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Vini - Der Weg der Sklavin

Das Recht auf ein selbstbestimmtes Leben - für mein Juwel
von

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Die Reise 12 (Wiedersehen)

Mein Leben lief über vier Jahre so weiter, wie es meine Eltern mit der Hebamme abgesprochen hatten. Ich lernte ein Jahr bei den Frauen der Geburt, im nächsten Jahr bei den Frauen der Heilung und im dritten Jahr bei den Frauen der Weissagung. Dann übernahm die Hohepriesterin meine Ausbildung. Sie lehrte mich die Zusammenhänge zwischen den drei Bereichen zu sehen. Sie lehrte mich Fragen zu stellen und die Antworten der Menschen richtig zu verstehen. Sie lehrte mich auch dass in der alten Religion die Menschen ein gleichberechtigter Teil der Natur sind. Nicht mehr und nicht weniger als die Erde, das Wasser, die Tiere und Pflanzen. Sie lehrte mich zu verstehen, was ich immer schon gespürt habe, das alles miteinander verbunden ist und dass auch die Wesen aus der Zwischenwelt Einfluss auf unserer Leben haben.

Das letzte Jahr meiner Ausbildung zur Dienerin der alten Religion verbrachte ich bei den Frauen eines anderen Zirkels, die noch eine Hüterin hatten. Sie lehrte mich das alte Wissen und mir wurde immer klarer, dass ich eine Auserwählte, eine Berufene, eine Priesterin der Göttin war. Doch diese Erkenntnis brachte mehr Probleme mit sich, als sie Lösungen anbot, denn meine Familie war schon lange eine Familie die sich zum Christentum bekannten und ich sollte meinen Cousin heiraten um den Frieden zu sichern. Trotzdem schloss ich meine Ausbildung zur Hüterin ab. In Absprache mit der Hohepriesterin legte ich mein Gelübde jedoch nicht ab, da mir noch die Entscheidung bevor ob ich als Priesterin oder als Fürstin von Uster leben würde. So kam es, dass ich Liam wieder traf.

Ich war wieder bei meinem Onkel und er kam mit seinem Vater um Wolle zu kaufen und feine Stoffe für Kleider zu verkaufen. Nach dem Abendessen ging ich in den Garten und ließ meine Gedanken wandern. Ich war so mit mir selbst beschäftigt, dass ich nicht merkte, dass ich nicht alleine war. Und murmelte vor mich hin.

"Die Schafgarbe bringt einen ruhigen Schlaf wenn sie zum Gesang der Ruhe als Sud getrunken wird. Die Göttin wird in dem Gesang gelobt für den Frieden und die Erholung, die sie der Natur in der Nacht schenkt."

"Du bist eine Priesterin?"

Erschrocken dreht sich Darla um und erblickt einen jungen Mann mit dunklen Haaren. Er war ihr bei Tisch schon irgendwie bekannt erschienen, doch sie weiß nicht wo sie ihn einordnen soll. Zwar wollte sie alleine sein, doch als zukünftige Herrscherin wird von ihr verlangt höflich zu sein und so hebt sie die Mundwinkel zu einem Lächeln.

"Ich dachte, dass ich alleine bin."

"Das war keine Antwort."

"Was geht es dich an?"

"Nichts, ich war nur neugierig, warum das Mädchen, dass mir das Leben gerettet hat, so traurig ist."

Jetzt endlich weiß Darla wen sie vor sich hat. Aus dem Lausbuden Liam ist ein junger Mann geworden und sie versucht ihn ehrlich anzulächeln, doch es geht nicht, stattdessen brechen alle Fragen auf einmal aus ihr heraus.

"Wieso liegt die Last den Frieden im Volk zu wahren auf meinen Schultern? Warum wurde mein Schicksal von meinen Eltern und der Göttin bestimmt? Wie soll ich entscheiden zwischen dem Ruf in meinem Herzen und dem Willen meiner Eltern?"

Liam legt seine Hand auf ihre Schulter und führt die junge Frau aus dem Kräutergarten zurück auf die Terrasse ins Licht der Fackeln.

"Ich höre dir zu, doch ich möchte nicht,  dass es erscheint, als würde ich mich der zukünftigen Fürstin von Uster auf ungebührliche Weise näheren."

Darla seufzt tief und lässt sich von ihm auf die Terrasse zurück bringen. Sie schämte sich der Tränen die Spuren in ihrem Gesicht hinterlassen haben, doch Liam geht kurz ins Haus und kommt mit einem Glas Wasser und einer Serviette zurück.

"Ich glaube, dass du die an einem Ast dreckig gemacht hast, du solltest über deine Wange reiben."

Ohne auf die rhetorischen Fragen ein zu gehen stellt er sich neben sie an das Geländer und schweigt. Mit ein wenig Wasser und der Serviette reibt Darla über ihr Gesicht und stellt zumindest äußerlich die Fassade der zukünftigen Fürstin wieder her, doch

 sein Schweigen reizt sie ihm alles zu erzählen, was sie schon so viele Jahre bedrückt.

"Ich höre den Ruf der Göttin in mir, ich weiß, dass ich berufen bin das Wissen der alten Religion zu wahren und weiter zu geben, doch meine Eltern und mein Onkel haben schon vor meiner Geburt beschlossen, dass eine Hochzeit zwischen mir und York den Frieden sichern soll."

Einmal angefangen kann Darla nicht mehr aufhören, sie will, dass er versteht. Sie will nicht für ein dummes zickiges Mädchen gehalten werden und erzählt ihm alles von Anfang an. Von ihrem Großvater und dem Bruderzwist, von dem Erscheinen der Hebamme bei ihrer Geburt. Sie erzählt ihm, dass sie zur Vorbereitung auf ihre Position bei ihrer Tante war.

"In der Nacht nach dem du fürs Angelusläuten vom Mönch bestraft wurdest hörte ich den Ruf der Göttin und wurde seit dem darauf vorbereitet mein Gelübde abzulegen."

"Ich hatte in all den Jahren die Befürchtung, dass du die Schule nicht mehr besuchen durftest, weil du dich gegen den Mönch gestellt hast."

Darla blickt auf und erkennt, dass er es nicht so dahin gesagt hat, sondern dass er wirklich der Meinung war an ihrem Weggehen mit Schuld zu haben und sie erklärt es ihm.

"Es hatte nichts mit den Mönchen zu tun. Ich habe es gespürt, ich musste es tut, ich musste weg gehen, weil die Göttin mich rief. Das hatte nicht mal etwas mit meinem Handeln zu tun, sondern die Erkenntnis kam aus meinem inneren."

"Danke, dass du es mir erzählt hast, doch ich wollte dich nicht unterbrechen."

"Ich bin fertig mit meiner Geschichte. Danke, dass du zugehört hast."

"Willst du mir sagen was dich konkret heute Abend in den Kräutergarten getrieben hat?"

"Ich habe bei den Priesterinnen das Gefühl, dass ich die Hoffnung, die sie in mich als junge Hüterin setzten enttäusche wenn ich Fürstin von Uster werde. Ich weiß, dass mein Vater mich zu den Priesterinnen gehen lassen würde, denn er rechnet seit meiner Geburt damit, dass sie einen Preis von ihm fordern. Doch der Preis wäre sehr hoch. Mein Onkel hat kein Verständnis für die alte Religion, er hat auf seinen Ländereien sogar die Steinkreise schleifen lassen. Für ihn gilt nur der Ruf seines Gottes. Damit wäre mein Vater wortbrüchig. Er würde mitsamt der Familie in die Verbannung gehen müssen um den Frieden zu sichern, da seine Soldaten sonst immer zwischen der Treue zu ihrem Herrn und dem Schwur gegenüber der Fahne des Fürsten ständen."

Darla zittert vor Kälte und weil die Mauern, die ihre Zweifel und ihre Unsicherheit eingeschossen haben zerbrechen und den Blick auf ein verzweifeltes kleines Mädchen freigegeben.

 

Liam hört sich das alles nur an, er gib ihr keinen Rat, sondern als er merkt, dass  Darla friert seine Jacke. Sie zieht die Jacke um ihre Schultern und blickt über das Geländer in die Dunkelheit. Es ist wie ein Blick in ihre Zukunft.

"Ich werde mein Glück und meine Bestimmung zugunsten des Friedens zwischen den beiden Teilen des Landes opfern. Ich werde York heiraten und Fürstin von Uster werden."

"Wie willst du den Menschen klar machen, dass sie dir wichtig sind, und dass dir ihr Wohl am Herzen liegt, wenn du dir selbst nicht wichtig bis und dir nicht mal dein Wohl am Herzen liegt?"

"Aber..."

"Kein ABER, sondern eine  Frage 'Wer wäre eine geeignete Fürstin für Uster?' beantworte sie und du wirst sehen, dass alles andere sich wie von selbst ergibt."

"Ramona meine Schwester wäre die perfekte Fürstin. Sie spielt schon seit Jahren Prinzessin und erzählt mir jedes Mal wie neidisch sie auf mich ist. Sie tritt sich sogar manchmal mit Ean."

"Dann sollte sie es auch werde. Der jüngere Bruder von York ist noch nicht vergeben."

Darla dreht sich zu dem Jungen um, der sich so selbstverständlich über die gesamte Planung hinweg setzte.

"Aber ich kann das nicht. Ich liebe doch meine Eltern, es würde ihnen das Herz brechen ihre Heimat zu verlassen."

Liam sieht der jungen Frau ins Gesicht und erkennt den tief sitzenden Wunsch es ihren Eltern und den Priesterinnen recht zu machen, er sieht die Verzweiflung und die Hoffnungslosigkeit. Noch während er mit ihr spricht reift in seinem Kopf der Plan sie zu retten.

"Ich kenne deine Göttin und ihre Lehre nicht, doch ich kenne die Gebote meines Gottes und dieser sagt, 'liebe deinen nächsten, wie dich selbst. WIE DICH, nicht MEHR ALS DICH. Also wäre es ein Akt der Liebe wenn du deinem Herzen folgst."

"Ich habe das noch nie so gesehen, doch ich sehe keine Möglichkeit es umzusetzen."

"Willst du es den? Willst du es von ganzem Herzen?"

"Ja, das will ich,  ich will der Göttin dienen und den Frieden sichern."

"Ich sagte dir damals, dass ich dir mein Leben schulde. Jetzt lass mich dir helfen deines nach deinen Vorstellungen zu leben. "

Darla traut ihren Ohren nicht. Sollte es wirklich einen Weg für sie geben. In ihrem Kopf formen sich tausend Fragen auf einmal, doch sie kann nicht eine stellen, denn ihr Vater tritt auf die Terrasse.

"Darla?"

"Ja Vater. Ich bin hier draußen. "

"Hallo Liam."

"Mein Fürst, ich begleitet eure Tochter  weil sie sich nicht wohl fühlte nach draußen."

"Geht es dir besser?"

"Ja, Vater, mir hat wohl nur etwas schwer im Magen gelegen."

"Dann lass uns hinein gehen."



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