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Wie Katsudon

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Es tut mir leid... Komplett anzeigen

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Da sitzen sie jetzt. Ringe an den Fingern, überdimensionale Lächeln in den Gesichtern, Flausen in den Köpfen.

Ihnen gegenüber sitzt Toshiya, mein lieber Ehemann, und lächelt freundlich wie immer zurück.

Leider sind seine Fragen an die beiden alles andere als freundlich, jedenfalls nicht inhaltlich. Fast könnte man meinen, er verdächtige Viktor, etwas illegales getan zu haben, oder es vorzuhaben. Vielleicht will er auch nur herausfinden, ob Viktor unserem Yuri auch nicht wehtun wird. Als wäre Yuri ein kleines Mädchen.

 

Erst heute morgen sind sie aus Barcelona zurückgekehrt, Yuri mit seiner Silbermedaille in der Tasche und beide mit diesen Ringen. Schon bei der Fernsehübertragung waren sie mir aufgefallen, aber ich war zu aufgeregt, sie zu erwähnen, schließlich wollte mein Junge das Unmögliche schaffen und den Grand Prix gewinnen. Natürlich wusste ich immer, dass Yuri gut ist, aber der Beste...? Die anderen sind einfach weniger gestürzt, und das zählt ja beim Eiskunstlauf, oder?

Ja, wirklich viel verstehe ich nicht davon...

 

Jetzt ist es Mittag und vor kaum einer Stunde haben sie uns informiert.

Viktor würde weiter Yuris Trainer bleiben und auch weiterhin bei uns wohnen. Vielleicht würde er aber auch nicht bei uns wohnen, das müsse sich noch herausstellen. Vielleicht würde dann auch Yuri ausziehen. Vielleicht würde sich alles ändern. Oder nichts.

Irgendwann habe ich nur noch Bahnhof verstanden und sie zur Rede gestellt: „Was wollt ihr eigentlich die ganze Zeit sagen? Ihr redet nur um den heißen Brei!“

„Wir werden heiraten“, verkündete Viktor daraufhin strahlend.

Yuri lief knallrot an.

Mari-Chan grinste von einem Ohr zum anderen.

Ich wusste nicht, was ich sagen sollte, und Toshiya verließ für eine halbe Stunde den Raum.

Als er wiederkam, begann das Verhör.

 

Neben mir schläft Mari, die der Jetlag erwischt hat. Auf meiner anderen Seite liegt Makkachin und schaut ständig von seinem Herrchen zu meinem Mann und zurück. Wahrscheinlich bewege ich meinen Kopf genau so hin und her wie der Hund.

„Jetzt lass die Jungs doch erstmal ankommen“, fordere ich schließlich Toshiya auf.

„Das kann ich nicht“, antwortet er nur ohne mich anzusehen. „Nicht bevor ich mir über die Absichten dieses Mannes im Klaren bin.“

„Wir leben im 21. Jahrhundert, da muss du das nicht mehr. Und dass die beiden sich lieben, sieht man doch auf eine Meile gegen den Wind. Jetzt lass die beiden erstmal etwas Essen und den Jetlag ausschlafen.“

Viktor sieht mich überrascht an. „Sie haben also nichts dagegen, dass Yuri und ich heiraten wollen?“, fragt er vorsichttig.

„Nein, natürlich nicht. Sie machen Yuri glücklich. Und als Mutter ist das alles, was ich will.“ Es ist die Wahrheit.

Als Kind machte nichts Yuri glücklicher als auf dem Eis zu stehen, also ließ ich ihn aufs Eis. Später war es mir egal, ob er gewann oder nicht. Wenn er zufrieden war, reichte mir das schon.

Nach seiner Rückkehr nach der letzten Saison war er so niedergeschlagen, dass es mir fast das Herz zerriss, aber ich ließ es mir nicht anmerken. Ich machte ihm sein Lieblingsessen und freute mich, wenn er sich wenigstens darüber freute.

 

Und dann tauchte Viktor auf.

Yuri blühte wieder auf. Er tranierte. Er schöpfte Hoffnung. Und das machte mich glücklich.

Das, und Makkachin. Ich kann nicht anders, dieser Hund ist mir einfach ans Herz gewachsen. Nicht auszudenken, wenn Yuri und Viktor sich getrennt hätten und Viktor den Hund wieder mit nach Russland genommen hätte...

 

Ein lautes Grollen lässt Toshiya verstummen. Yuri senkt schuldbewusst den Blick.

„Jetzt ist aber wirklich Schluss. Die Jungs bekommen erstmal etwas zu Essen.“

Während ich in Richtung Küche gehe, scheint Mari aufzuwachen. „Hat jemand von Essen geredet?“, höre ich sie murmeln.

Mein Mann folgt mir.

„Bist du dir wirklich sicher, dass du die beiden bei dieser... dieser Sache unterstützt?“, fragt er während ich das Essen mache.

„Natürlich. Schau sie dir an. Sie sind unzertrennlich und lieben sich.“

„Aber eine Hochzeit... zwischen zwei Männern...“

„Ja, und? Zugegeben, wir könnten wohl nicht hier feiern, aber dennoch...“

Toshiya sieht mich entsetzt an. „Wieso nicht hier? Ist dir unser Haus jetzt nicht gut genug, oder was?“

Ich kann nur seufzend den Kopf schütteln. „Was du wieder denkst. Legal heiraten können sie hier jedenfalls nicht. Ob sie es in den USA machen wollen? Oder irgendwo in Europa?... Nein, ich würde Amerika vorziehen. Wenn ich Glück habe, wählen sie New York. Da wollte ich schon immer hin.“

Entsetzen im Gesicht meines Mannes. „Dann... dann müssten wir ja das Onsen schließen...“

„Für ein paar Tage wird das wohl gehen, es geht schließlich um die Hochzeit unseres Sohnes“, lächle ich ihn an und koche weiter.

 

Einige Tage später hat sich dann alles wieder einigermaßen beruhigt. Yuri trainiert wieder, so wie es sein noch mit blauen Flecken übersätes Bein eben zulässt. Toshiya scheint sich mehr und mehr mit der Hochzeit abzufinden. Mari und Minako planen die Hochzeit, von der Dank Yukos Drillingen mittlerweile die ganze Welt weiß.

Nach dem Abschluss der Saison soll es soweit sein. Wenn Yuri Weltmeister ist. Das ist jedenfalls Viktors großes Ziel. Ich glaube, Yuri ist davon noch nicht so ganz überzeugt, aber das ist nichts, was Viktor nicht auch hinbekommen würde.

Und es ist Weihnachten. Das bedeutet einmal mehr von einem lauten, überraschten Schrei aufzuwachen. Einmal mehr? Nein, eigentlich ist es das erste Mal. Und es sind keine japanischen Worte des Schreckens, die durchs Haus hallen... Ich glaube, Viktor flucht gerade auf Russisch. Dann lacht er laut und plötzlich ist es wieder ganz still. Es schneit und mein Wecker klingelt in drei Minuten. Vielen Dank, Jungs.

 

Am Frühstückstisch scheint Viktor sehr fröhlich. Er darf das auch, schließlich hat er heute Geburtstag. Yuri dagegen sitzt nur mit hängendem, hochrotem Kopf da.

„Sag mal, was war das eigentlich für ein Lärm, den du vorhin gemacht hast, Viktor? Ich bin vor Schreck fast aus dem Bett gefallen“, beschwert sich Mari.

„Das bin ich auch fast. Ich habe gedacht, ich bekomme einen Herzinfarkt, so erschrocken war ich, als ich aufwachte und Yuri neben mir lag...“, grinst Viktor.

„Habt ihr etwa noch nie im selben Bett geschlafen?“, wundert Mari sich.

„Doch, doch, aber nicht gestern. Ich habe Yuri früh schlafen geschickt, weil ich ihn beim Training besonders gequält habe.“

„Ich glaube nicht, dass das das richtige Thema fürs Frühstück ist, Kinder“, wirft Toshiya ein, und ich gebe ihm Recht. Für solche Themen braucht es mehr Vodka und der ist leider in der Küche. (Viktor hat welchen aus Russland schicken lassen.)

Ihren Vater und mich ignorierend hakt Mari weiter nach: „Aber nur weil der eigene Verlobte neben einem liegt, erschrickt man doch nicht so...“

„Wenn er nackt ist, schon“, grinst Viktor. Mari lacht. Yuri senkt den Kopf noch tiefer und wird noch roter, wenn das überhaupt geht.

Toshiya wird ebenfalls rot, murmelt etwas von Arbeit und verschwindet.

„Daran wirst du dich aber gewöhnen müssen. Nach der Hochzeit wird das schließlich Normalität“, grinst Mari und macht sich ebenfalls an ihre Arbeit.

Kurz nachdem sie gegangen ist, scheint Yuri seine Stimme dann doch noch zu finden. „Das... also... das ist nur... weil... also ich habe...“, stammelt er vor sich hin.

„Ich weiß, es war mein Geburtstagsgeschenk“, lächelt Viktor ihn an und nimmt seine Hand. „Komm, wir gehen mit Makkachin raus.“

Und ich muss den Tisch mal wieder allein abräumen.

 

Helsinki, Finnland. Weltmeisterschaften im Eiskunstlauf 2017.

Yuris Kür ist gerade vorbei, ich starre auf die große Leinwand in der Halle, auf der in den nächsten Sekunden seine Punkte auftauchen müssten. Nach dem Kurzprogramm gestern war er Dritter. Die Kür heute hat er fehlerfrei überstanden.

„Absolute Perfektion“, flüsterte Minako neben mir während die Halle jubelte und unzählige Blumensträuße und Plüschtiere aufs Eis regneten. „Leider waren die Schwierigkeiten geringer als bei Yurio und JJ.“

Die Punkte leuchten auf. Persönliche Bestleistung. Vorübergehende Führung. Und Tränen in Yuris Augen. Er strahlt mehr als jemals zuvor.

Vor den Augen der Weltöffentlichkeit zieht Viktor ihn in seine Arme. Das ist nicht die Umarmung eines Trainers für seinen Schützling, das ist die Umarmung eines Liebhabers. Die Fotografen überschlagen sich fast, als sich meine beiden Jungs dann auch noch küssen, vor aller Augen.

„Egal, was Yurio und JJ noch machen, gewonnen hat Yuri damit auf jeden Fall“, grinst Mari auf meiner anderen Seite und Yuko und die Drillinge, deren Plätze leider zwei Reihen vor uns liegen, feuern den Kuss lauthals an.

Später, während dieser komische Kanadier seine Kür läuft, bekomme ich eine SMS meines Mannes. „Das haben sie nicht wirklich getan, oder?“ steht darin. Nicht mehr. Er sitzt zu Hause und schaut sich die WM mit Makkachin und unseren Gästen an, vielleicht ist auch Yukos Mann vorbeigekommen.

„Doch“, antworte ich nur.

Yuri wird am Ende zweiter, hinter dem Kanadier. Allerdings strahlt Yuri auf dem Podest mehr als er. Mein kleiner Junge scheint glücklicher als je zuvor.

 

Wir treffen die beiden später im Hotel, um feiern zu gehen. Sie verlassen den Fahrstuhl zusammen mit dem Kanadier, den alle nur JJ nennen und dessen Namen ich mir nicht merken kann, und seiner Frau.

„Eigentlich wolltet ihr doch erst heiraten, wenn Yuri den Grand Prix gewinnt“, lacht der junge Mann.

„Du hast den Grand Prix doch auch nicht gewonnen und trotzdem geheiratet“, grinst Victor ihn an.

„Touché!“ Die beiden Kanadier gehen ihrer Wege.

„Herzlichen Glückwunsch!“, rufen wir alle zusammen, die Drillinge am lautesten.

„Danke“, antwortet Yuri etwas verlegen und greift nach Viktors Hand. „Lasst uns essen gehen.“

 

Ohne noch einmal nach Japan zurück zu fliegen, geht es zwei Tage später weiter nach New York.

Die Jungs haben mir meinen Wunsch erfüllt und heiraten dort. Natürlich habe ich diesen Wunsch nie erwähnt, aber das muss ja keiner wissen...

Alle ihre Freunde sind da, selbst Yurio, der angeblich „zufällig“ in der Stadt ist. Toshiya hat das Onsen auch für ein paar Tage geschlossen und ist jetzt neben mir.

Die Trauung war schlicht und sehr tränenreich. Mari, Minako, Yuko, ich, mein Mann... wir alle weinten, während die Drillinge unentwegt Fotos und Videos machten. Aus einer privaten Hochzeit wird so in kürzester Zeit ein Event in den sozialen Medien werden. So drückte es Minako jedenfalls aus, als sie die Kinder mit den Handys in den Händen sah. Aber auch Yuris Freunde haben genug Bilder für drei Fotoalben gemacht, auch wenn sie wahrscheinlich nicht einmal mehr wissen, wie altmodische Fotoalben aussehen.

Am Ende des Abends, der ausgiebig in einem japanischen Restaurant gefeiert wird, hat Yuri drei Portionen Katsudon gegessen. Während der letzten Monate war er von Viktor auf strenge Diät gesetzt worden, und heute durfte er das erste Mal wieder welches essen. Seine Augen leuchteten regelrecht auf, als Viktor ihm das heute morgen beim Frühstück versprochen hatte. Viktor und Katsudon, die größten Schwächen und die größten Motivatoren für meinen Sohn.

Jetzt liegt sein Kopf auf Viktors Schulter, ein friedliches Lächeln liegt auf seinem schlafenden Gesicht und seine Hände sind mit Viktors regelrecht verwoben.

„Ich dachte immer, das Eis sei meine einzig wahre Liebe. Wie falsch ich doch lag“, flüstert Viktor und beobachtet Yuri glücklich.

In einer anderen Ecke des Zimmers sitzen Mari und Minako und trinken immer wieder auf das Brautpaar. Beide sind sturzbetrunken und werden von den anderen Anwesenden skeptisch beäugt.

„Was ist los?“, fragt Toshiya mich als ich unwillkürlich laut seufze.

„Wir werden nie Enkelkinder haben.“



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Kommentare zu diesem Kapitel (5)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Azamir
2017-01-04T20:29:44+00:00 04.01.2017 21:29
Yuris Mama ist doch die Beste. <3
Von:  Sakiko_Seihikaru
2016-12-19T23:11:41+00:00 20.12.2016 00:11
Was tut dir denn bitte leid?
Ach man, du kannst einfach alles, wirklich alles schreiben und das ist wohl nichts, was dir leid tun muss (du könntest sogar eine Geschichte aus Sicht der Eisfläche schreiben und sie wäre lesenswert!).
Du hast Yuris Mutti wirklich gut getroffen, könnte mir nicht vorstellen, dass sie anders reagiert.
Toll gemacht und es hat sich toll gelesen.
Antwort von:  NaokoSato
20.12.2016 00:23
Ähm... ^//////////^ ... Danke ^^
(Führe mich nicht in Versuchung... du weißt, Mülltonne...)
Antwort von:  Sakiko_Seihikaru
20.12.2016 14:15
Ich weiß, genau deswegen ja XD
Von: Hinata_Shouyou
2016-12-19T15:34:45+00:00 19.12.2016 16:34
aww
echt niedlich geschrieben
liebe deinen Schreibstil
mach weiter so
Antwort von:  NaokoSato
19.12.2016 19:54
Vielen Dank ♥
(Und ich geb mir Mühe ;) )
Von:  das_Diddy
2016-12-18T20:38:38+00:00 18.12.2016 21:38
Großartig. ♥ Jetzt haben wir ein literarisches Triptichon. ^^
Ich finde, du hast mit deinem Stil Yuris Mutti gut getroffen. Genau so stell ich mir vor würde sie reagieren. Die weiteren Zukunftsaussichten sind auch sehr cool. ♥ ♥ ♥
Antwort von:  NaokoSato
18.12.2016 21:45
Genau ^^
Vielen Dank ♥


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