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Kapitel 3 - Madara
 

Sechs Tage sind seit dem Morgen vergangen, an dem Madara seinen jüngeren Bruder wieder in die Arme schließen konnte, ohne befürchten zu müssen, dass sich dessen Verletzung dadurch verschlimmern würde. Als er Izuna gesehen hatte, konnte er seine Erleichterung und seine Freude nicht in Worte fassen. Er konnte damals nicht anders, als sich ihm um den Hals zu werfen und seine Stirn zu küssen. Madara vergaß alles um sich herum. In diesem Augenblick existierten nur noch er und sein Bruder, den er am liebsten nie mehr losgelassen hätte.

Sie redeten lange über belanglose Dinge, die nichts mit Krieg oder mit der Zeit zu tun hatten, in der Izuna bewusstlos gewesen ist. Madara wurde immer ganz warm ums Herz, wenn er seinen Bruder lachen hörte und er konnte sich nicht vorstellen, wie es wäre, es nie wieder hören zu können.

Tobirama hatte er an dem Tag nicht mehr gesehen, was er nicht wirklich bedauerte. Aber er hätte sich dennoch gerne bei Hashirama bedankt, und da dieser sich auch nirgendwo blicken ließ, nahm er an, Tobirama sei bei ihm. Er hatte sich vorgenommen, ihn am nächsten Tag auf Hashirama anzusprechen, sollte dieser weiterhin fernbleiben. Doch als es so weit war, wich Tobirama seinen Fragen bezüglich seines älteren Bruders aus und wimmelte ihn mit einem schnippischen „Er hat sich erkältet. Lass ihn in Ruhe“ ab. Natürlich gefiel Madara diese Antwort überhaupt nicht, doch er beließ es dabei. Das Wetter an dem Tag, an dem sie sich trafen, war ziemlich schlecht, da konnte es nun mal passieren, dass man sich erkältete.

Jetzt, nachdem er Hashirama seit fast einer Woche nicht mehr gesehen hatte, zweifelte er an Tobiramas Aussage, da sich dieser allerdings auch kaum blicken ließ, war es schwer für Madara, ihn nach Hashiramas Verbleib zu fragen.

Es war ja nicht so, dass er sich Sorgen um Hashirama machte, aber er wollte den Frieden zwischen ihren Clans schnell besiegeln und öffentlich machen, denn er war es leid, sich die ganze Zeit verstecken zu müssen, damit hier keine Massenpanik ausbrach. Außerdem wollte er wieder nach Hause, denn er war sich sicher, dass seine Clanmitglieder nicht mehr lange still bleiben würden, sollte er noch länger hier bleiben. Er hatte vor einigen Tagen zwar einen seiner Kuchiyose-Falken mit der Nachricht, dass sie beide wohlauf waren, losgeschickt, allerdings befürchtete er, dass die anderen skeptisch werden würden, sollten Madara und sein Bruder nicht bald wieder zurück kommen.

Ein leises Seufzen verließ Madaras Lippen, als er sich von seinem Schlafplatz erhob und zu der Tür in seinem Zimmer ging. Er hatte Stunden damit verbracht, auf seinem Futon zu liegen und auf die Zimmerdecke zu starren. Jetzt war es schon fast Mittag und Madara konnte sich sicher sein, dass Izuna genug geschlafen hatte. Der Jüngere war nämlich ein Langschläfer und ein ziemlich großer Morgenmuffel. Vermutlich würde er den ganzen Tag verschlafen, wenn man ihn nicht zwang aufzustehen.

Bei diesem Gedanken schlich sich ein leichtes Lächeln auf Madaras Lippen. Ja, er hätte die morgendlichen Streitereien mit seinem Bruder sehr vermisst, ganz zu schweigen von all den anderen Dingen, mit denen er sein Leben so sehr bereicherte.
 

Er schob die Tür zu Izunas Zimmer vorsichtig auf und betrat leise den Raum. Auch wenn Madara vorhatte seinen Bruder zu wecken, musste er ihn ja nicht gleich unsanft aus dem Schlaf reißen und unnötig erschrecken.

Er ging neben Izunas Futon in die Hocke und legte ihm einen Arm auf die Schulter. Madaras Blick landete auf dem friedlichen Gesicht des Jüngeren und er musste leicht schmunzeln. Es war kaum zu glauben, dass ein Ninja einen so tiefen und ruhigen Schlaf haben konnte. Es tat ihm schon fast leid, ihn wecken zu müssen, aber Izuna sollte auch nicht den ganzen Tag verschlafen. Wobei es kaum etwas gab, was er verschlafen konnte, immerhin konnten sie hier so gut wie nichts machen. Selbst ihre Notdurft konnten sie nicht immer dann verrichten, wann sie wollten - oder mussten. Da immer die Gefahr bestand, entdeckt zu werden, mussten sie aufpassen und die Zeiten nutzen, an denen der Großteil des Clans in ihren Häusern oder auf Missionen war. Für den Notfall hatte Tobirama ihnen einen Eimer gegeben, den sie glücklicherweise noch nicht benutzen mussten, was auch gut war, da der Weißhaarige mehr als deutlich klar gemacht hat, dass sie den Inhalt „gefälligst selbst entsorgen“ sollten.

Bei dem Gedanken seufzte Madara schwer. Er wollte diese elende Situation endlich beenden, denn das hier war weit unter seiner Würde. Das war weit unter jedermanns Würde. Wo war nur Hashirama, damit sie endlich den verdammten Frieden schließen konnten!

Eine Bewegung riss ihn aus seinen Gedanken. Izuna war aufgewacht und sah ihn aus müden Augen fragend an.

„Wieso drückst du meine Schulter so fest? Du hättest auch etwas sagen können, dann wäre ich aufgewacht.“

Leicht erschrocken riss Madara seine Hand zurück und sah Izuna entschuldigend an.

„Ich war in Gedanken, tut mir leid.“

Er setzte sich im Schneidersitz auf den Boden, während Izuna die Decke zurückschlug und sich aufsetzte. Der Jüngere rieb sich gähnend die Augen.

„Das Schlimmste an einem Morgen ist das Aufstehen. Himmel, bin ich müde. Am liebsten würde ich einfach weiterschlafen.“

„Na dann ist es ja gut, dass inzwischen schon Mittag ist“, sagte Madara in einem belustigten Ton. „Steh auf, du Schnarchnase, ich habe Hunger.“

Damit erhob Madara sich und sah Izuna auffordernd an. Dieser murrte nur schlecht gelaunt und stand auch langsam auf.

„Ich schnarche nicht“, murmelte er. Madara sah ihn daraufhin mit einem bösen Grinsen an.

„Wenn du wüsstest...“

Gespielt beleidigt drehte sich Izuna um. Er ging zu dem kleinen Stapel frischer Kleidung, die Tobirama ihnen beiden vor einigen Tagen gegeben hatte, da er der Meinung war, es sei zu riskant, ihre Sachen waschen und draußen zum Trocknen aufhängen zu lassen. Madara hingegen war der festen Überzeugung, dass das nur eine billige - und nicht besonders gute - Ausrede war, um sie ein wenig zu ärgern.

Er selbst hatte in seinem Zimmer auch so einen Stapel, allerdings bediente er sich lieber an dem seines Bruders, da ihm die Sachen von Tobirama tatsächlich etwas besser passten als die von Hashirama. Es gefiel ihm nicht, zugeben zu müssen, dass der Weißhaarige recht hatte, aber Madara sah in Hashiramas Kleidung wirklich lächerlich aus.

Bei Izuna hingegen passte nichts halbwegs gut und da er durch seine Verletzung recht viel abgenommen hat, wurde der Größenunterschied zwischen ihm und dem jüngeren Senju sehr stark deutlich. Dabei fiel Madara ein, dass er selbst etwas Training auch ganz gut vertragen könnte.

Gestern waren er und sein Bruder das erste Mal in dem Wald gegangen, um einen Trainingskampf zu machen. Der Rest von Izunas Wunde ist recht gut verheilt, daher konnten sie langsam wieder anfangen zu trainieren. Jedenfalls ist Madara erst da richtig bewusst geworden, was es hieß, über eine Woche nicht zu kämpfen. Um es zusammen zu fassen: Seine Kondition war schlecht. Seine körperliche Kraft war schlecht. Die Stärke seiner Jutsus war schlecht (jedenfalls im Vergleich zu seiner üblichen Leistung). Und seine Stimmung, als er das alles erfahren hat, war mehr als nur schlecht. Er konnte nicht in Worte fassen, wie er sich gefühlt hat, denn der Begriff, der seine Laune zu diesem Zeitpunkt passend beschreiben konnte, musste erst noch erfunden werden. Jedenfalls hatten sie beide die Folgen des nicht vorhandenen Trainings deutlich zu spüren bekommen.

Madara beendete seine Gedanken mit einem leisen Seufzen und ging zu Izuna, um sich einen frischen Yukata aus dem Stapel zu nehmen, woraufhin er einen bösen Blick von seitens seines Bruders erhielt.

„Ich habe bald nichts mehr zum Anziehen, wenn du weiterhin meine Kleidung klaust.“

„Also genau genommen ist das nicht deine Kleidung, sondern Tobiramas“ sagte Madara abwesend, während er sich umzog.

„Komm schon, du hast deine eigenen Sachen bekommen, also zieh sie auch an. So groß kann der Unterschied zwischen den beiden doch nicht sein.“

Daraufhin schnaubte Madara verächtlich.

„Schön wär’s. Leider ist Hashirama etwas größer und um einiges breiter gebaut als Tobirama. Deswegen versinke ich praktisch in seiner Kleidung. Besonders nachdem ich etwas abgenommen habe.“

„Du Ärmster, was soll ich denn sagen? Ich habe das Gefühl, es könnten zwei von meiner Sorte in die Sachen passen. Und du nimmst sie mir auch noch weg. Wenn ich deinetwegen die noch größere Kleindung von Hashirama anziehen muss, werde ich dir das nie vergessen.“

Madara lachte auf. Ja, sein Bruder konnte ziemlich nachtragend sein, aber er wusste auch, dass Izuna ihm nie lange böse sein würde, auch wenn er es immer sagte.

„Ach komm, so schlimm wird das nicht werden. Wir sagen Tobirama einfach, dass du mehr Kleidung von ihm brauchst. Er wird sie dir schon geben.“

Darauf erwiderte Izuna nichts und zog sich ebenfalls um. Madara glaubte wirklich, dass Tobirama Izuna den Gefallen tun würde. Er hatte nämlich das Gefühl, dass Tobirama eine gewisse Sympathie für seinen jüngeren Bruder empfand. Sie sahen den Weißhaarigen zwar nicht oft, aber wenn sie ihn sahen, dann war dieser fast ausschließlich auf Izuna fixiert. Er redete mit ihm und hörte ihm zu. Mit Madara sprach er hingegen nur das Nötigste und ignorierte ihn, wenn er etwas sagte. Außerdem erkundigte Tobirama sich häufig nach Izunas Gesundheit. Er hatte ihm sogar ein paar Bücher geliehen, damit ihm nicht allzu Langweilig wurde, wenn Madara mal nicht bei ihm war, was vor allem Abends der Fall war, da Madara es vorzog, früh schlafen zu gehen, während Izuna lieber noch etwas länger wach blieb. Tobirama hatte ihm sogar ein paar Kerzen gegeben, damit er auch bei Dunkelheit gut lesen konnte. All dieser Luxus blieb Madara hingegen verwehrt.

Wenn er es nicht besser wüsste, würde er sagen, Tobirama hatte ein verdammt schlechtes Gewissen. Allerdings glaubte er eher, dass Hashirama ihm aufgetragen hat, sich um sie zu kümmern, und er - um seinen Bruder nicht komplett anzulügen - lieber für Izunas Wohlergehen sorgte. Wahrscheinlich wollte er Madara durch seine Ignoranz einen Seitenhieb verpassen. Auch wenn Madara das Ganze nur ungern einfach tatenlos hinnahm, würde er Tobirama vorerst in Ruhe lassen. Er wollte die Geduld seines Gastgebers ja nicht überstrapazieren. Nicht nach allem, was dieser für ihn getan hat. Auch wenn Hashirama als Preis für seine Hilfe den Frieden zwischen ihren Clans wollte, würde Madara dennoch tief in seiner Schuld stehen, denn das Leben seines Bruders war für ihn so viel mehr wert als das, und er würde Hashirama alles zurück zahlen.

Vor allem auch weil Madara selbst schon lange mit dem Gedanken gespielt hat, die Friedensvorschläge Hashiramas anzunehmen, denn irgendwie vermisste er ihn als Freund. Er konnte sich noch gut daran erinnern, wie er die Freundschaft zu ihm aufgab, als sich herausstellte, dass er zu dem feindlichen Clan gehörten.

Sie waren noch Kinder, doch er war sich sicher, dass sie ihr Ziel, einen Ort zu schaffen, an dem sie in Frieden miteinander leben konnten, verwirklichen würden. Sie wollten einen Ort, an dem Kinder wie sie es damals waren ausgelassen spielen konnten, ohne sich den Gefahren eines Schlachtfelds aussetzen zu müssen. Damals verlor er mehr als nur einen Freund. Er verlor einen Traum und gewann etwas anderes dazu, nämlich seine Sharingan. Die Augen, die von Schmerz und Verlust zeugten.

Aber jetzt würde alles wieder gut werden, da war er sich sicher. Jetzt hatte er seinen Freund wieder, sein Bruder war wieder gesund und munter und seinen Clan würde er auch davon überzeugen, dass es viel besser war, in Frieden miteinander zu leben, anstatt sinnlose Kämpfe auszutragen.

„Madara? Alles in Ordnung? Ich habe das vorhin nicht ernst gemeint, du kannst dich gerne bedienen. Sei nicht sauer auf mich.“

Aus seinen Gedanken gerissen sah Madara seinen Bruder fragend an. Als ihm dann klar wurde, auf was er sich bezog, schlich sich ein leichtes Lächeln auf Madaras Lippen.

„Ich bin doch nicht sauer auf dich. Ich habe nur über die Zukunft nachgedacht. Aber lass uns später darüber reden, ich habe Hunger. Lass uns schauen, was uns Tobirama heute Schönes gezaubert hat.“

Ja, Tobirama kochte für sie. Madara war ziemlich überrascht, als er von Izuna erfahren hat, dass er immer für sich und Hashirama kochte. Er hätte eher gedacht, dass der ältere Senju regenmäßig in der Küche stand. Aber Madara musste zugeben, dass Tobirama sein Handwerk verstand, denn dieser Mistkerl kochte wirklich gut.

„Du könntest dich morgens auch mal in die Küche stellen, anstatt tatenlos an die Decke zu starren und darauf zu warten, dass ich wach werde“, erwiderte Izuna.

„Wann warst du das letzte Mal wach, als ich zu dir kam? Ich warte darauf, dass ich dich wecken kann, ohne dass du den Rest des Tages wie ein Halbtoter durch die Gegend schlenderst und deine schlechte Laune verbreitest. Außerdem sind wir hier Gäste, also soll er als Gastgeber auch für unser Wohlergehen sorgen. Und seit wann verteidigst du ihn überhaupt?“

„Man kann sich mit ihm überraschend gut unterhalten. Wenn er nicht der Grund dafür wäre, dass ich fast gestorben wäre, würde ich ihn sogar als ‚ganz nett‘ bezeichnen.“

„Stimmt, zu dir ist er wirklich sehr nett. Dass er so zuvorkommend sein kann, hätte ich niemals gedacht, aber das scheint leider nicht für mich zuzutreffen.“

Izuna zog überrascht eine Augenbraue hoch, nur um dann breit zu grinsen.

„Leider? Wie darf ich das denn bitte verstehen? Wäre es dir lieber, er würde dir seine volle Aufmerksamkeit schenken? Ich wusste ja von deiner Schwäche für große, starke Männer, die so widerspenstig sind wie Raubkatzen, in deinen Armen aber zu schnurrenden Kätzchen werden. Aber dass du dir Tobirama als deinen nächsten Sexpartner aussuchst, hätte ich nicht erwartet.“

Madara runzelte verärgert die Stirn.

„Wie kommst du auf die Idee, dass ich es auch nur in Erwägung ziehen würde, mit diesem Mann die Nacht zu verbringen? Nur weil ich ein unbedachtes Wort gesagt habe? Ich meinte doch etwas völlig anderes damit. Und außerdem ist Tobirama hässlich wie die Nacht.“

Izuna brach in schallendes Gelächter aus

„Na komm, er sieht doch eigentlich gar nicht so schlecht aus. Und das war ja nur ein Scherz, ich weiß, dass du kein Interesse an ihm hast.“

In Ordnung, Tobirama war eigentlich recht attraktiv und ja, er passte auch in Madaras Beuteschema. Allerdings empfand er keinerlei sexuelle Anziehungskraft, wenn Tobirama bei ihnen war, und selbst wenn er doch irgendwann einmal das Bedürfnis verspüren würde, mit ihm zu schlafen, würde er es niemals fertigbringen. Er würde immer daran denken, was bisher vorgefallen war. Zumal eine Beziehung zwischen ihnen, auch wenn sie nur auf den Sex beschränkt wäre, viel zu kompliziert sein würde. Tobirama war einfach nicht der Typ, der sich freiwillig unterwerfen ließ, und jemanden gegen seinen Willen zu nehmen war Madara zuwider. Er hatte es nun wirklich nicht nötig so tief zu sinken.

„Ich weiß, dass du das nicht ernst gemeint hast. Aber selbst wenn ich wollte, würde ich niemals etwas mit ihm anfangen. Wie könnte ich mit dem Mann zusammen sein, der mir dich fast genommen hätte?“

Izunas Grinsen verwandelte sich in ein sanftes Lächeln als er auf Madara zuschritt und ihm einen Arm auf die Schulter legte.

„Ich finde es ja toll, dass du auf mich Rücksicht nimmst, aber ich will, dass du glücklich bist. Es ist mir natürlich nicht egal, mit wem du zusammen bist, und ich kann auch nicht versprechen, dass ich ihn komplett akzeptieren werden, aber ich werde ihn auf alle Fälle tolerieren und versuchen, mit ihm auszukommen.“

„Du weißt, wie man jemandem seine Bedenken nimmt“, erwiderte Madara monoton, was Izuna zum Lachen brachte.

„Weißt du, ich finde es unglaublich schön, mit dir alleine zu sein, dann zeigst du so viele Seiten von dir, die du ansonsten versteckt hältst.“

Ein leichtes Lächeln schlich sich auf Madaras Lippen. Ja, sein Bruder war die einzige Person, bei der er so sein konnte, wie er war. Bei ihm musste er seine Gefühle nicht verstecken und eine emotionslose Maske tragen.

„Du glaubst gar nicht, wie froh ich bin, dich zu haben. Aber jetzt lass uns endlich in die Küche gehen und etwas essen. Ich bin am verhungern.“

Damit ging Madara zur Tür und schob sie auf, um auf dann auf den Gand zu treten.
 

An einem kleinen rechteckigen Tisch sitzend aßen sie den inzwischen lauwarmen Reis mit Gemüse. Es war gut, endlich mal wieder feste Nahrung zu sich nehmen zu können, denn bis gestern hatte Tobirama immer nur Suppen zubereitet. Madara vermutete, dass er es wegen Hashirama tat. Wahrscheinlich brauchte er etwas gut Verträgliches, was Madara auch verstehen konnte. Wenn er selbst krank war, konnte er auch selten etwas Festes bei sich behalten. Scheinbar ging es Hashirama inzwischen wieder besser.

Sie waren fast fertig mit dem Essen, als die Tür aufging und Tobirama eintrat. Sein Blick blieb auf Madara hängen und Widerwille ließ sich in den roten Augen erkennen.

„Hashirama möchte dich sehen... allein. Es ist wichtig.“

Madara stand schweigend auf und ging auf Tobirama zu, welcher ihn nicht aus den Augen ließ. Das brachte Madara unwillkürlich dazu, mit den Augen zu rollen. Was dachte sich dieser Senju eigentlich? Dass er ihn aus dem Nichts anspringen und auseinander reißen würde? Scheinbar bemerkte Tobirama Madaras Reaktion auf seine Vorsicht, denn er wandte den Blick ab und sah nun zu Izuna.

„Du kannst ruhig aufessen, ich komme auch gleich wieder. Die Mehrheit des Clans ist heute auf verschiedenen Missionen, also kannst du raus gehen, wenn du möchtest. Aber sei dennoch vorsichtig, einige sind noch da.“

Madara sah sich um und bemerkte, wie Izuna nickte. Tobirama klang zwar noch immer recht kühl, dennoch bemerkte er die Veränderung in der Stimme des Jüngeren. Er klang nicht so gezwungen wie in den „Gesprächen“ mit Madara. Scheinbar empfand er tatsächlich ein wenig Sympathie für Izuna. Das beruhigte Madara ein wenig, denn das bedeutete, dass er für Izuna keine allzu große Gefahr mehr darstellte. Trotzdem war Madara mulmig zumute, wenn er daran dachte, seinen Bruder mit dem Weißhaarigen alleine zu lassen. Wer wusste schon, was dieser dachte?

Widerwillig wandte er sich ab und folgte Tobirama, als dieser die Küche verließ. Wortlos gingen sie nebeneinander, bis sie vor einer Tür stehen blieben.

„Ihm geht es wieder besser, aber rege ihn bloß nicht unnötig auf“, sagte Tobirama warnend bevor er die Tür aufschob. Madara blieb keine Zeit zum Antworten, da er in das Zimmer geschoben und die Tür hinter ihm wieder geschlossen wurde. Ein wütendes Knurren verließ seine Kehle und ein gezischtes „Bastard!“ seinen Mund. Tobiramas Verhalten regte ihn immer schrecklich auf. Er konnte doch erträglich sein, das hatte er im Umgang mit Izuna bewiesen. Wieso also konnte er sich in Madaras Anwesenheit nicht ein wenig zusammen reißen?

Ein leises Kichern riss ihn aus seinen Gedanken und lenkte seine Aufmerksamkeit auf die zweite Person im Raum.

„Streitet ihr euch etwa immer noch?“, kam es belustigt von Hashirama.

Madara drehte sich zu ihm um. Der Senju stützte sich auf seinen Ellenbogen ab und sein langes schwarzes Haar war über den gesamten Futon, auf dem er lag, verstreut. Da er obenrum nichts trug, konnte Madara sehen, dass auch Hashirama etwas abgenommen hat. Er hatte zwar noch einige Muskeln, allerdings wusste Madara, dass ein Shinobi seines Grades weitaus mehr zu bieten hatte, als das, was er gerade sah.

Er konnte nicht umhin, etwas Mitleid für Hashirama zu empfinden. Wahrscheinlich konnte Hashirama während des Beginns seiner Krankheit sein Essen tatsächlich kaum bei sich behalten, wenn seine Muskelmasse so zurückgegangen ist. Um sich seine Gefühlsregung nicht ansehen zu lassen, zog er eine Augenbraue hoch und fragte provokativ: „Und wenn dem so wäre? Was willst du dagegen unternehmen?“

Das brachte Hashirama wiederum zum Lachen.

„Meinetwegen könnt ihr gerne so weitermachen, solange du ihn nicht wieder würgst und ihm fast die Brustwarze abbeißt...“

„Er ist selber schuld. Wäre er nicht über die Stränge geschlagen, hätte ich mich nicht in der Pflicht gesehen, ihm eine Lektion zu erteilen“, sagte Madara möglichst beiläufig, während er sich neben Hashirama im Schneidersitz auf den Boden setzte.

„Madara, ich meine es ernst. Ich möchte nicht, dass du meinen Bruder noch einmal so quälst“, sagte Hashirama in einem ernsten Ton und Madara seufzte ergeben.

„Hatte ich auch nicht vor. Ich war an dem Tag einfach zu reizbar und er zu biestig, da habe ich einfach die Kontrolle verloren. Du weißt, dass ich bei verbalen Auseinandersetzungen für gewöhnlich nicht handgreiflich werde. Jedenfalls nicht so extrem.“

Tatsächlich bevorzugte er in solchen Fällen lieber seine sprachlichen Konter, verteilte aber gerne auch mal die eine oder andere Kopfnuss, wenn es ihm zu persönlich wurde. Der Vorfall mit Tobirama war zwar recht amüsant und befriedigend, aber das würde sich nicht wiederholen. Es gab bei weitem bessere Methoden, den Jüngeren zu demütigen, sollte er den Bogen erneut überspannen.

„Gut, ich vertraue dir da mal, aber sollte es noch einmal zu so etwas kommen, werde ich eingreifen.“

„Na da bekomme ich es doch glatt mit der Angst zu tun“, erwiderte Madara trocken. Er wusste zwar, dass Hashirama stärker war, als er selbst, aber in seinem aktuellen Zustand würde er wohl kaum etwas gegen ihn ausrichten können. Hashirama lachte erneut auf, was Madara leicht überraschte, da er damit gerechnet hatte, den anderen verletzt zu haben, immerhin war das gerade eine ziemlich eindeutige Andeutung auf seinen körperlichen Zustand.

„Ach ja, wenn man fast eine Woche fast regungslos flachliegt, macht sich das nun einmal bemerkbar. Aber mal etwas anderes: Wie um alles in der Welt bist du nur auf die Idee gekommen, Tobirama zu zwingen, zu mir zu kommen und mir alles detailgetreu zu erzählen?“

Als Madara das hörte, konnte er sich ein leichtes Grinsen nicht verkneifen.

„Ich wollte nur, dass er sich noch lange daran erinnert, wer von uns beiden der Stärkere ist, das ist alles. Aber um ehrlich zu sein habe ich nicht erwartet, dass er das tatsächlich machen wird. Ich hätte gedacht, er erzählt mir einfach eine Lüge in der Hoffnung, dass ich das vergesse oder du mitspielst, wenn ich dich danach frage.“

„Er war in dem Moment so verängstigt, dass er so gut wie jeder Forderung nachgekommen wäre. Du hättest ihn sehen sollen. Aber genug von Tobirama. Wie geht es Izuna? Hat er sich gut erholt?“

Madara nickte. „Ja, ihm geht es wieder gut. Es ist eine kleine Schramme zurückgeblieben, aber das verheilt bald. Wir haben sogar angefangen, wieder zu trainieren. Das haben wir beide ziemlich nötig.“

Hashirama lachte in sich hinein und legte seine Hand auf Madaras Arm.

„Das freut mich für dich.“

Der sanfte Blick seines Freundes sorgte dafür, dass Madara leicht zurücklächelte. Er wollte sich ja auch bei ihm dafür bedanken. Das hier war die beste Gelegenheit dafür, doch es fiel ihm nicht leicht. Er wusste nicht, wann er sich das letzte Mal für etwas vergleichbar großes bedankt hatte. Er sollte sich vor ihm verbeugen? Aber er saß ja, da ging das schlecht. Sollte er also aufstehen? Aber das würde doch komisch aussehen, oder? Er könnte sich ja auch hinknien, aber da würde ihm sein Stolz im Weg stehen. Unschlüssig nahm er Hashiramas Hand, die noch immer auf seinem Arm ruht, in beide Hände und hielt sie fest umschlossen, was ihm einen fragenden Blick von Hashirama einbrachte.

„Ich mache das nicht oft, also erwarte nicht zu viel von mir. Ich möchte mich bei dir bedanken. Danke, dass du mir Izuna zurückgebracht hast. Du glaubst gar nicht, was du damit für mich getan hast. Ich wäre wahrscheinlich verrückt geworden, hätte ich ihn verloren. Danke, Hashirama, ich werde immer in deiner Schuld stehen.“

Während er sprach, sah er auf Hashiramas Hand. Er wusste, dass er ihm wahrscheinlich besser ins Gesicht schauen sollte, aber aus irgendeinem Grund schaffte er das nicht. Erst als er spürte, wie Hashirama ihm seine andere Hand auf die Wange legte, sah er ihn an. Dieser lächelte liebevoll, als er seine Hand wieder auf seinen Bauch sinken ließ.

„Ich habe das gerne für dich gemacht. Und ich war sehr glücklich, als du mich um Hilfe gebeten hast. Ich habe mich gefreut, dass du keine Scheu davor hast, dich an mich zu wenden. Auch wenn ich etwas verletzt war, dass so viel dafür nötig war, um dich dazu zu bringen, einem Bündnis zwischen unseren Clans zuzustimmen. Aber so bist du nun mal: stur bis zum bitteren Ende. Ich bin froh, dass dieses Ende noch verhindert werden konnte. Du bist mir auch nichts schuldig, der Frieden reicht mir vollkommen, mehr möchte ich nicht von dir.“

Mit einer gespielten Resignation seufzte Madara und schüttelte den Kopf.

„Du bist viel zu gutherzig. Wenn sich jemand freiwillig in deine Schuld stellt, solltest du das annehmen, denn du weißt nie, wann du das gebrauchen kannst. Aber ich meine das wirklich ernst: ich stehe in deiner Schuld, und wenn du etwas benötigst, dann sage es mir. Ich werde meine Schuld bei dir begleichen.“

„Na wenn du mich schon so dazu überredest, meinetwegen. Ich nehme dein Angebot an.“

Madaras Lippen zierte ein leichtes Lächeln, als er hörte, wie Hashirama sich „überreden ließ“. Da fiel ihm auch auf, dass er ja noch immer dessen Hand beschlagnahmte. Er ließ sie so beiläufig wie möglich los, um den Anschein zu erwecken, dass es geplant war, sie so lange fest zu halten. Er hatte sich genug Blöße gegeben, da musste diese Nebensächlichkeit nicht auch noch dazu beitragen.

„Und wie geht es dir? Du scheinst dir ja etwas schlimmes eingefangen zu haben, wenn du schon so abnimmst“, erkundigte er sich möglichst ruhig. Zugegeben, er machte sich doch ein wenig Sorgen um Hashirama, aber das musste er ja nicht gleich mitbekommen, immerhin schien es ihm inzwischen wieder besser zu gehen.

Dieser sah allerdings ertappt zur Seite und Madara bemerkte, wie der Senju immer nervöser wurde.

„Ja, es war echt nicht schön, aber jetzt geht es wieder halbwegs. Aber erzähl mal, wie das Training mit Izuna läuft. Fällt es ihm schwer, wieder zu kämpfen?“

Er wäre ein wirklich großer Idiot, wenn er Hashiramas Ablenkungsversuch nicht bemerkt hätte. Er konnte natürlich verstehen, dass es ihm unangenehm war, aber das konnte doch jeden treffen.

„Es muss dir nicht unangenehm sein, vor mir über die Tatsache zu reden, dass du krank geworden bist. Es ist ja nicht so, dass ich nicht weiß, wie sich das anfühlt. Aber ja, es fällt ihm schwer, wieder mit dem Kämpfen anzufangen. Sein Geist will wieder da weitermachen, wo er vor etwa zehn Tagen aufgehört hat, aber sein Körper kommt einfach nicht hinterher. Er ist ziemlich frustriert, aber das bekommen wir wieder hin. Dir wird es aber nicht besser ergehen, wenn du wieder mit dem Training anfängst.“

Hashirama lächelte verlegen.

„Ja, aber Tobirama wird schon aufpassen, dass ich mich nicht überanstrenge und mich am Ende verletze. Und da wir gerade von den beiden sprechen, kann ich ja auch zu dem eigentlichen Grund kommen, aus dem ich dich sehen wollte.“

Das war ja eine super Überleitung. Aber das war nun einmal Hashiramas Art: er konnte einfach keine guten Namen und Überleitungen finden. Madara lehnte sich zurück, indem er sich auf seinen Händen hinter dem Rücken abstützte.

„Na dann bin ich mal gespannt.“

Hashirama atmete kurz durch und sah Madara in die Augen.

„Bevor ich anfange, möchte ich dich bitten mir zuzuhören, ohne mich zu unterbrechen. Es wird dir nicht gefallen, was ich dir vorschlage, aber ich schwöre dir, dass es komplett ungefährlich ist und ich mir das gut überlegt habe. Also höre mich an, bevor du gleich Nein sagst, ok?“

Jetzt breitete sich langsam aber sicher ein sehr ungutes Gefühl in Madaras Bauch aus und er fragte sich, was Hashirama vorhatte.

„Ich versuche, mich zusammen zu reißen“, war Madaras Antwort auf Hashiramas Frage.

„In Ordnung. Also, ich möchte, dass Izuna und Tobirama zu eurem Clan zurückkehren und ihn von dem Friedensbeschluss in Kenntnis setzten. Sie werden-“

„Nein!“

Madara war schockiert. Wie konnte Hashirama nur auf die Idee kommen, dass er seinen Bruder mit diesem unerträglichen Menschen alleine reisen lassen würde?! Wer wusste, was er Izuna in den paar Stunden, in denen sie völlig alleine wären, antun könnte?!

„Madara, ich bitte dich, höre mir zu. Izuna wird nichts passieren. Ich habe schon mit Tobirama darüber gesprochen, er hat mir versprochen-“

„Es ist mir völlig egal, was er dir versprochen hat! Ich werde nicht zulassen, dass er mit meinem Bruder alleine reist! Hast du vergessen, wer schuld daran ist, dass wir überhaupt hier sind?! Vergiss es!“

Während seiner Rede sprang Madara auf und fing an, unruhig durch das Zimmer zu laufen. Das konnte doch nicht wirklich Hashiramas Ernst sein!

„Beruhige dich! Tobirama wird Izuna nichts antun, darauf hast du mein Wort.“

„Dein Wort? Was nützt es mir denn? Weißt du eigentlich, wie viele Menschen mir schon ihr Wort gegeben und es nicht gehalten haben? Ich hätte ihn schon einmal fast verloren, da gehe ich doch nicht ein solches Risiko ein!“

„Es gibt kein Risiko. Tobirama wollte deinen Bruder nie verletzen, es war ein Unfall und es tut ihm leid. Er hat mir geschworen, während ihrer Reise auf ihn aufzupassen und ihn zu beschützen. Er scheint ihn zu mögen. Bitte vertrau mir, Madara.“

Hashiramas Stimme war ruhig. Scheinbar versuchte er, Madara damit zu beruhigen, doch dieser ging noch immer aufgebraucht auf und ab und raufte sich die Haare.

„Du verlangst zu viel! Wieso müssen die beiden überhaupt gehen? Du kannst mich doch auch alleine schicken! Ich bin das Clanoberhaupt, ich kann ihnen genauso gut erklären, was jetzt passiert!“

Doch Hashirama schüttelte den Kopf.

„Wenn du alleine, ohne Izuna dort ankommst, werden sie denken, wir hielten ihn gefangen, um dich zu erpressen. Und euch beide loszuschicken, halte ich auch für keine gute Idee. Die Nachricht würde viel ehrlicher herüberkommen, wenn von beiden Clans jeweils ein Vertreter bei ihrer Verkündung anwesend wäre. Denk doch mal nach. Es ist ein großer Vertrauensbeweis, Tobirama ohne weitere Mitglieder unseres Clans zu seinem Schutz dort hinzuschicken. Genauso wie es ein großer Vertrauensbeweis ist, wenn du hier bei mir bleibst. Dadurch zeigen wir, dass es uns ernst damit ist.“

Auch wenn das halbwegs logisch klang, konnte Madara das nicht akzeptieren. Er war das Oberhaupt des Uchiha-Clans. Wenn er sagte, dass sie Frieden mit dem Senju-Clan schlossen, dann hatten das auch alle zu akzeptieren. Da war es auch egal, ob sie damit einverstanden waren, oder nicht. Und da war es auch egal, ob sie einen Senju als Stellvertreter für dessen Clan dabei hatten. Dachte Hashirama etwa, er hätte seine eigenen Leute nicht unter Kontrolle?!

„Madara, ich weiß, was du jetzt denkst“, sagte Hashirama, noch bevor der Uchiha etwas erwidern konnte. „Ich kenne dich gut genug, um zu wissen, dass du nach Argumenten suchst, die meine Ansicht widerlegen. Und ich habe auch vollstes Verständnis für dein Misstrauen. Aber du hast doch bestimmt bemerkt, wie Tobirama sich um Izuna kümmert. Er mag deinen Bruder und er wird ihm nicht weh tun.“

„Wenn du dich schon nicht von deinem Plan abbringen lässt, dann lass mich mit deinem Bruder gehen.“

Hashirama schloss die Augen und fuhr sich mit den Händen über das Gesicht.

„Nach einer halben Stunde mit ihm alleine hast du ihn fast erwürgt und ihm beinahe die Brustwarze abgebissen. Was glaubst du passiert nach mehreren Stunden? Ihr werdet euch gegenseitig zerfleischen. Du provozierst ihn und er provoziert dich, da ist es nur eine Frage der Zeit, wann einem von euch der Geduldsfaden reißt.“

Da blieb Madara stehen und sah Hashirama mit einem siegessicheren Grinsen an.

„Und da denkst du wirklich, es wäre eine prima Idee ihn mit meinem sehr geschwächten Bruder alleine reisen zu lassen? Izuna ist auch nicht auf den Mund gefallen, auch wenn er ein ruhigerer Mensch ist als ich. Wenn Tobirama anfängt, auch ihn zu provozieren, wird er nicht den Mund halten. Und irgendwann wird auch bei ihnen der Geduldsfaden reißen. Ich kann mich gegen ihn wehren, Izuna hingegen hätte in seiner jetzigen Verfassung keine Chance. Also vergiss es und lass mich mit ihm gehen.“

Doch statt sich seine Niederlage einzugestehen, lächelte Hashirama ihn nur übertrieben freundlich an.

„Du hörst mir nicht richtig zu, Madara. Ich sagte, Tobirama provoziert DICH. Er kommt mit deiner schwierigen Persönlichkeit nicht zurecht. Ihr seid euch sehr ähnlich, auch wenn du das nicht gerne hörst. Ihr seid beide sehr temperamentvolle Menschen, und wenn man euch zusammensteckt, fühlt ihr euch von dem jeweils anderen bedroht. Daher reagiert ihr mit einem Angriff. Man könnte sagen, ihr seid wie zwei Alphamännchen, die ihr Revier verteidigen. Izuna hingegen hat eine ruhige Persönlichkeit, deswegen hat Tobirama nicht das Bedürfnis, sich zu verteidigen. Außerdem sagte ich bereits, dass er deinen Bruder mag. Er spricht nur in den höchsten Tönen von ihm.“

Madara traute seinen eigenen Ohren nicht.

„Du hast uns gerade nicht wirklich mit wilden Tieren verglichen, oder? Wir sind doch keine Affen, die du beobachten und analysieren kannst! Und wo bitte soll der ein Alphamännchen sein?“

„Aber ich kann doch nichts dafür, dass ihr beiden euch wie welchen benehmt. Und er ist ein sehr bestimmender Mann, das kannst du nicht leugnen.“

Das war‘s! Er hatte sich genug von diesem Schwachsinn angehört.

„Ich gehe jetzt, Hashirama. Izuna wird mit Tobirama nirgendwo hingehen. Das ist mein letztes Wort.“

Madara wandte sich ab und ging auf die Tür zu, als er hinter sich erneut Hashiramas Stimme hörte.

„Madara, bleib stehen.“

Er klang dieses Mal hart und ließ keinen Widerspruch zu. Und auch wenn Madara so etwas für gewöhnlich kalt ließ, blieb er stehen. Er hatte Hashirama noch nie so autoritär erlebt. Er kannte ihn immer als den liebevollen und fröhlichen Mann, den er immer zu sehen bekam. Selbst während ihrer Kämpfe war er halbwegs freundlich. Aber nun erinnerte er Madara daran, dass er nicht umsonst das Oberhaupt des Senju-Clans war. Gut, wenn er jetzt den Anführer spielen musste, würde Madara es eben auch tun.

„Ich wüsste nicht, was ich noch mit dir zu bereden hätte“, erwiderte er ebenso kalt.

„Eine unbeglichene Schuld, würde ich sagen.“

Erschrocken riss Madara die Augen auf und war in dem Moment froh, dass er noch immer mit dem Rücken zu Hashirama stand und dieser seine Reaktion nicht sehen konnte. Das konnte doch nicht wahr sein! Da hatte er sich doch tatsächlich selbst in die Bredouille gebracht. Wieso hatte er nicht einfach seinen Mund gehalten, statt Hashirama zu erzählen, dass er sich dennoch in seiner Schuld sah.

„Das kannst du nicht von mir verlangen.“ Er hätte sich dafür ohrfeigen können, dass seine Stimme so brüchig klang. Er wollte dem Senju nicht noch mehr Angriffsfläche geben, als er es eh schon getan hat.

„Doch, das kann ich, und ich mache es auch.“

Noch immer stand Madara wie versteinert da. Das konnte er doch nicht machen. Wie konnte er da nur wieder rauskommen? Er musste sich schnellstmöglich einen Plan überlegen, um sich aus dieser Situation zu retten, doch alles, woran er denken konnte, war, dass er gerade kurz davor stand, seinen kleinen Bruder in Gefahr zu bringen.

„Madara, komm bitte her. Ich möchte dir etwas erzählen.“

Da war er wieder: der Hashirama, den er schon immer kannte. Er drehte sich zu ihm um, während er hoffte, dass er dazu in der Lage war, einen möglichst gefassten Eindruck zu machen.

„Jetzt komm endlich, ich beiße dich schon nicht.“

Madara schnaubte verächtlich und setzte sich in Bewegung. Als würde er Angst vor Hashirama haben. Erneut ließ er sich neben Hashirama auf dem Boden nieder und verschränkte abweisend seine Arme vor der Brust.

„Ich höre.“

Hashirama fuhr sich mit einer Hand durch die Haare und atmete schwer aus.

„Als Tobirama davon erfahren hat, dass ich deinen Bruder heilen möchte, war er dagegen. Er hat versucht, mich mit allen Mitteln davon abzuhalten, diese Fähigkeit zu benutzten. Aber er hat das nicht getan, weil er wollte, dass Izuna stirbt. Ganz im Gegenteil; er hatte großes Mitgefühl für dich empfunden. Er hatte Angst um mich.“

Er machte eine kurze Pause und atmete noch einmal tief durch. Madara bemerkte, dass es ihm nicht leicht fiel, das zu erzählen, daher beschloss er zu schweigen und Hashirama die Zeit zu geben, die er brauchte, auch wenn er doch ziemlich neugierig war, was denn dahinter steckte.

„Er hatte Angst, dass ich bei dem Versuch, ihn zu retten, sterben würde. Du musst wissen, dass ich mich nach jeder Heilung eine gewisse Zeit über nicht bewegen kann. Als ich einmal Tobiramas Knochenbruch behandelt habe, konnte ich drei Tage lang mein Schlaflager nicht verlassen. Jedenfalls wäre es durchaus denkbar gewesen, dass bei einer so tiefen Wunde auch mein Herz aufhört zu schlagen.“

Wieder machte er eine Pause und Madara wusste gerade nicht, wie er das Gehörte verarbeiten sollte. Hashirama hätte sterben können? Und dennoch hatte er sich dazu bereit erklärt Madara - seinem Feind - zu helfen. Verdammt, wie konnte er sein eigenes Leben so leichtfertig für ihn aufs Spiel setzen? Und das Schlimmste war, dass Madara nicht wusste, ob er für Hashirama das Selbe getan hätte, wäre es andersherum gewesen.

„Jedenfalls bin ich zusammengebrochen, bevor ich Izunas Wunde komplett verschwinden lassen konnte. Tobirama hat mich auf dem Boden liegend gefunden und mich in mein Zimmer gebracht. Ich konnte drei Tage lang keinen Muskel bewegen. Ich konnte zwar blinzeln und schlucken, was sehr vorteilhaft war, weil ich wenigstens nicht verhungern musste, aber das war es auch schon. Ich konnte keinen einzigen Finger rühren. Selbst sprechen konnte ich nicht. Himmel, ich musste mich von meinem kleinen Bruder füttern lassen. Weißt du, wie demütigend das war? Und dann behielt ich kaum etwas davon im Magen. Vor drei Tagen konnte ich dann meinen Kopf bewegen und ein wenig sprechen. Wobei man das Gekeuche kaum als sprechen bezeichnen konnte. Aber das wurde schnell wieder besser, wie du jetzt hören kannst. Meinen rechten Arm kann ich erst seit gestern bewegen, und den linken seit heute Morgen. Wobei das Gefühl in ihm noch immer nicht ganz zurück ist. Es fühlt sich an, als wäre er eingeschlafen. Jedenfalls bin ich noch immer nicht in der Lage, meine Beine zu bewegen oder mich aufzusetzen, ohne mich abstützen zu müssen. Weißt du, warum ich dir das erzähle?“

Hashirama sah Madara an, doch dieser reagierte nicht auf die offensichtlich rhetorisch gemeinte Frage und starrte auf den Boden.

„Ich mache das, weil ich dir vertraue. Ich vertraue darauf, dass du diese Information nicht an irgendjemanden weitergeben oder es sogar selbst ausnutzen wist. Und daher bitte ich dich: vertraue auch du mir. Tobirama wird Izuna nichts antun. Nicht nach all den Sachen, die ich ertragen musste, nur um ihn zu retten. Auch er ist die Kämpfe leid.“

Ohne zu wissen, wie er jetzt auf das Gehörte reagieren sollte, sah er Hashirama an. Dieser schien das zu bemerken, denn er strich ihm mit seiner rechten Hand beruhigend über den Rücken.

„Keine Sorge, mich wirst du nicht so schnell los“, sagte er dann lachend, was Madara dazu brachte, ebenfalls zu lächeln. Er wünschte sich in diesem Moment, er könnte sagen, dass er ihn nicht um diesen Gefallen gebeten hätte, wenn er gewusst hätte, welchen Preis Hashirama dafür zahlen musste. Doch er konnte nicht. Es wäre eine riesen große Lüge, und er wusste, dass Hashirama sie sofort durchschauen würde.

„Auch wenn es mir schwer fällt, werde ich dir vertrauen. Ich bin dazu bereit, Izuna und Tobirama gemeinsam zu meinem Clan zu schicken. Aber nur unter der Bedingung, dass auch Izuna damit einverstanden ist. Und sollte Tobirama ihm auch nur ein Haar krümmen, werde ich ihm bei lebendigem Leib die Haut abziehen, das schwöre ich dir.“

„Dazu wird es nicht kommen“, sagte Hashirama noch immer leicht lächelnd.

„Das hoffe ich sehr“, war alles, was Madara sagte, bevor er Hashiramas Zimmer wieder verließ und sich auf die Suche nach seinem Bruder machte. Worauf hatte er sich da bloß eingelassen?



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