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Nur mit dir, für dich

von

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Hinterhalt

Auf dem Weg nach Versailles herrschte in der Kutsche eine gespenstische Stille. Nur von draußen hörte man das Hufklappern der Spannpferde und das Rattern der Räder des Gefährt in der abendlichen Dunkelheit. Man konnte draußen kaum etwas erkennen. Dennoch gewöhnten sich die Augen an diese Düsternis und man erkannte unzählige Umrisse der Bäume. Oscar entriss ihren Blick von dem Fenster und richtete ihn stutzig auf André. „Ich glaube nicht, dass das der Weg nach Versailles ist.“

 

„Vielleicht hat der Kutscher eine Abkürzung genommen...“, vermutete der junge Mann, obwohl ihm diese Waldgegend auch nicht geheuer war.

 

Die Kutsche verlangsamte sich und blieb plötzlich stehen. Oscar, André und Rosalie kamen nicht einmal dazu, sich darüber zu wundern. Der Kutscher sprang schon bereits vom Kutschbock und rannte Hals über Kopf davon. Finstere Gestalten umkreisten das Gefährt. „Ich glaube, die führen nichts gutes im Schilde“, äußerte André seinen Bedenken knurrend aus und hielte schon seinen Degen bereit.

 

„Das glaube ich auch!“ Oscar tat es ihm gleich, stieß wütend die Kutschtür auf und musste schon den ersten Mann abwehren. Sie kämpfte mit Zweien. André mit drei. Rosalie hatte leider keine Waffe dabei, um mitkämpfen oder sich verteidigen zu können. Einer der Schurken stieg zu ihr in die Kutsche und sie schrie um Hilfe. Oscar hörte sie, erledigte einen der Angreifern und warf ihren Degen auf den Schurken an der Kutsche. Wie ein Pfeil sauste die Klinge durch die Luft und durchbohrte ihr Ziel mit einem tödlichen Ende. Oscar atmete erleichtert auf und dachte dabei kurzzeitig nicht an ihre eigene Sicherheit. Einer der Banditen stach hinterhältig in ihren Rücken. Oscar spürte einen stechenden Schmerz zwischen ihren Schulterblättern, hörte den entsetzten Schreckenslaut von Rosalie und André, und kippte nach vorn.

 

Bäuchlings lag sie im Gras, kämpfte krampfhaft mit dem heftigen Schmerz in ihrem Rücken und versuchte sich hochzurappeln. Zwecklos. Ihre Glieder gehorchten ihr nicht, alle ihre Kraft war wie fortgespült und schwarzrote Pünktchen tanzten vor ihren Augen. Nur schwach vernahm sie eine rollende Kutsche und eine tiefe Stimme wahr, die ihren Namen lauthals rief.

 

Die nahende Kutsche schlug die restlichen Banditen in die Flucht und Oscar spürte Hände, die sie hoben und umdrehten. Oscar bildete sich dabei ein, den Grafen von Fersen gehört zu haben und fiel in tiefe Ohnmacht.

 

 

 

 

 

Als Oscar nach einigen Stunden ihr Bewusstsein wieder erlangte, bestätigte sich ihre Einbildung: Graf von Fersen stand höchstpersönlich vor ihrem Bett und wirkte überaus erfreut. „Ihr seid erwacht, Lady Oscar!“

 

„Dann war das keine Einbildung...“, murmelte sie schwach und versuchte sich hochzuziehen. Sofort meldete sich der brennender Schmerz zwischen ihren Schulterblättern und ihr Gesicht verzog sich. Zusätzlich befand sich ihr rechter Arm in der Schlinge. Trotzdem gab sie nicht nach, stützte sich auf ihren linken Ellbogen und rappelte sich hoch.

 

„Bleibt noch liegen, Oscar...“, hörte sie den Grafen umsorgt sagen, aber machte weiter, bis sie richtig aufsaß. Von Fersen kam mit ihrer roten Uniformjacke an das Bett und legte sie ihr um die Schultern. „Danke Graf.“ Oscar sah ihm ins Gesicht, als wollte sie noch nicht richtig glauben, dass er zurück war. „Ihr seid also wirklich zurückgekommen...“

 

„Ja, Lady Oscar. Es sind schon vier Jahre her, als wir uns zuletzt gesehen haben.“

 

Vier Jahre! Wie schnell die Zeit doch verging! Von Fersen, Marie Antoinette und sie, Oscar, würden dieses Jahr dreiundzwanzig Jahre zählen! André war ein Jahr älter als sie. Oscar fühlte sich merkwürdigerweise schon zu alt. Vielleicht lag es an ihrer Verletzung. Sie krächzte und ächzte schon jetzt wie eine alte Frau. „Danke, Graf, Ihr habt mir das Leben gerettet.“

 

„Keine Ursache, Lady Oscar. Ich war ohnehin auf dem Weg zu Euch, um meine Aufwartung zu machen.“

 

„Habt Ihr eigentlich nicht vor, auch Marie Antoinette einen Besuch abzustatten? Sie wird sich sehr freuen.“

 

„Ich muss vorerst für fünf oder sechs Tagen wegfahren. Danach komme ich sie besuchen.“

 

„Verstehe...“ Oscar fragte nicht nach dem Grund seiner Abreise. Das ging sie nichts an. Hauptsache war er wieder in Frankreich. So konnte sie wenigstens ihr Gewissen bereinigen, dass sie ihn damals dazu bewogen hatte, das Land zu verlassen und in seine Heimatland Schweden zurückzukehren.

 

Rosalie kam lautlos in das Zimmer herein, grüßte sie mit einem Knicks und stellte die mitgebrachte Vase mit weißen Rosen auf dem Kaminsims ab.

 

„Ich kenne Euch doch...“, murmelte von Fersen, bei genaueren Betrachtung der jungen Frau.

 

Rosalie drehte sich um und blieb von der anderen Seite des Bettes stehen. „Wir sind uns schon einmal begegnet. Das war vor vielen Jahren in Paris.“

 

Graf von Fersen leuchtete sogleich alles ein: Es war ein Nachmittag, er war mit einer Kutsche unterwegs und hatte beinahe ein junges Mädchen überfahren. Er hatte ihr gleich geholfen, nach ihrem Befinden gefragt und als sie sagte, dass es alles in Ordnung sei, war er weitergefahren. Oscar sah von Rosalie auf den Grafen und zurück. „Wie interessant. Ihr seid euch also schon einmal begegnet...“ Sie stellte Rosalie sogleich dem Grafen vor und dieser fragte nach, ob sie vielleicht wüsste, wer sie überfallen haben könnte.

 

„Es kommt nur eine Person in Frage, die zu so etwas fähig ist!“, platzte es unverfroren aus der jungen Frau heraus.

 

„Rosalie!“, ermahnte Oscar sie streng und sah entschuldigend von Fersen an. „Wir können uns natürlich zusammenreimen, wer das gewesen sein könnte, aber wir haben leider keinerlei Beweise.“

 

„Ich verstehe was Ihr meint, Oscar.“ Graf von Fersen wollte diesbezüglich nicht mehr weiter nachhaken. „Ich werde mich dann verabschieden. Ruht Euch aus. Ich werde Euch in ein paar Tage erneut besuchen.“

 

„Lebt wohl, Graf“, verabschiedete ihn Oscar und geleitete ihn mit ihrem Blick bis er fort war. Dann richtete sie ihren Augenmerk auf Rosalie, die weiterhin vor dem Bett ungerührt stand. Oscar war innerlich erfreut festzustellen, dass Rosalie keine Verletzung aus dem Überfall davon getragen hatte und dabei fiel ihr ihr Geliebter ein. „Wo ist eigentlich André? Geht es ihm gut?“

 

„Er ist unversehrt, Lady Oscar. Er geleitet nur Doktor Lasonne hinaus“, berichtete Rosalie mit einem Leuchten in ihren Augen und faltete gerührt ihre Hände vor der Brust. „Soll ich ihn zu Euch rufen?“

 

„Das ist nicht nötig, Rosalie.“ Oscar sah sie kühl an, aber eine gewisse Sanftheit in der Stimme konnte sie dabei nicht unterdrücken. „Ich bitte dich, opfere dich nicht für uns und spiele nicht unsere Vermittlerin. Wenn die Sache ans Licht kommen würde, möchte ich nicht, dass du mit hineingezogen wirst.“

 

„Aber ich möchte Euch so sehr helfen, Lady Oscar!“ Rosalie´s Stimme nahm einen flehenden Klang an: „Ihr macht doch schon so viel für mich! Lasst mich bitte auch etwas für Euch tun!“

 

„Rosalie...“

 

„Bitte, Lady Oscar! Weist mich nicht ab!“

 

„Also gut...“ Schweren Herzens gab Oscar nach. Es widerstrebte ihr, Rosalie mit hineinzuziehen. Aber vielleicht war es besser so, wenn sie und André jemanden hatten, der auf ihre Seite stand und ihnen in manchen Sachen beistand.

 

Im Salon ging die Tür auf und raschelnde Schritte setzten dem vertraulichen Gespräch ein Ende. Madame de Jarjayes und Sophie betraten Oscars Bettzimmer. „Graf von Fersen sagte uns, du seist erwacht, mein Kind.“ Emilie de Jarjayes befühlte Oscars Stirn und setzte sich neben ihr auf der Bettkante. „Wie fühlst du dich?“

 

„Ganz gut, Mutter.“ Oscar brachte ein schwaches Lächeln zu Stande. Sie würde ihr nie zugeben, dass sie eigentlich noch Schmerzen hatte.

 

„Oh, ich bin so froh...“, schluchzte Sophie nicht weit weg von Madame de Jarjayes und Tupfte ihre Augen unter der Brille mit einem Taschentuch.

 

„Ich bin eigentlich noch so schrecklich müde...“ Oscar täuschte ein Gähnen vor. So viel Besucher auf einmal verursachten ihr Unbehagen.

 

„Dann ruhe dich aus, mein Liebling.“ Emilie erhob sich, beugte sich vor und hauchte ihr ein Kuss auf die Stirn, obwohl sie wusste, dass Oscar das nicht sonderlich mochte und nur aus reiner Höflichkeit dies über sich ergehen ließ.

 

„Gute Nacht, Mutter.“ Oscar lächelte matt und in ihren sonst so kühlen Blicken flammte eine Wärme auf, die Emilie bei ihr noch nie gesehen hatte. Ihr mütterliches Herz zog sich wehmütig zusammen. Es sah danach aus, als sehne sich ihre Tochter nach Geborgenheit, was sie sich jedoch niemals eingestehen würde. Das war bestimmt nur ein kleiner Moment der Schwäche durch ihre Verletzung. Morgen würde sie wieder hartherzig zu sich selbst sein und ihre Mitmenschen mit distanzierten Höflichkeit behandeln. Das arme Kind! Der General hatte mit seiner Erziehung, Disziplin und Härte, alles in ihr zerstört, was eine weiche, zarte und liebevolle Frau ausmachte. Nur das Äußerliche sagte, sie sei eine Frau, aber innerlich war sie zu einem Soldaten abgerichtet worden.

 

Emilie seufzte tief. „Schlaf schön, mein Kind. Wir werden dich heute nicht mehr stören.“ Zeitgleich deutete sie Rosalie und Sophie mit einem Wink an, ihr zu folgen. „Wir schauen morgen nach ihr.“ In der letzten Zeit war Madame de Jarjayes öfters zuhause und kümmerte sich um den Haushalt. Ihr ging es ohnehin nicht wohl. In dieser Hinsicht war die Königin zuversichtlich und empfahl ihr häufig, sich im trauten Heim zu erholen. Nun befand sich auch ihre Tochter daheim und sie würde sich um sie kümmern, ob diese wollte oder nicht! Schließlich war sie ihr Kind! Ihr eigen Fleisch und Blut!

 

 

 

Ab nächsten Tag durchzog Emilie ihr Vorhaben mit einer gewissen Strenge und Unnachgiebigkeit durch: „Oscar, du bekommst ab nun eine Hühnersuppe zu Mittag!“

 

„In Ordnung, Mutter...“

 

„Oscar, du kannst doch nicht schon am zweiten Tag dein Zimmer verlassen! Der Doktor sage, du sollst mindestens vier Tage im Bett bleiben! Sonnst kannst du nie mehr dein Arm bewegen!“

 

„Wenn es so ist, Mutter...“

 

„Oscar, du kannst doch nicht schon am vierten Tag nach deiner Bettruhe ausreiten! Du trägst dein Arm immer noch in der Schlinge! Und das gilt auch für das Fechten!“

 

„Wie Ihr es wünscht, Mutter...“

 

Nun gut, die mütterliche Fürsorge war ein wenig übertrieben, aber Oscar nahm alles gelassen hin. Sehr eigenartig für ihr hitziges Temperament und ihre kämpferische Natur. Sie spielte meistens Klavier, las Bücher oder ging mit Rosalie und André im Garten spazieren. Wenn nur Madame de Jarjayes wüsste, dass Oscar alles deswegen ertrug, weil ausgerechnet diese zwei Menschen schon mit ihrer bloßen Anwesenheit ihr das Leben tagtäglich versüßten.

 

 

 

Nach einer knappen Woche suchte Graf von Fersen sie wieder auf. Er war auf dem Weg nach Versailles und schaute bei Oscar vorbei. Und da war es mit all der Gelassenheit aus und vorbei. Als hätte man Oscar das Feuer unter den Hintern angezündet, verlangte sie sofort nach ihrer Uniform und brach mit dem Grafen nach Versailles auf. Da aber ihr Arm in der Schlinge das Reiten noch unmöglich machte, nahm sie ausnahmsweise eine Kutsche, was Emilie etwas das Herz am Ende doch noch erleichterte. Oscar hatte doch schon genug hinnehmen müssen und sie war heilfroh, dass es ihr schon wesentlich besser ging. Das war die Hauptsache und damit konnte Emilie leben.



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