stutzig ihren Blick und richtete ihn auf ihren Geliebten. Hatte sie ihn etwa geweckt? Nein, danach sah es nicht aus. André schlief selig auf seinen angewinkelten Armen. Vielleicht hatte sie sich verhört? Andres Mundwinkel zogen sich leicht nach oben und seine Lippen bewegten sich kaum merklich: „...du siehst in dem Kleid wunderschön aus, meine Liebste...“

 

„Was?“ Bei Oscar weiteten sich die Augen und ihr Kiefer schlug auf. Er träumte doch nicht etwa von ihr in einem Kleid?! „Das kannst du vergessen, mein Lieber!“, dachte Oscar bei sich spöttisch: „Ich werde mich niemals in ein Kleid zwängen!“

 

Als hätte André ihre Gedanken gehört, wirkte sein verwegenes Lächeln noch breiter. „...und dass wir beide heiraten, hätte ich auch nie gedacht...“

 

„André!“, hauchte Oscar tonlos. Ihr dämmerte es sogleich, worüber ihr Geliebter gerade träumte: Von ihrer Hochzeit, die vielleicht nie stattfinden würde! Und von ihrem Hochzeitskleid, das sie erst recht nie anziehen würde! Oscar betrachtete noch eine Weile Andrés entspannte Gesichtszüge, seine geschlossenen Augen und sein verträumtes Lächeln. Sie wagte sich nicht zu rühren, horchte auf ihr schlagendes Herz und wartete auf seine nächsten Worte. Aber es kam kein weiteres Gemurmel von ihm, als hätte er schon längst gesagt, was ihm am Wichtigsten war. „Ach, Andre...“ Oscar atmete tief ein und aus. Obwohl seine Worte nicht gerade passend waren, hatten sie sie dennoch zutiefst gerührt. Sie schmunzelte und entriss sich seinem Anblick. André sollte seine Träume ruhig für sich behalten.

 

 

 

Als der Morgen graute, las Oscar in einem der letzten Büchern mit den unzähligen Namen der Adligen. Das Licht des neuen Tages breitete sich im Zimmer aus und da erwachte André aus seinem Schlaf. Er richtete sich auf, gähnte herzhaft und streckte ausgiebig seine Glieder. „Ich bin wohl eingeschlafen“, sagte er mit dem Blick aufs Fenster, wo sich schon die ersten Sonnenstrahlen zeigten.

 

„Ja, du warst eingeschlafen.“ Oscar sah ihn kühl an, wobei ihr Herz dahin schmolz. Sie würde nicht verraten, was sie gehört hatte. Jeder besaß seine kleine Geheimnisse und diese wollte Oscar ihrem André gönnen.

 

André bemerkte derweilen die schlafende Rosalie. „Sie scheint auch eingeschlafen zu sein.“ Er wollte sie wecken, aber Oscar hielt ihn leise davon ab. „Lass sie noch schlafen.“

 

„In Ordnung.“ André ließ von seinem Vorhaben ab und schaute wieder Oscar an. Wenn nur Träume wahr werden könnten, dann wäre er noch glücklicher als bei seiner ersten Nacht mit Oscar! Von seinem Traum sollte sie lieber nichts erfahren. Sie würde nie ein Kleid tragen, sei es auch nur bei der Hochzeit. Und sie würde ihn bei dieser Vorstellung höchstwahrscheinlich auslachen! So bedauerlich es auch war, schob André diesen Gedanke beiseite.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  MilchMaedchen
2016-11-05T18:41:09+00:00 05.11.2016 19:41
Ein schönes Kapitel, besonders das mit Andrés Traum. Sehr romantisch und Oscars Reaktion zu seiner Aussage mit dem Kleid war auch lustig.
Antwort von:  Saph_ira
09.11.2016 19:24
Ein herzliches Dankeschön für dein Kommentar. :-)
Von:  YngvartheViking86
2016-11-05T00:23:30+00:00 05.11.2016 01:23
Wieder ein ser schön beschriebenes Kapitel.
Es freut mich dass du dich gut an die Vorlage hälst.
Mit kleinen "Abweichungen" ;)
Bin gespannt wie es weiter geht.
LG Chris
Antwort von:  Saph_ira
09.11.2016 19:24
Vielen lieben Dank :-) Ja, ich versuche mich noch immer auf einer gewissen Weise an die Vorlage zu halten. ^^
Liebe Grüße,
Ira


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